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[Deadlands] Savage West Solo Play

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Ja, Miss Lancaster, gute Frage, das wüsste ich auch gerne. Als wir unsere beiden Verschollenen zurückgelassen haben, waren sie gerade vom Geisterschiff Vostros entkommen, nach dem Szenario „Lost in Space“ von Shadows of Brimstone, dessen Name sich für sie allzu deutlich bewahrheitet hat. Sie wurden aus ihrer Rettungskapsel geborgen von einer militärischen Organisation, die sich EXFOR nennt.

Soundtrack: Michael Wyckoff, Elevator to Space 1.0
https://www.youtube.com/watch?v=vJQEz_k0ANk

Rex Shadrack sitzt unbewegt auf der Pritsche in seiner winzigen Zelle. Alle Materialien um ihn her scheinen ihm fremdartig, seltsam stromlinienförmig — die Zelle ist mit Plastik ausgekleidet, die Pritsche und das winzige Spülbecken bestehen daraus. Unaufhörlich dringt das leichte Dröhnen der Triebwerke an Rex‘ Ohren, genau wie an Bord der verfluchten Vostros, aber regelmäßiger, als sei das Flugschiff, in dessen Eingeweiden er sich diesmal befindet, deutlich neuerer Bauart. Nicht gänzlich neu, dazu sind alle Oberflächen zu verkratzt und verfärbt nach Jahrzehnten der Benutzung. Aber zumindest kein mit letzter Kraft fliegendes Wrack.



Seine Wunden sind nach der Bergung gekonnt verarztet worden, und mittlerweile weitgehend verheilt, das spricht dafür, dass einige Tage vergangen sind.

Shadrack kneift sich in die Nasenwurzel, seine Augen brennen. Der Geruch hier drin ist betäubend, es riecht wie eine Apothekertasche. Die Soldaten scheinen ihn nicht nur gefangen halten zu wollen, diese Zelle scheint auch der Dekontamination zu dienen. Die Kerle — und, merkwürdigerweise, auch Weiber — in den klobigen Uniformen schienen ziemlich beschissen besorgt zu sein wegen dem Auftauchen von ihm und Wickett. Sie hätten offensichtlich nicht erwartet, Lebende von Bord der Vostros zu bergen, so weit draußen, in …
„Faraway …“, murmelt Shadrack erneut, gedankenverloren, fasziniert.

Was gäbe er dafür, seine Hexschüsser zu warten, zwei meisterlich gravierte Smith & Wesson American, die beweglichen Teile auseinanderzubauen, wieder zusammenzusetzen, das beruhigt ihn immer. Ein paar neue Runenkugeln vorbereiten müsste er auch. Die Scheißgesichter haben ihm alles abgenommen, er hat verdammt nochmal nichts mehr außer so einer Art von synthetischer Stoffunterwäsche. Sein Zeitgefühl ist endgültig im Eimer, und die Zelle hat keine Fensteröffnungen, aber er glaubt, dass Tage vergangen sein müssten, seit sie ihn hier rein gesteckt haben. Die Intervalle, in denen ihm die drecksbescheuerten, geschmacklosen Nahrungs-Klötzchen gelegentlich rein gereicht werden, sind kein Indikator für die vergangene Zeit, denn so unliebsam diese Mahlzeiten auch sind, sie halten ewig vor. Seine Abfütterung geschieht demnach nicht dreimal täglich, sondern wahrscheinlich eher einmal täglich. Die meiste Zeit hat er geschlafen, und wirre Träume gehabt, vom Nachthimmel, von futuristischen Maschinen, und von Kalifornien, von Neuengland … zuhause.

Die schmale Sicherheitstür öffnet sich, und einer der Soldaten tritt ein, die in dickem Gummi steckende Waffenhand bedrohlich auf den Griff seiner großkalibrigen Pistole gelegt. Er sieht Shadrack unverwandt an. Die Tür schließt und versiegelt sich zischend, selbsttätig, wie von Geisterhand.



„Sind wir bald da?“, blafft Shadrack ihn unvermittelt an, selbst erstaunt, wie viel Kraft immer noch in seiner schnarrenden Stimme ist, und er erfreut sich zynisch daran, den Kerl leicht zusammenzucken zu sehen.
„Ich stelle die Fragen hier“, stellt der Mann fest, auch er hat einen hörbaren Akzent, es ist einer der Osteuropäer. Was zum Henker machen Europäer, Inder, und Japaner gemeinsam in einer Militäreinheit?
„Dann fragen Sie, ich kann gerade eh nicht gut weg“, krächzt der Gefangene.
„Die andere aus Ihrer Rettungskapsel. Ist die ein Syker?“
„Ein was?“
„Ein Syker, Du Arschloch. Hat die womöglich transplantierte Haare, um undercover zu ermitteln! Wir wollen das sofort wissen.“
„Oh, das Halblut, die ist was ganz besonders Feines. Da kann ich Dir nur raten, Abstand zu halten. Macht sie Euch wohl Schwierigkeiten, Jungchen?“
„Hör‘ zu, Du Scheiß-Zivilist. Wir haben eine ganze Menge Fragen an Euch, wie Ihr von Bord der Vostros kamt, und so weiter, und so weiter. Aber die EXFOR hat geschultes Personal dafür, das sind nicht wir. Wir haben Euch nur abzuliefern. Uns geht Ihr beiden einen Scheißdreck an. Sobald wir on-planet sind, übergeben wir Euch, und dann gibt‘s nichts, was Ihr nicht berichten werdet. Während dem Flug interessiert uns das nicht. Wir wollen nur wissen, was unmittelbar sicherheitsrelevant ist für die Mission. Dazu gehört: Ist das Babe ein Syker! Und glaub‘ nicht, dass Du mich verscheißern kannst.“
„Ja ja, ich kooperiere gerne, Pardner, ich weiß ja, wie’s im Krieg läuft. War meinerzeit selber schon in einem. Was für Schwierigkeiten macht Sie Euch denn?“
„Der Soldat, der ihr die Mahlzeiten bringt, legt mittlerweile leicht merkwürdiges Verhalten an den Tag. Wir können nichts genaues sagen. Ein paar von uns glauben, da könnten psionische Kräfte im Spiel sein. Aber von der Psychic Legion übrig geblieben ist die nicht, dafür ist die zu jung! Und Kopfhaare hat sie ja auch. Cyberimplantate sind das auch nicht, wir haben Euch beide gründlich gescannt. Also, was ist da los? Vielleicht ein Greenie? Erzähl‘ mir nicht, dass Ihr Euch nicht genauer kennt, Ihr sollt beide dieselbe bescheuerte Hinterweltler-Kleidung angehabt haben, hat der Bergungstrupp erzählt!“
Shadrack dämmert es: May B. verwendet wahrscheinlich die Hexenkunst mit ihrem Knöcheltattoo, um die Soldaten nach und nach zu manipulieren ...
„Wie äußert sich denn dieses merkwürdige Verhalten?“
„Unterschwellig ... Identifikation mit der Gefangenen! Das ist sehr bedenklich, wir sind hier an Bord eines Bergungsschiffes der EXFOR, da hat es keine Unregelmäßigkeiten in den Abläufen zu geben!“
„Was ist das, diese EXFOR?“, lässt Shadrack sich hinreißen, zu fragen.
„Ich stelle hier die Fragen, Arschloch, habe ich schon gesagt. … Außerdem müsstet Ihr schon einen ordentlichen Hirnschaden davon getragen haben in Euren Cryo-Kabinen, wenn Ihr nicht mehr wisst, was die EXFOR ist! Die hat immerhin damals den Start der Vostros überhaupt ermöglicht, und es war ein ganzes Regiment mit an Bord!“
Shadrack versucht sich seine Beunruhigung nicht anmerken zu lassen. Psychic Legion? Hundsgewöhnliche Soldaten, die vom Übernatürlichen sprechen, als sei es ein Werkzeug? Dann kommt ein noch erschreckenderer Gedanke in seinen paranoiden Verstand: Vielleicht ist diese EXFOR keine Armee, wie er bisher angenommen hat, sondern … eine Art Geheimdienst! Wie die Pinkertons und Texas Rangers seiner Zeit! In deren Händen will er sich ganz und gar nicht wiederfinden!

„Hör‘ zu, Jungchen, das alles ist kein Grund, den Verfolgungswahn zu kriegen, und ich weiß wovon ich spreche. Ich kenne das Halbblut, wie sagst Du gleich?, das Babe, die Haare sind schon echt, die ist keine Eurer Syker. Derart schöne Frauen haben eine gewisse Wirkung auf uns Kerle, das ist alles. Wir warten geduldig ab, bis wir mit Eurem geschulten Personal reden, schon recht. Und wir berichten unsererseits alles, was hier an Bord gewesen ist. Haarklein, wir haben beide ein sehr genaues Erinnerungsvermögen, die und ich. Wenn wir von unprofessionellen Crewmitgliedern berichten müssen, die von der Psychic Legion faseln und abergläubisch daher reden, kann die eine oder andere Karriere ganz schnell abrupt enden.“

Shadrack versucht also, den Spieß umzudrehen und den Soldaten einzuschüchtern. Er bekommt natürlich -2 für den Versuch, weil er hier gerade in der deutlich schwächeren Position ist, das gleicht sich dann mit seinem Menacing-Bonus aus. Igitt: Eine 1 und eine 2, fast verpatzt.

Der Soldat verpasst Shadrack unvorbereitet einen Kinnhaken, die Lippe des Gefangenen springt auf, er schmeckt Blut.
„Und pass‘ Du besser auf, was in unserem Bericht steht, wenn wir Euch Bastarde den Bodentruppen übergeben! Könnte weniger angenehm werden als hier in der Zelle, Du Hundesohn, hier könnte vergleichsweise ein Luxushotel sein!“

Die Orakelwürfel entscheiden, dass der Soldat damit nun versucht, den Hexslinger einzuschüchtern. Er wirft einen W8, aber hat eine eins! Seine Stimme war unsicher am Überschnappen, als er das mit dem Luxushotel gesagt hat.

Shadrack erhebt sich wortlos von seiner Pritsche, und fixiert den jüngeren Mann mit seinem Killerblick. Dieser spuckt ihm wütend vor die Füße, drückt einen Knopf an seinem Ausrüstungsgürtel, und tritt seitlich durch die sich zischend öffnende Zellentür nach draußen.

Daraufhin machen wir mal einen GM Move, und bekommen das, was Shadrack am dringendsten brauchen kann: Reveal a New Detail.

