Autor Thema: Daggerheart  (Gelesen 14354 mal)

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Offline 1of3

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Re: Daggerheart
« Antwort #225 am: 21.07.2025 | 19:38 »
Das Wheel finde ich ein spannendes Konzept, davon hat mir schon neulich mal jemand erzählt.

So bewusste Zweiteilung kommt in dem Spiel häufiger vor. Ancestries haben z.B. auch immer zwei Fähigkeiten. Wenn du eine gemischte haben willst, kannst du von einer die A-Fähigkeit und von der zweiten die B-Fähigkeit nehmen. Ist ein ganz guter Trick um Remixes zu erlauben.

Und wenn du zwei hast, ist eins extra nicht mehr so der große Unterschied. Also nur noch +50% statt +100%. Siehe Multiclassing oder die Fähigkeiten von Elf und Klank, was Rast-Aktionen angeht.

Offline Smoothie

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Re: Daggerheart
« Antwort #226 am: 22.07.2025 | 15:50 »
Wir haben jetzt auch unsere ersten zwei Sitzungen (Session Zero und erstes Abenteuer gespielt). Hier mein vorläufiges und nicht ausführliches Fazit:

Daggerheart ist zum Teil ein bisschen zusammengeklaut (aber mit ordentlichen Referenzen und Credit!), man hat das beste aus vielen Systemen genommen und ein schönes System draus gemacht, das sein Ziel erreicht. Man kann damit wunderbare epische Kampagnen erzählen.
Wobei die Kämpfe schon einen ordentlichen Raum einnehmen, aber das war auch das Ziel. Man kann sie aber im System einkürzen ohne dass das Balancing hinüber geht oder halt weniger kämpfen, wenn man das nicht mag.
Wenn man schon länger Rollenspiel betreibt und ein bisschen breiter aufgestellt ist, kommen einem natürlich viele Dinge schon bekannt vor. Aber die Rosinen zusammen zu sammeln und den Ballast zurückzulassen ist eine nicht zu unterschätzende Leistung! Gerade wenn man sieht wieviele das nicht schaffen...

Meine Tops:
Vorbereitung:
+ Die Frames für die Kampagen sind super. Inklusive Pitch für die Gruppe. Nicht unbedingt die konkreten Frames im GRW (wobei da auch schöne dabei sind), aber das Konzept so runtergebrochen ist toll. Sie sind leicht adaptierbar und es gibt ja jetzt schon zig 3rd Party Frames. Ich finde sie sehr inspirierend für Kampagen- und Weltenbau
+ Die Frame spezifischen Player und GM Principles sind sehr nützlich
+ ich mag CATS (Konzept, Spielziel, Ton oder Stimmung, (sensible) Spielinhalte). Haben sie nicht erfunden, aber vor allem die Verständigung in der Gruppe über den Ton fand ich super heruntergebrochen. Man kann z.B.  eine Untotenkampagne halt sehr unterschiedlich spielen (heroisch, ironisch, over the Top, supergruselig und persönlich etc...) Und darüber kann und sollte man zusammen reden.
+ Die Charaktererschaffung mit den Karten fand ich sehr schön. Wir hatten innerhalb einer Stunde 4 Charaktere, die alle spannend waren und eine gewisse Tiefe hatten, mit der Welt verbunden waren. Und Regeln haben uns das sehr leicht gemacht und ihren Teil zu den coolen Charakteren beigetragen.
+ ich mag den inklusiven Ansatz bei Daggerheart mit gescheiten Hinweisen, wie man blinde, taube oder Charaktere im Rollstuhl spielen kann sehr.
Da ist halt viel Platz für Fantasy im besten Sinne.
+ die GM best Practices fand ich sehr schlau, beispielhaft im Kapitel, was zu vermeiden ist (Zitat aus SRD):
UNDERMINING THE HEROES
If a roll doesn’t go well, show how it was impacted by an
adversary’s prowess, environmental factors, or unexpected
surprises, rather than the PC’s incompetence.

