Autor Thema: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?  (Gelesen 2995 mal)

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Offline Der Hasgar

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Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« am: 23.08.2023 | 11:44 »
Hallo Leute,

aktuell mache ich mir viel Gedanken um ein eigenes Kampfsystem. Ich selbst habe viel DSA 4.1. gespielt (tue ich mittlerweile mit anderen Regeln immer noch) und mir ist dabei aufgefallen, dass wir uns in 20 Jahren NIE (!!) aus einem Kampf zurückgezogen haben.


Das kann zwei Gründe haben:

1. Es gab keine vernünftigen Regeln dafür oder diese waren zu kompliziert
2. Es gab nie eine Situation, wo uns das angemessen erschien

Grundsätzlich finde ich die Idee einer Rückzugsmöglichkeit allerdings sehr gut, weil sie ganz neue Storymöglichkeiten eröffnet. Man könnte sich auch mal "irrtümlich" mit einem viel zu starken Gegner anlegen, ohne gleich sterben zu müssen oder nur durch "SL-Gnade" zu überleben.

Wenn ich jetzt Grund 2 oben mal zurückstelle, kommen wir zu Punkt 1: Regeln für den Rückzug.

Nun könnte man sagen: Wir ziehen uns zurück und das klappt immer. Ist aber blöd, weil dann quasi kein Kampf mehr ne richtige Gefahr ist. Oder man sagt: Sofern eine theoretische Rückzugsmöglichkeit (z.B. kein Meer im Hintergrund ohne Schiff o.ä.) besteht, klappt das immer.

Doch mich interessiert, wie andere Spiele das lösen oder wie Ihr das in euren eigenen Systemen gelöst habt. Gibts Mechaniken (Taktik-Vergleich usw...) dafür?

Ich freue mich auf eure Antworten.

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Offline KhornedBeef

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #1 am: 23.08.2023 | 12:36 »
Am bekanntesten ist wahrscheinlich Fate Core. Da kann man einen Konflikt jederzeit aufgeben. Tatsächlich hat man dann daraus als SC eher einen Vorteile, aber die Bösen bekommen halt, was sie erreichen wollten. Fate will halt Geschichten erzählen, nicht Kämpfe simulieren.
Ich glaube, dass das nicht das Richtige für dich ist.
Ich tue mich auch gerade schwer, ein Beispiel zu finden, in dem nicht irgendwie auf der Metaebene Ziele für den Konflikt festgelegt werden.
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Offline tartex

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #2 am: 23.08.2023 | 12:43 »
D&D auf taktischer Ebene (sprich Püppchenschieben):

Zitat
You can move 5 feet in any round when you don't perform any other kind of movement. Taking this 5-foot step never provokes an attack of opportunity. You can't take more than one 5-foot step in a round, and you can't take a 5-foot step in the same round when you move any distance.
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #3 am: 23.08.2023 | 12:52 »
D&D auf taktischer Ebene (sprich Püppchenschieben):

Wenn man das aber weiterspinnt, könnte ja der Gegner immer wieder nachziehen und es wäre sozusagen ein Endlos-Spiel. Deshalb halte ich das nicht für die gelungenste Möglichkeit.

Soweit sind bislang meine Ideen gediehen:

- sofern nichts akut dagegenspricht (am Abrgund, offenes Feld und Gegner ist x mal schneller, weil fliegend oder so), sollte so etwas möglich sein
- Gegner sollten nachsetzen können
- das Ganze sollte irgendwie von den Fähigkeiten der SC abhängen

Nun ist mein Gedanke, daraus eine "Ja, aber...- Herausforderung" (Rückzug= Schaden) zu machen. Im Sinne von "je besser der Rückzug geordnet wird, desto weniger Schaden erleiden die Beteiligten". Bin mir nur unsicher, ob das das Ganze plausibel abbildet oder ob es eventuell bessere Mechanismen gibt.

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #4 am: 23.08.2023 | 13:01 »
In Raise-and-See-Spielen wie Dogs in the Vineyard oder With Great Power geht ein Konflikt laut Regeln bis eine Seite nicht mehr möchte oder kann. Wenn man am Zug ist, muss dabei immer mindestens so viel legen, wie der Gegner gelegt hat.

Offline Isegrim

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #5 am: 23.08.2023 | 13:06 »
Sind eigentlich zwei Punkt:

1. Wie setz ich mich aus einem direkten Nahkampf ab? Kann ich das immer, wenn ich dran bin, kann der Gegner was machen, um das zu verhindern oder mir noch einen Hieb in den Rücken mitzugeben?

2. Verfolgung, wenn man sich erfolgreich aus dem Kampf abgesetzt hat, aber die hartnäckig hinter einem herrennen (oder einem hinterherspringen, nachdem man in seiner Verzweiflung aus dem Fenster eines mehrgeschössigen Hauses gesprungen ist... alles schon vorgekommen...)

Zu ersterem: Ich würd es nicht zu schwierig machen, grad wenn man will, dass Rückzug eine sinnvolle Option ist.

Zu letzterem: Wenn ich das wüßte... Gibt aber mehrere Stränge im Forum, die sich dem Problem widmen... Ohne das ich dabei den Schein der Erleuchtung wahrgenommen hätte, leider...
« Letzte Änderung: 23.08.2023 | 13:11 von Isegrim »
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #6 am: 23.08.2023 | 13:07 »
In Raise-and-See-Spielen wie Dogs in the Vineyard oder With Great Power geht ein Konflikt laut Regeln bis eine Seite nicht mehr möchte oder kann. Wenn man am Zug ist, muss dabei immer mindestens so viel legen, wie der Gegner gelegt hat.