Eine dunkelhäutige Soldatin auf dem Gang meldet in dem Moment, bevor die Zellentür sich wieder schließt einem Offizier: „Chanoukara ist laut Berechnungen in günstiger Konstellation, Sir. Landeanflug auf Banshee also in weniger als siebzehn Stunden.“
Shadrack würfelt Occult, und erkennt das Wort wieder von der Erde, Banshee … die mythologische, schreiende Todesfee aus der Vorstellungswelt der alten Kelten? Was für ein Ort ist das, an den sie gebracht werden sollen?


Rakesh erscheint zehn Stunden später erneut in May B.s Dekontaminationszelle. Dass diese nur zwanzig Meter von der von Shadrack entfernt ist, weiß sie nicht.
Sie fährt aus ihrem nervösen Dämmerschlaf auf, ihre Augen sind dunkel umrändert vom Gewisper der Manitous in der Schwärze jenseits der Außenhülle des Sternenschiffes, das sie sich gelegentlich einbildet, zu hören.
Sofort nimmt sie ihre Scharade wieder auf: „Da bist Du ja, Liebster!“, raunt sie in brüchiger Stimme, zieht die Beine an sich heran, so dass Rakeshs Blick auf ihr nacktes Fußgelenk fallen muss.

Sie verwendet Beguile, wie mehrmals zuvor. Der Soldat setzt eine lausige eins auf seinem Spirit-Würfel dagegen, dadurch ist ihr Resultat sogar ein Raise. Dies erneuert den Liebesbann für viele weitere Stunden. Völlige Hingabe leuchtet in seinen Augen, als er das Objekt seiner Begierde wiedersieht.
Die Automatiktür schließt sich. Rakesh darf keinesfalls länger als fünf Minuten mit der Gefangenen reden, sonst schöpfen seine Vorgesetzten Argwohn. Er hat aber geschafft, es so zu drehen, dass er immer derjenige ist, der ihr das Essen bringt. Sie knutschen einigermaßen heftig. May B.s Mund fühlt sich nach dem Halbschlaf zwar an, als sein ein räudiger Biber auf ihrer Zunge verendet, aber den liebestollen Soldaten scheint der schale Geschmack nicht im Geringsten zu stören.
Die Hexe macht sich mit Bestimmtheit los von ihrem Charmeur, und wispert, „Hast Du gute Neuigkeiten für uns, mein Liebster? Wann kannst Du mich von hier erretten?“
„Oh mein schwarzer Schmetterling, wir sind beinahe am Ziel! Sobald das Schiff auf dem Rollfeld aufgesetzt hat, tue ich alles wie verabredet. Ich sprenge Deine Ketten! Ich erlöse Dich aus dieser unmenschlichen Zelle! Ich bahne uns einen Weg hinaus in die Wüste, mit meinem Blaster in der Hand, wenn ich muss!“
„Nein Rakesh, kein Blutvergießen! Und vergiss‘ nicht: Du musst unbedingt auch die Zelle von Rex öffnen, meines dümmlichen Untergebenen! Wir brauchen seine Knechtschaft dort draußen noch!“
„Ja, ja …“, wiegelt Rakesh ab, und küsst sie weiter, Rex Shadracks Wohl ist ihm ein kleines bisschen weniger wichtig.
„Wie weit ist es noch?“, bringt May B. hervor.
„Nur noch knapp sieben Stunden, Geliebte! Ich habe zwischendurch geschafft, all Eure Beschlagnahme aus dem Frachtraum zu stehlen, und sie in Marschrucksäcke gepackt. Sie sind griffbereit. Alles ist vorbereitet! Ich … muss Dir gestehen: Ich hatte hinterher Zweifel, und Selbstvorwürfe! Die EXFOR war bisher mein ein und alles! Was für ein Narr ich war. Aber als ich Dich eben sah … hat sich alles wieder geklärt! Ich weiß, was ich wirklich will! Ist es nicht seltsam, das Herz der Liebenden?“
Nicht weiter verwunderlich, denkt May, die Beguile-Kraft war ja zwischendurch von diesem armen Teufel abgefallen. Sie wünscht sich nach wie vor etwas Zahnsalz. Ihres ist noch im Red Hill Hotel, 130.000 Lichtjahre von hier entfernt, und wer weiß wie viele Erdenjahre obendrein.
Ein Gerät am Ausrüstungsgürtel des Soldaten knackt, und er zuckt zusammen, drückt schnell eine Taste, „Ich muss Dich verlassen, die Mistkerle fragen sich bereits, wo ich bleibe. Ein paar haben auch schon Verdacht geschöpft, fürchte ich, sie halten Dich womöglich sogar für psychisch begabt. Was soll ich ihnen diesmal melden?“
May B. liefert dem Behexten gelegentlich Hinweise über sich, damit er seine Besuche vor seinen Vorgesetzten mit der Behauptung rechtfertigen kann, dass er die Gefangene mit empathischem Geschick nach und nach aushorcht.
„Ich komme ursprünglich aus Little Rock, Arkansas!“
„Was ist Arkansas?“
„Was ist Arkansas?! In Amerika, Liebster …“
„Ah, ja … Amerika …“, sagt Rakesh, er spricht es aus, als sei dieser Name ein abstraktes Ding der Vergangenheit für ihn. Derartiges ist May B. schon mehrmals mit ihm passiert. Sie hat nur nie genug Zeit mit ihm, um ihre vielen, brennenden Fragen zu stellen.
„Du bist als ganz kleines Kind von Terra in die Kolonie gekommen ...!“
„Geh‘ jetzt, Liebster, Du darfst nicht verweilen!“


Tatsächlich sind kurz darauf durch die Plastikwände gelegentlich Änderungen in den Vibrationen der Antriebe wahrzunehmen: Das Bergungsschiff fliegt Manöver, leitet vielleicht schon sein Landemanöver ein …

Man hat den beiden Gefangenen bisher praktisch nichts gesagt über die Situation in der sie sind. Eins ist Rex und May B. dennoch völlig klar: Wenn sie von der Crew des kleinen Raumschiffs an die EXFOR-Basis übergeben werden, dann gibt es von da kein Entrinnen. Und da es ihnen beiden ernst ist mit ihrem jeweiligen Secret-Nachteil, müssen sie die Befragungen dort unbedingt vermeiden.


Mit einem Fauchen öffnet sich unvermittelt wieder die Zellentür von May B., und erneut fährt sie auf, diesmal aus einer Kauerhaltung am Boden, genau daneben. Auf dem metallenen Gang hat sich oranger Dampf ausgebreitet, von einem aufgerissenen Rauchsignal, Rakesh drückt ihr einen olivgrünen Rucksack in die Hände, eine Schutzmaske vor dem Gesicht. In einiger Entfernung schreien andere Soldaten in heftiger Aufregung.

Ich rolle die Orakelwürfel: Hat Rakeshs Sabotageplan funktioniert? Die Würfel sagen, ‚ja, und außerdem‘! Es ist mit anderen Worten eine vollständige Punktlandung!

Blitzende Warnlämpchen an der Korridordecke springen an. Der orange Qualm ist so dick, dass man nur Schemen sieht. Aber er beginnt bereits abzuziehen, dort, wo eine stählerne Frachtrampe sich nach unten öffnet. Darunter kann man durch die Rauchschlieren Wüstenboden erahnen, der schnell dahin saust unter dem tief fliegenden Schiff.
„Wann sind wir unten?“, schreit May über den Lärm des Alarms und der Triebwerke.
„Dann ist es zu spät! Wir müssen springen!“, schreit Rakesh zurück, drückt sie an sich.
Rex Shadracks spitzes, bärtiges Gesicht taucht im orangen Rauch auf, während er gerade einen identischen Rucksack auf den Rücken setzt.
Beide fallen sich in die Arme, der Rauch nimmt ihnen den Atem. Rakesh zieht besitzergreifend May B. wieder fest an sich.
„Absprung! Jetzt!“, schreit er.
Der Wüstenboden scheint sehr nah. Rote, feine Punkte aus Licht tanzen durch die Rauchschwaden, wie lebendig, sehen für die Hexe und den Huckster nur anmutig aus, sie begreifen nicht die Gefahr, die von diesen Laserpointern ausgeht. Von beiden Seiten nähern sich Silhouetten auf dem Gang, brüllen irgendwas, das über dem Lärm unverständlich bleibt. Im Griff von Rakesh sieht May B. Rex aus der halboffenen Rampenöffnung springen. Dann springt Rakesh mit ihr hinterher. Schüsse krachen hinter ihnen, und künden davon, dass diese eine Sache sich in all der Zeit nicht verändert hat.

Dann nimmt den Wild Cards der aufgewirbelte Wüstenstaub die Sicht, und sie überschlagen sich im Sand einer fremden Welt ...


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„Die Menschheit hat die gute, alte Erde verlassen, mit einem letzten Sternenschiff, ist unterwegs vor langer Zeit ausgestorben, und es gibt nur noch Untote! Ja ja, May B. Wickett, gewiss doch! Hier in diesem Faraway gibt‘s sehr wohl lebende Menschen, sehr wohl. Unkraut vergeht nicht!“, schnaubt Rex, grimmig amüsiert, während er durch die außerirdische Wüste stapft, beim Gedanken an das, was die Hexe an Bord der Vostros zusammenphantasiert hatte. Dabei war ihm zugegebenermaßen echt die Muffe gegangen bei dieser Vorstellung. Aber sie hatte sich geirrt: Sie beide sind hier nicht etwa an einen Zeitpunkt jenseits des Endes der Menscheitsgeschichte versetzt worden wie an Bord befürchtet. Die Raum-Zeit-Anomalie hat sie einfach in ein anderes, unbekanntes Kapitel der Geschichte versetzt.
Ein paar mehr Menschen würden Rex Shadrack übrigens gerade hier und jetzt an dieser Stelle ganz recht sein. Es müssten ja nicht die skrupellosen Weltraum-Soldaten sein.

Soundtrack: Justin Johnson, Planet Caravan
https://www.youtube.com/watch?v=b8in2b4Wet4

Seit die bläulichen Antriebe des EXFOR-Bergungsschiffes im aufgewirbelten Sand außer Sicht verschwunden sind, war kein noch so kleines Zeichen von Zivilisation zu entdecken, so weit das Auge reicht.

Und es reicht sehr weit: Sand, überall Sand ...

Das Licht ist von einer leicht violetten Qualität. Es sieht nach heftigem Unwetter aus, über dem Wüstenhorizont bauen sich gerade spektakulär aussehende Sturmsysteme auf, mit weißlichen, cyanblauen, und goldenen Kumuluswolken, in der Dämmerung wie scharfgezeichnet. Die Wüstenluft riecht ungewöhnlich frisch, von irgendwoher wird ein eigentümlicher Geruch an Shadracks Nase getragen, am ehesten zu vergleichen mit dem von Moosen und feuchtem Gestein. Unbekannte Monde und Planetoiden zeichnen sich riesengroß am Abendhimmel ab, so nah, dass man die titanischen Krater auf ihrer Oberfläche sehen kann. Dieser Planet ist völlig anders als Shadracks gewohnter Erdball, beinahe ist er verblüfft, dass man die merkwürdig schmeckende Luft überhaupt atmen kann.