- Klassen im GRW sind recht klassisch :-) Aber es wird nicht lange dauern, bis Darrington selbst in The Void und 3rd Parties hier nachlegen
- Ancestries scheinen zum Teil ein Zoo, aber hier werden ja nur Möglichkeiten in einem GRW geboten, das ist dann Aufgabe der Campaign Frames das passend zu machen.

Im Spiel selbst.
+ Die Hope/Fear Mechanik ist gut, nicht revolutionär aber sie funktioniert. Im Prinzip halt einfach eine weitere Möglichkeit, eine Teilerfolgsmechanik umzusetzen. Aber das dramatisch gut gemacht. Als SL fand ichs recht leicht damit umzugehen, hatte am Anfang etwas Hemmungen allzu viel Fear zu verballern und ihnen alles um die Ohren zu hauen, aber das hat sich dann bald gegeben...
+Die Todesregeln find ich absolut super. Verbinden sehr elegant die Option für langes Kampagnenspiel mit wenig Charaktertoden und den absoluten Thrill des "beim nächsten Wurf stirbst du mit einer soliden Wahrscheinlichkeit..." Und die Spieler:innen wählen das jeweils konkret aus. 
+ Clocks und Countdowns haben sie auch nicht erfunden, aber auch das ist hier schön und gescheit implementiert
+ ich mag die Rüstungsmechanik. V.a. im Verhältnis zu DnD wo ja alles Armor Class ist am Ende. Bei Daggerheart fühlen sich ein schwer gerüsteter und ein schwer treffbarer SC auch regeltechnisch sehr unterschiedlich an und es bleibt trotzdem einfach genug und wird nicht simulationistisch
+ ich mag auch die allgemein hohe Adaptierbarkeit. Man kann z.B. auch eine schwer gerüstete Magierin spielen, nur muss die sich dann nicht wie in anderen Systemen in einen Plattenpanzer zwängen, sondern hat halt dann ein mächtiges Kraftfeld um sich o.ä. Das macht viele Konzepte leicht spielbar. Gilt auch für alles andere hier, Waffen, Ancestries etc. Nimm die Werte und denk dir für den Fluff, was immer dir (und zur Kampagne!) passt. Haben viele von uns sicher schon immer so gemacht, aber viele mußten auch lange Jahre mit Glefen rumlaufen, weil das coole Langschwert halt zu schlechte Werte hatte...

soweit erstmal, ggf. später noch mehr.

Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...


Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #228 am: 22.07.2025 | 19:12 »
Danke für die ausführliche, schöne, nachvollziehbar begründete Übersicht, Smoothie!

+1
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Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #229 am: 23.07.2025 | 07:37 »
Was mir bisher niemand verraten hat / konnte:

Wenn die Daggerheart Charaktere bei Level 10 (Tier4) abgekommen sind und man sich mal so anschaut, was die so reißen können,
in welchem D&D5 Level findet man ähnliche Kompetenzgrade?

D&D5 ist in der Powerlevel-Progression ja exponentiell. Der Sweet Spot im Adventuring liegt dafür irgendwo zwischen Level 3 und Level 9.

Meinem Empfinden nach fangen die Daggerheart Charaktere etwas kompetenter an. Aber bis wohin geht es dann in der Entwicklung?
Mir ist klar, dass man das nicht exakt beantworten kann und eine Tarrasque mag bei D&D was anderes darstellen als in anderen Settings,
aber bei D&D wandert man in den oberen Leveln ja schon ins "Multiverse" und entwickelt "Halbgott-Qualitäten".

