Das dürfte zum allergrößten Teil tatsächlich auf die Verschiebungen im Mainstream zurückgehen. Wenn Rollenspiel nicht mehr gar so sehr obskurer Nerdkram ist, entfällt eben das einzige wirklich greifbare "Gate", das potentielle Spieler flächendeckend abgehalten hat: Die soziale Hürde, nicht mit den komischen Nerds abzuhängen.
Ich kenne meine Runden von Anfang an nur divers. Das wird anderen da anders gegangen sein, wo die sozialen Zirkel einfach anders strukturiert waren - dann sehen natürlich auch die Runden so aus.
Kann gut sein! Ich würde einfach empfehlen: Weiter mit unterschiedlichen (gerade auch fremden) Leuten drüber reden, das ist oftmals sinnvoller als Statistik, aber in diesem Fall definitiv, weil wir nur sehr selten vernünftige Statistik kriegen. Ich habe bspw. auf dem Convention-Zyklus von einer Menge Leuten gehört, die dem Hobby jahrelang ferngeblieben sind, weil es sich nicht so angefühlt hätte, als wäre es für sie. Oft ging es dann bspw. auch um Indie-Spiele oder P&P online, wo die Leute einen Zugang gefunden haben.
Am Ende ist die Frage halt auch: Geht irgendwas kaputt, wenn man es auf gut Glück versucht? Sicher greifen Firmen da manchmal ins Klo, aber dann kriegen sie ja auch auf die Mütze, und tendenziell sehe ich halt echt lieber einen misslungenen Versuch als ein Festhalten an altem.
Ergo ist die Prämisse: losgelöst vom Hintergrund sollen/dürfen böse Völker nicht andershäutig, als weiß sein, damit das Thema nicht rassistisch ist?
Erkläre mal bitte den logischen und nicht-rassistischen Umkehrschluss Deiner Meinung, Zwiebel. Danke ... ich stehe da nämlich etwas auf dem Schlauch.
Okay, das ist eine interessante Frage! Und ich sollte an der Stelle vielleicht einmal erwähnen, dass ich natürlich nur von meiner (sehr, SEHR weißen) Perspektive aus plappere.
Ich würde erstmal eine Ebene tiefer gehen und sagen, dass das Grundproblem nicht die Hauptfarbe, sondern die Idee eines "bösen Volks" ist. Du hast ja bspw. auch viele Fantasy-Medien wie The Witcher, die auf sowas verzichten und die echten "Monster" zumindest teeeeendenziell als bestialische Tiere, individuelle Untote etc. gestalten. Das heißt NICHT, dass die Völker da nicht rassistisch sind, und man kann sich durchaus fragen, ob bspw. die Elfen nicht auch problematische Assoziationen hervorrufen, aber du hast auf einen Schlag eine ganze Ebene an Problematik aus dem Spiel genommen, weil du nicht immer die Grundannahme im Rücken hast, dass der Großteil dieses Volkes BÖSE ist und entsprechend negative Charaktereigenschaften braucht.
Ich denke aber mal, deine Frage geht eher von der Grundannahme aus, dass wir böse Völker haben wollen, weil ... D&D eben.
Das Grundproblem oben schleicht sich imho aber trotzdem immer mal wieder mit rein, selbst wenn wir die Grundannahme ändern.
Okay, ich schau mir mal an, wie man Hautfarbe und "Bösartigkeit" zusammenbringen kann. Ich denke, entscheidend ist immer der Kontext.