Er ist mittlerweile ziemlich weit gewandert in seinen fremdländischen Long Johns aus weißer Synthetik und seinem Marschrucksack. Seinen Waffengürtel mit den Hex Guns hat er natürlich wieder umgegurtet. Für seinen Anzug und Duster ist es noch etwas zu warm, die warten in dem Rucksack zusammen mit seinen anderen Utensilien, gefüllten Wasserflaschen aus merkwürdigem Material, und Nahrungseinheiten. Immer wieder späht er aus, nach Staubwolken, von Fußpaaren aufgewirbelt. Wenn May B. (mit ihrem willigen Opfer, dem EXFOR-Soldaten) klug ist, hält sie ebenfalls auf die Gebirgskette zu! Shadrack hält stoisch an diesem Gedanken fest. Nur dort können sie sich lange vor Erkundungsflügen versteckt halten, wenn das Flugschiff zurück kommt. Dort können sie sich wiederfinden.

Nach dem Absprung aus dem dahin rasenden Schiff haben sie sich nicht wiedergesehen, in der heillosen Aufruhr, während auf sie geballert wurde und das Flugobjekt ein Wendemanöver versucht hat, durch Vorhänge aus feinem Wüstenstaub hindurch, der ihnen allen die Sicht und Orientierung genommen hatte. Einzeln sind sie unter dem Trommelfeuer auseinander gerannt, wie gottverdammte, aufgeschreckte Hühner, im Glauben, die jeweils anderen gleich wieder zu entdecken ...

Das ist Stunden her. Rex hat sich widerwillig daran versucht, von den Manitous Kräfte zu erspielen, die ihm Langstrecken-Telepathie ermöglichen könnten, welche stark genug sein könnte, um May B.s Verstand zu erreichen, wo auch immer sie gerade ihrerseits durch diese endlose Wüste irrt. Ohne Ergebnis. Immerhin weiß der Huckster jetzt, dass seine unfreiwilligen Verbündeten, die unsichtbaren Manitous, auf dieser weit fernen Welt ebenso existieren wie im Weird West. Die Ewigen Jagdgründe scheinen diesem neuen Planeten ebenso nahe zu sein, wie sie der Erde sind, und ihre Geister scheinen ebenso gern bereit zu sein, sich auf ein Spielchen einzulassen mit einem irdischen Huckster. Viel mehr vermag er noch nicht zu sagen über diese Situation, in die es ihn verschlagen hat, ihn, Rex William Shadrack, einen Mann, der laut eigener Aussage fast alles schon gesehen hat und den fast nichts verblüfft. Er wird Zeit brauchen, um zu begreifen, was dies für ein Ort ist. Zu wandern fühlt sich jedenfalls großartig an, er fühlt, wie die Anstrengung nach der langen Zeit der Gefangenschaft und Tatenlosigkeit seinen Muskeln gut tut, er fühlt sich frisch.
Wenn dieser neue Planet nach der kreischenden Todesfee des alten Irlands benannt wurde, dann scheinbar zu Unrecht. Die Winde über der Wüstenei schweigen zwar nie, aber in Rex‘ Ohren säuseln sie eher, wie ein Sirenengesang. Der Horizont verlockt ihn, mit seiner Gebirgskette, deren Ausläufer mittlerweile nahe gerückt sind, mit dem Versprechen von Sicherheit vor den Habichtaugen der Verfolger; vor Nachteinbruch kann er dort sein.


Soundtrack: Black Sabbath, Planet Caravan
https://www.youtube.com/watch?v=DW3pZjmS3rg
(Diesmal das Original: „We sail through endless skies / Stars shine like eyes / The blackness sighs ... And so we pass on by / The crimson eye / Of great god Mars / As we travel / The universe“)

May B. Wickett kauert hoch oben auf ihrem Felsen, und sieht durch die Bäume hindurch auf die Felsformationen, sie kann sich einfach nicht von dem Anblick lösen. Das letzte, orange-violette Abendlicht verglüht gerade darauf, der Himmel ist bereits von Sternen übersät. Sie kennt vereinzelte Fotografien von den spektakulären Canyons Nordamerikas, und sie erinnert sich an einige, die sie mit eigenen Augen gesehen hat in Utah und Colorado. Die Felsnadeln unter ihr sind unverwechselbar anders, sie ziehen sich beinahe von Horizont zu Horizont durch die Wüstenlandschaft. Solche Orte gibt es auf der Erde einfach nicht: Wenn sie seit der Flucht zwischendurch eine wilde Hoffnung in sich aufkeimen gespürt hat, dies alles könne ein absurder Traum gewesen sein, und sie sei womöglich wieder in einer der Wüsten Nordamerikas — dieser Anblick hier widerlegt solcherlei Vermutungen vollständig.



Sie kann sich von der Betrachtung der fremden Landschaft und der riesenhaften Monde darüber nicht losreißen. Der Wind raschelt in den silbrigen Blättern der Bäume des Wäldchens, die aussehen, als sei ihre Rinde aus hartem Eisen, und bringt das Laub zu einem Wispern, bei dem der Hexe ein Schauder über den Rücken läuft. Einer der fernen Monde sinkt langsam, weiß glühend, Richtung Horizont. Zwei große Frachtraumschiffe fliegen als Silhouetten mit blauen Antrieben und Blinklichtern gemächlich über den Himmel.

Wenn Rex klug ist, steuert er früher oder später dieses Wäldchen an, es ist der einzige geschützte Ort weit und breit zwischen den ewigen Dünen! Sie hat ihre Habseligkeiten in dem Rucksack durchgesehen, und es ist noch einiges von ihrer Flugsalbe übrig. Allzu gerne hätte sie diese vorhin verwendet, um Shadrack aus der Luft zu erspähen, diese Umgebung scheint ihr ganz das richtige zu sein für einen solchen Flug. Aus Angst vor einer Rückkehr der EXFOR-Schiffe hat sie es aber sein lassen, so nahe an deren Basis.

Rakesh hat sich bezirzen lassen, zur Basis zurück zu marschieren, um noch mehr Proviant zu besorgen. In seinem Liebestaumel war es zwecklos, ihm ihre vielen Fragen über diesen Ort zu stellen, er wollte ausschließlich und wie von Sinnen nur über sie reden. Nicht einmal Ohrfeigen haben genützt. Er hat immerhin erklärt, dass der Oberflächen-Stützpunkt nicht weit weg ist, nur eine halbe Tagesreise. Sein Abmarsch dürfte eine Win-Win-Situation sein: Entweder ziehen die Soldaten den Meuterer für die Befreiung der Gefangenen aus dem Verkehr und May B. ist ihn los, oder er redet sich bei seinen Kameraden erneut raus, und kommt binnen weniger Tage zurück, mit noch mehr Konservennahrung. Bis dahin wird die Behexung erneut von ihm abgefallen sein, aber vielleicht kann er nicht mehr zwischen den falschen und den eigenen Gefühlen unterscheiden mittlerweile.
May B. hat wenig Gewissensbisse deswegen: Sie hat nicht gerade darum gebeten, von der EXFOR inhaftiert zu werden.

Sie hat ziemlich viel von dem merkwürdigen, nahrhaften Zeugs und dem Wasser am Rand des Waldstücks vergraben. Sobald Aufklärungsschiffe aus Richtung der Basis kommen, kann sie im Tiefflug davon fliegen, zwischen die Felsformationen; ihre mentalen Reserven sind voll und die Flugsalbe jederzeit griffbereit. Wenn sie die mürben Nahrungsklötzchen, Pillen, Pasten, und Wasserpullen geschickt rationiert, kann sie es tagelang in ihrem Versteck aushalten, mindestens bis Shadrack hierher findet.

Es gelingt ihr bisher, die Frage auszublenden, was dann geschehen soll …

Die unfassbare Landschaft tut das ihrige, um sie erfolgreich von solcherlei Grübeln abzulenken. Die Hexe hat bereits einmal ihren Fuß in eine andere Zeit gesetzt, bei Johns und ihrem Abenteuer im vorsintflutlichen Hyperborea. Da lagen ihre Körper jedoch gleichzeitig betäubt in dem Tipi, und sie konnten zurecht darauf hoffen, dass die Vision von selbst wieder enden möge. Und trotz der Fremdartigkeit der Urzeitdschungel von Mhu Thulan: Zumindest war dieser Ort noch auf der Erde. Hier, in dieser dämmerigen Wüste eines fremden Kolonieplanetens, gibt es beinahe nichts Wiedererkennbares. May B. fühlt sich davon in einen unwiderstehlichen Bann geschlagen.


May und Rex sind vorerst übergewechselt in das dritte Setting aus der Reihe von Deadlands, nämlich ‚Lost Colony‘. Das hatte ich für unsere Wild Cards schon lange im Hinterkopf. Wie es sich alldieweil im ‚Lost in Space‘-Szenario entfaltet hat, war ungeplant. Jetzt sind sie nur zu zweit und ganz ohne Vorwissen, die armen Teufel. Wir lassen sie mal jeweils auf eigene Faust in unterschiedliche Richtungen losziehen, und schauen mal, was das Planetensystem Faraway ihnen zu bieten hat!



Toll, dann kann ich ja statt orangen Würfeln jetzt violette rollen! Und zwar beginnend mit einem Wurf auf der Tabelle für GM Moves! Foreshadow Trouble, sagt das Orakel voraus für Rex Shadrack.