Ok, hier muss ich gestehen: Ich habe solcher Art Spiele wohl nie gespielt. Aber der Gedanke scheint mir einfach:

1. Ich kann mich jederzeit zum Rückzug entscheiden
2. Ich muss den Gegner quasi so lange beschäftigen (mindestens so viel legen), bis alle sich entfernen konnten

Klingt nicht schlecht. Das "Hindern am Rückzug" wird dann quasi durch eine hohe Vorgabe beim "Legen" abgebildet. Ist hierbei also passiv...
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #7 am: 23.08.2023 | 13:15 »
Sind eigentlich zwei Punkt:

1. Wie setz ich mich aus einem direkten Nahkampf ab? Kann ich das immer, wenn ich dran bin, kann der Gegner was machen, um das zu verhindern oder mir noch einen Hieb in den Rücken mitzugeben?

2. Verfolgung, wenn man sich erfolgreich aus dem Kampf abgesetzt hat, aber die hartnäckig hinter einem herrennen (oder einem hinterherspringen, nachdem man in seiner Verzweiflung aus dem Fenster eines mehrgeschössigen Hauses gesprungen ist... alles schon vorgekommen...)

Zu ersterem: Ich würd es nicht zu schwierig machen, grad wenn man will, dass Rückzug eine sinnvolle Option ist.

Zu letzterem: Wenn ich das wüßte... Gibt aber mehrere Stränge im Forum, die sich dem Problem widmen... Ohne das ich dabei den Schein der Erleuchtung wahrgenommen hätte, leider...

Punkt 1 erscheint mir plausibel. Eventuell ist Rückzug dann einfach eine wählbare Option in einem Konflikt. Muss mal sehen, was der Gegner "Sinnvolles" dagegen unternehmen kann.

Punkt 2. hmmm. Flucht und Verfolgung. Ich glaube, ich werde mir die alten Stränge mal raussuchen.

Danke Dir auf jeden Fall :)
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Offline Tudor the Traveller

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #8 am: 23.08.2023 | 13:25 »
13th Age (D&D Umfeld) handelt das sehr meta ab. Es gibt die Flee Action:

Die Gruppe kann jederzeit in einem PC Turn entscheiden zu fliehen. Gefalle PC werden dabei mitgenommen.

Die Gruppe erleidet ein "campaign loss". Details obliegen dabei der SL.
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Offline KhornedBeef

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #9 am: 23.08.2023 | 13:31 »
Um mal ein bisschen herumzuspinnen: "Geordneter Rückzug" klingt nach einer spannenden Basis für taktische Elemente, d.h. sowohl Spielerentscheidungen als auch Charakterfähigkeiten beeinflussen, was einen ein Rückzug kostet. Selbst mit der begrenzten Ressourcenzahl bei D&D & Co kann man sich da ja schon etwas überlegen, wie
- Magier noch ein Runde schützen -> Mass Teleport (kostet einen hochleveligen Zauber)
- Fertigkeitsprobe für die entsprechende Klasse, den Rückzug zu organisieren -> Kostet bei Fehlschlag dann weitere Gelegenheitstreffer oder so etwas
- schlichter Kampf mit Unterzahl-Malus für einen SC, der die Nachhut bildet

Verfolgung kann man machen, aber ich würde einfach fragen: habt ihr einen plausiblen Fluchtplan? Wenn ja, dann muss man sich bloß zurückziehen und fertig.
Wenn man auf offenem Feld einem schnelleren Feind gegenübersteht, muss man sich da halt durchkämpfen.
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #10 am: 23.08.2023 | 15:05 »
Um mal ein bisschen herumzuspinnen: "Geordneter Rückzug" klingt nach einer spannenden Basis für taktische Elemente, d.h. sowohl Spielerentscheidungen als auch Charakterfähigkeiten beeinflussen, was einen ein Rückzug kostet. Selbst mit der begrenzten Ressourcenzahl bei D&D & Co kann man sich da ja schon etwas überlegen, wie
- Magier noch ein Runde schützen -> Mass Teleport (kostet einen hochleveligen Zauber)
- Fertigkeitsprobe für die entsprechende Klasse, den Rückzug zu organisieren -> Kostet bei Fehlschlag dann weitere Gelegenheitstreffer oder so etwas
- schlichter Kampf mit Unterzahl-Malus für einen SC, der die Nachhut bildet

Verfolgung kann man machen, aber ich würde einfach fragen: habt ihr einen plausiblen Fluchtplan? Wenn ja, dann muss man sich bloß zurückziehen und fertig.
Wenn man auf offenem Feld einem schnelleren Feind gegenübersteht, muss man sich da halt durchkämpfen.

Ich denke nämlich auch, dass sich hieraus spannende taktische und auch spielerische Elemente ergeben können. Ich danke auf jeden Fall schonmal für den Input - die Ideen bieten auf jeden Fall Material, um mal tiefergehend drüber nachzusinnen.
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Offline Maarzan

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #11 am: 23.08.2023 | 16:05 »
Idealerweise wird ein Rückzug bereits vor dem Angriff geplant - und begonnen, bevor man Leute zurücklassen muss.
Teil 1 des Rückzugs ist das unmittelbare Lösen. Ob da Schaden bei rumkommt, wäre dann halt einen Frage der jeweiligen Manöver und deren Erfolg.
Teil 2 wäre dann das sich absetzen. Ist man schneller als der Gegner, dann ist das relativ trivial. 
Ist man langsamer oder gleichschnell, muss etwas geschehen, was den Gegner dazu bringt, selber nicht mit voller Geschwindigkeit zu verfolgen oder ihm Hindernisse in den Weg legt, welche ihn daran hindern. Krähenfüße, umgestoßene Stühle, vorbereitete Fallen oder Hindernisse zurückgelassene Kameraden, welche zumindest den Eindruck einer Falle erwecken, wären Optionen. Und ein passender Zauber kann natürlich auch helfen .. Wall of xyz
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Offline unicum

