Ich bin seit mind 1 1/2 Jahren komplett umgestiegen und aus DM Sicht einfach allumfassend zufrieden bisher. Deshalb etwas meinen Senf dazu

Hallo meine Lieben,
ich wollte mal meine Erfahrungen zur 2. Edition von Pathfinder teilen, nachdem ich das ca 2 Jahre lang gespielt und geleitet habe. Der Großteil davon war demnach vor dem Remaster. Meine D&D Erfahrung erstreckt sich auf AD&D, 3.X, PF1e, D&D 4e und 5e, um dem ganzen etwas Kontext zu verleihen.
Zunächst die positiven Aspekte
- Die Regeln sind kostenlos legal verfügbar über Archives of Nethys.
- Sehr gute VTT Integration über Foundry, sowohl für eigene Abenteuer als auch für die APs.
- Die Adventure Paths sind gut geschrieben und schlüssig aufgebaut
- Das Spiel ist einigermaßen gut gebalanced mit wenigen Ausreißern, solange man sein Hauptattribut nicht vernachlässigt und die Klassen so spielt, wie sie gedacht sind. Der Unterschied zwischen einem Charakter frei Schnauze und einem nach "guide" ist nicht so groß.
- Die Vorbereitungszeit als Spielleiter ist deutlich geringer als bei der 5e. Encounterdesign nach Richtlinie funktioniert einfach und erfordert nicht soviel Bauchgefühl wie in anderen D&D ähnlichen Systemen.
- Ein funktionierendes XP System und nicht dieser Milestonemüll aus 5e
- Bis auf Ausnahmen nicht attrition basiert.
- Sehr viele Waffenoptionen und Klassen, die zum Großteil auch Spaß machen und spielbar sind.
- Spielbar von 1 bis 20, also auch in der Praxis und nicht nur theoretisch.
- Brauchbare Regeln abseits des Kampfes, z.B. zum erkunden oder für soziale Konflikte.
- Das Spiel ist stark teamwork basiert und belohnt Koordination zwischen den Charakteren.
Ja gehe ich im großen und ganzen mit.
Ich nutzte trotzdem Milestone weil ich XP einfach blöd finde. Hatte auch eine Kampagne mit XP geleitet weil die Spieler es wollten...hat dem ganzen IMO nicht mehr gegeben als ohne.
Ich bin speziell die Waffenoptionen schießen weit über das Ziel hinaus, es sind einfach zu viele.
Was ich noch als großartiges Feature ansehe ist das was du unten als Negativ hast. Das es sich immer ähnlich Anfühlt bei Gegnern auf der selben Stufe. Es ist toll das ein großer Drache auftreten kann der viele Level über den Spielern ist und sie in der Tat keine Chance haben. Und es fühlt sich toll an wenn sie irgendwann die nötige Stärke haben gegen den Drachen vorzugehen.
Auch generell die DCs sind IMO gut gelungen. Wo ein Level 1 Charakter sich noch abmüht und nur mit einem guten Wurf klappt. Da hat ein Level 10 Charakter recht sicher kein Problem mehr mit. Und mit Level 20 man kann sich den Wurf schenken, da er selbst bei ner Nat 1 Erfolg haben wird. Beispiel 5e, da kann ich als Level 20 nicht 100% sicher sein etwas zu schaffen (sogar nur etwas wahrscheinlicher als bei Level 3)
Und die 4 Erfolgsgrade...so ein schönes System. Es ermöglicht einfach so viel mehr. Es lohnt sich einen hohen Angriffswert zu haben/den Gegner zu debuffen. Es gibt einfach viel schönere Abstufungen bei jedem Check.
Noch ein Absoluter Pluspunkt. Es hat weniger BS Fähigkeiten.
Beispiele:
- Force Cage: 5e...unzerstörbar. Ohne Teleport/Gegenzauber nicht wegzubekommen. Pf2e, man genug feste draufhauen kann man ihn zerstören.
- Drachenatem: 5e jede runde 33% Chance das er wieder aufläd, im schlimsten fall also mehrere Runden in folge. Pf2e 1d4 runden Cooldown...also mind. 1 Runde pause.
- Stunning Strike: 5e...Gegner verliert die komplette Runde. Pf2e im regelfall verlieren sie eine ihrer 3 Aktionen.
und noch viele mehr davon.
Dinge, die ich mit gemischten Gefühlen betrachte:
- Swashbuckler: Hat der jetzt ernsthaft eine eigene Klasse verdient?
- Eine stark erhöhte Einstiegshürde für Spieler, da man sich mit der Materie von PF2e weit stärker befassen muss um zurecht zu kommen.
