Autor Thema: [Deadlands] Savage West Solo Play  (Gelesen 34990 mal)

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #250 am: 31.03.2025 | 18:29 »
Die weite Ödnis im Umland von Gomorra kann sich jederzeit in einen Hexenkessel verwandeln, und daher will ich mal meine selbstgeschriebene Tabelle Auf den Trails zu dem Fußweg befragen.
Das Kartenlegen ergibt sowohl Unwegsamkeiten, als auch extremes Wetter. Joycelyn hat eine Hofkarte, also wird für sie obendrein eine Begegnung ermittelt.
Die Wild Cards klettern also, angeführt von Tioga Joe und Hope In Winter, über Kieshänge und zwischen schroffen, rötlichen Felsen hindurch. Dafür schaffen sie mehrheitlich ihre Vigor-Würfe, das reicht, um eine zusätzliche Begegnung zu vermeiden. Der Januarwind wird unterwegs immer schärfer, und es beginnt zu schneien. Erneut würfeln alle Vigor, um einer Cold Hazard zu widerstehen. Alle außer Miss Kentrall schaffen es, die feine Dame hat nur Vigor W4 und schlottert ganz erbärmlich unter ihrem Wintermantel. Sie bekommt dafür ein Level Fatigue.
„Schauen Sie nur, Marcus!“, sagt Byrd fürsorglich, „Unsere Miss Kentrall wird uns gleich zu einem Eiszapfen. Geben Sie ihr doch flugs mal ein Schlückchen von Ihrem medizinischen Alkohol! Das wärmt!“
„Aber Mister Byrd!“, rügt der Chirurg, „Medizinischer Alkohol ist nicht zum Verzehr bestimmt!“
Mallory fügt hinzu, „Pfui, lassen Sie gut sein! Der Herr verhüte, dass ich mir jetzt auch noch die Sünde des Trinkens zuschulden kommen ließe!“
Luca zuckt mit den Schultern, „Na gut, auch gut. Hey Marcus, aber ich nehme ein Schlückchen!“
Der Erfinder schüttelt den Kopf, fast ein bisschen ungläubig über das, was er da hört.

Ich ziehe eine weitere Karte, um die Art der Begegnung für Joycelyn zu bestimmen. Die Tabelle sagt, ein möglicher Alliierter läuft dem Aufgebot über den Weg. Da bediene ich mich flugs erneut bei den vielen, vielen Charakteren aus dem Doomtown-Trading Card Game, nehmen wir mal den mexikanischen Söldner ‚Gordo’ Andrade her:

„Oh! Señorita Lancaster! Señorita, hola! Hier drüben!“, ruft eine aufgeregte Stimme, und sofort peitscht ein Pistolenschuss über die felsige Einöde! Alle fahren zusammen und werfen sich in Deckung, und Byrd zieht blitzschnell seine eigenen Schießeisen, John einen seiner Wurfspeere!
No no no, nicht doch!“, stellt die Stimme hastig hinterher, „Das war doch nur, um Aufmerksamkeit zu kriegen, Compadres! Waffen runter, eh? Ich mache auch, eh?“
Zwischen den Felsen steht ein dicklicher Mexikaner mit einem Sombrero und einem Walross-Schnauzer, und einem Fellmantel unter seinem ollen Poncho. Im Schneegestöber war er kaum zu sehen. Er steckt demonstrativ beide seiner Pistolen in die Holster zurück.



'Gordo' Andrade, einer von Gomorras Revolverhelden ohne feste Gruppenzugehörigkeit


„Sie haben uns ordentlich erschreckt, Mister! Was hatten Sie denn damit …“, setzt Marcus an.
„Señorita guapa!“, sagt der Mexikaner, und klettert behende zwischen den Brocken hinab, und kommt näher, „Was für eine Überraschung, eh? Was machen Sie denn hier draußen, Verehrte?“
„Meinen Sie mich?“, fragt Joycelyn verwirrt, und rückt ihren kleinen Hut zurecht.
Sí! Me llamo ‚Gordo’ Andrade, bekannt wie kundiger Hund, eh, ich bin großer Verehrer!“, und er strahlt Joycelyn an.
„Ich erinnere mich an Ihr Gesicht, aus dem Publikum“, sagt die Sängerin.
„Und ganzes Gomorra Valley erinnert sich an meine gefürchteten pistolas“, ergänzt Gordo großspurig, „Die Linke ebenso schnell wie die Rechte!“
„Was machst Du hier draußen, Fremder?“, knurrt John misstrauisch, „Weißt Du nicht, dass man hier in der Gegend den Scouts der Sioux über den Weg laufen kann? Weißt Du denn nicht, dass es dann nicht klug ist, das Blei des Weißen Mannes sprechen zu lassen?“
„War doch nur, um Signal zu geben, eh? War sozusagen Salute! Freue mich ausnehmend, solch eine guapa hier draußen anzutreffen! Bin eigentlich wegen was anderem hier, eh.“
„Und weswegen“, knurrt John bedrohlich, aber er kann sich schon denken, was den Söldner hierher führt.
„Die Sweetrock will sicher gerne wissen, ob das stimmt, was Shouting Tom heute früh von sich gegeben hat! Ich finde raus, und verkaufe den Geldsäcken die informaciones!“
„Wohl kaum“, entgegnet John, und sein Blick ist so finster, und sein Ton so bedrohlich (und sein Intimidation-Ergebnis so hoch), dass Gordo unwillkürlich einen Schritt zurückweicht, furchtsam.
„Na na, aber John!“, rügt Joycelyn, „Dieser Gentleman will uns sicherlich nur sein Geleit anbieten! Er berichtet doch nicht hinterher der Sweetrock, was hier vorgefallen ist!“, und sie lächelt ihren Verehrer zuckersüß an.
Ich gewinne ein schnelles Quick Encounter, und die Wild Cards machen Gordo klar, dass er hier in eine echt brisante Sache hinein gestolpert ist, und dass er echt verlässlich die Fresse darüber halten muss, ganz besonders gegenüber den Schergen von Howard Findley, oder den Regierungsschnüfflern. Gordo gelobt also Stillschweigen, sogar bei seiner Frau Mutter und den Gebeinen seiner Frau Großmutter, und stellt seine Ballermänner in den Dienst des Schutzes der Miss Lancaster. Damit ist er vorerst unser Ally, sogar ohne Sold. Hier sind schon mal Spielwerte für ihn:

🌵 ‚Gordo‘ Andrade
Advances: 4
Attributes: Agility d8, Smarts d4, Spirit d6, Strength d6, Vigor d8
Skills: Athletics d8, Common Knowledge d4, Fighting d6, Intimidation d6, Notice d6, Persuasion d6, Shooting d10, Stealth d6, Survival d4, Taunt d4
Pace: 6; Parry: 5; Toughness: 6
Hindrances: Overconfident, Stubborn, Quirk (Talks a lot in Spanish as if everybody would understand it)
Edges: Ambidextrous, Two-Gun Kid
Gear: Two bowie knives, two Colt Peacemakers, ammo bandoliers, hatchet, Winchester rifle, water canteen

(Als Miniatur taugt für ihn Pablito aus dem Grundspiel von Zombicide: Undead or Alive.)


Schließlich erreicht das Aufgebot das Versteck. Erneut warten einige der Wild Cards lieber im Abseits, Marcus und unser neuer Verbündeter Gordo. Die stehen Schmiere, zumal ja außer dem Mexikaner durchaus auch noch andere Neugierige aus der Stadt ihren Weg hierher finden könnten.

John, Joycelyn, Luca, und die beiden Scouts gehen tiefer in die kleine Klamm, gefolgt von einer nervösen Mallory, und entdecken dann den Schein des Lagerfeuers: Die Wildnis-Experten der Eingeborenen haben in einer kleinen Felsenhöhle eine Feuerstelle errichtet, die von außen nicht zu sehen ist, und deren Rauch durch einen Spalt in der Decke abziehen kann. Im Eingang sitzt der junge Krieger Benjamin Nightsinger, und schaut ihnen stumm entgegen. Er trägt traditionelle Lederkleidung, aber er ist kein Anhänger der Alte-Wege-Bewegung. Neben ihm lehnt eine alte Springfield-Büchse an der Höhlenwand, und um seinen Hals hängt ein großer, hölzerner Anhänger, der mit etwas Phantasie sogar ein christliches Kruzifix sein könnte.
Von tiefer aus dem Inneren der Höhle schaut das blasse Gesicht der Astronautin auf. Sie ist in indianische Decken gehüllt, und ihre Haare sind etwas länger geworden, seit man sie zum letzten Mal gesehen hat.



Die 'Weltraum-Dame'