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #12 am: 23.08.2023 | 16:15 »
Das kann zwei Gründe haben:

1. Es gab keine vernünftigen Regeln dafür oder diese waren zu kompliziert
2. Es gab nie eine Situation, wo uns das angemessen erschien

Irgendwie werden wir spieler auch dahingehend "erzogen" das so zu machen:

3. Wir sind Helden, wir ziehen uns nicht zurück, hat ja bisher immer geklappt, der SL will ja keinen TPK hinlegen.
4. Die NSC sind auch noch nie geflohen, oder haben sich ergeben.


Doch mich interessiert, wie andere Spiele das lösen oder wie Ihr das in euren eigenen Systemen gelöst habt. Gibts Mechaniken (Taktik-Vergleich usw...) dafür?
Ich freue mich auf eure Antworten.

Das eigentliche "Problem" ist doch nur der Nahkampf, oder? Gibt es das Problem auch irgendwie im Fernkampf? Lezteres ist mir nicht bekannt.

Ist nicht so das ich das ein oder andere mal in einem Liverollenspiel davongerannt wäre und zwar ohne den "Free Hack" den einige Systeme haben oder sonstigen Krahm. Viel ist dann den richtigen Moment abwarten und dann eben schauen ob man schneller ist, oder der andere überhaupt nachsetzen will.

Ich würde an der Stelle tatsächlich mir überlegen - und zwar bevor ich mir gedanken mache wie ich das "Lösen vom Gegner" regeltechnisch umsetze - mir gedanken darüber mache wie ich ein interessantes* Wettrennen regeltechnisch abbilde.  (* Also der Gnom der auf offenem Gelände vor einem reiter davonläuft ist Wettrennentechnisch nicht interessant) und dann überlegen wie ich die Lücke zwischen Nahkampf und Flucht schliesse.

Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #13 am: 23.08.2023 | 17:32 »
Irgendwie werden wir spieler auch dahingehend "erzogen" das so zu machen:

3. Wir sind Helden, wir ziehen uns nicht zurück, hat ja bisher immer geklappt, der SL will ja keinen TPK hinlegen.
4. Die NSC sind auch noch nie geflohen, oder haben sich ergeben.


Das eigentliche "Problem" ist doch nur der Nahkampf, oder? Gibt es das Problem auch irgendwie im Fernkampf? Lezteres ist mir nicht bekannt.

Ist nicht so das ich das ein oder andere mal in einem Liverollenspiel davongerannt wäre und zwar ohne den "Free Hack" den einige Systeme haben oder sonstigen Krahm. Viel ist dann den richtigen Moment abwarten und dann eben schauen ob man schneller ist, oder der andere überhaupt nachsetzen will.

Ich würde an der Stelle tatsächlich mir überlegen - und zwar bevor ich mir gedanken mache wie ich das "Lösen vom Gegner" regeltechnisch umsetze - mir gedanken darüber mache wie ich ein interessantes* Wettrennen regeltechnisch abbilde.  (* Also der Gnom der auf offenem Gelände vor einem reiter davonläuft ist Wettrennentechnisch nicht interessant) und dann überlegen wie ich die Lücke zwischen Nahkampf und Flucht schliesse.

Ich gehe davon aus, dass es vor allem in Bezug auf den Nahkampf interessant ist.

Zum Wettrennen: Eine wirklich harte Nuss.


Idee:

1. Ideen der Spieler anhören (ob diese Hindernisse schaffen, sich durch gefährliches Terrain flüchten oder einfach nur schnell wegrennen wollen)
2. Generell fragen: Ist das möglich?
3. Eine Art Regel für die Verfolgsjagd bauen (ja, ich weiß - ich ein empfindliches Thema hier Forum  ~;D )


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Offline YY

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #14 am: 23.08.2023 | 18:50 »
Ich tue mich auch gerade schwer, ein Beispiel zu finden, in dem nicht irgendwie auf der Metaebene Ziele für den Konflikt festgelegt werden.

Das ist der Knackpunkt - also der Gedanke von der Zielsetzung, weniger die Metaebene.
Solange die Rahmenbedingungen ein Aufgeben, Fliehen etc. nicht sinnvoll oder sogar praktisch unmöglich machen, tut das eben auch keiner - SC wie NSC.

Das kann man wie Fate sozusagen mit dem spielmechanischen Holzhammer machen oder man verlegt sich darauf, entsprechend im System verzahnte Anreize zu liefern.

Einerseits können das reine Settingsetzungen sein, andererseits kann das aber auch mit der Spielmechanik interagieren - wo z.B. jeder Konflikt grundsätzlich gefährlich ist, überlegt man sich vielleicht noch mal, ob man nachsetzt und eine Entscheidung forciert oder es lieber mit dem Teilerfolg gut sein lässt, den Gegner in die Flucht geschlagen zu haben.

Ansonsten gäbe es noch Mechaniken wie bei Twilight 2013, die Kampfpausen erzwingen, in denen sich dann eine Seite recht gut absetzen kann, wenn sie will.

Davon fühlen sich allerdings viele Spieler zu weit in ihren Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt.
An der Stelle muss man sich eben entscheiden, ob einem die eigene "absolute" Handlungsfreiheit mehr wert ist als ein glaubwürdiges Handeln aller Beteiligten :think:
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #15 am: 23.08.2023 | 19:38 »
Ich mache eine Regel dafür verantwortlich, dass sich Spieler so ungern zurückziehen wollen: "Attack of Opportunity". Diese Regel muss weg.