Wie sieht das bei Daggerheart aus? Kann sich da mal jemand äußern?
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Offline Sphinx

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Re: Daggerheart
« Antwort #230 am: 23.07.2025 | 09:34 »
Ich finde DnD ist super fach was das PowerLevel angeht dank Bounded Accuracy. Ja Spells werden größer aber der rest wächst im verhältnismäßig mit. Ein Level 5 Charakter hat nahezu die selbe Chance einen hoch stufigen Gegner zu treffen wie ein Level 18. Nur die HP sind eben massiv höher je mächtiger der Gegner.
Genug Level 1 Spieler können aber auch einen Level 20 Gegner überrennen.
Aber anderes Thema.

Jetzt rein vom lesen der Werte von DH:
Wenn ich mir einen Tier 1 Gegner bei DH anschaue sind die bei 14 um sie zu treffen und haben dann 8/15 als Treffer schwellen.
Ein Tier 4 Gegner, dem höchsten Rang, hat dann um die 20 zum treffen und 25/45 als Schwellen.
Beide haben dafür ähnlich viele HP.

Also zumindest hätte ein T1 Charakter es wirklich schwer dem T4 Gegner überhaupt schaden zu machen. Selbst sehr viele würden vermutlich keine chance haben, also zumindest das Machtgefälle passt IMO.
Aber ein T4 Charakter hat in etwa die gleiche Chance einen T4 zu treffen, wie T1 einen T1 würde ich sagen.
So gesehen ist es ähnlich Linear wie DnD, bei gleichstufigen Gegnern. Und ein Level 4 Charakter löscht vermutlich Problemlos eine Kleinstadt aus sofern die nicht mächtige Beschützer hat.
Soren Johnson: Given the opportunity, players will optimize the fun out of a game |"Haben die Spieler die Möglichkeit, Optimieren sie den Spaß aus dem Spiel."

Offline Smoothie

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Re: Daggerheart
« Antwort #231 am: 23.07.2025 | 11:07 »
naja, es sind ja die Spells, die in DnD den Halbgottstatus machen und das Spiel brechen. Simulacrum, Clone, Wish und viele andere.
Mir ist da bei den höheren Domain Karten in Daggerheart nicht auch nur ansatzweise was ähnliches aufgefallen.
Auf Level 10 kann man in Daggerheart dann wiederbeleben, aber ähnlich wie beim Wish Spell mit einer Wahrscheinlichkeit, dass man das nur einmal kann.  Also die Domain Cards brechen das Spiel nicht in ähnlichem Maße. (jetzt nur von Lesen, ohne Spielerfahrung)
Die Schwellwerte für Wunden skalieren bei Daggerheart recht linear, 1/Level, ggf. ein bisschen Extra.
Ausweichen skaliert recht langsam, kann man begrenzt beim Stufenaufstieg wählen.
Hit Points und Stress Points kann man auch beim Stufenanstieg auswählen, skaliert auch eher langsam
Beim Schaden ist der Hauptboost die steigende Proficiency, sie steigt auf Level 2,5,8. Dann hat die Waffe statt z.B 1w8 Schaden 2w8,3w8,4w8
Auch das kann man beim Stufenaufstieg steigern, dass man max 6w8 hat am Ende.
Dann hat man aber weniger Hitpoints und Stress Points etc.
Es ist immer eine Auswahl beim Steigern. Man muss sich entscheiden.
Was nicht steigt, ist die Anzahl der Angriffe, wenn man Fear würfelt ist immer die SL dran auch auf Level 10.
Automatisch kriegt man in Level 2,5,8, neue Erfahrungen (vergleichbar Fertigkeiten), der Charakter wird also breiter, das finde ich schöner als bei DnD.
Mein Fazit. Die Progression ist was den Schaden angeht (und man sich drauf spezialisiert) schon ordentlich. Da die Evasion dann aber nicht imselben Maße steigt, ist man immer noch verwundbar. Eine Kleinstadt löscht man eher nicht aus, das auch die wenigen Treffer, die durchkommen, einen Hitpoint kosten, von denen man nicht sehr viele hat. Der größte Sprung ist zwischen Level 1 und 2 wo man den Schaden fast verdoppelt.
Aber das ist glaub ich Absicht. Level 1 um das System zu lernen und dann gehts los.
Die Spells und Domain Cards brechen das Spiel nicht so wie bei DnD. Alles nur vom Lesen her, haben noch nicht so hoch gespielt.
« Letzte Änderung: 23.07.2025 | 12:31 von Smoothie »
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline 1of3