Die vier Eingeborenen reden eine Weile unter sich. Es scheint ihnen etwas schwer zu fallen, denn nicht alle sprechen die Algonkin-Sprache gleich gut, sie mischt sich hier sogar mit vereinzelten Brocken von Englisch.
Schließlich winkt John die Bleichgesichter heran.
„Hallo Darling!“, ruft Joycelyn vorsichtig ins Innere der Höhle, aber es kommt keine Antwort von der Soldatin.
„Was hat sie denn letztlich so von sich erzählt?“, fragt die Sängerin die Ureinwohner.
„Weiterhin spricht sie die meiste Zeit in Rätseln“, antwortet Benjamin Nightsinger, „Ihre Reise zwischen den Sternen hat sie in den Wahnsinn getrieben.“
Hope In Winter ergänzt, „Schon letztes Jahr haben Joseph Eyes-Like-Rain, Wise Cloud, und ein paar andere unserer größten Medizinleute versucht, ihren Verstand zurückzubringen. Hatten nur wenig Erfolg. Die Geister werden sie zurück geleiten müssen zu den Sternen — wenn sie denn überhaupt wollen, dass Bleichgesichter, die noch am Leben sind, dort oben verweilen. Das wissen wir nicht.“
Benjamin Nightsinger nickt, „Und die Geister und die Manitous sind in großer Aufruhr wegen dem Reckoning des Medizinmannes Raven vor 13 Jahren. Vielleicht ist das der Grund für das Erscheinen der Sternen-Squaw bei uns. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sie immer noch nicht zurückkehren kann. Die Geister der Ewigen Jagdgründe sind uneins, und oftmals im Kampf miteinander. So jedenfalls sagen es unsere weisesten Leute, im ganzen Land.“
„Ihr werdet die Gute vermutlich verlegen müssen, nachdem die Sweetrock-Kackstiefel jetzt Wind von diesem Versteck gekriegt haben“, sagt Joycelyn, „Dürfen wir mal mit ihr reden?“
Benjamin Nightsinger nickt, und die Wild Cards gehen vorsichtig in die Höhle, und setzen sich zu der Gefangenen. Hier am Feuer ist es angenehm warm.
„Howdy“, sagt Byrd, und tippt lächelnd an seinen ollen Hut, „Sie gestatten doch?“
Die Ex-Soldatin guckt die vier unverwandt an, sonst nichts.
„Wir wollten mal fragen, wie’s Ihnen so geht, Ma‘am!“, redet Byrd weiter, „Lang’ nicht gesehen, wie? ... Joah, die guten, alten Sioux haben uns seit dem Herbst klargemacht, dass Sie, Ma‘am, deren Angelegenheit sind! Nicht nur, weil man Sie verstecken muss, sondern auch, weil alle Leute, die von den Sternen kommen, das Fachgebiet der Schamanen sind! Egal ob rot, weiß, oder womöglich kariert im Gesicht!“
„Ich weiß“, sagt die Angesprochene. Sonst nichts.
„... Wie fühlen Sie sich?“, fragt schließlich Joycelyn.
„Wie soll‘s mir schon gehen hier draußen?“, fragt die Soldatin etwas dumpf, „Ich bin in Händen der Widerständler, da stecken die Anouks dahinter. Man lässt mich seit Monaten nicht mir der EXFOR sprechen! Und ich bin die ganze Zeit on-planet, das ist nicht mein Ding, ich bin am besten an Zero-G gewöhnt.“
„Was, äh, wie bitte, und an was bitte gewöhnt?“, fragt Byrd amüsiert.
Zero-G, Du Heini! Schwerelosigkeit. Scheiß-Hinterweltler-Wüste. Verdammtes Banshee“, ihre Stimme klingt fast, als würde sie im Schlaf sprechen.
„Aber die Indianer haben Ihnen doch schon gesagt, dass Sie nicht auf einem Stern namens Banshee sind“, versucht Joycelyn behutsam einzulenken, „Sie sind auf der Erde! Vermutlich würden Sie sagen, dass dies die Vergangenheit für Sie ist!“
„Diese Widerständler-Hackfressen sind alles Esoteriker! Das machen die, weil die Anouks auch so ticken … Alles BS.“
„Wenn sie BS sagt, meint sie die Scheiße von Bullen“, erklärt John.
Joycelyn schaut ihn fragend an, „Aber hast Du nicht gesagt, Eure Medizinleute hätten schon Erfolge gehabt beim Versuch, ihr zu vermitteln, in welcher Lage sie wirklich ist?“
John erwidert, „Ja, und manchmal lebt sie auch im Hier und Jetzt. Und zu anderen Zeiten ist es wie jetzt gerade. Da denkt sie, sie hat ihre eigene Zeit nie verlassen. Manche Menschen bestehen aus verschiedenen Seelen, in einem einzigen Körper.“
Neugierig richtet Luca das Wort wieder an die Fremde, „Ich hab‘ letztes Jahr meine geliebte Taschenuhr leider verschenken müssen, wissen Sie … können Sie mir grade mal sagen, welches Jahr gerade ist?“
Sie zögert eine Weile, in dumpfes Schweigen gehüllt, dann sagt sie schleppend, „2094. … Da hier auf Banshee Winter ist, vielleicht mittlerweile 2095, nach terranischer Zeitrechnung. Sie lassen mich ja nicht mit der EXFOR sprechen, also kann ich’s nicht genau wissen.“
Mallory Kentrall hat nervös ihre Karten zu mischen begonnen in ihren vor Kälte tauben Fingern. Sie verwendet erfolgreich ihre Kartentechnik Empathy, und hört sogleich das Wispern der unsichtbaren Toten, welche ihr zutragen, was oberflächlich im Gemüt der Soldatin vorgeht.
„Ich verstehe, dass Sie verwirrt und verzweifelt sind, Miss“, sagt das Medium, „Aber denken Sie, wir könnten mit dem Teil von Ihnen sprechen, der akzeptiert hat, dass Sie im Jahr 1877 sind? Es wäre leichter für uns, zu entscheiden, wie wir weiter mit Ihnen verfahren können. Wir müssen Sie verlegen, in ein anderes Versteck. Wir könnten Sie ein neues Leben beginnen lassen, wenn Sie sich bereit dazu fühlen. Dafür müssten Sie aber bereit sein, einiges hinter sich zu lassen. Insbesondere jene Organisation, die Sie EXFOR nennen.“
„Ich habe den anderen Widerständlern schon deutlich gemacht, dass ich Ihnen nichts preis gebe, außer meiner Dienstnummer …“, raunt die Soldatin.
Das Wispern trägt an Mallorys Ohr, dass sich Erinnerungen wie ein Schleier über das Gemüt des Gegenübers legen, um ihre existenzielle Angst mit Gleichmut zu betäuben.
„Würden Sie denn ein anderes Leben vorziehen, Miss?“, fragt die Hucksterin weiter, „Ich weiß, was in Ihnen vorgeht. Wenn wir Sie hier draußen in der Wildnis lassen, ergibt sich vielleicht irgendwann die Chance, dass Sie nach Hause zurück versetzt werden könnten. Aber wenn Sie bereit wären, sich auf diese neue Wirklichkeit einzulassen, könnte der Herrgott es geben, dass Sie wieder normal leben können, als ein Mensch dieser Zeit. Dann wären Sie sicher vor den Machtgruppen hier in Kalifornien … und vor der Regierung!“
Da würfelt Mallory mal Persuasion, ihre Empathy-Kraft gibt ihr dadür einen +1-Bonus. Sie erzielt jedoch trotzdem keinen Erfolg gegen den Spirit-W6 der Befragten.
Die sagt eine Zahlenfolge vor sich hin wie gebetsmühlenartig, das scheint die erwähnte EXFOR-Dienstnummer zu sein.
„So enden diese Gespräche oft“, sagt John leise, „Wann immer sie gerade denkt, noch in der Zeit ihres Sternen-Schiffs zu sein.“
Joycelyn sagt besorgt zu ihm, „Also müssen wir alleine entscheiden, ob wir sie von hier wegbringen. Wieder über den Kopf der Ärmsten hinweg.“
„Mein Vater Joseph Eyes-Like-Rain sagt, ihr Geist müsse gereinigt werden. Von der Kälte ihres Todesschlafs zwischen den Sternen, und von der Angst vor den blauen Spinnen mit den Mäulern wie Raubfische. Von dem Schrecken, obendrein in einer Zeit zu sein, die ihr fremd ist. Es gibt große Medizinmänner in den Sioux Nations, die ein solches Ritual der Reinigung zu tun vermögen. Dies wäre jedoch eine weite Reise. Und die Squaw müsste diese Reise wirklich machen wollen.“
„Auf die Gefahr hin, dass sie das Loch in der Landschaft im Gomorra Valley verpassen würde, wenn es je wieder auftauchen sollte“, sagt Byrd.
Joycelyn sieht ihn an, und sagt kopfschüttelnd, „Das ist Monate her, Luca. Vielleicht geschieht das einmal alle hundert Jahre, oder alle tausend Jahre. Wer weiß! Es gibt jedenfalls keinen Weg dorthin zurück.“

Mallory lauscht weiter auf die wispernden, unsichtbaren Stimmen, die nur sie vernehmen kann aufgrund ihrer Hex-Formel. Wenn die Soldatin dieses Gespräch zwischen den anderen also gerade mithört, was geht dabei in ihr vor?

Wir fragen die Orakelwürfel dazu, und diese bestätigen die Vermutung, dass sie ein anderes Leben führen wollen würde, aber das Ergebnis ist äußerst knapp.

„Ich vermute, tief im Inneren wäre sie bereit dazu, hier auf der Erde zu leben“, raunt Miss Kentrall, „Auch wenn das bedeuten würde, alles hinter sich zu lassen, was vorher war.“

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #251 am: 10.07.2025 | 15:56 »
„… Dann wäre ja nur noch die Frage, wie wir die Weltraum-Dame hier weg kriegen“, sagt Mister Byrd vergnügt, „Hey, das hochverehrte Collegium der Interdäumlings-Physik, wie heißt das noch gleich richtig?, na egal, die haben da jedenfalls möglicherweise Mittel und Wege! Im Dezember haben die Herrschaften mir und Geraldine ganz ausgezeichnet geholfen. Näher gesagt, unser belgischer Windbeutel, Fineas von Landingham!“
„Sioux Union will keine Hilfe von den Wasichu-Gelehrten! Sind auch ganz bestimmt nicht verehrt, wenn man den Roten Mann fragt“, murrt John. Sein Ton ist unmissverständlich: Zwischen diesen beiden Machtgruppen wird es keine Kooperation geben, auch nicht in diesem besonderen Falle.
Mallory gibt zu bedenken, „Aber zu Pferde zurück zur City o‘ Lost Angels, oder Sacramento, oder Shan Fan, das ist ein langer, beschwerlicher Ritt! Noch dazu durch gesetzlose Grenzlande!“
John würdigt sie keines Blickes, und beharrt nur, „Ich habe gesprochen.“

Damit wäre das Auftakt-Ereignis des Abenteuers eigentlich abgehandelt. Was sagte uns gleich unser Abenteuereinstieg? Die Law Dogs blasen zum Angriff gegen den korrupten Bezirksrichter Gabriel!

… Aber vorerst werfen wir einen Blick herüber in das neue Schulhaus:

Geraldine Montmorency derweil sitzt dort an ihrem ersten Schultag seit ihrem Eintreffen in Amerika auf ihrer Schulbank. Fieberhaft konzentriert sie sich auf das, was der Lehrer sagt. Es ist kein richtiger Schullehrer, dieser Mister Delarney, er hat schon eingangs entschuldigend gesagt, er sei eigentlich ein Buchhalter bei der Sweetrock Mining Company. Er und andere würden nur den Vertretungsunterricht übernehmen, bis ein richtiger Lehrer nach Gomorra kommen würde.
„… Wann lernen wir schießen?“, war das erste, das daraufhin gefragt worden war, natürlich von Ernie Carmichael, dieser unverbesserlichen, kleinen Bratze! Groß geguckt hat er, als Mister Delarney entgegnet hat, „Schießen, das lernt man nicht an einer Dorfschule, dafür musst Du zur Unions-Armee.“
Dann wurde zehn Minuten lang diskutiert, was denn sei, wenn man aber Südstaatler-Eltern hätte, denn auch hier in den Schulbänken mischen sich natürlich die Sprösslinge von Familien von beiden Seiten der Mason-Dixon-Line. Jungen aus dem Süden gingen ja nicht zur Unions-Armee, sondern zur Konföderation, tönte einer, aber das wollte Mister Delarney irgendwie nicht gelten lassen; der ist selber Nordstaatler, und es wäre ein schwarzer Tag, wenn er irgendjemandem empfehlen würde, irgendetwas zu tun, das die Konföderierten stärken würde. Am Schluss blieb die Frage ungeklärt, und man wendete sich dem Geschichtsunterricht zu.

Geraldine, die Kanadierin, rutscht ungemütlich auf ihrer Bank hin und her, sie sieht die Pausen-Kloppereien schon kommen, die sich an dieser Thematik entzünden werden! Und sie wird wahrscheinlich wieder diejenige sein müssen, die den Streit schlichtet, wie auch im Waisenhaus, immerhin ist sie eine der größten, zwar ebenso mager wie die anderen Waisenhaus-Gören, aber dafür hochgewachsen und einigermaßen drahtig. Sie nimmt sich vor, künftig hier an der Schule gleichzeitig für Recht und Ordnung zu sorgen, und unauffällig zu bleiben. Ihr übergeordnetes Ziel ist schließlich, Klassenbeste zu werden.
„Gleichzeitig für Recht und Ordnung sorgen, aber unauffällig, Katie Maurice!“, wiederholt sie mit einem scharfen Flüstern für das Mädchen zu ihrer rechten, damit auch sie es sich merken kann.
„Was gibt es da zu schwatzen?“, fragt in dem Moment Mister Delarney, und fährt zur Klasse herum, „Duda! Mont … Morsel …!“
„Ich heiße aber Montmorency!“, sagt Geraldine empört. Einerseits fühlt sie heiß die Schamestöte im Gesicht, weil sie ertappt worden ist dabei, unerlaubt zu sprechen — und dann auch noch, weil sie doch ihrerseits Katie Maurice disziplinieren wollte! Andererseits hat Mister Delarney schon wieder ihren Nachnamen falsch ausgesprochen, jetzt zum dritten Mal in Folge! Geraldine hat genau mitgezählt. Und ihr guter, wohlklingender Name, das ist gewissermaßen alles, was sie in der großen, weiten Welt noch hat. Abgesehen von der Freundschaft von Mister Byrd.
„Was hattest Du mitzuteilen, Montmorency?“, schnappt der Klassenlehrer.
„Ich ermahnte gerade meine Banknachbarin, dass wir … sittsam zu sein hätten, und dennoch unsere Zungen hüten, Herr Lehrer!“, entfährt es Geraldine, unpassend laut ist ihre Stimme, in ihrer Aufruhr. Ihre Wangen fühlen sich unverändert heiß an.
Mehrere der kleineren Kinder beginnen zu lachen.
„Ruhe! Ein Rat, den ich auch Dir geben könnte!“, schimpft Delarney, „Und was hat das mit George Washington zu tun?“
Geraldine zögert kurz, dann sagt sie, immer noch zu laut, „Er … war auch ein Wächter der Tugendhaftigkeit, Sir!“
„Ja, ja. Ruhe jetzt! Zurück zur Unabhängigkeitserklärung …!“, kommandiert der Sweetrock-Mann, und wendet sich wieder der Tafel zu.
Geraldine wirft Katie Maurice schnell einen beschwörenden Blick zu, der Bände spricht: Wenn sie jetzt etwas kommentieren oder gar kichern sollte, dann ist sie aber dran …!