Ich hatte einen Spieler mit 0 Rollenspielerfahrung der noch dazu super Lesefaul ist und die Regeln nicht gelesen hat. Ich war überrascht wie schnell der die wichtigen Mechaniken beim Spielen gelernt hat. Da haben sich die 5e Spieler schwerer getan. Hab allerdings beim Level UP etwas geholfen, da die Optionen da überfordernd waren.
Denke da ist wichtig welche Klasse man Spielt, wir haben einen Barbar für ihn gewählt ohne schnickschnack (ka. wie Spezialisierung heiß)
- Die Englischsprachige Community war extrem durchwachsen. Während D&D mittlerweile halbwegs mainstream ist und man recht einfach normale Spieler findet, ist der Anteil der Spieler, die chronisch online sind, bei PF2e weitaus ausgeprägter. In der größten Community waren Themen wie US Politik, KI generierte Kunst, das Verkleiden als Tiermaskottchen im Fellanzug und ein Streit über das Diskussionsverbot einer Samurai Klasse weitaus häufiger vertreten, als Themen zum eigentlichen Spiel.
Da kann ich nicht viel zu Sagen. Aber ich kann sagen das mir immer erstaunlich schnell und kompletent geholfen wurde wenn ich ein Problem hatte. Auch die Foundry Entwickler die das PF2e Modul schreiben sind super hilfsbereit wenn man ein Problem hat.
- Multiclassing geschieht über Feats, sogenannte Archetype feats. Diese nimmt man anstelle der Klassenfeats. Wir haben in der Regel immer mit Free Archetype gespielt, weil das sonst niemand genommen hat außer in bestimmten, optimierten Nischenfällen.
Ich hab generell nicht so Multiclassing wilde Spieler die haben das schon in 5e nie getan. Ich hab deshalb wenig Erfahrung, vom Lesen finde ich das ganze aber nicht verkehrt. Es schützt die Hauptklasse die weiterhin besser ist als der Archetyp. Und es verhindert krasses Powergaming.
Bei Free Archetype hab ich gelesen das es die Charaktere merkbar stärker macht?
- Sehr viele Klassen habe eine statische Rotation für ihr gameplay. Unser Maestro Barde, Magus und Swashbuckler hätten gefühlt auch von dressierten Affen gespielt werden können.
Zumindest bei mir höre ich öfter "Ich hab nicht genug Aktionen, was mache ich denn jetzt". Ja es gibt Klassen die sind wiederum recht simpel und machen oft das gleiche. Aber bei uns wird Eingeschüchtert, gegrappelt und in Deckung gegangen.... Zusätzlich zu den normalen Klassen Sachen.
Und jetzt komme ich zu den Aspekten, die mir an Pathfinder 2e absolut nicht gefielen:
- Das Spiel ist stark teamworkbasiert... in eine Richtung. Caster unterstützen Martials, letztere jedoch nur selten erstere.
Teamwork finde ich erst mal schön. Bei 5e hab ich immer das Gefühl es ist eigentlich egal was die anderen machen. Meinen Caster Spielern ist aber auch aufgefallen das sie als Caster schwächer sind als Nahkämpfer. Ist auch absicht, die Idee der entwickler war. Die einen haben viele Optionen die schwächer sind, die anderen wenige aber die sind eben stärker.
Da ich selbst nur DM bin kann ich nicht sagen ob es mich als Spieler stören würde, vom Design her hört es sich aber an richtig an.
- Die gesamte Progression fühlt sich getürkt an. Die natürliche Zahl auf dem w20, die man braucht um einen gleichstufigen Gegner zu treffen, und die Zeit in Runden zum töten des selben Gegners bleibt während der gesamten Karriere eines Charakters gleich, solange man angemessene Ausrüstung für seine Stufe hat. Man wird nicht stärker mit dem Stufenaufstieg, im Gegenteil, man wird schwächer wenn man die passende Ausrüstung noch nicht hat. Ich hab als SL irgendwann ABP benutzt, um das etwas zu glätten.
Die Kritik hab ich auch schon von einem Spieler meiner Gruppe gehört. Ich denke das ist wieder eine Geschmacksfrage. Ohne das ganze wäre das System wieder nicht Mathematisch solide und das Leben als DM wäre viel schwieriger. Ich achte darauf das die Spieler merken das sie Stärker sind. Der super mächtige Gegner den sie Grade noch besiegt haben. Kommt ein paar Level später im 4er Pack und sie haben 0 Probleme. Dadurch merken sie wie sie stärker werden.
Es gibt noch die Proficiency Without Level Optionalregel, die soll das System mehr an die Bounded Accuracy von 5e ran bringen, aber trotzdme noch Mathematisch in takt halten. Evtl. ist sowas dann etwas das diesen Kritikern hilft.
