Ich habe gerade leider nicht genug Muße, dass Thema komplett zu durchdenken, finde es aber sehr interessant.
Auf den ersten Blick würde ich ganz gerne unterscheiden, welcher Art die Rückschläge sind. Manche dieser Rückschläge haben nur bedingt oder gar nicht etwas mit den Handlungen der Protagonisten (SC) zu tun (die erneute Entstehung der Weißen Wanderer oder das es überhaupt wieder Winter wird in GoT). Ist das dann überhaupt noch ein Rückschlag in diesem Sinne?
Andere Rückschläge haben direkt mit den Handlungen der SC zu tun, ergeben sich vielleicht aus deren Versagen (die Frage ist dann, ob man das Spielerversagen mit hinzunimmt oder nur SC-Versagen nimmt (also letztlich Würfelpech und Unfähigkeit?)).
Was viele vielleicht als Negativbeispiel kennen ist dieser eine Railroad, der die SC das McGuffin wieder verlieren lässt, was sie mühsam errungen haben. Das ist die Art von Rückschlägen, die ich persönlich auch nicht mag.
Ich habe das jüngst auch selber mal wieder in einer meiner Runden erlebt, wo ein NSC, dem die SCs vertraut haben, sich als Verräter herausstellte, und die SCs hatten ihm unwissentlich sogar das Artefakt, das er zur Weltzerstörung brauchte, in die Hände gespielt. War alles ganz elegant eingefädelt, die Hinweise waren von Anfang an da, aber so subtil, dass es erst im Nachhinein klar wurde. Der SL war bestimmt sehr stolz auf sich. In dem Falle war es nicht mal im engeren Sinne gerailroadet, aber es war erkennbar genau das, was der SL geplant und bezweckt hatte. Ich fand es doof. Was mich zu dem Schluss führt, dass das Problem nicht nur das Railroading an sich ist.
Ich war natürlich nicht dabei, aber das ist etwas, was ich als Spieler rein deiner Beschreibung nach ganz cool fände. Wenn ich es selbst hätte lösen können, es aber verbockt habe, dann finde ich es auch spannend zu erfahren, wie ich aus der Situation noch rauskommen kann.
Ich denke, man sollte differenzieren zwischen dem Rückschlag als Teil der Handlung, einerseits, und den Spieltechniken, mit denen der Rückschlag herbeigeführt wird, andererseits. Am Spieltisch: Geht es da um Macht, um Entwertung von Spielerbeiträgen, um Täuschung, Railroading? Und ist es eigentlich wirklich ein großer Unterschied, ob der Spielleiter im engeren Sinne railroadet, oder ob das Szenario einfach von Anfang an so angelegt ist, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist, ohne dass dies im Ausgangspunkt für die Spieler erkennbar ist? Letzteres ist vielleicht eleganter, aber meines Erachtens im Ergebnis gleichwertig.
Ich finde es sehr wichtig, da zu unterscheiden. Dass die White Walkers samt Winter wiederkommen, ist ja sozusagen Voraussetzung für das große Ganze. Die Autoren der G7 - man muss das natürlich im damaligen Kontext sehen - haben m. E. den Fehler gemacht, dass sie die Rückkehr Borbarads einerseits genau festgelegt haben, andererseits genau dieses Event als Abenteuer erlebbar gemacht haben. Das funktioniert halt nicht. Apollo Creed muss auf die Bretter gehen, damit das Finale zwischen Rocky und Ivan Drago steigt. Wenn Apollos Niederlage verhindert wird, wird der Rest des Filmes nicht mehr stattfinden. So ist es auch bei Borbarad. Deshalb gibt es diese - durchaus zurecht - als Railroading empfundenen Episoden schon direkt zu Anfang, als man weder seinen Wiedereintritt in die 3. Sphäre, noch seine Körperlichwerdung, verhindern kann. Eleganter wäre es vermutlich gewesen, es einfach zu setzen, dass Big B wieder da ist und die Abenteuer (Alptraum ohne Ende, Unsterbliche Gier) als Boni oder Mali für einen späteren Kampf gegen ihn zu schreiben (im Ergebnis könnten sie damit nämlich fast gleich bleiben).