Luca Byrd, Joycelyn Lancaster, und John Bloody Knife kommen wieder auf den windigen Town Square von Gomorra, gefolgt von Mallory Kentrall und Marcus Perriwinkle, die immer noch leise darüber sprechen, was draußen in der Einöde los war. Der Mexikaner Gordo Andrade mit seinem Sombrero folgt ihnen immer noch, er will ja die verehrte Miss Lancaster eskortieren.



J.P. Coleman verliert sonst nur selten die Beherrschung


Hier auf dem Town Square ist mal wieder Streit ausgebrochen, man hört das Geschrei schon von Weitem!
„… Diese Stadt, MacNeil, die wird einen wirklichen Richter bekommen! Um das klipp und klar zu sagen, damit auch Sie das begreifen: Wenn Sie glauben, ich führe noch weitere Gefangene vor Ihren Sauhund Gabriel, dann haben Sie sich geschnitten!“
„In Ihrem Kittchen, Coleman, da wartet ein halbes Dutzend Feinde der Sweetrock auf ihr Urteil! Die Hälfte davon Galgenvögel der Blackjacks!“, erklingt die ehrfurchtsgebietende Reibeisenstimme des Hünen Jim MacNeil.
„Und da bleiben die auch, bis sie Schimmel ansetzen, wenn ich das will! Vor Bezirksrichter Gabriel treten die nicht. Wissen Sie warum, MacNeil? Soll ich Ihnen sagen, warum?“, schreit Sheriff Coleman.
„Ich bin ganz Ohr!“, knurrt der Bärtige lauernd.
„Weil ich das Gesetz bin in Gomorra. Ich, kapieren Sie, nicht Ihr Howard Findley. In meiner Stadt wird es keine fragwürdigen Prozesse im Schnelldurchlauf mehr geben, wie Richter Gabriel sie so gerne macht. In einer Woche haben wir hier einen wirklichen Richter. Sie können sich jetzt verpissen, Jim MacNeil!“, verkündet Coleman hasserfüllt, „Sie können Gabriel sagen, er darf wieder abreisen, und Sie können ihre Plattform da mit ihren sieben Galgen direkt wieder abbauen! Wenn demnächst hier Todesstrafen verhängt werden, dann nur, weil die Schuld bewiesen ist, und dafür brauchen wir auch nicht Ihre beschissenen Galgen, die Kerle knüpfe ich eigenhändig auf, wenn ich muss, am guten alten Erhängungs-Baum am Stadtrand! Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen!“

Am einen Rand des Town Square stehen Sheriff J.P. Coleman, und seine Deputies Charlie Flatbush, Jesse Fremont, Nate Hunter, und John Templeton. Ihnen gegenüber stehen Sweetrock-Sicherheitschef Jim MacNeil mit seinem finsteren Blick, Vorarbeiter Mick Caples, einige der bärtigen Gewehrschützen, und mehrere der dickleibigen Anzugträger und Aktenschmierer mit den säuerlichen Gesichtern.

„Schaut mal Leute“, sagt Luca halblaut zu seinen Compadres, „Die haben die Plattform wieder aufgebaut! Sieben Galgen in einer Reihe, sieht aus, als würde die Sweetrock sich wieder einem ganzen Batzen ihrer Feinde auf einmal entledigen wollen, was?“
„Sieht aus, als würden sie diesmal nicht so einfach damit durchkommen“, sagt Joycelyn tonlos.
„Und ob das Gestell diesmal geprüft ist?“, grinst Luca, „Ich wurde schon wieder nicht gefragt, dabei wissen die Mannen seit dem Sommer, dass ich zertifizierter Galgen-Prüfling bin, oder wie heißt das noch gleich!“
„Der Bezirksrichter muss mal wieder in der Stadt sein“, sagt Mallory angewidert, und sie versteckt ihr Gesicht hinter ihrem Spitzenfächer.
„Meine arme May B. würde sich jetzt furchtbar erzürnen über das alles!“, sagt Joycelyn.
„Sheriff Coleman erzürnt sich schon genug“, sagt Byrd, „Der erzürnt sich ja für May B. gleich mit!“
„Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie das mit der Gerechtigkeit hier letztes Mal ausgegangen ist, als wir es mit Richter Gabriel zu tun hatten“, grollt Joycelyn.
Marcus raunt, „Und die Sweetrock Mining Company untergräbt natürlich die Autorität des Sheriff Department, wenn sie dergestalt agieren. Indem sie weiterhin den Bezirksrichter anfordern, und die eigentlichen Gesetzeshüter quasi lediglich einsetzen wollen, als wären sie die Gefängniswärter unter ihrem Kommando, nichts weiter.“
„Kommt, wir schlendern mal zu Sheriff Coleman rüber, und fragen, ob man dem helfen kann!“, sagt Byrd enthusiastisch.
„Nicht!“, sagt Joycelyn, „Der hat doch gerade schlechte Laune!“
„Ja — na und?“
„Das ist der falsche Moment!“, zischt die Sängerin.
„Das ist der goldrichtige Moment! Dann können wir ihm seine Laune nicht noch mehr verschlechtern!“, freut sich Mister Byrd, und geht weiter, „Howdy, Sheriff!“, sagt er, die Hand grüßend erhoben.
« Letzte Änderung: 16.09.2025 | 22:47 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #252 am: 10.09.2025 | 20:45 »
Sheriff Coleman misst Luca Byrd und seine Freunde noch mit einem argwöhnischen Blick ab, während er sich bereits abwendet. Er hat offensichtlich keine Lust, hier auf dem Town Square von diesem Kasper Luca Byrd vollgequatscht zu werden. Aber prinzipiell ist er einer Unterredung mit den Wild Cards auch nicht abgeneigt — nur eben nicht öffentlich. (Das hat schließlich unser Abenteuereinstieg so ergeben!) Also gibt er seinen Deputies einen unauffälligen Wink, die sollen Byrd und dessen Truppe gleich mal mitnehmen.

Während also Fremont, Templeton, und Hunter die Wild Cards stumm flankieren, schreitet J.P. Coleman grimmig die Main Street hinauf, als hätte er mit den anderen eigentlich nichts zu schaffen. Als sei er ganz auf seine Verachtung für die Sweetrock konzentriert! Und so wie er im Losgehen in den Schneematsch spuckt, merkt man ihm auch an, dass diese Verachtung ganz und gar nicht vorgespielt ist.


„… Ich zahl‘ Euch ein paar Dollars aus meiner Kriegskasse, Leute“, sagt Coleman halblaut, als sie im Sherriff‘s Office angekommen sind, und die Deputies die Tür fest zugeworfen haben. Hier drin ist es ziemlich arschkalt, auch das Office ist schließlich bisher nicht viel mehr als eine Bretterbude, wie so viele Gebäude in Gomorra. Der Sheriff nimmt einen, aus einer unetikettierten Pulle, gegen die Kälte, und gegen die Wut, die er im Bauch hat.
„Aha, Dollars!“, sagt Luca mit diebisch blitzenden Augen, „Da werden meine Lauschlappen ja sogleich etwas spitzer! Und derartiges hatten wir unsererseits auch gerade im Sinne, als wir—“
„Schnauze“, würgt Coleman ihn ab, „ich rede. Also, Bezirksrichter Steven Gabriel ist wieder im Gomorra Valley. Ich habe keine Geduld mehr für den. Die dumme Sau richtet hier nur Schaden an mit seiner sogenannten Rechtssprechung, und Howard Findley reibt sich die Hände. Das, was diese Galgenvögel hier abziehen, das ist nur bessere Lynchjustiz. Aber das ist ab sofort vorbei. Ich mache jetzt verdammt nochmal meinen Punkt. Bald kommt Henry Warwick hier angereist, und dann hat unsere Stadt endlich eine eigene Gerichtsbarkeit!“
„Hört, hört“, nickt Marcus Perriwinkle anerkennend.
„Keinen von den Saftsäcken, die derzeit in meinem Kittchen dahinvegetieren, lasse ich einem Steven Gabriel vorführen!“, knurrt Coleman mit furchtbarer Entschlossenheit, „Die sollen allesamt faire Prozesse kriegen. Dass sie Dreckskerle und Backpfeifengesichter sind, hin oder her. Auf eine oder zwei Wochen mehr bei Wasser und Brot kommt‘s für die jetzt auch nicht mehr an.“
„Kommt der Richter denn wirklich, dieser Mister Warwick?“, will Joycelin wissen, „Ist das auch wirklich verlässlich?“
„Sie halten den Schnabel, Goldkehlchen, wie unser Revolverheld hier auch“, wiegelt der Sheriff ab, „Ich bin noch nicht fertig. Und ich hab‘ heute Scheiß-Laune. Also, Sie kommen mir grade ganz recht! Sogar Ihr rothäutiger Spießgeselle Bloody Knife. Ich will, dass Sie Steven Gabriel und die Sweetrock-Bastarde in ordentliche Scherereien verwickeln. Ich will, dass der Bezirksrichter so zu schaffen hat mit Ihnen, dass der nicht dazu kommt, seine Zelte aufzuschlagen und seine erbärmlichen Schnelldurchlauf-Gerichtsverfahren hier zu veranstalten.“
„Der hat aber dicke Freunde bei der Sweetrock“, lächelt Byrd, „und die wiederum haben dicke Schießprügel!“
„Interessiert mich einen Dreck, wie Sie‘s anstellen, Leute!“, kommentiert Coleman, „Will ich überhaupt nicht wissen, weder jetzt noch später, oder überhaupt jemals. Wenn‘s da zu Meinungsverschiedenheiten kommt, und wenn da blaue Bohnen fliegen … und der Hurensohn Gabriel zufällig dabei draufgeht, dann bin ich keiner, der da eine Träne um den weint!“
„Aber Sir“, protestiert Perriwinkle schwach, „wollen Sie andeuten, wir sollten …“
„Gar nichts will ich andeuten!“, knurrt der Sheriff, „Sie machen einzig und allein, was Sie für richtig halten. Ich sage nur, sollte ein Querschläger Steven Gabriel das Licht ausblasen, dann werden meine Law Dogs besseres zu tun haben, als deswegen genauer zu ermitteln. Viel besseres!“
„Und das allgemeine Tohuwabohu soll unser Schaden nicht sein?“, vermutet Byrd mit freudigem Blick.
„Soll Ihr Schaden nicht sein, ganz recht!“, nickt J.P. Coleman.
„Na, sollen wir einschlagen, Pardners?“, fragt Byrd mit breitem Grinsen seine Freunde, „Das würde doch unsere arme May B. nachträglich sowohl ehren als auch erfreuen, wenn wir uns hier tatkräftig betätigten! Was sagt Ihr?“
Bevor jedoch einer antworten kann, sagt Coleman, „Hier werden keine Hände geschüttelt und nix. Sie schlendern jetzt ganz unbeteiligt aus meinem Office wieder raus. Wenn Sie agieren, dann merke ich das schon. Ich erfreue mich dann womöglich daran, aus großer Ferne.“
„Aber wenn nicht …?“, fragt Mallory unsicher.
„Wenn nicht, dann merke ich das auch. Dann marschiert morgen oder übermorgen nämlich Steven Gabriel hier auf, und fordert die Inhaftierten zu seinem vermaledeiten Schauprozess. Das hat die Sweetrock alles schon angeleiert, Sie haben die Galgen auf dem Town Square ja gesehen. Und dann wird Gabriel leider merken, dass er sie nicht kriegt, auch wenn er sich auf den Kopf stellt. Und er wird merken, dass Recht und Gesetz vermaledeit nochmal jetzt stärker ist in dieser Stadt als die Kaufkraft der Sweetrock Mining Company.“
Marcus Perriwinkle ist etwas blass um die Nase, als er leise einwendet, „Aber derartiges Auftreten könnte auf eine weitere Straßenschlacht hinauslaufen! Wir haben Jim MacNeil eben doch gehört.“
„Hol‘s der Teufel“, sagt Coleman gedämpft, „Wir sind bereit.“
Sein Gesicht ist ebenso finster wie das der umstehenden Deputies im Raum. Ihr Schweigen hat eine erschreckende Intensität.