Die an sich korrekte Vorstellung, dass in einer Schlacht zweier Armeen dann die größten Verluste entstehen, wenn eine Seite sich unorganisiert zur Flucht wendet und die andere Seite z.B. mit Reiterei nachsetzen kann, führt im Rollenspiel, wo es ja meist um Zweikämpfe geht, dazu, dass sich eigentlich jeder überlegt, "ich könnte fliehen und einen Treffer kassieren" oder "ich könnte selbst angreifen, vielleicht sogar gewinnen und einen Treffer kassieren" und dann erkennt, dass die zweite Option fast immer die bessere ist. Also wird nicht geflohen.

Ein weiteres Problem ist, dass Spieler annehmen, dass alle NSCs genau so unbarmherzig wie ihre eigenen Charaktere sind, weil man ja keine potentiellen Gegner in seinem Rücken leben lässt und das sonst nur zu zukünftigen Problemen führt. Vielleicht hatten sie mal einen schlechten SL, der gegen sie gespielt hat, vielleicht haben sie nicht erkannt, dass ja gerade diese "Probleme" das sind, was das Spiel überhaupt ausmacht. Hier muss man umdenken und Regeln können helfen.

Eine Idee wäre, die "Menschlichkeit" bzw. das "Gewissen" der SCs zu simulieren.

Sagen wir, sie haben einen Wert für ihre Heldenhaftigkeit, gegen den man z.B. würfeln kann, um dem Tod von der Schippe zu springen. Starten wir mit 5. Jedes Mal, wenn ein SC ein denkendes empfindsames Wesen tötet (egal aus welchem Grund), wird mit 1W6 gewürfelt und ist der Wert größer, sinkt der Wert um 1. Um den Wert zum Überleben einzusetzen, muss man mit 1W6 kleiner-gleich würfeln. Heldentaten können den Wert auch wieder steigern.

Man kann natürlich auch eine erfolgreiche Flucht garantieren. Bei 13th Age (wurde ja schon erwähnt) garantieren die Regeln, dass eine Flucht immer gelingt, zu einem Preis, den die SL dann festlegt.

Bei Trail of Cthulhu oder dem Yellow King RPG gibt es explizit eine Fertigkeit um zu fliehen. Wer keinen Kämpfer spielen will, kann zumindest durch einen hohen Wert hier versuchen, dass Überleben des eigenen Charakters zu verbessern. Wie man es dann ausspielt, ist der eigenen Kreativität überlassen. Vielleicht prüft der Wert, ob man rechtzeitig das Auto starten kann. Vielleicht prüft er, ob man genug Konditition für eine wilde Flucht hat oder im letzten Moment ein gutes Versteck findet.

Cthulhu Dark geht noch einen Schritt weiter und sagt, dass eine erfolgreiche Flucht der einzige Weg ist, wie man den Kontakt mit einer Mythos-Kreatur überleben kann. Im Kampf (den man ja so dramatisch beschreiben kann wie man möchte) stirbt man unausweichlich. Aber als SL würde ich immer zulassen, dass das Opfer eines Charakters reicht, damit die andere entkommen können.

Allgemein ist glaube ich wichtig, dass ein Kampf nicht zwangsläufig nur mit dem Tod einer Seite enden muss. Gerne kann man ja auch Meta-Ebene festlegen, dass ein wie auch immer besiegter Gegner garantiert nicht (also in diesem Abenteuer) mehr gegen die SCs handeln wird, egal ob er niedergeschlagen oder auch nur so stark gedehmütigt oder verschreckt oder bestochen wird.

Oder man kann es im Setting vereinbaren. Wer bei RuneQuest einen Gegner tötet, statt ihn gefangen zu nehmen und von seinem Stamm auslösen zu lassen, lässt sich extrem viel Geld entgehen. Um das deutlich zu machen, weiß auch jeder SC, was er seinem Stamm wert ist, was hoffentlich dazu führt, dass der Spieler erkennt, dass der SC auch für die NSCs lebendig mehr wert ist als tot.

Das wilde Tiere z.B. bis zum Tod kämpfen, ist eine Unart, die entstanden ist, weil es ja für getötete Gegner XP gibt. Diese Regel muss natürlich auch sofort verschwinden bzw. derart verändert werden, dass auch der vertriebene Berglöwe die selben XP bringt wie der erschlagene. Und wer dem Tier die gesamten Rationen der Gruppe vorwirft, hat auch den "Encounter" geschafft, um den Preis, dass die Gruppe nun hungern wird.

IMHO müssen Kämpfe eigentlich so entworfen werden, dass sie keinen Spaß machen. Dann wird man als Spieler auch versuchen sie zu vermeiden. Wenn man sie aber sucht, weil es der zentrale Spaßbringer des Spiels ist, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass Spieler nie einen Rückzug in Erwägung ziehen.

Ich mag ja Systeme, wo mit möglichst einer gerne auch abstrakten Probe eine Situation entscheiden wird, weil dann dieser eine Wurf auch eine Bedeutung hat.

So könnte eine Anführen-Probe für eine koordinierte Flucht sorgen. Die SL entscheidet, dass dabei jeder einen Ausrüstungsgegenstand verliert. Der Barbar entscheidet, dass er einem Gegner den Schild entgegenschleudert, was den aus der Bahn wirft. Der Händler wirft eine handvoll Münzen in die Gegner, von denen einige sofort anfangen, diese aufzusammeln und der Barde läuft durch die Wildnis, was seine schöne gerade neu gekaufte Kleidung ruiniert, die ansonsten Vorteil beim nächsten Auftritt gegeben hätte.

