Rezi von FLOCKES HORT (Flocke ist der riesige Pappmasche-Drache, der unter anderem auf den NiederrheinCon ausgestellt wird) vom 29.10.2025 auf Facebook:
"Als Erstes hat sich die Drachendame Flocke etwas ganz Besonderes aus ihrem Hort herausgesucht:
das bronzezeitliche Rollenspiel „Schakale“.
Ein Spiel, das nach Staub, Sonne und uralten Legenden duftet, also genau das Richtige für eine Drachendame mit einem Herz für Geschichte, Mythen und großen Abenteuern.
Die Aufmachung
Die 100 Questen Gesellschaft e.V. hat sich im Jahr 2025 der Übersetzung von Jackals (Osprey Games / John-Matthew DeFoggi) angenommen und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Für 35€ erhält man ein hochwertiges, vollfarbiges Hardcover, dass bereits beim ersten Aufschlagen den Duft ferner Länder und alter Zeiten verströmt.
Die Leser werden in die bronzezeitliche Welt von Kalypsis entführt, mit einem besonderen Fokus auf Zaharets – einem kulturellen Knotenpunkt, an dem sich Händler, Helden und Mythen begegnen.
Der Inhalt / Die Welt
Schakale lädt sterbliche Helden dazu ein, in die Rolle von wagemutigen Vagabunden zu schlüpfen, die zwischen Bewunderung und Misstrauen wandeln, wie ein Schwert auf der Schneide. Als Drachendame weiß ich bestens wie es sich anfühlt, gefeiert zu werden, solange man das Dorf rettet und mit einem kalten Blick verabschiedet wird, sobald alles wieder brennt … ähm…. In Ordnung ist.
Du bist ein Schakal, ein ruheloser Abenteurer, der stets gebraucht wird aber nie bleiben darf. Es ist tragisch, heroisch und einfach fantastisch.
Die vier spielbaren Kulturen (Luathi, Gerwa, Melkoni und Trauj), werden mit den folgenden Details beschrieben: Tugenden, Glaube, magische Tradition, äußerliche Merkmale, Beweggründe für Schakale und entsprechende Namensvorschläge.
Hier schlägt mein Drachenherz höher, den nichts ist schlimmer als monotone Helden. Diese Vielfalt schafft einzigartige Figuren und Dynamiken an jedem Spieltisch.
Die Bestien des Chaos (fauch!!!) sind ein Gemeinsamer Feind aller Kulturen: die Takan. Sie beherrschten und tyrannisierten den Küstenstreifen in der Region Zaharets oder auch die Straße des Krieges genannt. Kurzum: Genau der richtige Ort für wagemutige Helden und natürlich für Drachen, für die Ruhm ein großer Schatz ist!
Die Charaktererschaffung
Ahhh, die Geburt eines Helden! Oder Schurken! Wie auch immer: Die Charaktererschaffung in Schakale ist eine Kunstform für sich, erst recht wenn sie nicht fliegen können und ich muss sagen… sie schmeckt nach Abenteuer!
Schakale präsentiert diesen Prozess in 8 leicht verdaulichen Schritten, und selbst eine Drachendame wie ich muss anerkennen: Das ist elegant strukturiert!
Der erste Schritt ist der schwerste: welcher Kultur entstammst du?
Luathi, Gerwa, Melkoni oder Trauj? Dabei darf jeder zum Ritualisten werden, unabhängig von Herkunft. Ich schätze diese Freiheit sehr.
Nun folgt die Verteilung von 17 Eigenschaftspunkten, ein Schatz der aufgeteilt werden will.
6 Eigenschaften wollen gefüttert werden (Ø 9 und max. 18). Unter gewissen Umständen – flattern mit den Flügeln – kann man sogar weitere Punkte ergattern. Wunderbar! Hieraus berechnen sich die abgeleiteten Fähigkeiten, wie z.B. Initiative, Lebenspunkte und andere lebensrettender Vorteile.
Nun folgen die Fertigkeiten oder besser gesagt: wo wahre Talente lodern. Sie sind in 6 Kategorien unterteilt. Wie viele Punkte in einer Kategorie verteilt werden dürfen, wird logisch anhand von Eigenschaftsformeln berechnet:
Ein Beispiel:
Kampffertigkeiten = (Stärke + Mut + Geschick) × 2
Ja, richtig gelesen: Auch Mut zählt im Kampf! Ein ängstlicher Muskelprotz ist eben nur ein Muskelprotz…
Zusätzlich erhält jede Kultur kleine Talentgeschenke, um ihren Stil zu betonen. Zu Beginn darf keine Fertigkeit über 75 % liegen. Helden müssen ja auch noch wachsen können. Auch Drachen legen nicht mit perfekten Hitzestrahlen los… meistens.