Als die Nacht herein gebrochen ist, hat der Wanderer endlich die felsige Hügelkette erreicht. Keinen Moment zu früh: Das lange erwartete Unwetter wird binnen der nächsten Stunde hereinbrechen, mit einem schweren Sandsturm! Dem Hexslinger bleibt nur wenig Zeit, um zwischen den Felsen ausreichende Deckung zu suchen, vielleicht eine Höhle. Wo ist bloss May B., wenn man sie mal braucht? Das Halbblut hat einen ganz guten Spürsinn in der Wildnis, Rex hat keinen Survival-Skill. Er lässt Pokerkarten in seinen Händen erscheinen und sieht prüfend darauf, als sei das Blatt ein Kompass. Er verwendet Boost Trait, und erzeugt sich damit immerhin einen W4 als Survival-Würfel. Damit erzielt er auch prompt einen Erfolg, und entdeckt eine riesige Steinplatte, unter der er in eine geschützte Nische kriechen kann.
Er lacht fröhlich, schraubt eine seiner Plastikflaschen auf, und sagt, „Pah, heul‘ Du nur, Sturm!“, und rutscht auf den Kieseln in bequeme Lage. Dann fällt ihm die Metapher um den Namen des Siedlungsplaneten wieder ein. Die entfesselten Gewalten klingen mittlerweile tatsächlich wie ein Zornesheulen, das sich aus der Stratosphäre erhebt. Der Donner über den fernen Berggipfeln ist wie dröhnendes Gelächter. Shadrack steckt sich eine Pfeife an, und lauscht gedankenvoll in das Wettertosen über ihm ...
„... Unwahrscheinlich, dass es hier nur diese Streitkräfte gibt auf diesem Stern, und sonst nichts. Wahrscheinlich gibt es hier auch Siedler, zu deren Schutz diese Truppen hier sind! Und damit Wasser, Güter, und ein bisschen Infrastruktur!“, sagt sich Shadrack.
Er braucht morgen vielleicht nur die Augen offen zu halten, um irgendeinen Wagentreck oder irgendwelche Reiter zu erspähen.

Das kann uns das Orakel beantworten, Mister Shadrack! Ein GM Move sagt, Advance a Plot. Na, dann direkt mal Vorhang auf für das, was ich mir für ihn bisher grob zurecht gelegt hatte:

Der Sandsturm tobt die ganze Nacht hindurch. Rex findet irgendwann dennoch Schlaf, nach den Anstrengungen des Tages, gewickelt in seinen Staubmantel und seinen alten Schlafsack. Kurz bevor das bläuliche Zwielicht der Morgendämmerung einsetzt, wird er wach: Das Windtosen ist schlagartig schwächer geworden. Irgendetwas stimmt hier nicht. Er blinzelt in die Ferne, reglos, um keine Geräusche zu machen. Ich würfle Notice für ihn, und er hat einen Erfolg: Leise Fußtritte auf dem Kies. Dort, wo die Schleicher sich ihm nähern, scheint es weniger stürmisch zu sein. Das muss er sich einbilden! Aber alles in ihm zieht sich zusammen beim Gedanken, unvorbereitet auf die fremdartige Tierwelt dieses Planeten zu treffen! Die veränderte Flora und Fauna der Erde war in den letzten dreizehn Jahren schon mehr als genug für ihn, welche Schrecken mag erst eine Welt ausspeien, die Banshee genannt wird? Sein Herz beginnt zu rasen und kalter Schweiß läuft ihm über die Stirn, er hat sofort beide Revolver in Händen. Und er lag nicht falsch: Plötzlich tappen leise, geschickte Füße in Sicht vor die Felsenspalte, vier an der Zahl, Schuppenhaut und Krallen lassen ihn an einen Leguan denken, aber sehr viel größer, so groß wie ein Pferd! Eine längliche, reptiloide Schnauze mit hochgezogenen Lefzen und vielen gebogenen Reißzähnen senkt sich herab, und schnuppert am bläulichen Kies.
Rex spannt die Hähne der beiden Smith & Wessons so langsam, dass kein Klicken zu hören ist. Er ist hochkonzentriert. Trotz seinem Yellow-Nachteil erzielt er eine 12 für einen Furcht-Wurf! Seine paranoide Feigheit wird übertroffen von Neugier: Wenn das Scheusal nicht untot ist, dann kann er es erledigen! Ist es doch untot, oder gar spektral, hat er die richtigen Runenkugeln, um auch damit fertig zu werden!

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Shadrack eröffnet das Feuer, aber erstmal, um das Biest aufzuscheuchen. Vielleicht rennt es von dem Lärm weg, wie ein irdisches Raubtier es tun würde. Um Extra-Eindruck zu machen, aktiviert er eine Runenkugel mit der Hexslinger-Rune Sacramento Surprise, und ich wähle Donner als sein Trapping. Mit zitterigen Fingern legt er eine der beschrifteten Kugeln in die Kammer, und schließt die Trommel. Er feuert dem Reptil zwischen die Füße, und ich würfle für ihn Intimidation, mit ordentlichen +4 für den Donnerhall. Die Echse springt zurück, aber hat Spirit W8, und kommt tatsächlich auf eine sieben, womit der Lärm es nur enerviert, und noch neugieriger macht! (Seine Spielwerte sind auf Seite 181 des Lost Colony-Regelbuchs.) Geifernd versucht die Bestie nun, ihren Kopf unter die Felsspalte zu zwängen, um Shadrack mit den Kiefern hervor zu zerren. Der Gestank aus dem schnappenden Maul ist beträchtlich. Das war ihr Todesurteil, denn mit ängstlichem Zähnefletschen lässt der Erdling jetzt Sacramento Surprise fallen, und aktiviert stattdessen Runenkugeln für Ghost Bullet und Loaded For Bear (er erzielt ein Raise und darf daher gleich zwei Runeneffekte auf einmal einsetzen). Zwei Schüsse durchschlagen die dicke Schuppenhaut, und (mit einem Reroll) erledigt der eine Treffer zwischen die massigen Schulterblätter die Kreatur, sie sinkt in sich zusammen.

Rex Shadrack widersteht dem dringenden Bedürfnis, sofort unter der Felsplatte heraus zu kriechen und Hals über Kopf zu flüchten: Was, wenn es eine ganze Meute ist? Und was hat es damit auf sich, dass eine windberuhigte Zone um sein Versteck herum entstanden ist? … Das Sturmtosen hat alldieweil zwischenzeitlich wieder voll eingesetzt, wahrscheinlich hat er sich das tatsächlich nur eingebildet. Er lauscht und wartet.

Die Orakelwürfel entscheiden: Die anderen Verfolger regen sich nicht, sie ziehen es vor, dem Erdling mit Abstand zu folgen …

Schließlich fasst sich Shadrack also ein Herz, rafft seinen Kram zusammen, und schleicht geduckt davon. Sieht sich immer wieder um. Wenn da noch mehr außerirdische Schreckgestalten sind, sind sie Meister der Tarnung, die Felsenwüste scheint verlassen. Gottverdammt, drei Kugeln verschossen, neun in den Kammern, und nur noch zehn sind in seinem Munitionsgürtel übrig. Dann ist Sense, außer er stößt auf Siedler, die zufälligerweise dasselbe Kaliber verwenden wie im Weird West von 1876!

Aber wir hatten ermittelt, Advance a Plot, und der gute alte Rex wird daher keine Handelsgelegenheiten finden, er wird eingekesselt.

Zwischen den Felsen der Hügelkette schließen nach und nach mit ihrem Heimvorteil und verblüffendem Geschick eine Gruppe von brutal aussehenden Silhouetten den Kreis um ihn. Im graublauen Morgenlicht scheinen es breitschultrige Hünen zu sein, mit primitiven Steinwaffen in ihren Pranken. Das erste Tageslicht glänzt auf ihrer Schuppenhaut, auch sie scheinen reptiloid zu sein, auch wenn sie ansonsten grobschlächtigen Menschen ähneln!

Der Angstschweiß steht unserem Rex Shadrack erneut auf der Stirn, als er begreift, dass es kein Entrinnen mehr für ihn gibt. Mit May B.s Flugsalbe käme er jetzt noch weg. Ach ja, die Hexe. Ist sie mittlerweile endlich bei der Hügelkette angekommen? Shadrack tut das, was er bisher vermieden hatte, aus Furcht, auch die verschissenen EXFOR-Aufklärungsschiffe damit auf den Plan rufen zu können: Er verwendet seine Hexslinger-Rune Flare, um eine Kugel als Leuchtsignal in den Morgenhimmel zu schießen. Das wird von Weitem zu sehen sein, und das ist jetzt seine letzte Hoffnung, denn damit sind seine Powerpunkte vorerst aufgebraucht. Vielleicht kann May B. mit ihrem Behexten zumindest hierher finden, um ihn zu rächen. Er schießt die kreischende Flare ab, und bei ihrem Platzen wird die Szene für einen Moment taghell: Seine Verfolger sind beinahe anthropromorph, aber von dicker, violetter Schuppenhaut bedeckt, mit gefühllosen, pechschwarzen Augen.



Intelligentes Leben auf dem Planeten Banshee


Sie sind behängt mit primitiven Talismanen aus Knöchelchen und Raumschiffschrott. Ein paar sitzen auf den leguanähnlichen Bestien, wie jene, die ihn vorhin aufgescheucht hatte, als barbarische Reittiere. Alle haben mit steinernen Widerhaken besetzte Stangenwaffen bedrohlich auf ihn gerichtet. Zwei von ihnen haben klobige, großkalibrige Gewehre unbekannter Herstellung auf ihn angelegt. Einige verziehen die Gesichter zu so einer Art Zähnefletschen, ihre Zähne sind klein, aber spitz und kräftig; obwohl er ihre Mimik nicht versteht, ist das ganz gewiss kein Ausdruck von Friedfertigkeit.
Noch achtzehn Kugeln übrig.


Wir verpassen Rex W. hier mal die John-Carter-vom-Mars-Behandlung: Die Außerirdischen führen ihn ab. Sie reden in grimmigen, gutturalen Worten auf ihn ein und sprechen untereinander, es ist eine bizarre Sprache voller langgezogener Heul- und Summ-Laute und Krächzgeräusche. Der Erdling versteht kein verdammtes Wort, wie sollte er auch. Irgendwie muss er an die Tommyknockers in der Dead Man's Laughter Lode denken, auch das waren zwar Kreaturen des Reckoning, aber sie hatten so etwas wie eine eigene Sozialstruktur, sie waren nicht völlig bestialisch. Das trifft auf diese Ungeheuer ebenfalls zu. Zumindest haben sie ihn noch nicht abgemurkst. Seinen Kram haben sie ihm natürlich wieder abgenommen, die beiden Hex Guns und den Patronengurt betasten und beäugen sie selbst jetzt im Wandern mit großer Neugier. Rex wiederum mustert stumm die Gewehre auf den Rücken zweier der Fremdwesen: Seinem Kennerblick kommen diese vor wie schnellfeuernde Automatikwaffen, aber nicht die ihm geläufigen Gatling-Waffen mit Bündelläufen, scheinbar feuern sie aus nur einem Lauf, die Munition kommt aus länglichen Stutzen. Clever, müsste er mal genauer unter die Lupe nehmen. Unwahrscheinlich, dass diese primitiven Rohlinge so etwas ersonnen haben, sehr wahrscheinlich sind das erbeutete Waffen von der EXFOR. Kreaturen des Reckoning, die menschliche Technologie verwenden? Derartige Berichte hat Shadrack im okkulten Untergrund noch nie gehört, nicht mal der Tombstone Epitaph hätte je so etwas behauptet. Aber sind diese Ungeheuer wirklich übernatürliche Erscheinungen des Reckoning? Rex wird klar, dass dann Ravens große Abrechnung von 1863 ja die Weltgeschichte bis zu diesem Punkt in der Zukunft verändert haben müsste, und noch dazu auf interstellarer Ebene. Er fühlt, wie bei diesem grotesken Gedanken die Knie unter ihm nachzugeben beginnen, und er verdrängt ihn mit aller Konzentration die er aufbieten kann.