Während dieses konspirativen Gesprächs im Sheriff’s Office geht am anderen Ende der Straße der erste Schultag weiter.

Fragen wir doch mal das Orakel: Vielleicht bedeutet dessen Voraussage, dass es um Geraldines Gelingen im Verlauf des Tages besser bestellt ist als am Morgen? Die Orakelkarten sagen, socially Deceive social Enemies. Oha. Gibt es da wen, der Geraldine in die Pfanne hauen will, oder bekommt sie ihrerseits Gelegenheit dazu? Die Orakelwürfel sagen, ersteres, und spezifizieren, dass es um den Vertretungslehrer geht. Dieser verflixte Mister Delarney hat gar keinen guten ersten Eindruck von Geraldine bekommen, er weiß ja nicht, wie eifrig und wohlmeinend sie eigentlich ist, sondern er hat sie innerlich sofort in seine Störenfried-Schublade gesteckt! Wenn er also seine Schülerin in die Pfanne hauen will, worum geht’s denn da? Das Orakel weissagt: Future Plans. Das betrifft doch sicherlich die eigentlichen Arbeitgeber des Vertretungslehrers, die Sweetrock. Oder vielleicht stattdessen die Nordstaaten, denen er sich verpflichtet fühlt? Nehmen wir mal letztere. Dann so:

„… Und da sich Mont … morency …“
„Montmorency!“, nickt Geraldine eifrig, um bei der richtigen Aussprache ihres Namens zu helfen.
„Still jetzt, also, da sich Montmorency als so gelehrig erwiesen hat, soll sie die Gelegenheit bekommen, sich am morgigen Schultage erneut hervorzutun. Als Ansporn für Euch anderen alle, Ihr Kinderchen! Montmorency, Du wirst einen einseitigen Aufsatz schreiben über das Vorankommen unseres Präsidenten Ulysses Grant, und welche militärischen Ziele er verfolgt, um den Bürgerkrieg zu gewinnen!“
„Ja, aber …“
„Sehr gut. Und Du wirst diese Hausaufgabe morgen vor der Klasse vorlesen!“
Geraldine bekommt hektische, pinke Flecken im Gesicht, um ihre vielen Sommersprossen herum. Das scheint ja beinahe zu viel der Ehre! Etwas besseres hätte Mister Delarney gar nicht sagen können, wenn’s nach ihr ginge.
„Das mache ich sehr gerne, Sir, aber …“
„Mache Deine Sache ja gut!“, schmunzelt der Vertretungslehrer, mit Lachfältchen um die Augen, die dabei unvorhergesehen erscheinen.

Darin liegt natürlich Delarneys vom Orakel prophezeiter Betrug, denn er hat geschnallt, dass Geraldine geradewegs aus dem ländlichen Kanada hierher gekommen ist, und trotz ihrer großen Schnauze den US-Kindern gegenüber im Nachteil ist was ihren Bildungsstand zum Bürgerkrieg betrifft! Er lässt sich aber seinen Winkelzug nicht anmerken.



Ein winterlicher Abend im Waisenhaus, nach Schulschluss


Das Kinderheim von Gomorra ist in jeder Hinsicht so trist wie man es vermuten würde: Eine große Blockhütte mit dünnen Wänden, und aus allen Zimmern erhebt sich Geplärre und Gequengel. Und jede Woche werden es mehr, denn das Fehlen von Sicherheitsvorkehrungen in den vielen Sweetrock-Minen fordert einen schrecklichen Todeszoll, und so manch ein Siedler-Nachkomme steht plötzlich ohne Vater und Mutter da, in einer Stadt, die längst noch keine Strukturen aufgebaut hat zum Stopfen überzähliger Mäuler. Es gibt in Gomorras Waisenhaus nur zwei Ammen, und beide werden nur mit ein paar traurigen Cents bezahlt für ihre Mühen. Sobald die Bälger also halbwegs laufen können, werden sie sich selbst überlassen, wo immer es nur geht.

Und lausekalt ist es natürlich in diesem Scheiß-Waisenhaus, das braucht nicht dazu gesagt zu werden. Es gibt nur einen ollen Ofen im Erdgeschoss, dadurch sind Aufenthaltsraum und Küche die einzig halbwegs warmen Zimmer, und da tobt um sechs Uhr abends daher besonders heftig die Anarchie der Zwerge. Man hört die Rauferei bis hier oben, in das hölzerne Stiegenhaus.



Hausaufgaben machen im Treppenhaus


Geraldine fühlt sich meistens berufen, die Ammen dabei zu unterstützen, für Ordnung zu sorgen. Immerhin ist sie eine der Größten, und hält sich obendrein für die Stärkste. Heute aber, nach ihrem ersten Schultag in der neuen Stadt, hat sie das dringende Bedürfnis, sich dem Trubel ausnahmsweise zu entziehen, jetzt, nach der allgemeinen Abfütterung. So tut es auch Katie Maurice, also sitzen die beiden Mädchen auf den Stufen und hoffen, dass man sie nicht so schnell hier findet.
Im Licht der funzeligen Kerze tuschelt Geraldine im Flüsterton, „… Ich dachte, ich verliere die Nerven, als Mister Delarney mir diese Auszeichnung zukommen ließ!“, schwärmt sie gerade, indem sie erneut von ihrer Schiefertafel aufschaut, um ihre Freundin anzusehen. Allzu viel hat sie übrigens bisher noch nicht hingeschrieben mit ihrem Stücklein Kreide.
„Ich dachte anfänglich, er ist unnötig streng, oder ach, dass er mich vielleicht auf Anhieb nicht mag! Aber, Katie Maurice, am Ende ist meine Rechnung ja doch noch aufgegangen, trotz all der Widrigkeiten des Schicksals am Morgen! Wirst sehen, wenn ich meine Sache gut mache, werde ich im Handumdrehen Klassenbeste.“
Katie wirft einen vielsagenden Blick auf die fast unbeschriebene Schiefertafel.
„Ja ja, ich weiß schon. Aber ich muss mich doch auch so abmühen mit der Kreide, ich darf nur mit der spitzen Kante schreiben, um möglichst kleine Buchstaben hinzubekommen. Ich muss immerhin die ganze Tafel füllen.“
Die beiden sehen sich in die Augen. Katies Schweigen wirkt auf Geraldine etwas enervierend, das andere Mädchen kann doch sonst so plapperhaft sein. Und Katie kennt sie eben mittlerweile sehr gut …
„… Du fragst Dich, wie ich es anstellen will, oder?“
Katie Maurice nickt, mit einem etwas verhaltenen Lächeln. Die Spur von Mitleid in ihrem Blick wirkt eher provozierend auf Geraldine.
„Ich weiß aber so einiges über Präsident Grant. Täusche Dich da mal nicht! Die beiden amerikanischen Präsidenten Grant und Davis: Verstrickt in ihren höllischen Konflikt um Sklaverei, Baumwolle, Fabrikschlote, Eisenbahnen, und Ghost Rock, in dem es kein Erbarmen und keine Gewinner gibt! Und die Nordstaaten wollen ja … sie wollen, allem voran … nun, den Krieg gewinnen, das ist schon mal sicher!“
Katie Maurice kichert.
„Wir könnten Luca fragen, er hat doch im Krieg gekämpft. Nur eben für die falsche Seite. Oder Mister Perriwinkle, er ist ein Gelehrter. … Leider ist’s schon etwas spät für einen Spaziergang, und die olle Amme wird uns keinesfalls raus lassen, es ist ja längst rabenschwarze Nacht dort draußen! Du bist doch Amerikanerin, meine liebste Katie Maurice! Weißt denn Du nicht noch mehr Details über Deinen Präsidenten? Ich selbst bin erst seit einem Monat in Eurem Lande! Und es gab ehrlich gesagt bisher Wichtigeres, als Geschichtsunterricht nachzuholen und Veteranen zu befragen! Man darf nicht vergessen, dass dieses Kalifornien noch umkämpft ist, und gar nicht zur Union gehört. Wenn‘s nicht gar an die Südstaatler fällt. … Hm, Luca muss uns helfen. Ich hab’s: Wir passen ihn einfach morgen vor Sonnenaufgang ab, bevor wir uns auf den Schulweg machen müssen!“
Katie mustert Geraldine fragend.
„Dieser Aufsatz wird fertig, und ich werde ihn glänzend der Klasse vortragen! Koste es, was es wolle!“

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #253 am: 16.09.2025 | 21:06 »
Dann ist es mal Zeit, unserem Aufgebot eine neue Queste zu verpassen. Der Auftrag des Sheriffs wird zur
Queste: Bezirksrichter Gabriel so lange von Gomorra fern halten, bis Richter Warwick eintrifft.
Um das Clue Target zu ermitteln würfle ich wie immer 2W4. Eine Doppeleins impliziert diesmal, dass diese Sache sehr einfach zu ermitteln sein wird. Wie einfach allerdings die darauffolgendende Konfrontation mit Steven Gabriel sein wird, ist eine ganz andere Frage …!

Soundtrack: Moonlight Night Radio, Tribal Psybent Western Blues
https://www.youtube.com/watch?v=JIgPhOkp6oo

Über unsere Zielperson wissen wir allerdings bisher nur, dass er zwar bereits im Gomorra Valley ist, aber sich noch nicht in der Stadt aufhält, oder wenn doch, er zumindest nicht öffentlich hier herumstolziert. Also werden wir ein paar geschickte Fragen in den richtigen Lokalitäten stellen müssen. Am ehesten werden ja die Sweetrock-Schleimscheißer wissen, wo Steven Gabriel anzutreffen ist. Leider habe ich niemanden im Aufgebot, der es sich noch nicht mit der Bergbaufirma verscherzt hat. Egal, wen wir schicken, die Sweetrock-Kerle werden Lunte riechen.
„… Also gehe ich“, knurrt schließlich John Bloody Knife leise, „Freundliche Fragen nützen uns nicht. Ich erwische einen der Sweetrock-Wasichu allein. Dann stelle ich diese Fragen. Unfreundlich!“
Die Wild Cards sitzen um den Ofen verteilt in der dusteren, verlassenen Schmiede, um sich ungestört miteinander zu beraten.
„Soso. Und wie ich Sie einschätze, mit dem Kriegsbeil in der Hand, Mister Bloody Knife …!“, rügt Marcus.
„Du rätst wohl davon ab, dummer, verfackter Marcus Perriwinkle?“
„Wie bitte?! Oh, nun. Für einen Mangel an Intelligenz werde ich zugegebenermaßen recht selten kritisiert … Ja, natürlich rate ich von derlei Vorgehen ab!“
„Gut. Ich nehme nicht das Kriegsbeil.“
„Sie lassen ab von der Gewalt?“, fragt Marcus überrascht.
„Nein. Ich nehme diesmal meine Wurfspeere!“, versetzt John, „Wollte ich sowieso. Für den Fall, dass die Bleichgesichter davon zu rennen versuchen.“
„Meine Damen und Herren!“, mahnt Marcus, „Wir dürfen uns hier nicht allzu viel aus dem sprichwörtlichen Fenster lehnen. Diese Sache ist bereits prekär genug! Die Law Dogs instrumentalisieren uns hier, um Steven Gabriel unter Druck zu setzen … und Sheriff Colemans Andeutungen kamen ja beinahe einem Attentatsauftrag gleich!“
„Aber, aber, Marcus!“, widerspricht Luca, „Nicht doch. Der hat doch nur gesagt, er macht uns keine Schwierigkeiten, wenn’s hart auf hart kommen sollte, und Mister Gabriel eine Kugel fängt!“
Der Erfinder schüttelt leicht den Kopf, „Ob es uns gefällt oder nicht, werte Gesinnungsgenossen, so lange dieser Richter Warwick noch nicht eingetroffen und vereidigt ist, bleibt Bezirksrichter Gabriel leider weiterhin ein legitimer Vertreter des Gesetzes, und damit die bisher einzige Rechtssprechung im Gomorra Valley! Und Sie, Luca, sollten hellhörig werden bei derlei Anstiftung, denn es ist nicht gesagt, dass Sie auch diesmal mit einem blauen Auge davon kommen! Sie alle verstehen ja nur gut: Sheriff Coleman sieht sich als einen Mann, der einen Krieg führt. Und er hat uns gegenüber demonstrativ klar gemacht, dass er bereit ist, sich gegen unsere Ziele zu stellen, wenn wir nicht in seinem Sinne handeln.“
Joycelyn entgegnet, „Ein Grund mehr, jetzt nicht zu kneifen!“
„Ja, aber wir müssen dabei den Frieden wahren!“, sagt der Erfinder, beinahe beschwörend.
Byrd nickt, und kommentiert, „Schön gesagt, Marcus, sehr schön gesagt, wie immer. Hörst Du, John?“
Dessen Mine ist unbewegt, als er in dumpfem Ton sagt, „Wo hält der Weiße Mann den Frieden, wenn er die Erde Kaliforniens aufsprengt und Wunden hinein hackt? Wunden, die so tief sind, dass die alten Kachinas und Manitous der Erde hinaus getrieben werden und an der Oberwelt umgehen! So, wie der Weiße Mann es auch daheim in den Black Hills tut, dem heiligen Land der Sioux! Wo hält er den Frieden, wenn die Habgier ihn packt, oder auch die Sucht nach Fortschritt bei seinen Maschinen!“
„Ich verstehe Ihre Missstimmung voll und ganz, Mister Bloody Knife“, sagt Marcus, „Aber umso mehr ist es nun an uns, vor dieser Kulisse der Greueltaten unsererseits gewaltlos vorzugehen, wann immer es uns möglich ist. Allein schon, um nicht bekannt zu werden als Schurken, welche einen amtlich eingesetzten Bezirksrichter auf dem Gewissen haben! Kalifornien mag ein gesetzloses Territorium sein, aber wenn es schlecht liefe, so würden wir dennoch den Gesetzeshütern eine hinreichende Begründung liefern, uns dingfest zu machen.“
Mallory fügt ängstlich hinzu, „Und neben dem Sheriff Department sind unter diesen Gesetzeshütern seit neuestem auch die Pinkerton-Agenten und Texas Rangers, vergessen Sie das nicht.“
„Wir haben ja Sie, Schätzchen, um uns fortwährend daran zu erinnern!“, lächelt Joycelyn, mit einer Prise Spitzfindigkeit.
„Wie es auch sei“, sagt Bloody Knife, „Der dumme, verfackte Marcus Perriwinkle und die schwächliche Squaw Mallory Kentrall müssen nicht mitmachen. Wir können das ohne sie erledigen. Und ich kann noch einige der tapferen Sioux-Krieger dazu holen, wenn wir sie brauchen. Sie schrecken nicht davor zurück, Rache zu nehmen an den doppelzüngigen Gesetzen der Wasichu, und jenem bösen Mann, Steven Gabriel, der sie vertritt. Ich habe gesprochen.“
„Habt Ihr gehört, Pardners?“, lächelt Byrd, „Er hat gesprochen. Damit meint er: Und damit basta!“