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Re: Daggerheart
« Antwort #232 am: 23.07.2025 | 11:44 »
Beim Schaden ist der Hauptboost die steigende Proficiency, sie steigt auf Level 2,5,8. Dann hat die Waffe statt z.B 1w8 Schaden 2w8,3w8,4w8

Sofern man Waffen benutzt, ja? Viele Zauber kümmern sich da ja nicht um.

Offline Smoothie

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Re: Daggerheart
« Antwort #233 am: 23.07.2025 | 12:33 »
einige aber schon, oder? Muss man dann beim Zauber schauen:
PROFICIENCY
Your Proficiency reflects how skilled you are at wielding
weapons. You start at 1 Proficiency and can increase this
value to a maximum of 6 over the course of a campaign. Your
Proficiency determines how many damage dice you roll on
a successful attack with a weapon, though other abilities or
spells use Proficiency as well. This value is not weapon-specific,
and does not change or reset when you equip a new weapon

dazu kommt, dass in Daggerheart auch Spellcaster als Basisaction Waffen verwenden, die nicht notwendig schlecher sind als bei kämpfenden Professionen wie Staffs and Wands etc.
« Letzte Änderung: 23.07.2025 | 12:44 von Smoothie »
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline flaschengeist

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Re: Daggerheart
« Antwort #234 am: Gestern um 15:52 »
Nachdem ich die Tage mit alten Freunden eine tolle 10-Stunden Session Daggerheart genießen konnte, hier mein versprochener Erfahrungsbericht.
Gespielt haben wir eines der Einführungsabenteuer, an das unser SL noch eine selbst erdachte Mission drangehängt hat. Die Gruppe bestand aus einem Human-Orderborne Guardian (Stalwart), einer Fey-Lowborne Sorceress (Primal Origin) und einem Faun-Wanderborne Bard (Troubadour).


Gut gefallen hat mir:

1. Das System bietet mit ausreichend Heritages, Klassen, Subklassen, den Experiences, Domänen und verschiedenen Steigerungsmöglichkeiten viele Optionen zur Charakterdifferenzierung.

2. Apropos Experiences: Das sind beliebige “Tags” (z.B. Assassine, sieht alles, Waffenschmied etc.), die dir einen Bonus auf Proben geben, wenn du herbeierzählen kannst, warum dieser Tag gerade nützlich ist. Ist ja spätestens seit Fate als Grundprinzip ein alter Hut aber nach meiner Kenntnis relativ neu in Kombination mit crunchigen Kampfsystemen. So eine Aufteilung hat auch Beacon (taktischer Kampf + “Tagfluff” außerhalb). Daggerheart macht aber eine Sache besser als Beacon, nämlich dass es eine Ressource kostet (Hope) Experiences zu aktivieren.

3. Die Spieler würfeln 2W12 (die Spielleitung hingegen 1W20), was eine schöne Ergebnisverteilung erzeugt (nicht linear, weder zu hohe noch zu niedrige Varianz). Auch die Regel für kritische Ergebnisse finde ich gelungen: Die Chance auf einen kritischen Erfolg für Spieler beträgt 8,3%, für die SL lediglich 5%, und kritische Misserfolge (aka “Slapstick Fails”) gibt es erst gar nicht.

4. Dass Waffen auf verschiedensten Attributen basieren können, macht sie zusammen mit anderen - ebenfalls einfach gehaltenen - Unterscheidungen allesamt nützlich. So gibt es keine “toten Optionen” in der Waffenliste.