Gesonderte Flucht-Regeln braucht es glaube ich nicht. Die Situation ist jetzt keine andere als der Versuch, in einer Taverne durch einen Auftritt die Schlägerei zu stoppen oder auf dem überfüllten Markt einen Taschendieb nicht aus den Augen zu verlieren.

Offline Jenseher

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #16 am: 23.08.2023 | 19:58 »
Bei AD&D 2.5E gibt es nach dem Combat & Tactics (TSR2149) „Withdraw“. Man zieht sich umsichtig aus dem Kampf zurück und es gibt keine „Attack of Opportunities“. Es gibt natürlich auch Regeln für mögliche Verfolgungsjagden (die auch richtig gut sind).

In der Zeit, wo ich auf meiner eigenen Welt gemeistert habe, hat sich die Gruppe einige Male (also alle paar Sitzungen) aus Kämpfen zurückgezogen oder sich neu positioniert. Und wir haben natürlich nie mit Figürchen gespielt.

Offline YY

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #17 am: 23.08.2023 | 20:10 »
@sma:
Puh, das ist ein ziemlich gehaltvoller Beitrag, aus dem man einen kalorienreichen Zitatesalat machen kann ;D


Ich mache eine Regel dafür verantwortlich, dass sich Spieler so ungern zurückziehen wollen: "Attack of Opportunity". Diese Regel muss weg.

AoO ist für mich auch ein rotes Tuch, aber ich würde nicht so weit gehen, die als zentrale Ursache für die "Nicht-Flucht" zu betrachten.

Einen gewissen übergeordneten Effekt des "Mikro-Anreizes", sich in jeder einzelnen Runde nicht zurückzuziehen, sehe ich schon, aber das geht mMn oft ins Irrationale. Also in der Form, dass die Notwendigkeit zur Flucht eigentlich offensichtlich ist und als Gegenargument kommt dann "aber dann krieg ich ja eine AoO!" ::)


Ein weiteres Problem ist, dass Spieler annehmen, dass alle NSCs genau so unbarmherzig wie ihre eigenen Charaktere sind, weil man ja keine potentiellen Gegner in seinem Rücken leben lässt und das sonst nur zu zukünftigen Problemen führt.

Ja, das ist eine Frage der Spielumgebung, in der sich viele Spieler lange bewegt haben.
Man kann sich auch wieder umgewöhnen, aber das braucht ein bisschen guten Willen auf allen Seiten.

Allgemein ist glaube ich wichtig, dass ein Kampf nicht zwangsläufig nur mit dem Tod einer Seite enden muss. Gerne kann man ja auch Meta-Ebene festlegen, dass ein wie auch immer besiegter Gegner garantiert nicht (also in diesem Abenteuer) mehr gegen die SCs handeln wird, egal ob er niedergeschlagen oder auch nur so stark gedehmütigt oder verschreckt oder bestochen wird.

Njaaahweißichnicht :)

Ich mag so knallhartes "Was die SC (nicht) machen, machen auch die NSC (nicht)" überhaupt nicht, weil es das SC-Verhalten zu sehr auf die Metaebene zieht.
Dabei geht es noch nicht mal so sehr darum, dass die SC sich auch verhalten dürfen wie die Axt im Wald, sondern andersrum, dass sie auch dann das Richtige(tm) tun, wenn sie nicht unmittelbar und garantiert was davon haben.


Oder man kann es im Setting vereinbaren. Wer bei RuneQuest einen Gegner tötet, statt ihn gefangen zu nehmen und von seinem Stamm auslösen zu lassen, lässt sich extrem viel Geld entgehen.

Genau so was ist ein Paradebeispiel dafür, wie man das Ganze sinnvoll im Setting verankert. Davon hat man nämlich jenseits aller Metabetrachtungen einen ganz konkreten Nutzen.
Und so lässt sich auch mehr oder weniger automatisch hervorheben, wie unzivilisiert und gefährlich Gegner sind, die das aus irgendwelchen Gründen nicht so halten.

IMHO müssen Kämpfe eigentlich so entworfen werden, dass sie keinen Spaß machen. Dann wird man als Spieler auch versuchen sie zu vermeiden. Wenn man sie aber sucht, weil es der zentrale Spaßbringer des Spiels ist, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass Spieler nie einen Rückzug in Erwägung ziehen.

Ich spiele recht gerne ziemlich tödliche Systeme und da sind die Kämpfe für mich immer noch das Salz in der Suppe.
Da ist dann aber auch ein überlebter Kampf per se schon ein halb bis dreiviertel gewonnener...
Und man versucht natürlich, weniger zu kämpfen, aber das klappt so oft nicht, dass man trotzdem auf seine Kosten kommt, wenn man Kämpfe mag.


Kämpfe dürfen vor allem zwei Dinge nicht sein, damit man auch mal flieht: leicht und harmlos.
Erfüllt ist das z.B. dann, wenn man versuchen muss, die Startbedingungen sehr weit zu den eigenen Gunsten zu drehen. Dann geht man auch mal einen Kampf freiwillig ein, weil er nur ein gewisses Restrisiko hat.
Sobald ein Kampf aber halbwegs auf Augenhöhe stattfindet, versucht man i.d.R., sich zu verkrümeln und das Ganze später unter günstigeren Bedingungen noch mal zu wiederholen.
Das betrifft dann aber wieder beide Seiten und so kommt auch mal ein quasi einvernehmlicher Kampfabbruch nach einem ersten Schlagabtausch zustande.