Ob die Vorprogrammierung eines Scheiterns als negativ empfunden wird, kommt meinem persönlichen Geschmack nach stark darauf an, was überhaupt gespielt wird. Mir fällt spontan das wunderschöne RPG "Polaris" ein (das alte Polaris), in dem das Scheitern einfach von Anfang an gesetzt ist. Dennoch kann man mit diesem Spiel sehr viel Spaß haben.
Apropos Spaß: Das Spielerlebnis bei Rückschlägen ist schon etwas anderes. Es macht in diesem Moment vielleicht keinen richtigen Spaß, aber dennoch viel Freude im Gesamterlebnis. Letztendlich hofft man - und so sollte es natürlich auch irgendwie sein - auf einen Sieg trotz aller Rückschläge. Das hängt glaube ich auch sehr an einem persönlichen Empfinden dafür, wie lange man bereit ist, auf einen Payoff zu warten. Insbesondere im Kampagnenspiel bin ich als Spieler da aber sehr geduldig und erwarte das eigentlich auch von meinen Spielern, wenn ich selbst Kampagnen leite.
Braucht man das alles überhaupt? Wenn man ergebnisoffen spielt, sowieso nicht. Aber selbst wenn man dramaturgisch spielt, kann man überlegen, ob es bessere Techniken, kooperative Techniken gibt, um Rückschläge ins Spiel zu bringen. Oder ob man auch im dramaturgischen Spiel vielleicht besser daran tut, sich ganz altmodisch auf die Spielregeln zu verlassen und Rückschläge nur dann einzubauen, wenn die Spielregeln solche eben ausspucken, sodass die Spieler nicht dieses Gefühl haben, sich umsonst angestrengt zu haben.
"Wenn man ergebnisoffen spielt, sowieso nicht." - Ich bin nicht sicher, ob ich diesen Widerspruch so sehe. Auch im ergebnisoffenen Spiel hast du ja vielleicht bestimmte Entwicklungen des Settings - also Dinge, die die SC nicht direkt beinflussen (können) - die die Gruppe als Rückschlag empfindet ("och nö, jetzt grassiert hier auch noch die Pest!").
Und in der Fiktion: Was für eine Funktion haben Rückschläge dramaturgisch und welche Art von Rückschlag stellt eigentlich einen Gewinn dar?
Als erstes fällt mir da ein, dass sich durch einen (guten) Rückschlag ein neuer Spannungsbogen ergibt.
Fairerweise gibt es ja schon solche Romane und Filme, wo die Protagonisten eigentlich die ganze Zeit einen Nackenschlag nach dem anderen bekommen und dann auch noch selber alles falsch machen, bis sich dann ganz am Ende alles wendet. Ich kann sowas nicht ertragen, andere scheinen sich da aber weniger dran zu stören. Das sind dann vielleicht auch die, die mit so was wie den G7 besser leben können?
Ja, vielleicht ist das so. Ich bin kein Freund Protagonisten, die die meisten Zeit auch selbst noch alles falsch machen, aber ich habe eine gewisse Leidensfähigkeit, wenn ziemlich lange erstmal alles gegen sie läuft. Da mir aus dem Romanbereich nichts einfällt, nehme ich mal ein Beispiel aus dem echten Leben: "Der lange Weg zur Freiheit" (Nelson Mandela) tut eigentlich die ganze Zeit nur weh. Wenn mich jemand fragt, ob es Spaß macht, dieses Buch zu lesen, sage ich nein. Aber es hat mich doch mit einer gewissen tiefen Freude erfüllt. Auf den Payoff musste der Protagonist in diesem Fall selbst halt sehr lange warten.