5. Die Todes- und die Tagteam-Mechaniken finde ich sehr gelungen.


Eher negativ finde ich folgende Punkte:

1. Spielfiguren haben Schwellenwerte (z.B. 8/15), die bestimmen, ob ein Treffer mit z.B. 2d8+3 Schaden am Ende einen (unter 8 ), zwei (9-15) oder drei Lebenspunkte kostet. Bei Charakteren hängen diese Schwellenwerte wesentlich von der Rüstung ab, aber auch die Klasse und Fähigkeiten spielen hier eine Rolle. Hier hat man einen zusätzlichen Rechenschritt (erst Schaden ermitteln, dann mit Schwellen vergleichen). Dieser Schritt ist zwar nicht kompliziert, kostet aber doch jedes Mal etwas Zeit. Ein Vorteil ist, dass man beim Nachhalten der Lebenspunkte von Spielfiguren im einstelligen Zahlenraum bleiben kann – für Leute mit Rechenschwäche super. Das ist mir aber zu wenig für den zusätzlichen Rechenschritt. Vielleicht hätte man an dieser Stelle noch einen Schritt weiter gehen können, so dass man wie bei Savage Worlds die “Einsatzfähigkeit” der meisten Spielfiguren gar nicht nachhalten muss, sofern man mit Battlemap spielt (liegend ist angeschlagen, stehend ist fit, vom Tisch ist bewusstlos/tot).

2. Von D&D wurde leider die Unterscheidung zwischen long- vs. short-rest abhängiger Ressourcenaufladung übernommen und überdies noch die dehnbare Kategorie “once per session” ergänzt. Anders als bei D&D kann man aber nicht mit Zaubern wie Tiny Hut in den meisten Fällen (long) rests erzwingen. Außerdem erhält die Spielleitung bei einer short rest nur 1W4 Fear, bei einer long rest hingegen 1W + Anzahl der Charaktere Fear und kann einen “long-term countdown” runterzählen (dieser countdown ist letztlich eine Abstraktion normaler Zeitmessung, analog dazu hält Daggerheart nach Standardregeln auch keine einzelnen Goldmünzen nach).

3. Die Spielleitung benutzt für fast alles, was sie tut (z.B. Angriffe von Gegnern), “Fear”. Fear ist ebenso wie Hope Teil der Kernmechanik von Daggerheart. Bei den 2W12 der Spielerprobe ist nämlich ein Würfel der “hope die”, der andere der “fear die”. Je nachdem, welcher Würfel höher ist, erzeugt fast jede Probe also entweder Hope oder Fear (Gleichstand beider Würfel ist ein kritischer Erfolg, der ebenfalls Hope erzeugt). Daraus folgt, dass die Schwierigkeit eines Abenteuers ganz wesentlich davon abhängt, wieviel Fear die Spielleitung erhält, was nahezu ausschließlich von Zufallsmechaniken abhängt (nicht nur bei den Spielerproben). Im Finale unseres zweiten Abenteuers hatte die Spielleitung z.B. kaum Fear, was den Kampf gegen einen Dämonen relativ einfach machte. Nach einer short rest in Abenteuer eins hatte er hingegen auch dank gewürfelter 4 auf dem W4 relativ fiel Fear, was eine Auseinandersetzung mit Banditen erstaunlich hart machte.