Wir lassen also John seinen Willen, und schicken ihn vor. Er kann ja mal bei Nacht durch das ärmliche Arbeiter-Zeltlager stromern, und schauen, ob er einen einsamen Sweetrock-Aufseher da abpassen kann. Gleichzeitig werden die Zivilisierteren unter unseren Helden aber nicht tatenlos bleiben: Marcus und Mallory begeben sich in den Fat Chance Saloon, da kommen Mitglieder aller Machtgruppen zusammen, auch Sweetrock-Dudes. Oder Charlie Landers hat bereits irgendwas über Steven Gabriel gehört, das man ihm aus der Nase ziehen kann.

Dafür verwende ich die Spielregel aus FlexTale, und würfle für beide Locations einen W20. Beide Orte gehen als ‚Relevant Building‘ durch. Eine Zwei fällt jedoch für das Zeltlager, gefolgt von einer Drei für den Fat Chance Saloon: Hier weiß definitiv niemand irgendwas! Alles, was die drei Wild Cards bewerkstelligen können, ist den Abend verschwenden, und sich bei der Sweetrock weiterhin unbeliebt machen.


Dann haben wir noch Joycelyn und Luca, die schicken wir so lange zur neu errichteten Stadthalle. Eigentlich ja keine schlechte Adresse, um sich nach dem Eintreffen des Bezirksrichters zu erkundigen. Es ist schon längst dunkel draußen, also ist hier bereits nichts mehr los und alle Fenster sind duster; die paar wenigen Beamten, die bisher im Dienste der Stadt Gomorra stehen, machen auch ganz gewiss keine Überstunden. Immerhin haben die meisten nebenher reguläre Arbeit als Schürfer oder Farmer! Für die ist ihr Amt nur ein Zeitvertreib, ein Prestige-Ding, oder eine lästige Pflicht. Aber vielleicht kann man vor dem Gebäude noch ins Gespräch kommen mit jemandem, der was weiß?

Ich würfle einen weiteren W20 auf der FlexTale-Tabelle, diesmal soll das als ‚Unrelated Building‘ zählen. Eine 17 bedeutet ein klares Ja: Hier ist der erste von unseren zwei benötigten Hinweisen zu finden! Sweet. Wer ist denn der Zubringer der heißen Neuigkeiten? Die Tabelle Identity im One Page Solo Engine sagt, Adherent, also ein loyaler Anhänger. Ein Anhänger von Recht und Gesetz womöglich? Das bestätigen die Orakelwürfel. Da nehmen wir wieder einen der klassischen Charaktere aus dem Doomtown-TCG als NSC her, und zwar so:

„… Siehst Du Luca, das war eine saudumme Idee, hierher zu kommen. Hier ist doch niemand mehr“, sagt Joycelyn fröstelnd, sie scheint ihren Kopf einziehen zu wollen in die Tiefe ihrer Federstola und ihres gefütterten Mantelkragens, wie eine Schildkröte, die ihren Kopf in den Panzer zurückzieht.
„War nur so ein Einfall. Eigentlich wollte ich mir auch nur mit Dir die Füße vertreten, während die anderen drei zu Werke gegangen sind.“
„Ah so? Aber wieso hier? Warum sitzen wir dann nicht im warmen Old Moon Saloon und löffeln dünne Suppe?“
Byrd stemmt die Fäuste in die Hüften und biegt den Rücken, um an der dunklen Holzfassade empor zu schauen, „Och joah, weil’s doch so hübsch geworden ist! Sieh‘ mal, die Banderolen in rot-weiß-blau hängen noch an der Fassade, von der Einweihung. War ja gewissermaßen Dein Verdienst!“
„Blödscheiß, ich hab‘ die dusseligen Banderolen da nicht drangehängt.“
„Nein, den Bau der Stadthalle meine ich!“
„Mein Verdienst?“
„Wegen Deiner flammenden Rede zu Halloween! Du hast doch alle gehörig angespitzt, dass wir die Butze hier brauchen. Und Marcus hat auch beigepflichtet.“
„Ja, ja. Vor allem einen Bürgermeister brauchen wir hier. Und das darf nicht Howard Findley sein, oder so einer!“
„Ich war noch nie da drin!“
„Echt nicht? Na ja, zugegebenermaßen passiert da auch noch nicht viel. Aber was weiß ich, ich verstehe nicht besonders viel von Politik.“
„Du musst Dich ja auch mit dem Trällern von Liedern beschäftigen.“
„Ach, halt‘ den Rand, Luca. Immerhin weiß ich mehr über Politik als Du. Ich bin immerhin aus dem großen Chicago. Und Du hast noch nicht mal Zeit gefunden, überhaupt einen Deiner Trampelfüße ins Innere der Stadthalle zu setzen, jetzt, wo wir sie haben.“
„Schwer vorstellbar, dass das erste, was da drin passiert, diese Prozessreihe vom ollen Gabriel sein könnte!“
„Ih, glaubst Du, die Sweetrock will das da drin veranstalten?! Das war doch bisher in einem Mannschaftszelt. In Ermangelung eines Gerichtssaals!“
„Na ja, aber die Stadthalle ist zumindest angemessener als ein Schnappszelt, wenn man schon improvisieren muss.“
Eine dumpfe Stimme mischt sich unvermittelt ein: „Wir lassen Steven Gabriel hier nicht ein, Mister. Zumindest nicht freiwillig!“
„Nanu?“, sagt Byrd belustigt, und beide wenden sich dem Sprecher zu.
„Nur unter vorgehaltener Pistole kommt der uns in die Stadthalle!“, bekräftigt der Fremde seine Aussage. Er ist ein Pfeifenraucher in einem dicken Wintermantel, mit einem grauen Schlapphut.
„Na, sieh‘ mal einer guck!“, sagt Luca.



Ein unerschütterlicher Beamter ist noch bei der Stadthalle anzutreffen


„Ich weiß, wer Sie beide sind!“, sagt der Pfeifenraucher, „Habe ich alles genau mitverfolgt im Oktober! Sie sind Byrd. Und Sie, meine Dame, sind natürlich Joycelyn Lancaster!“
„Haben Sie wohl im Tombstone Epitaph von uns gelesen?“, grinst der Revolvermann.
„Blödsinn, das ist doch ein Sensationsblatt, die lügen doch das Blaue vom Himmel. An solche Geschichten glaub‘ ich nicht, wie sie im Epitaph stehen. Aber ich hab‘ Sie zwei eben reden hören. Habe noch schnell Schnee weggefegt, nach Dienstschluss, damit die Scheiße nicht über Nacht noch überfriert. Nicht, dass sich einer den Hals bricht morgen früh, auf irgendwelchem Glatteis, finde ich immer scheiße, sowas. Ich arbeite hier. Also gewissermaßen kann man sagen, ich habe mein Amt hier drin Ihnen zu verdanken. Und Ihrer Kampfrede, Miss Lancaster!“
„Sie schätzen Steven Gabriel wohl auch nicht?“, fragt diese.
„Niemand schätzt die Fresse von dem. Der kommt mir hier nicht in die Stadthalle.“
„Und Sie heißen …?“
„Wiliam Olson, stets zu Diensten. Ich leite derzeit das neue Zollamt dort drin. Oder zumindest das Zimmerchen eben, das wir bisher so nennen. Und das Fundbureau, nicht zu vergessen.“
Byrd spöttelt, „Das klingt ja mächtig anstrengend! Wie viele Silberknöpfe haben Sie denn schon gefunden? Kann man da mal ins Knopfkästchen schauen, morgen, nach Amtsantritt?“
„Machen Sie sich ruhig lustig. Sie dürfen das wohl. Zumindest jetzt noch. Aber wenn das eine richtige Stadt werden soll, dann braucht‘s auch Leute wie mich. In wenigen Jahren mache ich bedeutendere Arbeit. Irgendwann gibt's hier einen richtigen Gerichtshof, dann mache ich meinethalben den Gerichtsvollzieher.“

Offline HAL 40000

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #254 am: 18.09.2025 | 14:07 »
Schöne Sache. Bin gespannt wie es weitergeht :d

Offline Schalter

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #255 am: 18.09.2025 | 20:02 »
Schöne Sache. Bin gespannt wie es weitergeht :d

Danke fürs Mitlesen, freut mich!  :)  Nächste Woche kommt die nächste Fortsetzung.