Gesonderte Flucht-Regeln braucht es glaube ich nicht. Die Situation ist jetzt keine andere als der Versuch, in einer Taverne durch einen Auftritt die Schlägerei zu stoppen oder auf dem überfüllten Markt einen Taschendieb nicht aus den Augen zu verlieren.

Spezialisierte Flucht-Regeln finde ich schon in Ordnung, aber gerade nicht so, wie das viele Systeme machen: als "Nachtanzen" von Verfolgungsjagden aus Film und Videospiel - das funktioniert für mich nämlich eher selten.

In einem alten Flucht-Faden hatten wir mal angerissen, dass man z.B. in der ingame-Realität verankert einen Preis bezahlen kann wie das Wegwerfen von Schild und Rüstung vor bzw. während der Flucht. Da ist es dann auch nachvollziehbar, dass ein Verfolger selten unmittelbar nachsetzen kann, aber seine Ziele erreicht hat er dann eben trotzdem und es fehlen dem Geflüchteten die Mittel für eine aussichtsreiche Rückrunde.


Ansonsten sollte Flucht mMn regelmäßig entweder ein stetiger Wechsel von weiträumiger Bewegung und Kampf sein (mit einem entsprechenden An- und Abschalten der Kampfregeln) oder vor allem eine "push your luck"-Angelegenheit, bei der der Verfolgte festlegen kann, welches Risiko er gehen will und der Verfolger stets entscheiden muss, ob er das mitgeht. Das greift dann natürlich wieder nur da, wo man überhaupt ansatzweise gleichauf ist, was die Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit angeht.
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Online schneeland

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #18 am: 23.08.2023 | 20:29 »
Weil es, wenn ich das richtig gesehen habe, noch nicht erwähnt wurde:

1a) Ältere D&D-Editionen bieten die Mechanik des Moralwurfs zu bestimmten Zeitpunkten (erster Treffer, halbe Trefferpunkte, Anführer tot, etc.), um zu bestimmen, wann ein Monster überhaupt wegläuft
1b) Wenn's dann ums Weglaufen geht, gibt es die Möglichkeit, Schätze und Proviant wegzuwerfen, und damit die Monster von der Verfolgung abzulenken
2) Savage Worlds bietet die Möglichkeit, in den Verfolgungsmodus zu wechseln - dazu wird eine gewisse Menge von Karten ausgelegt und über verschiedene Proben (hauptsächlich Rennen, aber eben auch was sonst so passt, z.B. Beschießen des Verfolgerfahrzeugs) versucht man Abstand zu gewinnen; wenn man genug Abstand hat, ist die Flucht gelungen. Das Ganze wird verkompliziert je nachdem, auf welchen Karten man landet.
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Offline Alexandro

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #19 am: 23.08.2023 | 21:02 »
Idealerweise wird ein Rückzug bereits vor dem Angriff geplant - und begonnen, bevor man Leute zurücklassen muss.

In der Realität ist es umgekehrt: um Rückzug zu verhindern muss der Gegner aktiv werden*, für den Rückzug selber musst du erstmal nichts machen, außer wegzulaufen (wie gut das Weglaufen funktioniert ist wieder eine andere Sache, aber dazu müssen Gegner erstmal Verfolgung aufnehmen).

*aktiv werden heißt...
-vor dem Kampf: durch Auswahl des Kampfortes (geographische Hindernisse, die Rückzüge erschweren)
- während des Kampfes: durch Positionierung der eigenen Truppen (und Einkesseln funktioniert nur dann richtig gut, wenn man schonmal in Überzahl ist und/oder besser ausgerüstet)
- während der gegnerischen Flucht: durch die Entscheidung ob man überhaupt die Verfolgung aufnimmt (was bedeutet eine vorteilhaftere Kampfposition aufzugeben, und potentiell in eine Falle zu rennen)

Das habe ich noch in keinem (simulationistischen oder nicht-abstrakten gamistischen) Spielsystem gut abgebildet gesehen.

Auf der narrativen Seite liefert Urban Shadows recht gut: man braucht eine Gelegenheit um zu fliehen (die man normalerweise hat, außer der Gegner hat dafür gesorgt, dass man sie nicht hat - in diesem Fall muss man (mit Gewalt, Täuschung oder übernatürlichen Kräften) eine Gelegenheit erschaffen, welche das Fluchthindernis überwindet), dann wird gewürfelt wie kontrolliert oder überstürzt das passiert - im überstürzten Fall kann es sein, dass man während der Flucht verletzt wird, den Fluchtweg improvisieren muss, man Ausrüstung verliert, oder etwas ähnliches.
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Offline Tudor the Traveller

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #20 am: 23.08.2023 | 21:47 »

Das eigentliche "Problem" ist doch nur der Nahkampf, oder? Gibt es das Problem auch irgendwie im Fernkampf? Lezteres ist mir nicht bekannt.

Im meiner Erfahrung ist es GERADE der Fernkampf, der Rückzüge vereitelt. Schützen oder Magier geben Fliehenden in aller Ruhe nochmal ordentlich Schaden, bis die Reichweite verlassen wurde.

