Ersteinmal, danke an Teylen, die mich daran erinnert hat, hier etwas genauer zu sein: Es ist gut möglich, dass manche PbtA Systeme manche der bisher vorgebrachten Kritikpunkte besser erfüllen, als andere. Ich habe mich hier bisher explizit auf the Sprawl bezogen, weil das als einziges konkretes Beispiel genannt wurde. In dem von Teylen jetzt genannten Apocalypse World ist das zum Beispiel anders; da wird etwa nirgendwo explizit gemacht, dass MC Moves weniger harte Regeln sind als andere. Ich wäre nicht so hundertprozentig sicher, dass sich das nicht mit den Aussagen in the Sprawl verträgt, aber das kann man sicher so lesen, und kann auch so kritisiert werden
Zweitens habe ich ja schon gesagt, dass ich nicht ganz bei Lush Woods bin, was die "Optionalität" angeht. Ein Spiel schreiben und dann behaupten, die Regeln wären alle Optional, ist dieser alte "Goldene Regel"-Schachzug, der meiner Ansicht nach zu Recht kritisiert wird. Die Regeln im SL Kapitel (wieder hier bezogen auf das "The Sprawl" Beispiel) sind meiner Ansicht nach nicht optional, sondern
weich. Das ist der Unterschied zwischen einer "Richtlinie" und einem starren Gesetz (das eine dient zur Inspiration und Orientierung, das andere ist strikt zu befolgen).
Prinzipiell sollte ein spaßiges Spiel rauskommen, wenn man RAW spielt; die "Sprawl" Interpretation finde ich nur attraktiver als AW an dieser Stelle, genau weil man sonst zu einer Interpretation kommen kann, die nach starrem Korsett ausieht.
Letztlich noch zu der These, wenn MC Moves optional wären, hätte der SL nichts mehr: Natürlich hat der Spielleiter dann noch einige andere Sachen zu tun. Die Fiktion vorantreiben, die Spielwelt und NSCs darstellen ist schonmal eine der wichtigsten (wenn nicht die wichtigste) Aufgabe(n), die ich als SL in RPGs grundsätzlich für mich sehe. Eine andere Frage ist es, ob man dann noch Regeln hat. Darauf lässt sich erwiedern, dass es natürlich auch ohne MC Moves noch Regeln gibt, die den SL betreffen; sehr viele Züge aus des Playbooks beispielsweise weisen ja den SL an, in bestimmter Weise zu reagieren. Außerdem gilt für mich was ich oben gesagt habe: Die Regeln für den MC sollten imho nicht alle weggelassen, sondern nur nicht so starr interpretiert werden.
Um wieder zur Subjektivität zurückzukehren: Ich hatte als SL für Dungeonworld noch nie das Gefühl, zu wenig zu tun zu haben oder unterfordert zu sein, fühlte mich aber auch nicht orientierungslos (dazu habe ich ja die SL-Systeme). Aber hier auch von meiner Seite dann etwas Kritik: Manchmal, gerade wenn man von anderen Systemen kommt und wenn man die Prinzipien beachtet, ist es schon manchmal unklar, wie man reagieren sollte (Stichwörter, die denke ich bisher auch genannt wurden: unterschiedliche Schwierigkeiten für bestimmte Situationen; Handlungen der Spieler die spannender wären wenn sie ungewiss sind, aber zu denen kein richtig passender Move bereit steht; Spieler versucht irgendwelchen Kram der unpassend wirkt). Diese Situationen kann man öfters lösen, indem man sich an dem vorgegebenen System orientiert, oft ist das aber weder offensichtllich - hier kommt die nötige Spielpraxis ins Spiel, die die SL-Hilfen ja eigentlich ausmerzen soll - noch imho sonderlich elegant.
Edit: Ah, noch ein Disclaimer - ich besitze bei weitem nicht alle PbtA Spiele (AW, DW, Sprawl, Urban Shadows, Monster of the Week, The Veil, Uncharted Worlds, City of Mist und, wenn das eins ist, Blades in the Dark) und habe nur eines (DW) intensiv gespielt (mehrfach als Spieler und SL), daher kann es gut sein, dass mir die Kritikpunkte bei anderen Spielern auch stärker auffallen würden, und meine Repliken haben keinerlei Allgemeingültigkeitsanspruch. Bisher war mein Hauptanliegen wie gesagt, den Text von the Sprawl, der als Beispiel im Raum stand, nochmal in Erinnerung zu rufen.
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2: Bitte entschuldigt die vielen nachträglichen Änderungen am Beitrag, ich gelobe, in Zukunft die Vorschaufunktion intensiver zu nutzen.