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #256 am: 25.09.2025 | 17:53 »
Also beschert uns (wie oben etabliert) der Beamte namens William Olson einen Hinweis. Worin besteht der denn? Diese Frage beantworten die Orakelwürfel mit Create a Plot Arc. Oha, das ist ja ein großer Aufschlag. Was immer Mister Olson uns mitzuteilen hat, führt in einen ganz neuen Handlungsbogen für die Kampagne. Da frage ich mal wieder die Tabelle Themes aus Ironsworn, was denn das Thema dieses Handlungsbogens sein wird? Die Tabelle sagt, Trade, also Handel. Das ist ja ein zentrales Thema vieler Fraktionen in Gomorra, aber allen anderen voran natürlich das Thema und oberste Ansinnen der Sweetrock Mining Company. Wenn das Orakel will, dass der Handlungsbogen der Sweetrock vorangeht, fällt mir direkt was ein, aus der zugrundeliegenden Story des Trading Card Game. Machen wir das mal so:

William Olson zündet seine Pfeife neu an, die ihm beim Bürgersteigfegen ausgegangen ist, und knurrt dabei, „Denke mir, Findley persönlich stellt hier die Weichen, Pardners. Der feine Herr hat Angst, dass ihm das ganze hier entgleitet!“
„Weichen? Was denn für Weichen?“, fragt Byrd neugierig.
„Na ja“, raunt Olson paffend, „Die Sweetrock hat doch alles von diesem Kuhdorf hier schleunigst aufgekauft, direkt nach dem Großen Beben von '68. Als das Great Maze entstanden war, und Ghost Rock gefunden wurde, was? Howard Findley wurde aus Pittsburgh hierher geschickt, um alles Geschäftliche in die Hand zu nehmen. Und lange konnte er hier schalten und walten wie‘s ihm gepasst hat! Hier in dieser gesetzlosen Einöde am Rand des Katastrophengebiets, da war natürlich gut wirtschaften, was? Gibt ja fast keine Regeln oder Gesetze, die dem sein Leben kompliziert gemacht hätten!“
Joycelyn nickt ahnungsvoll, „Ich glaube ich weiß, worauf Sie hinaus wollen … Der dicke Findley hat Angst, seinen hübschen Sandkasten zu verlieren, in dem er sich austoben kann, durch Leute wie Sheriff Coleman!“
Olson sagt, „Das Witzige ist ja, dass die Sweetrock J.P. Coleman ursprünglich selber eingesetzt hatte. Als unser Camp groß genug geworden war, dass es unbedingt einen örtlichen Sheriff brauchte. Die hatten natürlich einen aus den eigenen Reihen aufgestellt, klar. Die hatten sich von ihrem Arbeiter Coleman versprochen, dass er das Gesetz stets zu Gunsten seiner Firma auslegen würde! Im Grunde so wie Sicherheitsmann Jim MacNeil, nur mit 'nem offiziellen, goldenen Stern vorne dran!“
„Aber das hat er nicht gemacht!“, lacht Luca, „Im Gegenteil, mittlerweile sind die ja gar nicht mehr am gemeinsamen Kirschenessen interessiert!“
„Das will ich meinen“, knurrt William Olson, „Aber das sind nicht nur die Law Dogs, von denen Findley angepisst ist, sondern auch die notorische Blackjack-Bande, die aufrührerischen Indianer, der spinnerte Jebediah Whateley mit seinen Kaufinteressen, und das Collegium vom Nordende.“
„Das Collegium?“, fragt Joycelyn verdutzt.
„Klar“, sagt Olson mit einem Schulterzucken, „Die kaufen auch alle Ghost-Rock-Minen die sie kriegen können auf, um ihre Forschungen machen zu können.“
„Und die Männer in Schwarzen Dustern sollen auch in der Stadt sein, und sogar Texas Rangers“, fügt Joycelyn hinzu.
„Na ja: Howard Findley ist, so glaube ich persönlich, grade beim Versuch, sein kleines Fürstentum zu retten! Das sollte doch mal seine Company Town werden, wo die Sweetrock praktisch alles besitzt, und im rechtsfreien Raum wirtschaften kann! Aber mit Gewalt und Drohgebärden geht’s jetzt nicht mehr. Das hat J.P. Coleman bewiesen. Ich glaube, darum will Findley so dringend Richter Gabriel noch einmal hier anschleppen und zu Gericht sitzen lassen, über so viele seiner Feinde wie‘s nur geht. Die Sweetrock weiß, dass Coleman einen wirklichen Richter angefordert hat, und dass tatsächlich einer kommen wird. Das Gerichtsgebäude ist schon halb fertig gebaut. Bald könnte in Gomorra ein gänzlich anderer Wind wehen.“
„Und, Mister Olson, Sie lustiger Zollamtsverwalter und Knopfkästchenbetreuer“, grinst Mister Byrd, „Wissen Sie, wo Steven Gabriel ist, und wann er in Gomorra einreiten wird? Der Sheriff befürchtet wohl, dass das schon in den nächsten paar Tagen passiert!“
„Fragen Sie Howard Findley doch selber, Byrd!“, sagt Olson, „Wahrscheinlich weiß nur der das genauer. Aber einen Haken hat die Sache natürlich: Normalerweise kommen Leute wie Sie an den nicht ran, was? Der residiert ja in seinem gut beheizten Bureau im Verwaltungsgebäude! Aber ich sag’ Ihnen jetzt mal was: Wie der Zufall es will, wird der große Mister Findley sich morgen früh die Ehre geben, hier in unserer schönen Stadthalle, um ein paar seiner neuesten Kaufverträge zu besprechen. Und die Stadthalle ist für den kleinen Mann von der Straße geöffnet, das ist ja der Sinn der Sache, was?“
„Und wir könnten einfach mal vorbei schneien!“, sagt Joycelyn.
„Könnte sogar sein, dass einer wie ich Ihnen sogar das richtige Besprechungszimmer zeigt, und die Tür im rechten Moment aufschließt, Ma'am“, sagt Olson, und tippt sich höflich an den Schlapphut, „könnte sehr wohl schon mal sein.“

Danke, William Olson! Damit haben wir also unseren ersten Hinweis:
Queste: Bezirksrichter Gabriel so lange von Gomorra fern halten, bis Richter Warwick eintrifft (Clue Target 1\2).
Die Spur führt zum Oberhaupt der Sweetrock und des Handels in Gomorra, wird auch höchste Zeit, dass wir uns dem mal vorstellen. Und unsere Wild Cards werden offensichtlich etwas Neues vom Handlungsbogen der Sweetrock Mining Company erfahren im Zuge dessen.


Machen wir an dieser Stelle doch mal wieder einen GM Move! Die Orakelwürfel sagen dabei, An NPC Takes Action. Da würfle ich mir aus, von welcher der Machtgruppen diese Einmischung kommt: Meine Tabelle sagt, es sind die diabolischen Whateleys. Meine Lieblings-Gegnerfraktion! Wahrscheinlich hängen die Exzentriker sich mit rein, weil Jebediah doch noch vom nächtlichen Ausbüxen von Dolores Wind bekommen hat, und dem Zusammentreffen mit unseren Helden auf dem Elephant-Hill-Friedhof nach der Schießerei in den Straßen. Ist das wohl so? Das Orakel spricht, und sagt wider Erwarten, mitnichten! Da fragen wir die Tabellen von Neuem, und die geben vor, Deceive Recent Events. Wie können die Whateleys denn die kürzlich vorgefallenen Ereignisse betrügen?! Dann deuten wir das mal um, sagen wir mal, sie verwenden die neuesten Ereignisse als Aufhänger für ihren Betrug. Dann so:

Mallory Kentrall nimmt im kleinen Frühstücksraum des Golden Mare Hotel an diesem grauen, zwielichtigen Morgen des ersten Februar ihr Frühstück ein. Sie hat schlecht geschlafen, weil Luca Byrd und Joycelyn Lancaster sie und Mister Perriwinkle gestern nacht abgepasst hatten. Das stundenlange Umhören im Fat Chance Saloon hatte nichts gebracht (außer einem leichten Kater jetzt am Morgen). Byrd und Joycelyn diese Glückspilze wussten aber davon zu erzählen, dass man heute in der Stadthalle auf Howard Findley treffen könne. In einer Viertelstunde wird Mallory das Golden Mare Hotel verlassen, um den Rest des Aufgebots zu treffen, und die Stadthalle anzusteuern. Ihr ist außerordentlich mulmig.
Sie nippt gerade gedankenvoll an ihrer Teetasse, als der Schatten eines hageren, großen Mannes auf sie fällt.
„Miss Kentrall!“, sagt die ruhige aber freudlose Altherrenstimme von Jebediah Whateley.



Jebediah Whateley hat wieder Geschäfte in Gomorra


Mallory fährt zusammen, als sie ihn hört, und sieht auf. Sofort verwünscht sie ihre eigene Schreckhaftigkeit, das war ein deutliches Zeichen von Schwäche dem Alten gegenüber, das hätte ihr nicht passieren dürfen! Sofort hat sie aber ihre Selbstbeherrschung wieder, und setzt ein geschäftliches Lächeln auf.
„Mister Whateley! Sie, hier, im Hotel? Ein ungewohnter Anblick!“, und sie erhebt sich halb aus ihrem Stuhl, streckt zögerlich die Hand aus, obwohl sie insgeheim nichts weniger will als ihn zu berühren.
Jebediah Whateley macht eine halbwegs elegante, etwas gestelzt aussehende Verbeugung, anstatt ihr die Hand zu schütteln, oder gar einen Handkuss anzudeuten. Alles an ihm wirkt streng und puritanisch, wie ein verknöcherter, alter Sittenwächter.
„Ich habe eine Unterredung mit Miss Vandekamp, der Frau Besitzerin des Hotels. Da sah ich Sie an Ihrem Frühstückstisch, und dachte, es gezieme sich, einen guten Morgen zu wünschen.“
„Ihnen auch, Mister Whateley, Ihnen auch. Wir hatten ja seit Monaten keine Gelegenheit mehr, zu plaudern. Bedauerlicherweise!“
Jebediah sieht sie abschätzig an, beinahe angewidert. (Andererseits schaut er meistens derart säuerlich drein.)
„Ja, seit Ihrem reizenden Besuche in unserem Herrenhaus, im Oktober. Und auch dort konnte ich Sie ja gar nicht persönlich begrüßen.“
Drei ziemlich hässlich aussehende Schlägertypen in schmuddeligen Wintermänteln und Bowler-Hüten schlendern näher, und stellen sich hinter Jebediah auf, seine übliche Eskorte.
Mallory säuselt, „Ich bedauere sehr, den ganzen Winter über keine Gelegenheit gefunden zu haben, erneut eine Aufwartung bei Ihnen zu machen.“
„Dabei hätten wir gewisslich eine Ihrer kleinen Darbietungen genossen, Miss Kentrall!“, sagt Mister Whateley, und legt dabei die Hände auf den Rücken, „Sie sollen ja ein gewisses Publikum angesammelt haben letztlich!“
„Meinen Sie etwa …“
„Gewiss, gewiss. Ihre Auftritte als Medium für die Verblichenen! Man hörte davon, dass Sie so manches abgedunkelte Hinterzimmer in der Stadt in eine gewisse Verblüffung versetzt haben.“
„Es gibt eben Dinge im Jenseits, die der Herrgott …“
„Ja, ja. Auch bei Ihnen liegt das Talent für Esoterisches in der Familie, nicht wahr, Miss Kentrall!“
Mallory schluckt, und ihr wird kalt. Der Schweinehund soll bloss ihre Großmutter da raus lassen.
Whateley fährt fort, „Über Eleanor Kentrall wurde ähnliches berichtet, drüben an der Ostküste. Nicht wahr! Welch eine Freude, dass jetzt Sie, Miss, deren Kunst am Leben erhalten, hier draußen im Westen.“
„Ja … Gott gebe, dass …“
„Man könnte geradezu von einer kleinen Ehre sprechen, für unsere junge Stadt. Ich würde so gerne weiter plaudern, Miss Kentrall. Allein, die Geschäfte warten nicht. Nur eines, weil wir ja auf derselben Seite stehen: …“
„Auf derselben Seite?!“, fragt sie mit brüchiger Stimme.
Unbeirrt fährt Jebediah Whateley fort, „Machen Sie einen Bogen um Steven Gabriel, und die Sweetrock.“
„Woher wollen Sie wissen, dass …“
„Es steht in den Karten, Miss. Ich brauche Ihnen nicht zu erläutern, dass die Karten sich niemals irren, so man sie nur richtig zu lesen versteht. Und auch meine Sippe versteht sich darauf; eine alte Familientradition, so wie bei Ihnen. Treten Sie Richter Gabriel gegenüber, bevor der Mond sein Gesicht verbirgt, so verliert die große Eleanor Kentrall ihre Erbin. Wir wären untröstlich.“
„Ich beabsichtige gar nicht …“
„Bevor Sie handeln, konsultieren Sie besser jene besonderen Kräfte, welche auch einst Eleanor inspirierten, Miss! Sie haben ihre bleichen Fangarme auch nach Kalifornien ausgestreckt, nicht wahr?“
Mallory schweigt eisig. Womöglich weiß der Clan nicht nur von ihrer Großmutter, sondern tatsächlich obendrein von ihrem unsichtbaren Verfolger, Aurath.
„Hören Sie auf meine Warnung, Miss“, beharrt Jebediah Whateley, bedenkt sein Gegenüber noch mit einem freudlosen Kopfnicken, und wendet sich ab.