Nun folgt etwas das mein Drachenkritikerherz höherschlagen lässt: die Eigenarten. Jede Eigenart bezieht sich auf eine Fertigkeit.
Ritualisten: 1 allgemeine und 1 kulturspezifische Eigenart.
Nicht-Ritualisten: 2 allgemeine und 2 kulturspezifische Eigenarten
Wenn du eine Probe ablegst und du eine passende Eigenart hast, wirfst du zwei Einerwürfel auf dem W100 und wählst das bessere Ergebnis. Ein herrlicher dramatischer Bonus, wie ein Funken Glück im richtigen Augenblick!
Fast geschafft, tapferer Schakal! Jetzt beantwortest du die große Frage: „Warum ziehst du los? Was treibt dich an, Chaos und Monster herauszufordern? Rache? Pflicht? Ruhm? Oder einfach Fernweh, wie ich es von jungen Drachen kenne? Zum Schluss packt man noch die Startausrüstung ein – gerade genug, um nicht völlig nackt dem ersten Takan ins Maul zu stolpern.
Das Spielsystem
Ah, das Herz jedes Rollenspiels: Das System, in dem das Schicksal geschnitzt, das Blut vergossen und der Ruhm erstritten wird. Bei Schakale schlägt dieses Herz mit der simplen, aber eleganten Kraft des W100 – einem System, das auch Sterbliche verstehen, ohne in alten Grimoiren blättern zu müssen.
Ein Wurf, ein Blick und ein Urteil des Schicksals. Liegt das Ergebnis unter oder gleich deinem Fertigkeitswert: Erfolg!
01 % ist immer ein Triumph, selbst wenn du eigentlich keine Ahnung hast was du tust.
91–100 % ist immer ein Fehlschlag, auch wenn du ein Meister deines Fachs bist.
So ist das Leben: manchmal stolpert selbst der Drache über seinen eigenen Schatzhaufen.
Und dann kommt die Raffinesse der Pasche – 11 %, 22 %, 33 %, 44 % …
Liegt ein solcher Wurf unter deinem Fertigkeitswert, ist es ein kritischer Erfolg, ein Moment glühender Brillanz! Liegt er darüber, wird’s ein Patzer – eine herrlich chaotische Wendung, die jede Szene aufpeppt. Ich liebe das! Schakale hat damit ein System geschaffen, das mit nur einem Blick Spannung erzeugt:
Doppelte Zahlen – atmet tief, jetzt wird’s episch!
Nun folgt die Kunst des Durchhaltens oder der Unterschied zwischen Kampfgeist- und Lebenspunkte.
Hier wird’s besonders interessant und wenn ich ehrlich bin, ausgesprochen drakonisch im Denken:
Der Kampfgeist trennt den wahren Helden vom verzweifelten Überlebenden. Ein Charakter hat drei Reihen Lebenspunkte, jede entspricht Konstitution ÷ 2 in Punkten. Je mehr dieser Reihen noch unversehrt sind, desto stärker pulsiert der innere Kampfgeist. Wenn man unverletzt in die Schlacht zieht, gilt: Kampfgeist = Ausdauer × 3. Kampfgeist steht nicht für Blutverlust, sondern für Kratzer, Müdigkeit, zerrissene Kleidung – den seelischen Druck des Kampfes. Solange er vorhanden ist, bleibt der Körper intakt. Erst wenn der Kampfgeist versiegt, beginnt das wirkliche Leiden: Der Schaden geht in die Lebenspunkte. Kampfgeist regeneriert sich durchs Ausruhen und Lebenspunkte nur durch Heilung. Ein einfaches, erzählerisch stimmiges System und ein Grund, warum ich die Sterblichen manchmal bewundere. Sie kämpfen, obwohl sie weicher sind als Drachenschuppen.