4. Daggerheart hat eine reine Aushandlungsinitiative. Das heißt, in einem Kampf geht es nicht irgendwie reihum sondern das wird ausgehandelt, wobei ein Spieler nach Standardregeln beliebig oft handeln kann, bevor seine Mitspielerin auch nur einmal dran kommt. Mehrfaches Handeln ist dabei taktisch oft sinnvoll. In unserem Endkampf stand beispielsweise vor meinem Charakter ein Dämon, der bei jedem Treffer, den er landet, Fear generiert. Daher war es sinnvoll, dass mein Charakter so lange auf den Dämon eingeschlägt, bis der umkippt oder einhaken kann, weil mein Angriff scheitert oder nur mit Fear gelingt. Ich wusste, ich muss das nicht hart durchziehen, weil ich dem Spielleiter vertrauen kann, dass er seinerseits den Dämonen nicht hart durchzieht. Dieses Beispiel zeigt für mich exemplarisch, dass Daggerheart insgesamt ein “high trust game” ist. Sprich, das funktioniert dann, aber auch nur dann, sehr gut, wenn die Runde sozial hoch funktional ist. Je weniger sie das ist, desto mehr werden sich die Nachteile der Design-Philosophie von Daggerheart zeigen. Anderes Beispiel: Es gibt Effekte, die wirken sich negativ aus, sobald ein Charakter wieder am Zug ist. Taktisch gesehen macht es dann ggf. Sinn, den Charakter einfach nicht mehr dran kommen zu lassen. Sprich, die Regeln für Aushandlungsinitiative bedingen, dass die Zeit bei Kämpfen in Daggerheart für jeden Beteiligten in unterschiedlicher Geschwindigkeit abläuft.

5. Es braucht noch einiges “feintuning” (siehe dieses Beispiel), vermutlich hätte ein längerer Playtest dem System gut getan aber das ist nix, was sich nicht auch hintenraus lösen lässt.


Unter dem Strich halte ich Daggerheart für ein solides System, das tut, was es soll – auch wenn dies in diversen Punkten nicht meinen Präferenzen entspricht. Wir haben jedenfalls schon den Termin für die nächste Session verabredet und werden versuchen, etwa einmal monatlich Daggerheart zu spielen.

Edit: Typos
« Letzte Änderung: Heute um 10:27 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline sma

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Re: Daggerheart
« Antwort #235 am: Gestern um 16:23 »
Zitat
Daher war es sinnvoll, dass mein Charakter so lange auf den Dämon eingeschlägt, bis der umkippt oder einhaken kann, weil mein Angriff scheitert oder nur mit Fear gelingt.

Ist das denn realistisch? Die Chance für "with fear" beträgt 46%, umgekehrt also maximal 54% für "with hope" bzw. "crit", wenn du immer Erfolg haben würfest. Eine Sequenz von 2, 3, 4 oder 5 "without fear" Ergebnissen, wo die SL nur mit eigenem Fear unterbrechen kann, beträgt dann 29%, 16%, 9% bzw. 5%. Würden wir 31% annehmen, weil die Hälfte der "with hope" Würfe fehlschlagen, sprechen wir von 10%, 2%, 1% und quasi nix mehr. Zweimal oder auch dreimal handeln scheint möglich, aber es wird danach immer unwahrscheinlicher.

Wie habt ihr das eigentlich gespielt: Wenn du "with fear" würfelst, bekommt die SL +1 Fear. Danach ist sie dran. Das kostet jetzt aber nicht sofort den Punkt, sondern die Regeln sagen, dass jetzt ein Gegner handeln kann und soll noch ein zweiter Gegner (oder derselbe Gegner nochmal) handeln, dann erst muss der Punkt ausgegeben werden, oder?

Somit könnte der Dämon, den du mit einer Folge von Angriffen zu binden versuchst, beim ersten Zeichen von Furcht deinerseits sofort 2x zurückschlagen.

Wenn alle anderen Spieler am Tisch damit cool sind, kann das dann ja als Zweikampf abgehandelt werden.

Offline 1of3

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Re: Daggerheart
« Antwort #236 am: Gestern um 16:47 »
Anderes Beispiel: Es gibt Effekte, die wirken sich negativ aus, sobald ein Charakter wieder am Zug ist.Taktisch gesehen macht es dann ggf. Sinn, den Charakter einfach nicht mehr dran kommen zu lassen.

Hast du parat, welche das waren?