@AoO: das gilt imo nur für D&D 3.x Zumindest in den anderen Editionen sind AoO seltener möglich oder können relativ einfach vermieden werden, z.B. durch die Withdraw Action in der 5e.
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Offline Xugro

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #21 am: 23.08.2023 | 22:17 »
Imperium Maledictum kennt zwei Möglichkeiten für Spieler sich aus einem Kampf zurück zu ziehen:
  • Fliehen
    Am Anfang des Zuges kann der Spieler ansagen, dass er flieht und seine Aktion sowie seine Bewegung ausgeben, um dies zu tun. Damit ist er aus dem Kampf raus und wird auch nicht mehr in der Initiative berücksichtigt. Außerdem bekommt die Gruppe für den Rest des Kampfes -1 Erfolgsstufe auf jeden Wurf.
    • -1 Erfolgsstufe sind -10% in dem W100-System. Entspricht bei D&D -2 auf jeden W20-Wurf.
  • Rückzug
    Ein Spieler sagt am Anfang seines Zuges an, dass er sich zurück zieht. Damit endet sein Zug. Wenn der nächste Spieler in der Initiative dran ist, dann kann er sich entweder mit zurück ziehen oder im Kampf bleiben. Wenn alle Spieler dabei sind, dann zieht sich die Gruppe erfolgreich aus dem Kampf zurück. Wenn einige Spieler dagegen sind, dann kann der Rest entweder bleiben oder sich zurück ziehen, aber die Gruppe bekommt für den Rest des Kampfes -2 Erfolgsstufen auf jeden Wurf.
    • Entspricht bei D&D -4 auf jeden W20-Wurf.

Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #22 am: 24.08.2023 | 10:35 »
Ich mache eine Regel dafür verantwortlich, dass sich Spieler so ungern zurückziehen wollen: "Attack of Opportunity". Diese Regel muss weg.

Hier würde ich sagen: Nicht zwingend. Man kann auch eine Aktion "Rückzug" einbauen, bei der man sich keine "AoO" einfängt - soll es in der 5e ja sogar geben :)

Ein weiteres Problem ist, dass Spieler annehmen, dass alle NSCs genau so unbarmherzig wie ihre eigenen Charaktere sind, weil man ja keine potentiellen Gegner in seinem Rücken leben lässt und das sonst nur zu zukünftigen Problemen führt. Vielleicht hatten sie mal einen schlechten SL, der gegen sie gespielt hat, vielleicht haben sie nicht erkannt, dass ja gerade diese "Probleme" das sind, was das Spiel überhaupt ausmacht. Hier muss man umdenken und Regeln können helfen.

Eine Idee wäre, die "Menschlichkeit" bzw. das "Gewissen" der SCs zu simulieren.

Sagen wir, sie haben einen Wert für ihre Heldenhaftigkeit, gegen den man z.B. würfeln kann, um dem Tod von der Schippe zu springen. Starten wir mit 5. Jedes Mal, wenn ein SC ein denkendes empfindsames Wesen tötet (egal aus welchem Grund), wird mit 1W6 gewürfelt und ist der Wert größer, sinkt der Wert um 1. Um den Wert zum Überleben einzusetzen, muss man mit 1W6 kleiner-gleich würfeln. Heldentaten können den Wert auch wieder steigern.

Ein Gedanke, der mir bislang noch nicht gekommen ist und den ich durchaus spannend finde.  :)

Man kann natürlich auch eine erfolgreiche Flucht garantieren. Bei 13th Age (wurde ja schon erwähnt) garantieren die Regeln, dass eine Flucht immer gelingt, zu einem Preis, den die SL dann festlegt.

Ist nicht absolut schlecht, aber die Frage ist halt: Kann man immer fliehen? In diesem Fall wäre ja faktisch jeder Kampf irgendwie mit einem Sicherheitsnetz. Ich würde sagen: Man sollte es immer versuchen können...

Bei Trail of Cthulhu oder dem Yellow King RPG gibt es explizit eine Fertigkeit um zu fliehen. Wer keinen Kämpfer spielen will, kann zumindest durch einen hohen Wert hier versuchen, dass Überleben des eigenen Charakters zu verbessern. Wie man es dann ausspielt, ist der eigenen Kreativität überlassen. Vielleicht prüft der Wert, ob man rechtzeitig das Auto starten kann. Vielleicht prüft er, ob man genug Konditition für eine wilde Flucht hat oder im letzten Moment ein gutes Versteck findet.

Cthulhu Dark geht noch einen Schritt weiter und sagt, dass eine erfolgreiche Flucht der einzige Weg ist, wie man den Kontakt mit einer Mythos-Kreatur überleben kann. Im Kampf (den man ja so dramatisch beschreiben kann wie man möchte) stirbt man unausweichlich. Aber als SL würde ich immer zulassen, dass das Opfer eines Charakters reicht, damit die andere entkommen können.

Bei Cthulhu sehe ich das auch als essenziell. Was soll man als Normalsterblicher gegen Mythos-Kreaturen ausrichten :)


Allgemein ist glaube ich wichtig, dass ein Kampf nicht zwangsläufig nur mit dem Tod einer Seite enden muss. Gerne kann man ja auch Meta-Ebene festlegen, dass ein wie auch immer besiegter Gegner garantiert nicht (also in diesem Abenteuer) mehr gegen die SCs handeln wird, egal ob er niedergeschlagen oder auch nur so stark gedehmütigt oder verschreckt oder bestochen wird.

Das ist zwar möglich, aber ich bin nicht so der Freund davon, solche Dinge auf der Meta-Ebene festzulegen. Das sorgt immer für einen komischen Beigeschmack (bei mir = gibt ja viele Leute, die das ganz anders sehen)


Oder man kann es im Setting vereinbaren. Wer bei RuneQuest einen Gegner tötet, statt ihn gefangen zu nehmen und von seinem Stamm auslösen zu lassen, lässt sich extrem viel Geld entgehen. Um das deutlich zu machen, weiß auch jeder SC, was er seinem Stamm wert ist, was hoffentlich dazu führt, dass der Spieler erkennt, dass der SC auch für die NSCs lebendig mehr wert ist als tot.