Vor der Stadthalle stehen alle fünf Wild Cards abseits der geschäftigen Menge in den Straßen aus überfrorenem Schlamm, und beratschlagen sich leise. Mallory Kentrall hat gerade von ihrem Treffen in der Hotellobby berichtet, mit zitternder Stimme.
„… Welchen Sinn könnte es für die Whateleys haben, die Geschäfte der Sweetrock und Richter Gabriel vor unserer Einmischung zu schützen?“, fragt sie schließlich, „Die sind doch ihre Geschäftsgegner. Die Whateleys versuchen schließlich, der Sweetrock das Monopol an Ghost-Rock-Minen abspenstig zu machen. Noch vor Kurzem hat Dolores Whateley eine ganze Horde Faminites auf die Sweetrock-Kerle im Water‘s Edge Strike gehetzt! Warum also jetzt das?“
Byrd schlägt vor, „Vielleicht wollte der olle Jebediah Sie nur etwas provozieren, Mallory! Einfach, weil er das witzig findet!“
Die schüttelt den Kopf, „Unsinn! Diese Whateleys, die spielen doch ihre Karten mit allergrößter Vorsicht. Aber wenn er schon ahnt, dass wir Gabriel auf den Fersen sind, warum sollte er mich davon abhalten wollen?! Damit spielt er ja der Sweetrock in die Hände! Das muss doch das letzte sein, was die Whateleys wollen.“
Joycelyn vermutet, „Aber wenn er uns gewähren lässt — und wir Erfolg haben sollten — dann spielt der Whateley wiederum den Law Dogs in die Hände. Dann kriegen wir binnen weniger Tage einen wirklichen Richter. Und je mehr Recht und Gesetz es in Gomorra gibt, desto schwieriger werden auch die Machenschaften der Whateleys!“
Marcus sagt reserviert, „Das ist alles sehr beklagenswert. Die implizite Drohung des Whateley-Clans hat uns gerade noch gefehlt! Ich selber glaube nicht an derlei abstruse Wahrsagerei: Miss Kentrall solle es schlecht ergehen, wenn sie sich gegen Steven Gabriel stellt? Und das sollen die Spielkarten vorausgesagt haben?!“
„Unterschätzen Sie nicht die verborgenen Botschaften der Karten, Mister Perriwinkle“, rügt Mallory eindringlich.
„Ich räume ja ein, dass es mit Ihnen, verehrte Dame Kentrall, mehr auf sich hat. Das ist evident. Aber Spielkarten sind nichts als bedrucktes Papier. Dem, was sich Mister Jebediah Whateley hier zu bedienen scheint, ist etwas ganz anderes als okkulte Einsichten: Blosse Einschüchterung ist das, würde ich sagen.“
„Finden wir es heraus, sage ich!“, grummelt John Bloody Knife, „Wir gehen zuerst zu Jebediah Whateley, dem Hexer. Machen ihm Angst, wenn nötig. Holen seinen Skalp, wenn möglich.“
Joycelyn widerspricht, „Dafür ist jetzt keine Zeit! Wir können uns jetzt nicht mit den vermaledeiten Whateleys beschäftigen. Dann entgeht uns Steven Gabriel.“
Byrd fügt hinzu, „Joah, und dann wiederum hat uns der gute, alte Sheriff Coleman wieder auf dem Kiecker.“
Joycelyn nickt, „Und vergesst nicht, der hat beim vorletzten Mal gedroht, dass er bereit ist, das Fass wieder aufzumachen mit den ganzen ausgedachten Anschuldigungen gegen uns! Dass wir Lorna Simmons als kleines Flittchen verschachert hätten, und die Rotznase Timmy Derrick entführen wollten, statt ihn zurückzubringen!“
Byrd zieht die Augenbrauen hoch, „Das weißt Du alles noch? Aber das war doch alles nur üble Nachrede! Das haben doch die ollen Law Dogs bestimmt längst wieder vergessen.“
Joycelyn zischt, „Niemals! Damit hat er uns doch gedroht, der feiste Coleman. Der will uns doch mächtig in den Arsch zwicken, wenn wir nicht nach seiner Pfeife tanzen. Egal, ob mit ausgedachten oder echten Vorwürfen. Und, Luca, Du glaubst doch nicht im Ernst, dass einer wie J.P. Coleman ein kurzes Gedächtnis hat?!“
Mallory hebt abwiegelnd ihre behandschuhten Fingerchen, und sagt, „Schon gut, schon gut! Um das abzukürzen, ich glaube auch nicht, dass Jebediah Whateleys Kartenlegen Bedeutung für mich hat. Viel alarmierender ist ja, dass er über das Leben meiner Großmutter so gut Bescheid zu wissen scheint. Aber damit habe ich mich zu späterem Zeitpunkt zu befassen; das hält uns jetzt nicht auf. Wir gehen da jetzt rein, und Sie setzen Howard Findley das Messer auf die Brust! Und dann knöpfen wir uns Steven Gabriel vor.“
Marcus erhebt einen knirschenden Metall-Zeigefinger, „Wenn es sein muss! Aber ich ermahne Sie alle, werte Freunde: Wir dürfen hier keine noch so kleinen Fehler machen! Wenn wir jetzt auch noch die Augen der Whateley-Sippe im Nacken haben, dann gereicht denen jeder hinterlassene Beweis dazu, uns ihrerseits schlecht zu machen. Entweder wieder in der Öffentlichkeit, oder diesmal sogar vor dem Gesetz.“
„Sehr gut, dummer, verfackter Marcus Perriwinkle“, grollt John, und lächelt fies, „Ich mag es, gründlich vorzugehen bei meinem Kriegshandwerk!“
John und Marcus wechseln einen langen, ernsten Blick.
Marcus tritt einen Schritt zurück und rückt traurig an seinem Monokel, „Ich fürchte, meine Damen und Herren, wir sind uns gerade über die Grundsätze nicht einig! Ich bin ja nun Repräsentant des Collegiums für Interräumliche Physik. Ich kann unmöglich die offene Konfrontation suchen mit der obersten Verwaltung der Sweetrock Mining Company! Dies würde die Beziehungen meiner Institution zu dieser Firma zu sehr strapazieren. Sie verstehen. Ich sollte es vorziehen, hier draußen zu warten.“
Joycelyn sagt verwundert, „Aber Marcus! Sie sind doch kein Hasenfuss! Sie haben noch vor Kurzem ganz alleine einen Night Terror erschlagen!“
„Gewiss, aber das war etwas anderes, und hier geht es nicht um Mut, meine werte Dame. Wenn mein Auftreten dort drinnen als Überfall ausgelegt werden sollte, dann kann die Sweetrock ihre Feindseligkeit gegenüber dem Collegium weiterhin erhöhen. Ich darf eine derartige Gefährdung unseres Forschungsauftrages nicht riskieren! Wir sprechen hier vom reichsten und wahrscheinlich gefährlichsten Mann im gesamten Gomorra Valley.“
„Aber wenn wir uns doch schon darauf gefreut hatten, dass Sie uns wieder im Boiler-Dampf verschwinden lassen, für unseren dramatischen Abgang?“, fragt Byrd schelmisch.
„Ich fürchte, Sie sind in der Stadthalle auf sich gestellt, Mister Byrd“, sagt der Erfinder bedauernd, „Aber ich versichere Ihnen: Beim kleinsten Anzeichen eines Notfalls alarmiere ich die Law Dogs, oder im Zweifelsfalle meine werten Erfinder-Kollegen. Denen fällt immer etwas ein.“
„Na jut, danke Marcus!“, sagt Byrd, und haut dem Scrapper auf die übergroße Schulter mit dem eingebauten Ofen darin, es gibt ein leises Klonk.
„Aber was ist mit Ihnen, Mallory?“, fragt Joycelyn besorgt, „Sie kommen doch mit? Wir können unsere Ballermänner nicht mit rein nehmen in die Stadthalle. Da wär's schon nützlich, wenn Sie mit dabei wären, mit ihrem bläulichen … wie soll man das nennen …?“
Das Medium wiegelt schnell ab, „Wir brauchen nicht weiter über Kartentechniken zu sprechen, Miss Lancaster! Natürlich begleite ich Sie, wie ich eben schon sagte. Ich habe mich nicht mehr zu sorgen um eine Gruppenanbindung, die ich diskreditieren könnte, denn die Manta-Blake-Gruppe ist tot, und die Temperance Army hat die Stadt längst wieder verlassen. Außerdem glaube ich, dass ich es eventuell so drehen kann, dass selbst ein Howard Findley keinen Verdacht schöpfen kann.“

Alle nicken sich gegenseitig zu, und setzen sich dann in Bewegung.
« Letzte Änderung: 27.09.2025 | 15:18 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #257 am: 27.09.2025 | 13:56 »
Die Herren Geschäftsleute von der Sweetrock sind angeblich zu viert in der Stadthalle, in einem der oberen Stockwerke. Das Gebäudeinnere ist duster an diesem dunklen Februarmorgen, aber es lohnt sich kaum, überall die Ölfunzeln anzuzünden, denn die meisten Bureauzimmer sind eh noch ungenutzt. Etwas Verlassenes haftet ihr an, dieser Stadthalle, beinahe trostlos.

William Olson macht keinerlei Gewese um das Eintreten der Wild Cards. Wie beiläufig nimmt er sie mit hinauf in den ersten Stock, wartet, dass dort die Luft rein ist, und mit stoischer Ruhe schließt er mit dem Zweitschlüssel das Zimmer auf, wo heute unter Ausschluss der Öffentlichkeit Papiere unterzeichnet werden sollen.
„… Begreifen Sie das nicht, Sie Cretin? Mister Findley hier will alle Minen kaufen, die in Frage kommen für diese allerneueste Erforschung! Alle, die von Doctor Duvalier begangen und gesichtet worden sind!“, sagt gerade einer der Anzug-Bonzen zu dem nervösen Vertragspartner.
Der untersetzte Ire Mick Caples steht auch dabei, er schweigt, aber er hat einen Colt Peacemaker gezogen, mit dem er enervierend nahe am Gesicht des Mannes herum hantiert. Als jetzt unvermittelt die Zimmertür aufschwingt, steckt Caples hastig den Sechsschüsser wieder weg. Waffen sind schließlich in der Stadthalle nicht erlaubt, und es sieht ja auch unschön aus, wenn damit hantiert wird, während gerade Vertragsunterzeichnungen stattfinden …
Die Anzugträger sehen irritiert und angepisst auf von ihren Unterlagen, es war keine solche Störung vorgesehen!
Plötzlich sehen unsere vier Helden sich Howard Findley persönlich gegenüber.