Wie habt ihr das eigentlich gespielt: Wenn du "with fear" würfelst, bekommt die SL +1 Fear. Danach ist sie dran. Das kostet jetzt aber nicht sofort den Punkt, sondern die Regeln sagen, dass jetzt ein Gegner handeln kann und soll noch ein zweiter Gegner (oder derselbe Gegner nochmal) handeln, dann erst muss der Punkt ausgegeben werden, oder?

So lese ich das auch und so habe ich das auch am Spieltisch erlebt. Ganz explizit, auf Seite 154:

Zitat
Interrupt the Players to Make a Move
You can spend a Fear to make a GM move as if the PCs had failed an action or rolled with Fear, allowing you to interrupt between the players’ moves.

Allerdings bin ich nicht sicher, ob es intendiert ist, den Dämon zwei mal angreifen zu lassen.

Zitat
Make an Additional GM Move
After making a GM move, you can spend a Fear to make an additional move this GM turn. For example, when a player rolls a failure or rolls with Fear, you might spotlight an adversary to show them stealing the party’s carriage and starting to ride away, then spend a Fear to have the archer in the tree shoot at the PCs as cover fire for the carriage heist.

Das Beispiel betrifft explizit einen anderen NSC. Wobei es auch Fear Features gibt, die man zuschalten kann.

Offline flaschengeist

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Re: Daggerheart
« Antwort #237 am: Gestern um 17:05 »
Hast du parat, welche das waren?

Nein, so ein Effekt ist bei unserer Session nicht vorgekommen. Ich habe die Story von einem Kumpel aus seiner Daggerheart Runde (ich meine es ging um sowas wie ertrinken).


Ist das denn realistisch?

Realistisch ist das alles überhaupt nicht, die Zeit läuft in der realen Welt ja für alle gleich schnell ab ;). Spaß beiseite, ich vermute du meinst mit realistisch hier erfolgversprechend. Dann wäre die Antwort: Auf jeden Fall erfolgversprechender, als es gar nicht erst zu versuchen.


Wie habt ihr das eigentlich gespielt: Wenn du "with fear" würfelst, bekommt die SL +1 Fear. Danach ist sie dran. Das kostet jetzt aber nicht sofort den Punkt, sondern die Regeln sagen, dass jetzt ein Gegner handeln kann und soll noch ein zweiter Gegner (oder derselbe Gegner nochmal) handeln, dann erst muss der Punkt ausgegeben werden, oder?

Genau so haben wir es gespielt. Die GM Moves sagen, die SL darf handeln, wenn ein Spieler eine der folgenden Dinge tut:

• Rolls with Fear on an action roll.
• Fails an action roll.
• Does something that would have consequences.
• Gives them a golden opportunity.
• Looks to them for what happens next.


Edit: Unser SL sagte, es gibt die Optionalregel, dass jeder Gegner maximal zweimal hintereinander dran sein darf. Oder war es Spieler, oder beides?
« Letzte Änderung: Gestern um 17:09 von flaschengeist »
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Re: Daggerheart
« Antwort #238 am: Gestern um 17:13 »
OK, ich hab mal nach Drown gesucht. Das einzige, was so ein bisschen in die Richtung geht, ist bei Kraken.

Zitat
Grapple and Drown - Action: Make an attack roll against a target within Close range. On a success, mark a Stress to grab them with a tentacle and drag them beneath the water. The target is Restrained and Vulnerable until they break free with a successful Strength Roll or the Kraken takes Major or greater damage. While Restrained and Vulnerable in this way, a target must mark a Stress when they make an action roll.

Also, nein, du bekommst Stress nicht, wenn du dran bist - dran sein gibts ja auch nicht -, sondern wenn du zappelst.

Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #239 am: Gestern um 17:41 »
Edit: Unser SL sagte, es gibt die Optionalregel, dass jeder Gegner maximal zweimal hintereinander dran sein darf. Oder war es Spieler, oder beides?