Die primitiven Jäger führen ihn in einstündigem Marsch in eine kleine Felsenklamm. Wann immer der Sturm wieder heftiger wird, holt einer der Kerle ein grob zusammengeschraubtes, metallenes Blasrohr hervor, und pustet daraus aus seinen mächtigen Lungen gegen den Wind an. Eine bizarre, abergläubische Tradition scheinbar ... Der Erdling jedoch bildet sich ein, dass daraufhin die Intensität des Sturmwindes um sie herum jedes mal etwas nachlässt. Kein Zufall in Augen von jemandem wie Rex Shadrack!



In den Tiefen der Felsenklamm erreichen sie tatsächlich ein verstecktes Dorf — in die Felsnischen sind mit großem Geschick Hütten hinein gebaut, übereinander in Clustern, aus Holzresten und Lehm, verbunden mit schweren, hölzernen Brücken und Plattformen. Alles hier wirkt, obschon primitiv, als wäre es gebaut, um den Sturmwinden für Jahrhunderte zu trotzen. Einige der Gebäudestrukturen und häßlichen Statuen sehen sogar aus, als seien sie direkt aus dem dunklen Gestein heraus gewachsen, oder als sei der Stein als Lava in die gewünschte Form gegossen worden und dann erkaltet. Unmöglich!, denkt Shadrack fasziniert.

Dorf der Thra'Door-Anouks
Verstecktes, kriegerisches Clansdorf inmitten gesetzloser Wildnis — Furcht-Level 3

Soundtrack: Paul Ruskay, The Bentusi
https://www.youtube.com/watch?v=8uV2b3Vy_-M

Eine Weile lassen sie ihn auf dem staubigen Dorfplatz dumm herum stehen, weiterhin scharf bewacht. Sobald er neue Powerpunkte hat, weiß er zahllose Möglichkeiten, sich die Flucht zu ermöglichen. Aber vorher braucht er seinen Krempel wieder, ohne Ausrüstung ist man dort draußen geliefert, ebenso wie daheim auf der Erde, im Amerikanischen Westen.

„Erdmensch!“, verkündet einer der violetten Hünen, als er auf Shadrack zu schreitet, und es klingt verständlich, er spricht tatsächlich primitives Englisch, als er fortfährt: „Meine Krieger sagen, Du bist anders als die anderen. Donner und Licht gemacht hast Du, Töter eines ihrer Chanouks bist Du! Dafür musst Du büßen, Erdmensch!“
Shadrack streckt den schmerzenden Rücken durch, und erhebt den Kopf, besinnt sich wieder auf seine Überheblichkeit, als er antwortet, „Erdmensch ist grammatikalisch falsch. Gebt Euch ruhig etwas mehr Mühe mit meiner Heimatsprache, wenn Ihr sie schon sprecht! Mein Name ist Rex W. Shadrack. Gebt mir meine Utensilien zurück, dann reden wir!“
„Besitzt Du die Frechheit, mir zu drohen? Sollen wir Dich gleich in die Grotte der Schrecklichen Schreie werfen?“, braust der Sprecher auf. Er ist noch muskelbepackter als die meisten anderen, und mit noch mehr Schrott und Knochen behängt. Dazu trägt er einen unglaublich fein modellierten Kopfschmuck aus dunklem Stein, vielleicht ist er ihr Häuptling.
„Nein, unnötig!“, knurrt Shadrack nervös, „wir können uns zivilisiert unterhalten! Fangen wir mal am Anfang an: Wo zum Henker bin ich hier?“
„Zu weit weg von den EXFOR-Erdmenschen bist Du! Hier hilft Dir niemand. Auf Anouk-Gebiet bist Du! Hier gelten nicht die Gesetze der U-N-Erdmenschen, nur die Gesetze der vielgestaltigen Steine!“
„Ja, ja, sehr schön. Ich konnte die EXFOR nicht leiden. Gesetze der vielgestaltigen Steine klingt akzeptabel, zumindest so lange nicht die Marktwirtschaft beim Ghost-Rock-Bergbau gemeint ist. Mit wem habe ich denn die Ehre?“
„Ghost Rock! Willst Du uns verspotten?“
„Tut nichts zur Sache. Ich nehme an, bei Euch gibt es auch irgendwo Vorkommen davon. An Bord der Vostros habe ich einiges davon gesehen.“
„Wenn Du uns spotten willst, Rex-W-Shaddrakk, ist diese Unterredung zu Ende. Dann verhandeln die Krieger untereinander, wer welche Deiner Knochen bekommt, um unsere Waffen zu dekorieren!“
„Eine äußerst barbarische Drohung! Damit provoziert Ihr dann aber die Erdenmenschen, Häuptling, und die sind nicht weit weg von hier!“, entgegnet der Hexslinger, überspielt seine Nervosität erhobenen Hauptes.
„Wer bist Du, dass Du nicht weißt, dass die Anouks die Krieger der EXFOR und die Gesetze der U-N-Erdmenschen heutzutage nicht mehr fürchten? Der lange Krieg ist vorbei, und die meisten Eurer Krieger haben sich feige zwischen den Sternen verkrochen! Wir sind der gefürchtete Thra‘Door-Clan! Wir tun, was uns gefällt, und hören einzig auf die Gebote, die von den vielgestaltigen Steinen kommen!“

Sehr interessant, Häuptling! Aber können sich die beiden eigentlich ungestört weiter provozieren, oder steigt die Spannung noch? Ein GM Move sagt, Add a Random Event to the Scene. Dieses Zufallsereignis ist technically Harm social Knowledge. Offensichtlich fühlen einige der Ureinwohner die Glaubenssätze zerstört, die sie sich bisher über die irdischen Kolonisten aufgebaut haben! Wir fragen die Orakelwürfel, und die sagen, ihrer Ansicht nach sticht Rex Shadrack in irgendeiner Art positiver hervor als von Erdlingen wie ihm hier erwartet wird.

Einige der violetten Hünen treten an die Seite des massigen Häuptlings. Diese sind weniger muskelbepackt, und nicht mit erbeutetem Metallschrott behängt, dafür über und über mit noch mehr Knöchelchen und mit winzigen Steinfigürchen. Einige von ihnen reden aufgeregt auf den Häuptling ein, in den langgezogenen und brummenden Worten ihrer außerirdischen Sprache. Dieser hört eine Weile unwirsch zu, dann sorgt er für Ruhe, und wendet sich wieder an den Gefangenen:

„Jene-die-mit-den-Steinen-sprechen, und Jene-die-auf-die-Winde-hören sagen, Du wirst nicht getötet werden. Du wirst hier im Dorf bleiben, denn Du bist anders als die anderen Erdmenschen. Das ist gut, denn wir wollen wissen, wie Du bei Dämmerung den Chanouk getötet hast, und wie Du Donner und Licht gemacht hast, mit Deinen Pistolen!“
Shadrack stutzt. Er soll Kreaturen des Reckoning die Einblicke weitervermitteln, die er von El Toro Blanco gewährt bekommen hat?! Niemals, das könnte weitreichende Folgen haben, dieses okkulte Wissen ist viel zu gefährlich. Andererseits … er vermutet immer deutlicher, dass das keine Kreaturen des Reckoning sind. Vielleicht sind dies tatsächlich normalsterbliche Wesenheiten, die in irgendeiner natürlichen Genesis von ihren Schöpfern hervorgebracht wurden, so wie die Erdenmenschen von ihrem? Tatsächlich nichts mehr oder weniger als die Ureinwohner dieses Sterns, kleine, grüne Männchen, wie man sie sich zu seiner eigenen Zeit nur vorstellen konnte … nur eben groß und violett.
„… Ihr könnt nicht gescheit sagen ‚Menschen vom Planeten Erde‘, aber Ihr kennt das Wort ‚Pistole‘?!“, fragt Shadrack verdutzt.
„Wir sind die Thra‘Door-Anouks, wir sind gnadenlose und große Krieger! Wir sind nicht wie die erbärmlichen Asai-Anouks und andere Clans. Wir machen keinen Frieden mit den Erdmenschen, jetzt wo ihre Zahlen wenige geworden sind, jenen Erdmenschen, die einmal Krieg und Verderben über die ganze Welt gebracht haben. Aber wir verwenden ihre Waffen, wenn wir sie erbeuten! Wir kennen die Pistole, das Gewehr, das Emm-Geh, und die Bha-Zookar, und wir nutzen all dies, um unser Clansgebiet zu verteidigen! Du bist von nun an unser Gefangener, Rex-W-Shaddrakk, und Du kämpfst auf unserer Seite!“

Schalter:
Auf die Aufforderung der Dorfpriester hin gibt man Shadrack seine beiden Hexschüsser zurück, wenn auch unter größter Vorsicht, und zahllose erbeutete Gewehrläufe sind dabei auf ihn gerichtet. Er versucht den Eingeborenen klar zu machen, dass er nach der kurzen Nacht und dem Kampf mit der Reitechse nicht mehr genug Konzentration aufbringt, um seine besonderen Revolvertricks vorzuführen, und er auch nur noch wenig Munition hat, die er nicht verschwenden darf. Ich würfle Persuasion für ihn, mit seinem Outsider-Abzug (denn unter den Anouks gilt für ihn natürlich der Outsider-Nachteil, und zwar die Major-Variante). Der -2-Abzug verhindert seinen Erfolg, und ich gebe ihm dafür einen Benny, das Ergebnis nämlich macht ihm das Leben auch nicht leichter: Die Anouks missdeuten seinen Widerwillen als Rebellion, und der Häuptling signalisiert zweien seiner Krieger, dem erbärmlichen Erdling ein paar auf die Fresse zu hauen. Shadrack kracht in den Staub, wischt sich säuerlich Blut von der Nase, und versucht, sich wieder aufzurappeln. Währenddessen werden seine Runenpistolen auch bereits wieder einkassiert, und der Häuptling winkt ungnädig den Clansangehörigen, den Gefangenen wegzubringen.