Howard Findley, Sweetrock's Mann für Großprojekte


„… Wie zum Henker kommen Sie hier rein?!“, blafft einer der Aktenschmierer, „Hier war abgeschlossen!“
„Das kommt davon, wenn man diese idiotische Stadthalle benutzt, für ernsthafte Geschäfte!“, knurrt ein anderer.
„Howdy allerseits!“, tönt Luca, „Na ja, wir haben da mal eine kleine Frage!“
„Ich glaube, ich weiß bereits, was hier gespielt wird!“, lässt sich Howard Findley vernehmen.
Seine Augen mustern Byrd, Lancaster, Bloody Knife, und Kentrall genauestens. Obwohl sie sich noch nicht über den Weg gelaufen sind, scheint er sich sehr klar darüber zu sein, wen er hier vor sich hat. Er setzt ein dünnes Lächeln auf, äußert berechnend.
„Wo ich Sie schon mal hier habe, können wir Sie auch anhören! Gentlemen, wir geben diesen fünfen eine Minute für ihr Ansinnen.“
Alles an Howard Findley wirkt irgendwie unangenehm: Die schmierigen, mit Pomade zurückgekämmten Haare, der perfekt gestutzte, mephistolische Kinnbart, die penible Sauberkeit seiner Kleidung und Fingernägel.
„Diese Sache mit Ihnen dauert schon länger als mir lieb sein kann!“, fügt Findley hinzu, weiterhin das dünne Lächeln auf seinen Lippen, „Spätestens seit der öffentlichen Kampfansage ihres Rex Shadrack gegenüber meinem Sicherheitschef Jim MacNeil, letzten Herbst! Von Ihrem liberalen Geschnatter zu Halloween müssen wir dabei gar nicht anfangen, Miss Lancaster!“
„Liberales Geschnatter?“, ereifert sich die Sängerin.
„Wie hatte man das denn sonst zu verstehen! Nun denn, sagen Sie mir und den Gentlemen ruhig einmal, was Sie dazu bringt, unsere Unterredung zu stürmen. Eines Ihrer typischen, gefürchteten Narrenstücke kann es ja nicht sein. Sie haben ja schließlich alle ihre Waffen im Erdgeschoss abgegeben, wie ich sehe.“
„Aber Mister Findley!“, will einer der Anzugbonzen aufbrausen, sein Gesicht verfärbt sich hellrot, „Das ist unerhört! Diese Subjekte müssen sofort und augenblicklich wieder—“
Der schneidet ihm das Wort ab, „Doch, natürlich. Ich bin ein Mann des Volkes, und der Interessenvertreter der Arbeiterschar. Wir haben immer ein offenes Ohr für die Angelegenheiten der Siedler!“
„Weißhäutiger Regenwurm, Durchwühler der Erde!“, blafft John Bloody Knife, „Ich werde Dich lehren, was Dir droht, wenn Du Mutter Erde peinigst, und noch dazu Rote, Schwarze, und Gelbe, und sogar andere Bleichgesichter wie Du selbst eins bist! In den Ewigen Jagdgründen wirst Du noch auf lange Jahre Deine Knochen sortieren müssen!“
Er macht einen bedrohlichen Schritt auf die Bonzen zu, offensichtlich geht sein Zorn mit ihm durch. Mick Caples zieht hastig erneut seinen Peacemaker.
„John, tu‘s nicht!“, haucht Joycelyn.
„Mister Caples, was soll denn das Schießeisen?“, fragt Byrd in gespieltem Entsetzen, „Wir sind doch hier in der Stadthalle!“
„Für die Sweetrock gelten andere Regeln als für Pöbel wie Euch!“, keucht der kleine Ire.
„Mäßigen Sie sich, allesamt“, versetzt Findley, „So kommen Sie nicht weiter. Ihnen ist ebenso bewusst wie uns, dass Sie hier drin keine Bluttaten riskieren können. Pfeifen Sie Ihren Indianer besser zurück.“
John knallt beide Handflächen seiner großen Pranken auf den Tisch, dass alle weichgesichtigen Anzugträger zusammenzucken und das Tintenfässchen überall auf den Papieren Flecken verteilt. Sein Gesicht ist eine unbewegte Maske des Zorns, er fixiert den Sweetrock-Chef.
„Wir möchten wissen, was mit den sieben Galgen auf dem Town Square ist, Mister Findley“, bringt Joycelyn hastig vor, „Was denkt Ihre Firma sich dabei? In wenigen Tagen trifft ein wirklicher Richter in Gomorra ein! Die Bürger finden all dies ein wenig suspekt!“

Das wiederum ist Mallorys Chance. Sie steht im Hintergrund, und befragt ungesehen ihre Karten: Was denkt Howard Findley in dem Moment?
Dafür aktiviert sie ihre Empathy-Kraft. Dies gelingt ihr, und zwar mit Raise! Sofort hört sie die Stimmen der Totengeister, die ihr mit großer Klarheit an die Ohren wispern, was Findley denkt. Allerdings löst das Raise auch ihren Channeling-Vorteil aus, was die Powerpunkt-Kosten senkt, aber auch ihren Obvious-Nachteil ins Spiel bringt! Aus ihren Augen, Schläfen, und Nasenlöchern tritt erstes, hellblaues Ectoplasma hervor, das in dünnen Schlieren schwerelos zur Zimmerdecke aufzusteigen beginnt! Mallory tupft die Schlieren hastig mit ihrem Spitzentaschentuch. Das bringt ihr einen Benny ein für ihren Nachteil: Gerade jetzt kann sie es gar nicht brauchen, derartig auffällig zu sein!

In jedem Fall tragen die unsichtbaren Seelen ihr die Gedanken Findleys zu, während er auf Joycelyns Frage antwortet: „Aber der neue Richter ist noch nicht hier, nicht wahr? Und die Feinde der Sweetrock haben lange genug hinter Schloss und Riegel auf ihr gerechtes Urteil gewartet, noch dazu bei dieser Elendskälte! Sie verstehen dies alles nicht, Miss. Der Strang wird ein Akt der Barmherzigkeit sein.“

Aber hinter Findleys höflich lächelndem Gesicht denkt er in diesem Moment an den Ort, wo er seinen Mann Steven Gabriel vermutet. Mallory braucht nur auf den Kartenfächer in ihrer Hand zu schauen und auf das Gewisper der körperlosen Stimmen zu lauschen, um genau darüber Bescheid zu wissen.

Dies erlaubt also den nächsten Wurf auf den Clue-Tabelle aus FlexTale. Der W20 zeigt eine 19, das bedeutet einen Clue, und obendrein einen Reroll, und der Bonus-Wurf gibt einen zusätzlichen Clue! Jetzt habe ich insgesamt drei von zwei Benötigten zusammen. Der überzählige Hinweis ist demnach ein Unlinked Clue für meine Warteliste. Das ist dann logischerweise die Nennung des Namens Doctor Duvalier! Immerhin haben die Orakelwürfel vorhin angegeben, dass wir hier auf den nächsten Handlungsbogen betreffend der Sweetrock Mining Company stoßen werden …

Aber was ist mit dem gechannelten Ectoplasma? Da muss ich die Orakelwürfel befragen, ob Mallorys Machenschaften im Hintergrund auffallen. Die anderen Wild Cards lenken zwar die Anzugträger grade ganz gut ab, aber einem scharfäugigen Beobachter kann der glosende Glibber dennoch ins Auge springen. Und laut Orakel geschieht dies auch!

„Was zum Geier ist denn da los?!“, keucht der Ire, Mick Caples, „Heilige Mutter Gottes, Sapperlot!“, und er starrt Miss Kentrall an.
Die tupft den Rest der schwach leuchtenden Substanz von ihrem Gesicht, und zieht still ihre konservative Damenhaube tiefer in die Stirn.
„Ja ja, das macht der irische Whiskey mit einem, nicht wahr, Mick? Sie sehen schon Gespenster! Lenken Sie mal nicht ab, Pardner!“, sagt sofort Byrd, der sich denken kann, was es ist, das Caples so verdattert macht.
„Whiskey, Schwachsinn, Whiskey? Ich saufe mir doch keinen an vor Vetragsunterzeichnungen! Das da, das ist Mallory Kentrall, das Medium aus dem Buffalo Chip Saloon! Die macht hier irgendeinen teuflischen Hokuspokus!“
Mallory sagt reserviert, „Hokuspokus, Sir? Ich muss doch sehr bitten! Ich bin eine rechtgläubige Dame!“

Wie geht das hier weiter? Ich mache einen GM Move, um das zu entscheiden. Erneut sagt das Orakel, An NPC Takes Action.

Howard Findley hat derweil einen Schritt zum Fenster gemacht, und raunt gerade einem seiner Speichellecker etwas zu, deutet hinab auf die Straße.
Der jüngere Anzug-Typ reißt das Fenster auf, und schreit hinab: „Deputy Templeton, Deputy Flatbush! Hier oben! Überfall in der Stadthalle! Ergreifen Sie sofort die Unruhestifter!“
Findley verschränkt seine dicklichen Hände und lässt die Fingerknöchel knacken, und lächelt den Wild Cards über den Tisch hinweg zu. Er sieht sehr zufrieden aus.
„Beim nächsten Mal versuchen Sie lieber, sich einen Termin zu erbitten, drüben in meinem Verwaltungsgebäude!“, frötzelt er.
„Sie können die Demokratie nicht weiterhin mit Füßen treten, Mister Findley!“, entfährt es Joycelyn, „Das wird früher oder später ein Ende haben.“
„Jetzt fangen Sie auch schon wieder so an wie der Sheriff, Teuerste!“, schmunzelt Findley, „Aber dies ist meine Stadt. Und zwar buchstäblich. Sehen Sie ruhig einmal die Landbesitz-Urkunden ein — sollte man Sie je wieder in eins der Ämter unserer Siedlung hinein lassen, nach Ihrem heutigen Auftritt!“
Man hört bereits mehrere Paar Stiefel die hölzernen Treppenstufen hinauf poltern. Das werden die Hilfssherriffs sein.
„Aber aber, Mister Findley! Wir haben doch nur ein paar Fragen gefragt!“, protestiert Luca Byrd, „Und Sie haben gesagt, Sie wollen antworten, immerhin so von wegen offenes Ohr der Arbeiterschar und alles! War doch alles im Rahmen!“
„Ja, Mister Byrd, schon recht! Die Experten werden alles weitere beurteilen!“, lächelt Findley berechnend, „Einen gesegneten, guten Tag allerseits.“
Während Charlie Flatbush und John Templeton in den Raum treten, mustert Howard Findley noch einmal Mallory Kentrall, die den Blick gesenkt hält und die Luft anhält.


Die beiden Hilfssherriffs bugsieren unsere Wild Cards nach draußen vor die Stadthalle, beide haben ihre Friedensstifter locker in der Hand. Templeton kann‘s nicht lassen, Luca Byrd noch einen leichten Arschtritt zu verpassen, als sie allesamt draußen sind.
„Das war ja wohl besonders bescheuert!“, raunt Deputy Flatbush leise, und steckt seine Knarre weg, „Sehen Sie zu, dass sowas nicht nochmal passiert!“
Alle sehen sich gegenseitig in die Augen. Den beiden Hilfssherriffs ist ganz klar anzusehen, dass sie keinen Bock haben, den Abgeführten weitere Scherereien zu machen. Sie beide waren ja selber mit dabei bei dem konspirativen Gespräch mit Sheriff Coleman in dessen Office; die wissen, dass unsere Helden gerade verdeckt für die Law Dogs agieren. Wenn ein Howard Findley sie auf den Plan ruft wie eben, können sie natürlich dennoch nicht so tun, als hätten sie nichts gehört, und einfach weiter schlendern!
„Wir wollen Ihre Fressen jetzt erstmal nicht mehr sehen, weder in der Nähe der Stadthalle, noch in der Nähe der braven Sweetrock-Mitarbeiter!“, schnarrt Templeton angepisst, „Und schon gar nicht mit dieser Rothaut da im Schlepptau! Ist das klar?“
Mallory flüstert Joycelyn ans Ohr, „Das sollte keine Schwierigkeit darstellen! Ich weiß, wohin wir uns zu wenden haben! Und dieser Ort liegt nicht hier in der Stadt.“
Joycelyn sagt also lautstark, „Schon gut, schon gut. Wir gehen! Aber glauben Sie nicht, dass die Bürger der Stadt Ihre Grobheiten noch lange über sich ergehen lassen werden!“
„Verpissen Sie sich einfach, Kanarienvögelchen“, knurrt Deputy Templeton.
Eine kleine Traube verdutzter Passanten hat sich bereits gebildet. Marcus Perriwinkle steht in Sichtweite, und verfolgt das Geschehen seinerseits genau.
Die Wild Cards wenden sich also von den Ordnungshütern ab, und tun so, als hätten sie mit dem Sheriff Department nicht das geringste zu schaffen. Die beiden Damen heben pikiert ihre hübschen Nasenspitzen.
„… Nicht in der Stadt?“, flüstert Joycelyn.
„Ja. Wir müssen hinaus ins Great Maze …!“, haucht Mallory, der Schreck von ihrem Auffliegen steckt ihr offensichtlich noch in den Knochen, sie wirkt etwas zitterig.
„Au ja!“, sagt Luca, und rückt seinen alten Hut zurecht, „Aber was sollte eigentlich das Gequatsche von so einer allerneuesten Erforschung, und einem Doctor Duvalier? Kriegen wir’s jetzt auch noch mit Franzosen zu tun?“
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