Sofern das ins Setting passt, ist das sehr stimmig und schön. Ich bezweifle aber, dass sich das in eine sehr vielfätlige Fantasywelt zum Beispiel überall sinnvoll integrieren lässt.

Das wilde Tiere z.B. bis zum Tod kämpfen, ist eine Unart, die entstanden ist, weil es ja für getötete Gegner XP gibt. Diese Regel muss natürlich auch sofort verschwinden bzw. derart verändert werden, dass auch der vertriebene Berglöwe die selben XP bringt wie der erschlagene. Und wer dem Tier die gesamten Rationen der Gruppe vorwirft, hat auch den "Encounter" geschafft, um den Preis, dass die Gruppe nun hungern wird.

Ja, das ist in der Tat ein Design-Problem. Wenn man es schon so löst, sollte man die XP eher für die Erfahrung vergeben, sich einem solchen Wesen gestellt zu haben.

Ich mag ja Systeme, wo mit möglichst einer gerne auch abstrakten Probe eine Situation entscheiden wird, weil dann dieser eine Wurf auch eine Bedeutung hat.

So könnte eine Anführen-Probe für eine koordinierte Flucht sorgen. Die SL entscheidet, dass dabei jeder einen Ausrüstungsgegenstand verliert. Der Barbar entscheidet, dass er einem Gegner den Schild entgegenschleudert, was den aus der Bahn wirft. Der Händler wirft eine handvoll Münzen in die Gegner, von denen einige sofort anfangen, diese aufzusammeln und der Barde läuft durch die Wildnis, was seine schöne gerade neu gekaufte Kleidung ruiniert, die ansonsten Vorteil beim nächsten Auftritt gegeben hätte.

Ob es wirklich sehr feingranulierte Regeln dafür geben muss, weiß ich nicht. Dein Ansatz mit der Anführen-Probe ist schon nicht schlecht. Ich würde eventuell sowas machen wie: Anführen-Probe des Taktikers und wahlweise Schleichen/Verstecken- oder Rennen-Probe des am schwersten Verletzten. Das Ergebnis kann die Konsequenzen einer Flucht abmildern. Diese können im Verlust von Ausrüstung bestehen oder auch in Schaden, der auf die Gruppe verteilt wird.

Wenn es so einen Ansatz gibt, ist das Ganze damit aber nicht ausgestanden. Ich würde dann halt nur sagen: "Ihr habt euch etwas Luft verschafft. Was wollt ihr nun tun?" In diesem Fall kommt es dann wieder auf die Entscheidungen der Spieler an, wie es weitergeht...
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #23 am: 24.08.2023 | 10:42 »
Kämpfe dürfen vor allem zwei Dinge nicht sein, damit man auch mal flieht: leicht und harmlos.
Erfüllt ist das z.B. dann, wenn man versuchen muss, die Startbedingungen sehr weit zu den eigenen Gunsten zu drehen. Dann geht man auch mal einen Kampf freiwillig ein, weil er nur ein gewisses Restrisiko hat.
Sobald ein Kampf aber halbwegs auf Augenhöhe stattfindet, versucht man i.d.R., sich zu verkrümeln und das Ganze später unter günstigeren Bedingungen noch mal zu wiederholen.
Das betrifft dann aber wieder beide Seiten und so kommt auch mal ein quasi einvernehmlicher Kampfabbruch nach einem ersten Schlagabtausch zustande.

Hmmm... Stimmt schon. Eigentlich kämpft kaum jemand, wenn die Bedingungen nicht zumindest günstig sind oder er unbedingt muss/will.

Spezialisierte Flucht-Regeln finde ich schon in Ordnung, aber gerade nicht so, wie das viele Systeme machen: als "Nachtanzen" von Verfolgungsjagden aus Film und Videospiel - das funktioniert für mich nämlich eher selten.

Was eigentlich sehr schade ist. Aber ich habe das auch noch nicht wirklich gut umgesetzt gefunden. Wahrscheinlich liegt es daran, dass entweder zu profan (jeder würfelt eine Probe) oder zu kompliziert und dann eben nicht mehr actionreich.


In einem alten Flucht-Faden hatten wir mal angerissen, dass man z.B. in der ingame-Realität verankert einen Preis bezahlen kann wie das Wegwerfen von Schild und Rüstung vor bzw. während der Flucht. Da ist es dann auch nachvollziehbar, dass ein Verfolger selten unmittelbar nachsetzen kann, aber seine Ziele erreicht hat er dann eben trotzdem und es fehlen dem Geflüchteten die Mittel für eine aussichtsreiche Rückrunde.

Das würde mir irgendwie auch wieder komisch vorkommen. Als ob alle irgendeine Konvention einhalten würden. Grundsätzlich würde ich Ausrüstungsverlust jedoch als Folge einer Flucht durchaus in Erwägung ziehen.

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Der Gedankengang ist sehr interessant und schlägt nach dem ersten Lösen in etwa in die Kerbe, die ich mir vorstelle...
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Offline Der Hasgar

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Re: Rückzug-Spielmechaniken: Was gibt es da?
« Antwort #24 am: 24.08.2023 | 10:43 »
Im meiner Erfahrung ist es GERADE der Fernkampf, der Rückzüge vereitelt. Schützen oder Magier geben Fliehenden in aller Ruhe nochmal ordentlich Schaden, bis die Reichweite verlassen wurde.


Ich habe das so verstanden, dass es dabei eher um die Flüchtenden geht. Wer als Fernkämpfer an einem Kampf teilnimmt, aknn ja oft relativ fliehen. Wer aber im Nahkampf feststeckt, muss da erstmal raus...
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