- Klassenbalancing. Während die Martials hervorragend ausbalanciert sind, ist das bei Castern nicht der Fall. Eine Gruppe aus 4 Martials kommt ohne Probleme durch die meisten APs, während die Caster aufs Maul bekommen, wenn man als SL die Gegner nicht massiv schwächt.
- Sagte ich gerade, dass die Martials balanced sind? Hier kommt das aber: Nahkämpfer vs Fernkämpfer. Fernkämpfer sind deutlich schwächer als Nahkämpfer, da letztere erst an den Gegner ran müssen und sich potenziell in größere Gefahr begeben bzw durch Gelände behindert werden können. Soweit so gut. In der Praxis finden aber nahezu alle Kämpfe in den APs auf Karten der Größe eines Schuhkartons statt, bei denen selten mehr als eine Aktion benötigt wird, um an ein Ziel ranzukommen. Die Fernkämpfer kamen sich sehr oft verarscht vor, und als SL musste ich bei eigenen Abenteuern die Karten immer so designen, dass die Nahkämpfer aktiv behindert werden, damit es halbwegs fair bleibt.
Ja das ist dann ein Problem von den Abenteuern und wie sie geschrieben sind. Einer der DM Tipps die ich versuche immer zu beherzigen ist je nach Spieler Gegneranzahl die Räume entsprechend groß zu machen. Ein Tipp was Nahkämpfer total nervt ist wenn die Gegner "Schritt" nutzen und den Nahkämpfern so jedes mal eine Aktion mopsen. Hatte eine sehr Nahkämpfer lastige Gruppe, ein Aktion Stepp beim Gegner hat dann bei 3 Spielern je eine Aktion gekostet.
- Fernkampfwaffen, die keine Bögen sind, benötigen eine weitaus größere Investition, manchmal sogar eine ganze Klasse. Bögen dürfen als einzige beim nachladen bescheißen.
- Caster Design. Ich empfinde Vancian als nicht mehr zeitgemäß, aber das nur am Rande. Caster interagieren nur sehr eingeschränkt mit dem 3 Aktionen System, da der Großteil er Zauber 2 Aktionen benötigt, und sind generell darauf gebalanced optimal gespielt zu werden, um Parität mit den Martials zu halten. Die Caster haben also alle je nach Klasse und Liste immer dieselben Zauber genommen, und ein Themenorientierter Caster ist nur mit Abstrichen möglich. Auch sind die auf einer weitaus niedrigeren Genauigkeit geeicht, und optimales Caster gameplay basierte vor dem Remaster auf metagaming, um gezielt den schwachen Save eines Gegners zu treffen, und selbst da war in der Regel das höchste der Gefühle, wenn der Gegner den save nur normal schafft und nicht kritisch. Von Angriffszaubern gegen AC will ich gar nicht erst reden, und ja Shadow Signet ist mir bekannt. Auch wenn das auf dem Papier ausbalanciert ist fühlt sich das sehr oft schlecht an für die Casterspieler.
- Das Bossdesign, gerade bei früheren Abenteuern, war absolut Casterfeindlich. PL+4 kann ich absolut nicht empfehlen.
Ja das Stimm im großen und ganzen und hab ich auch schon von einem Spieler als Kritik gehört. Wobei wenn man sich das ganze mal ausgerechnet anschaut steht ein Caster gar nicht so viel schlechter da verglichen mit einem Melee.
Mein Fazit: Das System ist extrem vielversprechend als eine Alternative zur 5e für einen bestimmten Typ Spieler. Für mich fühlte es sich jedoch sehr statisch und sanitär an, und unter dem Strich war ich nach der anfänglichen Begeisterung eher enttäuscht, da einfach das gewisse etwas gefehlt hat.
Was waren eure Erfahrungen? Decken die sich mit meinen oder war das bei euch komplett anders?
Ich bin bisher noch zufrieden. Ich bin als Spielleiter so super angefressen gewesen von 5e das ich diverse Systeme Probiert habe. Und bin überrascht wie geschmiert Pf2e sich leiten lässt. Und das ist mir, ganz egoistisch, als Spielleiter der 80% der Arbeit macht am wichtigsten. Eine gute Story kann man mit dem Regelwerk auf jeden Fall erleben.
Das rundum perfekte System für jede Gruppe gibt es ohnehin nicht. Ich bin noch gespannt wie DC20 ausgeht. Macht auch einen guten Eindruck, bin aber noch nicht sicher wie einfach es mir das leben als DM machen wird. Und jedes System muss sich, zumindest aktuell, noch mit PF2e messen wenn es um "Macht dem DM das Leben leichter" geht. Und das ist für mich aktuell einfach wichtig.