Das Tempo des Helden wird durch eine Anzahl seiner Aktionspunkten bestimmt (Geschick + Mut / 5)
Der Angriff verläuft einfach, schnell und erbarmungslos. Egal ob es sich um einen Schlag, einen Wurf oder einen Hieb handelt, alles beginnt mit einer Fertigkeitsprobe (Fern-, Nahkampf, unbewaffnet). Wenn der Wurf gelingt, triffst du. Theoretisch. Der Gegner bekommt natürlich noch eine Chance, sich zu retten. Er kann einen Aktionspunkt ausgeben um auszuweichen (ein Vergleichswurf entscheidet ob er das Manöver schafft) oder,0 und das gefällt meinem drakonischen Sinn für Risiko, er kann einen Gegenangriff erklären. Dann zählt nur noch wer den besseren Wurf ablegt. Ein einziger Augenblick entscheidet, wer zuschlägt und wer blutet. Das fühlt sich nicht nach bloßem Rechnen an, sondern nach Kampf. Und wenn jemand keine Aktionspunkte mehr hat? Dann ist er ausgeliefert – der Angreifer schlägt zu und der Schaden sitzt. Simpel. Fair. Tödlich. Ein System, das Disziplin belohnt und Leichtsinn bestraft – sehr im Geiste der Schakale, die ständig am Rand von Leben und Legende tanzen.
Magie
In Schakale ist Magie kein buntes Feuerwerk, kein Regen aus Meteoren oder loderndes Chaos, das ganze Armeen hinwegfegt. Ritualisten (jene, die sich der arkanen Kunst verschrieben haben) wirken Zauber, die ihre Gefährten stärken, Wunden schließen, Verderbtheit bannen oder den Feind gezielt treffen, wenn es wirklich nötig ist. Keine riesigen Feuerbälle – wie enttäuschend... und doch so klug! Denn in dieser Welt ist Magie keine Bühne für Eitelkeit. Sie ist Werkzeug, Verantwortung, manchmal Bürde. Ein sauber gewirkter Bann kann bedeutender sein als ein Berg aus Flammen.
Abenteuer
Das Grundbuch endet mit drei vollständigen Abenteuern, die den Einstieg in die Welt mühelos machen. Und als wäre das nicht genug, gibt es kostenlos noch ein viertes: „Die Geburt eines Schakals“ – wie passend! Ein Prolog, ein Ursprung, ein Ruf in die Weite, ideal um neue Spielgruppen direkt ins Herz von Zaharets zu werfen. Solche liebevollen Extras sind selten. Man merkt sofort, hier möchte man das die Spieler sofort losziehen und nicht erst drei Wochen lang ein Regelstudium betreiben.
Zur SPIEL ’25 erschien bereits der große Kampagnenband, ein prachtvolles, vollfarbiges Hardcover zum Preis von 35 €. Und, oh, welch Umfang! 14 Abenteuer, die sich über neun Jahre Ingame-Zeit erstrecken. Das ist keine bloße Aneinanderreihung von Missionen – das ist ein Epos. Eine Saga, die wächst, reift, blutet und strahlt. Ich verrate nichts (ein Drache wahrt schließlich Geheimnisse!),
aber lasst euch gesagt sein: Diese Geschichten atmen Tragik, Spannung und heldenhaften Glanz.
Fazit
Es gibt viele Fantasywelten da draußen. Einige glitzern, andere glimmen und manche riechen nach abgestandenem Drachenatem. Doch Schakale ist anders. Hier klingt jede Geschichte nach alten Epen, wie nach dem Gilgamesch, der Ilias, dem alten Testament und anderen rätselhaften Versen uralter Schriften, in denen Heldentum noch ein Fluch sein konnte.
Schakale ist kein weiterer 08/15-Fantasy-Klon voller Elfen, Orks und Tavernen mit Quests an der Pinnwand. Es ist eine bronzezeitliche Mystik, die zwischen Göttern, Staub und Blut schimmert.
Eine Welt, die sich anfühlt, als könnte sie tatsächlich einmal existiert haben – irgendwo zwischen Mythos und Geschichte. Schon nach der ersten Spielrunde konnte ich nur schnaubend nicken:
Das macht Spaß. Und zwar nicht, weil es laut und bunt ist, sondern weil es neu, durchdacht und atmosphärisch ist. Jede Begegnung, jede Kultur, jede Entscheidung trägt Bedeutung. Und nun naht der dritte Band: „Travellers on the War Road“, angekündigt für Anfang 2026. Er soll neue Riten, Talente und Tugenden bringen und vor allem tiefere Einblicke in die Kulturen von Zaharet. Mit dem dritten Band ist die Reihe dann abgeschlossen und sie wird einen Ehrenplatz in meinem Hort erhalten, gleich neben den klassischen Epen der Menschenwelt.
Erhebe dich,
Der Schakalstern steht hoch am Himmel.
Schnall die Brustplatte an und schärfe deine Bronze."