Option #1: Eine komplett neue Fantasy-Welt, ohne D&D-Historie
Hier wäre das Ganze wahrscheinlich einfacher. Da müsste man vor allem vermeiden, a) realweltliche Vorurteile heraufzubeschwören und b) den eigenen Rassismus durch pure Statistik einfließen zu lassen – die beiden Punkte gehören aber zusammen. Also müsste man bspw. darauf achten, nicht den absoluten
Großteil der "bösen Völker" dunkelhäutig zu machen und Gegenpole zu haben. Man würde auch darauf achten, die "
Gründe" der Bösartigkeit von realen Vorurteilen zu trennen. Bspw. könnte ja mal ein dunkelhäutiges "böses Volk" die Rolle der ausbeuterischen Kapitalisten einnehmen, für das Fantasy-Autoren sonst lieber die Judenklischees aus dem Sack holen, nicht immer nur die Wilden, Unzivilisierten. Oder dass halt nicht die MEISTEN dunkelhäutigen Völker in irgendeiner Form "unzivilisiert" sind. Und zuletzt, c) muss man gucken, wie genau man vereinfacht. Was trifft auf ALLE zu, was ist nur, kA, eine bestimmte gesellschaftliche Schicht? Ist das Volk überhaupt größtenteils dunkelhäutig oder gibt es verschiedene Gruppen? Hier kommt aber ganz extrem das grundlegende Problem oben ins Spiel, denn die Realität hat nun mal keine "bösen Völker"! Man muss also vereinfachen.
Also ja, imho "darf" man böse dunkelhäutige Völker haben, aber wenn man es wirklich ernst nehmen will, ist es hart. Wir haben nun mal eine MENGE an Rassismus und Vorurteilen.
Option #2: Im Kontext von D&D
Hier wird es schwieriger, und frustrierend, denn D&D bringt nun mal seine eigene Vergangenheit und seine eigene Statistik mit. Nur ein Beispiel: Wann immer ich ein böses dunkelhäutiges Volk in D&D will, sollte mir bewusst sein, dass die Monsterbücher schon immer voll von diesen Völkern waren, und dass die "guten" Standardspielervölker lange als hellhäutig dargestellt wurden. Ich baue also zwangsweise auf einem rassistischen Fundament, und dadurch gibt es eine Menge (statistischer) Fallstricke, zumal D&D-Spieler natürlich prinzipiell erwarten, dass sie mindestens mal ihre Standardvölker spielen und Goblins bekämpfen dürfen. Dasselbe gilt für die Historie: Wenn ich irgendwas mit den Drow mache, muss mir bewusst sein, dass sowohl der Fantasy-Mainstream, aber auch die D&D-Spieler ein Bild der Drow im Hinterkopf haben. Und EGAL was ich daraus mache? Dieses Bild wird auch ein Teil der neuen Drow sein, wenn ich nicht gerade mit Gewalt dafür sorge, dass das alte Bild nicht mehr passt. (Und dann stellt sich die Frage: Warum nehme ich überhaupt die Drow? Und wenn ich sie nicht nehme: Ist das noch D&D?)
Also ja, dunkle Hautfarbe & Bösartigkeit im Kontext von D&D gehen sicher auch, dürften aber FUCKING schwierig sein.
Deshalb sehe ich in den Maßnahmen der Wizards (wie auf Seite 1 gesagt) auch eher ein nettes kleines Pflaster für eine eiternde Wunde. Rassismus ist nun mal sehr tief in der Gesellschaft verankert, und damit natürlich auch in den Medien, gerade den älteren. Das lässt sich definitiv nicht durch ein paar kleine Maßnahmen ändern. Heißt das, dass man wahlweise "kein D&D mehr spielen darf" oder sowieso nichts dran ändern kann? Nee, mein ganzer Schrank ist ja voll davon, und ich gehe gerne mal Goblins schlachten. Aber ich denke persönlich, es ist eine gute Gelegenheit, um das Ganze zu reflektieren und offen für Veränderungen zu bleiben. Rhyltar hat ja auch schon ausgiebig beschrieben, wie sich die Drow über die Zeit geändert haben, und heute sieht D&D faktisch anders aus als vor dreißig Jahren. In dreißig Jahren wird es wieder anders aussehen, u.a. durch die Diskussionen und Maßnahmen, die wir hier besprechen. Sonst hätte schließlich niemand das Bedürfnis, darüber zu diskutieren.
Also ja, von mir aus sollen sie die dunkelhäutigen "bösen Völker" lieber drin lassen und stattdessen einen dicken Kasten ins Buch setzen, der das Ganze kontextualisiert. Darum geht es schließlich: Kontext. (Jemand hatte auch richtig angemerkt, dass die Neuerungen jetzt "nur" eine alternative Regel ist – Richtig, aber vielleicht sieht es bei der nächsten Edition anders aus.) Das Spiel verändert sich also mit dem Kontext, und der Kontext mit dem Spiel.