Glücklicherweise ist sein Ziel jetzt nicht die angedrohte Grotte der Schrecklichen Schreie, sondern eine der Felshöhlen, die nicht zur Wohnhütte ausgebaut wurde, sondern als Gefängniszelle dient. Eine schwere Gittertür aus Holz und Metallschrott wird vor Shadrack geschlossen. Er mustert die Ureinwohner draußen mit wütendem Blick, klopft sich den Staub von Anzug und Duster, und setzt seinen Zylinder wieder auf. Immerhin gibt es hier ein Lager aus getrockneten Flechten, da kann er etwas Schlaf nachholen. Und Powerpunkte regenerieren, um den extraterrestrischen Klotzköpfen zu entkommen!

Wir würfeln uns einen GM Move, und bekommen, An NPC Takes Action. Das kommt wie gerufen:

Draußen sind mehrere zerlumpte Gestalten zu sehen, die aufgeregt über den staubigen Dorfplatz laufen. Sie sind kleiner und schmaler als die Aliens — Rex ist mitnichten der einzige menschliche Gefangene im Dorf! Er sieht von seinem Lager auf. Die Menschen scheinen etwas gegen seine grobe Behandlung zu haben, und ihr Tonfall ist erzürnt, aber gleichsam flehentlich. Sie sind alle stark sonnengebräunt, oder dunkelhäutig, und Shadrack wundert es nicht, dass sie kein Englisch sprechen, auch die EXFOR-Soldaten kamen ja aus aller Herren Länder; dann aber merkt er, dass es auch keine irdische Sprache ist, in der sie ihre Stimmen erheben: Sie sprechen dieselbe Sprache voller langgezogener Heul-Laute und Krächzer wie die violetten Hünen! Hier auf dem Planeten haben die Verhältnisse sich offensichtlich auf verblüffende Weisen verschoben und vermischt, einige der Fremdwesen sprechen Englisch, und ihre Gefangenen haben im Gegenzug sogar ihre Sprache gelernt. Sie gestikulieren immer wieder zu Shadrack‘s Gittertür. Ein großer Schwarzer mit langem, weißen Rauschebart scheint der wichtigste Sprecher zu sein. Obwohl diese Erdlinge hier Diener sind, bewahren sie ihren Stolz, stellt Rex fest.



Immer in der Nähe des Bärtigen hält sich eine dunkelhäutige junge Menschenfrau, behängt mit dem Knochenschmuck der Ureinwohner. Sie wirkt unbeteiligt, als würde sie den Disput nur beobachten. Mit analytischem Blick sieht sie herüber zu dem Neuzugang in seiner Zelle. Ihr Blick wirkt überheblich auf ihn, er hat etwas Anmaßendes — und das ist genauso der Eindruck, den sie wiederum von ihm hat.


Der große Bärtige kommt schließlich zu der Gefangenenhöhle, und wird von den violetten Wächtern hinein gelassen.
„Willkommen im Dorf der Thra‘Door, Spacer! Du wirst nicht lange in dieser Zelle bleiben müssen“, sagt er in beruhigendem Ton.
„Gut zu wissen“, nickt der Insasse vorsichtig, „mein Name ist Rex W. Shadrack. Mitnichten Erdmensch, das ist falsches Englisch, oder Spacer. Wer sind Sie, Sir, und was ist das überhaupt, ein Spacer?“
„Kaenan Beno, ehemals Dolmetscher für die UN-Streitkräfte. Ich und die anderen draußen sind schon eine Weile länger hier. Du, hätte ich gedacht, bist einer der Spacer! Wir haben gestern Abend ein EXFOR-Bergungsschiff über der Wüste gesehen! In diese Gegend auf der Oberfläche verirren sich Menschen meistens eher unfreiwillig, und dann sind das meistens Leute aus dem Orbit, oder von noch weiter weg aus dem System!“
„Ich bin von ziemlich weit weg, das ist richtig. Was ist die EXFOR, und was ist diese UN, von der hier geredet wird?“
„Lass‘ mal Deinen Kopf sehen, klingt so, als hätten die Anouks Dich härter getroffen als nötig …“
„Nein, nein, schon gut. Beantworten Sie bitte einfach die Frage, Sir.“
Kaenan setzt sich auf einen Steinvorsprung, und antwortet zögerlich, „Die EXFOR ist der Grund für unser Hiersein! Die United Nations Expeditionary Force, General Warfields Armee! Oder zumindest, was davon übrig geblieben ist nach dreizehn Jahren Funkstille mit der Erde. Ich selber habe direkt für die UN gearbeitet, damals, ich war nicht Warfields Stinkstiefeln unterstellt. Ich habe Friedensarbeit gemacht, wann immer die Zustände im Faraway War es zugelassen haben ...“
„Darum sprechen Sie die Sprache von diesen Gestalten!“
„Den Anouks, ja! Wir hier sind sozusagen unter die Ureinwohner gegangen. Wenn auch ursprünglich unfreiwillig. Hat sich ziemlich viel getan hier unten auf dem Planeten seit Kriegsende, und seit wir abgeschnitten wurden … das alles kann man wohl nicht mehr mit früher vergleichen …“
„Abgeschnitten von der Erde … Donner und Doria. Höre ich recht?“
„Du hast so eine komische Ausdrucksweise, Spacer. Ich kann Deine Spreche nicht so ganz einordnen. Irgendwie so angestaubt ... Redet Ihr auf den Raumstationen mittlerweile so?“
„Was soll das heißen, abgeschnitten von der Erde?! Und was bedeutet das, Vereinte Nationen, heißt das, Nord- und Südstaaten haben sich wiedervereinigt? … Nein verdammt, Sie sprechen nicht nur von USA und CSA, sondern von der ganzen Erde, nicht wahr? Alle Nationen sind vereint!“
Kaenan lacht und zuckt die Schultern, „Ja, füher! Aber heutzutage? Ehrlich gesagt weiß das hier in der Kolonie niemand! Seit über einer Dekade ist doch der Tunnel ausgefallen. Da Krieg geherrscht hat, als sie uns hier zurückgelassen haben, kann es sehr gut sein, dass es die UN heutzutage nicht mehr gibt. Wahrscheinlich streiten sie immer noch über Zuständigkeiten, wer den Tunnel reparieren muss, uns nach Hause holen, und wer am Schluss die Schürfrechte im Faraway-System bekommt. Das können wir alles vergessen, Fremder. Unsereins tut gut daran, sich auf die unmittelbare Situation zu konzentrieren!“
„So, wie Sie aussehen, beinhaltet das jedenfalls nicht, dass Sie sich um eine allzu rigorose Kleiderordnung Gedanken machen müssen, Sir.“
Kaenan lacht wieder, und sagt, „Ich habe seit Jahren keine industriell hergestellten Klamotten mehr gesehen! Wir sind hier weit draußen im Niemandsland, und weder irgendwelche Colonial Rangers noch die EXFOR-Truppen werden uns hier je finden. In wenigen Jahren werden wir Terraner hier endgültig herumlaufen wie die Anouks es tun. Genau genommen könntest Du mit diesen abgeschrabbelten Kleidern gute Tauschhändel machen! Das ist ein Zylinderhut, nicht? Für den gäbe ich auch was! Du wirst Dich bei uns schon zurecht finden. Keine Sorge, wir sind keine Reaper, obwohl wir hier unter Anouks leben. Die Thra’Door sind nur insofern politisch, als dass sie ihre Gebietsgrenzen verteidigen. Und zwar mit allen Mitteln. Und da kommst Du ins Spiel, wie‘s aussieht. Bist Du vielleicht so eine Art Syker?“
„Ach, die schon wieder! Ich hörte, die seien alle Glatzköpfe!“
„Ja, aber vielleicht ist Deine Matte ja nur angeklebt! Syker waren damals doch die perfekten Infiltratoren. Vielleicht machen mich Deine Psi-Kräfte auch nur glauben, Du seist ein langhaariger, bärtiger Weißer, und in Wirklichkeit siehst Du ganz anders aus, mit Glatze, und Squad-Tattoos, und allem!“
Kaenan Beno scherzt zwar, aber eine unüberhörbare Vorsicht hat sich in seinen Ton eingeschlichen. Diese Syker sind für ihn offensichtlich ein Schreckgespenst der Vergangenheit, aber dennoch eines, das unvergessen bleibt.
„Ich bin nicht von dieser Psychic Legion übrig geblieben, oder mit dem Teufel im Bunde, oder was auch immer. Das ist abergläubisches Gewäsch. Ich bin einfach der verdammt beste Schütze weit und breit. Diese tumben Primitivlinge sind einfach nur beeindruckt von meinem Revolverhandwerk, und halten das für mystischen Simsalabim, nehme ich an.“
„So?“, fragt Kaenan, „die Thra‘Door sind von menschlichen Feuerwaffen aber schwer zu beeindrucken, und sie mystifizieren sie schon lange nicht mehr! Wenige Anouk-Clans kennen sich so gut damit aus wie sie, möchte ich sagen!“
„Beeindruckbare Wilde.“
„Kaum. Sind Deine Waffen irgendwelche speziellen Prototypen, vielleicht von HI?“
Shadrack packt die Gelegenheit beim Schopfe, und winkt ab, „Wenn das so wäre, Mister Beno, wäre ich wohl nicht befugt, darüber zu schwatzen!“
„Womöglich. Du wärst kein schlechter Neuzugang für uns Erdmenschen hier im Dorf, wir haben lange keine Fremden hier gesehen. Okkulter Spezialist oder nicht, egal.“
„Diese Psychic Legion hat im Faraway War wirklich offen operiert, ja? Alle Kolonisten wussten davon? Und es gab keine gottverdammten Geheimdienste, die denen nachgestellt haben?“
„Meine Fresse, Du hast wirklich nichts mitbekommen da oben, oder?“
„Vielleicht war ich in einer dieser kalten Zellen eingefroren, ja, diesen Cryo-Kabinen! Meine Erinnerung ist vielleicht einfach schlecht!“, improvisiert der Hexslinger.
Er erzielt einen Persuasion-Erfolg (jetzt ohne Outsider-Malus, immerhin ist er unter Erdlingen).
Kaenan Beno zieht eine Augenbraue hoch: „Ah, so? Das würde einiges erklären. Wenn auch nicht alles! … Die Psychic Legion war Warfields Geheimwaffe im Faraway War.“
„Um diese Anouks zu befrieden?“
„Ja, aber vor allem um deren okkulte Streitkräfte zu kontern. Castle Rock und so. Alles Schnee von gestern! Während der Tunnel kollabiert ist, sind die Syker ja auch alle wieder abgezogen worden, zurück zur Erde. Wir haben seitdem nichts mehr von Terra gehört, mit dem Ausfall des Interspace Tunnel. Nicht den kleinsten Funkspruch. Die meisten von uns haben sich längst damit abgefunden, dass wir weiter warten müssen, dass wir endlich abgeholt werden. Oder noch besser, aufhören mit der Warterei, und uns hier on-planet ein ganz neues Leben aufbauen, mit dem, was uns bleibt!“
„Das klingt nach grimmigen Aussichten …“
„Eigentlich nicht! Wir Menschen sind zäh, und anpassungsfähig!“
„Unkraut vergeht nicht, was?“
„Ganz recht. Du wirst jetzt wahrscheinlich bald Teil des Thra‘Door-Clans sein, Rex, ehrenhalber. So wie wir anderen. Brauchst keine Angst davor zu haben. Das Leben hier draußen ist manchmal etwas harsch, aber die Anouks versorgen uns gut. Ich würde sagen, besser als bei den Reapern, der EXFOR, und in den meisten ärmlichen Siedlungen ist es hier allemal. Hol‘ mal lieber eine Runde Schlaf nach, siehst mitgenommen aus. Heute oder morgen werden die Dich wieder hier raus lassen.“
„Und was geschieht dann?“
„Dann prüfen sie Dich.“