Es gibt meines Wissens nach eine optionale Token-Regel, die dazu führt, dass jeder Charakter zwei mal handeln darf (auch hintereinander, aber nicht zwingend) und dann warten muss, bis jeder andere Charakter auch gehandelt hat (ob 1x oder 2x weiss ich jetzt nicht). Das soll dazu führen, dass es keinen Powertalker gibt, der alles macht und den Introvertierten in die stille Ecke zwingt.
Ist aber jetzt aus dem Gedächtnis...
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Offline Wisdom-of-Wombats

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Re: Daggerheart
« Antwort #240 am: Heute um 00:03 »
Ein Gegner darf nur dann mehr als einmal aktiviert werden, wenn er die Eigenschaft Relentless besitzt. Der Wert in Klammern gibt dann an, wie oft er aktiviert werden darf (ggf. mit Furcht), bevor ein anderer Gegner oder Spieler dran kommen muss. Grundsätzlich darf der GM nur einen Gegner aktivieren, mehr als das kostet Furcht.
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Offline Smoothie

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Re: Daggerheart
« Antwort #241 am: Heute um 00:05 »
@flaschengeist
vielen Dank auf jeden Fall für den Bericht!
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline flaschengeist

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Re: Daggerheart
« Antwort #242 am: Heute um 00:28 »
OK, ich hab mal nach Drown gesucht. Das einzige, was so ein bisschen in die Richtung geht, ist bei Kraken.

Vielleicht war es das. Das Prinzip bleibt nämlich gleich: Den Stress vermeide ich, indem ich nicht selbst gegen den Kraken agiere sondern das meine Kameraden erledigen lassen.


@Boba, @Wisdom: Jetzt haben wir es zusammengetragen. Für Spieler gibt es die Optionalregel mit den zwei Tokens, für NSC die Eigenschaft Relentless (x).


@flaschengeist
vielen Dank auf jeden Fall für den Bericht!

Gerne  :)
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Offline Smoothie

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Re: Daggerheart
« Antwort #243 am: Heute um 09:47 »
eine Daggerheart Ankündigung zu Actual Plays im August zu anderen Campaign Frames jenseits von Age of Umbra
zum reinschnuppern vielleicht interessant
https://www.youtube.com/shorts/quSRxQEF3iQ
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Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #244 am: Heute um 11:46 »
ich muss mal wieder Fragen stellen...

Am Anfang bekommt man 9 Karten angeboten, aus denen man sich dann 5 heraussucht, korrekt?

1 x Ancestry
1 x Subclass
1 x Community
3 x Domain 1 aus Level 1
3 x Domain 2 aus Level 1

aus den insgesamt 6 Domainkarten sucht man sich 2 aus.

Später kommen in weiteren Level mehr dazu, korrekt?

Mir geht es um die Anzahl: 9 Karten als Angebotspool für den Start (für ein PDF Dokument...)
« Letzte Änderung: Heute um 11:49 von Boba Fett »
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Offline 1of3

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Re: Daggerheart
« Antwort #245 am: Heute um 11:53 »
Du möchtest eine Spielhilfe machen, wo Ancestry, Community und Subclass schon fest stehen und nur noch die Domänenkarten vor Ort zu wählen sind? Dann passt die Rechnung so.

Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #246 am: Heute um 12:31 »
Ja, danke!
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Offline Boba Fett

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Re: Daggerheart
« Antwort #247 am: Heute um 18:02 »
In the Void bei Daggerheart.com wurden so gut wie alle Inhalte (Witch, Assassin, Warlock, Brawler, new Ancestries + Communities) heute geupdated.

Ausserdem gibt es jetzt Transformation Cards, die eine Figur sich wandeln lassen, also zum Beispiel, wenn man zum Vampir oder Werwolf wird.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Bombshell

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Re: Daggerheart
« Antwort #248 am: Heute um 18:50 »
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