Schalter:
Rex versucht Kaenan noch zu bequatschen, ihm .44er-Munition zu beschaffen. Wie es aussieht, nennen die Erdenmenschen im Dorf aber höchstens kleinkalibrige Pistolen ihr Eigen, die Krieger der Anouks behalten fast alles für sich. Es gibt hier auch keine funktionierenden Kugelpressen; Muni und Energiezellen erbeuten sie von den Soldaten, und von den sogenannten Reapern. Ein weiterer solcher Plünderzug stünde bald bevor, sagt Kaenan zum Abschied, vielleicht habe Rex dann ja Glück.

Und Mister Beno behält recht was die Prüfung anbelangt: Am nächsten Morgen wird die Zelle wieder geöffnet, und die großen, mit Knöchelchen behängten Priester starren aus ihren schauderhaften, schwarzen Augen in die Höhle hinein, und rasseln mit ihren zeremoniellen Instrumenten, und summen einen dumpfen Singsang in ihren tiefen Stimmen, und fordern den Gefangenen auf, heraus zu kommen. Shadrack wird zum Häuptling geleitet, der auf dem Dorfplatz steht, zusammen mit einer fünfköpfigen Gruppe von Jägern, die gerade ihre Bewaffnung überprüfen: Zwei langläufige Jagdgewehre, zwei Sturmgewehre, und eine Maschinenpistole, alles von futuristischer Bauweise, aber alt und verkratzt und immer wieder repariert, und mit vielen Talismanen behängt. Vermutlich als abergläubischer Schutz gegen Ladehemmung, oder um zu verhindern, dass Teile einfach abfallen.



„Du gehst heute mit den Jägern hinaus, Rex-W-Shaddrakk!“, befielt der Häuptling, „und ihr kommt nicht ohne Beute zurück!“
„Was gibt es denn hier zu jagen auf Eurem merkwürdigen Planeten? Sowas wie dreibeinige, fliegende Nilpferde? Ich hoffe, die schmecken annehmbar.“
„Ihr jagt die größte Beute die es gibt! Das Zashar-Voonh!“
Shadrack sieht sich hilfesuchend nach Kaenan Benu um, der in der Nähe steht. Statt den unbekannten Begriff zu übersetzen, nickt der Rauschebart jedoch einfach nur bestätigend.
„Prima, Waldmannsheil“, knurrt Shadrack ironisch, „ich werde aber zuerst neue Munition brauchen für meine Pistolen.“
„Munition ist Deine Belohnung, Shaddrakk, wenn Ihr siegreich seid! Aufnahme in den Clan der unerschrockenen Jäger ist Dein Lohn, wenn Ihr lebendig zurück kehrt!“, entgegnet der Häuptling. Die versammelten Anouks machen heulende und schnarrende Geräusche, einige stampfen mit ihren mächtigen, dreizehigen Füßen im Staub, wahrscheinlich ist das ihre Art von Applaus oder Anfeuerung.


Die fünf Anouk-Krieger bedenken den Erdling mit neugierigen und abschätzigen Blicken, während sie wandern. Es ist weniger stürmisch, aber immer noch windig. Ständig bekommt der Hexslinger Staub in die Augen, er wünscht sich eine Schutzbrille, wie sie im Junkyard gebräuchlich sind. (Gebräuchlich waren, einst, seinerzeit.) Die Hünen bewegen sich gewandt und fast geräuschlos, laufen geduckt, Rex muss kurz an die Shoshoni in Utah denken.
„Wo finden wir dieses Tier, dieses Zashar-Voonh?“, fragt er irgendwann, in gedämpftem Ton.
„Zashar-Voonh“, wiederholt einer der Jäger nur dumpf.
„… Keiner von Euch lila Hackfressen spricht Englisch, was? Na, wäre auch zu einfach gewesen“, schimpft der Erdling leise.

Die Orakelwürfel entscheiden darüber, ob das stimmt:

„Du halten Mund-mit-vielen-Haaren, Erdmensch!“, zischt unerwartet einer der Anouks, „wir nahe an Luft, durch die Zashar-Voonh oft hindurch fliegt! Hat gute Ohren! Du still sein, schleichen! Versuchen, Jäger zu sein!“
„So! Was für eine Art von Vogel ist es denn, den wir abzuknallen versuchen?“
Über ihnen kreist ein Schwarm riesiger Flugechsen mit einer Flügelspannweite von mehreren Metern. Shadrack hört sie kreischen, erschaudert, und hebt den Blick.
„… Sowas wie die da?“
„Das sein Bara-Hark, Erdmensch. Razorwings. Wir jagen Zashar-Voonh! Still jetzt!“


Eine Stunde später liegen sie auf einem großen, flachen Felsen, und starren wortlos ins Hitzeflimmern am Horizont. Die Anouks haben ihre Waffen angelegt, und verharren wie unbewegte Steinfiguren, absolut stoisch. Man kann nicht anders als an gottverdammte Gargoyles zu denken, wenn man sie als Erdenbewohner so dort ausharren sieht. Statt des zu erwartenden fetten Beutetiers erscheint plötzlich in einer hohen Staubwolke ein schwebendes Luftkissenfahrzeug zwischen den Felsen. Es besteht aus verbeultem, schwarzen Stahl, und an Deck sind ein Dutzend schwarz gekleideter Gestalten mit Gasmasken zu sehen. Eine rote Schädelflagge weht im Wind. Die Antriebe des Hovercraft dröhnen um die Wette mit dem Brausen des Wüstenwindes.



„Zashar-Voonh“, knurrt einer der Anouks tonlos, „Reapers.“
Was immer das für Leute sind, diese Reapers, sie haben sich für ihren Flug Gesellschaft dazu geholt: Gefesselt und mit Leinensäcken über den Köpfen knien mehrere kurze Reihen an bäuerlich aussehenden Gefangenen an Deck.
„Sind das etwa Menschenhändler?“, murmelt Shadrack angewidert, „die Conditio Humana hat sich nicht eben gebessert seit meiner Zeit!“

Wir machen ein Quick Encounter, um das Hovercraft abschmieren zu lassen. Die Thra’Door-Anouks haben stattliche W10 bei Shooting, aber keine Wild Dice. Shadrack hantiert kurz ungesehen mit seinen Pokerkarten und aktiviert Boost Shooting, steigert seinen Shooting-Würfel von W12+2 um zwei Schritte auf W12+4. Seine Mitstreiter wider Willen würfeln erstaunlich gut, alle ihre W10 zeigen Erfolge, bis auf einen. Dann ist es also an Rex, ein Raise zu erwirtschaften, damit das Quick Encounter klappt. Mit einem Reroll kommt er auf eine vierzehn, das sind zwei Raises.
Systematisch zersieben die Eingeborenen die freiliegende Kabelage und das Kontrollpult des Fahrzeugs, Funken sprühen. Der Lärm ist infernalisch. Shadrack umgeht mit Trickschüssen die schwarzen Panzerplatten, und legt Teile der Elektronik lahm. Das Gefährt schlingert, die blutrünstige Crew aus Schwarzgekleideten eröffnet hektisch das Gegenfeuer mit ihren MGs, aber sieht die Anouks und den Hexslinger kaum auf ihrer Lauerposition.
Rex will seinen Punkt machen; er lädt eine Runenkugel nach, knurrt, „Aufgepasst, Ihr Lurche!“, und feuert auf eine leere Stelle inmitten des Decks, das sich gerade in Schräglage befindet. Mit einem Raise beim Aktivieren von Ammo Whammy darf ich Explosive und Flare gleichzeitig wählen, und eine mittelschwere und sehr grelle Explosion erschüttert das Deck des Schwebefahrzeugs! Eine spektakuläre Feuerkugel erhebt sich zum stürmischen Himmel. Jene der Schwarzgekleideten und ihrer Gefangenen, die bisher noch nicht geflüchtet sind, tun dies jetzt, mit panischen Sprüngen retten sie sich von Deck. Die Gefesselten taumeln hilflos in den Staub, die Gangster rennen zwischen den Felsen davon. Shadrack erhebt sich, wirbelt blitzartig seine qualmenden Schießeisen um die Zeigefinger, und lässt sie in ihre Holster zurück schnellen. Dann rückt er seinen Zylinder zurecht, der eitle Fatzke, und sieht außerordentlich smooth bei all dem aus. (Wir geben ihm mal einen Benny.)

Der Beschuss hat die Flanke des Hovercraft mit Einschusslöchern überzogen, und die Explosion hat das Deck verkohlt. Rauchend liegt das Vehikel zwischen den Felsbrocken, halb zerschellt. Die Anouks treten mit ihren langen Beinen vorsichtig über die armen Schweine mit den Säcken über den Köpfen hinweg, um sich den Ladeluken zu widmen. Shadrack sieht verdutzt zu, und begreift, dass seine neuen Alliierten einen Dreck darauf geben, was mit den Opfern der Banditen passiert; eigentlich auch kein Wunder, wenn er sich vorzustellen versucht, was die Erdlinge diesen Einheimischen womöglich angetan haben, in den Jahren dieses sogenannten Faraway War. Er weiß aus seiner eigenen Zeit noch genau, wie das läuft. Und es ist jetzt außerdem auch viel effizienter, sich nicht mit den Verlorenen aufzuhalten — nur Minuten werden vergehen, bis diese Reapers sich regruppiert haben werden, und gesammelt zurückkehren. Vielleicht unter einer Minute! Die Anouks plündern das Wrack mit brutaler Effizienz, sie scheinen denselben Gedanken zu haben. Diese Kolonisten gehen ihn, Shadrack, nichts an, sie sind streng genommen nicht einmal Zeitgenossen von ihm, er sollte gar nicht hier sein. Und kein Luca Byrd weit und breit, der damit nervt, dass man immerzu allen helfen müsse! Ein dünner Teenager schreit nach seiner Mutter, orientierungslos unter seinem dämlichen Kartoffelsack.
„Muttersöhnchen“, murrt Shadrack, als er eine der Blechkisten auftritt, die außen am Wrack festgezurrt sind. Nicht unmöglich, dass heutzutage .44er-Munition noch gebräuchlich ist.
In der Blechkiste sind sehr kleine, bunte Schnapsflaschen, und Getränkedosen mit der Aufschrift ‚Dr. Pepper‘, von denen der Erdling nicht einmal ahnt, was sie sein sollen. Die nächste Warenkiste ist nur einen Meter weiter. Dann zögert er, knurrt wütend auf sich selbst, „ja ja, schon gut, ich mach‘ ja!“, wendet sich von dem Plunder ab, zückt sein Messer, und beginnt nun doch, den kläglichen, am Boden krauchenden Gefangenen ihre Fesseln los zu schneiden, und die Säcke von den Köpfen zu ziehen. Erste Schüsse peitschen zwischen den Felsen über die Überfallstelle hinweg, ein Querschläger schallt über den verbogenen Stahl, gefährlich nahe an seinem Zylinderhut. Shadrack arbeitet mit eingezogenem Kopf. Befreite Siedler rappeln sich auf und rennen davon, grußlos, und ohne einen Dank.
„Weglaufen, Shaddrakk! Laufen wie ein Chiraka!“, zischt einer der violetten Jäger ihm zu, als er am Erdling vorbei prescht.
Weitere Schüsse pfeifen ihnen um die Ohren, zwei der Anouks haben bereits Streifschüsse kassiert.
„Seid Ihr hirntot, Ihr Scheiß-Anouks, wir sind Reaper! Wir sind Eure Verbündeten!“, hört Rex jemanden aus der Deckung schreien, und daraufhin jemand anderen kommentieren, „Guck‘ doch genauer hin, dass sind verdammte Thra’Door, die machen nicht mit uns gemeinsame Sache! Erschieß‘ sie! Knall‘ die Verräter ab!“
Rex rennt den Jägern nach, dann wirbelt er herum. Beim Wrack selbst ist jetzt niemand mehr, alle Gefangenen, die er nicht selbst aufgelesen hat, haben sich gegenseitig aufgeholfen. Er grinst böse, und feuert eine weitere Runenkugel in die Propeller auf der Unterseite, erneut mit dem Explosive-Effekt. Irgendwo dort müsste der Ghost-Rock-Ofen des Gefährts sitzen … wenn heutige Fahrzeuge noch mit Ghost-Rock-Briketts laufen!

Die Orakelwürfel sagen, da geht nichts hoch, denn ein Brikett-Ofen ist da natürlich nicht dran … aber:

Eine halbe Minute später entflammt die Benzinlache von dem Explosiv-Schuss, die sich unter dem Hovercraft ausbreitet, und daraufhin detoniert der Benzintank! Brennende Schrotteile fliegen hinauf in den Himmel! Die Anouks zwischen den hohen Findlingen ziehen erschrocken die Köpfe ein, und sehen den Hexslinger an.
„Sieht aus, als würden diese Reapers nun zu Fuß nach Hause gehen müssen“, stellt er fest, und tut so, als hätte er den Knall jetzt noch erwartet.


Zeit, einen kleinen GM Move zu machen. Es ist ein Zufallsereignis, und die Orakelkarten sagen: Mystically Reveal a technical History. Das kann unser Zeitreisender brauchen. Also dann:

Schweigend machen die sechs Rast zwischen hohen Felskegeln, die bei näherer Betrachtung eigentlich eine Art schuppige Pflanzen sind. Dazwischen ist ein Wasserloch. Die Anouks waschen die Streifschuss-Wunden der beiden Angeschossenen aus. Einer der anderen durchwühlt schon einmal neugierig den mitgenommenen Plunder. Insgeheim ärgert sich der Hexslinger über Luca Byrd — wenn der Tunichtgut dabei gewesen wäre, hätte der die karitativen Aufgaben übernehmen können, und Rex hätte derweil zum Plündern Zeit gehabt, und hätte jetzt die Manteltaschen voller Tauschware. In einer der Taschen der Anouks sind briefmarkengroße Objekte aus diesem durchsichtigen Material (Plastik), alle mit bunten Bildchen darauf. Namen wie ‚Indiana Jones‘, ‚Dino Riders‘, ‚Vom Winde Verweht’, und ‚Ghostbusters‘ springen ihm ins Auge, was immer das alles sein soll. Auf einem jedoch steht ‚Gomorra, 1879‘. Die Anouks schenken den briefmarkengroßen Dingern keine Aufmerksamkeit, für sie ist das nur Beifang. Er nimmt das viereckige Plättchen zur Hand, und schaut genauer darauf. Es scheint für Rex wie ein ganz kleines Theaterplakat, mit farbigem Schriftzug darüber. Im Inneren der durchsichtigen Substanz sind ein paar Stücke aus Blech, wie als wäre es Teil eines größeren Apparats. Unter dem Titelschriftzug bildet sich der Erdling ein, den Fat Chance Saloon abgebildet zu sehen, und die umgebenden Gebäude. Fast so, wie sie damals wirklich ausgesehen haben.
„1879 … was ist 1879 passiert?“, sagt er zu sich selbst, in ganz gedämpfter Stimme.


Bei Abenddämmerung erreichen die voll bepackten Clanskrieger und ihr Untergebener wieder das Dorf in den Tiefen des Canyons. Die schnarrenden, heulenden Jubellaute der zusammenströmenden Menge umfangen die Zurückgekehrten auf dem Dorfplatz. Shadrack sieht auf einem der Balkone erneut die Schwarze mit den vielen Anouk-Schmuckstücken. Nicht weniger hochnäsig als gestern blickt sie von dort oben auf ihn herab.

Die Jäger berichten von ihren Heldentaten, und von den Explosionen, die ihr neuer Erdling dabei ausgelöst hatte. Das Jubelgeheul erhebt sich lauter. Eine der Anouk-Frauen tritt schließlich vor Shadrack, beugt sich etwas herab, um ihm eine handgeknüpfte Kette aus Knöchelchen und Holzperlen um den Hals zu legen. Ihre rätselhafte Mimik soll wahrscheinlich Anerkennung ausdrücken.
„Ja, danke, danke“, murmelt der Hexslinger.
„Du bist jetzt ehrenhalber Clansmitglied!“, erklärt Kaenan Beno, als er neben Rex aus der Menge auftaucht, und drückt dem anderen Menschen etwas Gegrilltes in die Hand, von dem dieser nicht einmal sagen kann, ob es Tier oder Pflanze ist.

Shadrack berichtet Kaenan und seinen Freunden von den heutigen Geschehnissen, dann zeigt er ihm das durchscheinende Material mit dem winzigen Theaterplakat: „Mister Beno, was ist das?“
„Seht Ihr, Leute? Es ist wie ich sagte, er erinnert sich an nichts!“, sagt der Rauschebart zu den anderen Zerlumpten, und antwortet dann, „das ist ein alter Film. In der Blütezeit der Besiedlung wurde die Kolonie geradezu geflutet mit billigen Remakes von alten Hollywood-Filmen, um die Siedler in den Ballungszentren bei Laune zu halten. Und da es vielerorts kaum Netz gab, um Filmdaten zu zeemen, hat man sie damals wieder als einzelne physische Datenspeicher verkauft. Ach herrje, das ist, als würde ich über eine ganz andere Welt sprechen, eine andere Ära! Das waren ganz andere Zeiten, Rex, nichts davon hat in unserer heutigen Welt noch Bedeutung!“
„… Was ist ein Film?“
„Was ist ein Film! Sehr Ihr, Leute? Der Typ ist ein Phänomen!“
Viele der abgerissenen Gestalten lachen. Ein kleiner Junge fragt seine Eltern, „Wieso, was ist ein Film?!“
Kaenan haut Rex auf den Rücken, und sagt, „Na komm‘ schon, Mann, Du bist doch alt genug um Dich an die Zeit vor dem Tunnel-Kollaps zu erinnern! Und überhaupt, Du warst doch bis vor kurzem im Orbit, wo überall noch Bildschirme flackern!“
Shadrack sieht Kaenan an, und sein Blick wird ratlos, fast verzweifelt.
Der Schwarze erklärt, „Na, eine Geschichte, aufgenommen in Datenformat, wie … wie eine sichtbare Erinnerung! Mit hübschen Dialogen und Hintergrundmusik!“
„… Ein Theaterstück!“
„Ja, genau, Mann“, lacht Kaenan amüsiert, „wie ein Theaterstück auf Knopfdruck, ein Zeitzeugnis von einer bestimmten Begebenheit.“
Shadrack hebt das Plastikteil, und sagt, „Ich muss unbedingt wissen, was dieses Stück zum Inhalt hat!“
„,Gomorra, 1879‘ … ja, war irgendwann ein großer Kassenschlager … hab‘ das Remake hier nie gesehen. Das alte Original auch nicht, obwohl das der weit bessere Film gewesen sein soll. Bei uns in Afrika waren Western auch nicht so groß wie in Amerika und Europa! Das Original war aus den 1960ern … Das Ding da wirst Du nie mehr zum Laufen bringen. Glaubst Du, Du findest hier irgendwo ein Gerät, das noch dieses alte Format unterstützt, was hatten die Filme damals, Ro-X-Bus …? Hier gibt’s keinen Ro-X-Bus-Port, hier gibt’s ja nicht mal mehr funktionierende Computer!“
„1960 …“, raunt Shadrack, wie weggetreten, „warum bin ich vorher nicht drauf gekommen? … Welches gottverdammte Jahr haben wir eigentlich jetzt gerade?“
„Deine Amnesie scheint wirklich ziemlich schwer zu sein!“, sagt Kaenan, jetzt besorgt, „Na ja, denk‘ mal nach: Der Interspace Tunnel ist doch 2081 ausgefallen. Demnach ist jetzt 2094!“
Shadrack nickt verständig, nimmt seinen Zylinder ab, fächelt sich mit der Krempe Luft zu. Diese Jahreszahl ist genau genommen weniger weit in der Zukunft als er vielleicht die ganze Zeit über erwartet hätte. Nur eben zweihundert Jahre. Dennoch merkt er, wie alles um ihn sich zu drehen beginnt.

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