Autor Thema: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien  (Gelesen 424 mal)

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Offline Alexandro

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Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« am: 21.08.2025 | 20:51 »
Ausgelöst vom FR-Thread habe ich mir mal ein paar Gedanken darüber gemacht, nach welchen Kriterien ich Settingmaterial bewerte.

1. Settingübersichten

Essentiell. Liefert einen grundlegenden Überblick über das Setting und (im Idealfall) genug Abenteuerideen, um zumindest eine Zeitlang in dem Setting zu spielen, ohne sich weitere Produkte zuzulegen.

Der Überblick sollte einigermaßen umfassend sein, wenn man keine Ideen für das vollständige Setting hat, dann ist es besser weiße Flecken zu lassen, als ein paar halbgare Sätze zu diesen Gebieten zu schreiben (Bsp.: beim 2e und 3e Setting der Realms war der Fokus ganz klar auf der Schwertküste, mit dem Rest des Settings eher als Feigenblatt ohne Substanz – in der 5e war man zumindest so ehrlich, das Ganze dann „Sword Coast Guide“ zu nennen)

2. Detailprodukte ("Schlaglichter")

Regionalbeschreibungen, Abenteuer, und ähnlicher Kram, welcher das Setting vertieft. Die Details sollten den Informationen in der Übersicht nicht widersprechen (wenn ein Land im „Campaign Setting“ als gute Theokratie beschrieben wird, sollte im Babd zur Hauptstadt nicht plötzlich enthüllt werden, dass das Land in Wirklichkeit von bösen Vampiren beherrscht wird) – schließlich kauft man sich den Detailband gerade deswegen, weil man die Beschreibung im Campaign Setting mochte und mehr Details dazu wollte – Überraschungen sind in solchen Untersettings OK, Twists welche das Setting ins Gegenteil verkehren eher nicht.

Andererseits sollten diese Produkte auch nicht nur wortreicher den Inhalt des Überblicks-Produktes wiederholen, oder nur Seiten mit irrelevantem Blabla füllen, so z.B. der Inhalt der Kara-Tur Box und ähnliche "Klopapier-Quellenbücher").

3. Produkte ohne Wert fürs Rollenspiel, aber mit Unterhaltungswert

Romane, Computerspiele, Let’s Plays... you name it. Diese Produkte zeigen eine Möglichkeit, wie Geschichten in diesem Setting aussehen können. Wenn Quellenbücher in dieser Kategorie auftauchen (z.B. ein Band, welcher letztendlich nur die Ereignisse einer Romantrilogie zusammenfasst, ohne diese für andere Charaktere als die Romanhelden erfahr- und erlebbar zu machen), dann hat man etwas falsch gemacht. Wenn das Setting durch Romane wesentlich umgeschrieben wird, ohne dass sich dies in anderen Produkten widerspiegelt, dann ebenso („Wenn du etwas über die Hauptstadt nach dem Aufstieg der Vampirkönige erfahren willst, dann musst du diese 800seitige Trilogie lesen, weil es dazu noch keine Quellenbände gibt) – solche gehören dann idR auch zur Kategorie 4.

4. Produkte ohne (oder mit geringem) Wert fürs Rollenspiel, und ohne Unterhaltungswert

Railroading-Abenteuer, Metaplot-Übersichten und alles, wo der Aufwand etwas brauchbares daraus zu ziehen deutlich höher ist, als etwas ganz neues zu schreiben. Solche Produkte können gute Ideen enthalten, möglicherweise sogar welche, die den entscheidenden Impuls für eine tiefere Beschäftigung mit dem Setting liefern, aber das ist immer höchst subjektiv, und hängt mehr vom Benutzer ab, als vom Produkt selbst.
« Letzte Änderung: 23.08.2025 | 20:28 von Alexandro »
Ohne Dramaturgie gibt es kein Drama.

Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Xemides

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settings
« Antwort #1 am: 22.08.2025 | 11:26 »
Ich würde bei Nummer 4 widersprechen. Auch Railroading-Abenteuer und Metaplot-Übersichten sind tolle Ergänzungen, wenn der Metaplot feststeht und angekündigt wird.

Bei Glorantha wartet die Community darauf, endlich eine Übersicht über den Metaplot zu bekommen.
« Letzte Änderung: 22.08.2025 | 12:44 von Xemides »
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Offline manbehind

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settings
« Antwort #2 am: 22.08.2025 | 11:34 »
Ausgelöst vom FR-Thread habe ich mir mal ein paar Gedanken darüber gemacht, nach welchen Kriterien ich Settingmaterial bewerte.

Könntest du den Threadtitel entsprechend abändern? Denn die Bewertung des Materials zu einem Setting ist in der Tat etwas anderes als die Bewertung des Settings selbst. Danke :)

Offline 1of3

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settings
« Antwort #3 am: 22.08.2025 | 12:52 »
Die Frage ist wie wir Setting im Spiel benutzen bzw. benutzen sollen.

Gebräuche
Es gibt gewisse Verhaltensweisen, die Figuren im Setting an den Tag legen. Wer einen Charakter spielt, sollte für gutes Rollenspiel also diese Verhaltensweisen nachahmen. Viel bei DSA, wie mir scheint, nicht vorhanden bei D&D.

Bekannte Charaktere und Fraktionen
Es gibt bekannte Charaktere oder, die 1:1 in unserer Runde auftreten oder Strippen ziehen können. Ganz viel in WoD oder Franchise-Produkten, lediglich 2 Namedrops in Polaris.

Equipment
Wie sehen die Dinge aus? Was hat man so dabei? Sehr dicht bei Shock: Human Contact. Da bekommt ein komplettes Forschungsschiff, mit den Sachen, die standardmäßig im Gepäck sind mit Beschreibung und Abbildung. Komplett offen in BESM.

Splats
Zu welchen Typen können unsere Hauptpersonen gehören? Wir wählen für jede Hauptperson eins aus.

Organisationstemplates
Es gibt gewisse Vorlagen, wie eine Vampirstadt, ein Adelshaus, eine Magiergilde etc. organisiert. Wir füllen das vor Spielbeginn aus.

Raum
Das Setting stellt einen gewissen Raum vor, in dem sich unser Spiel bewegen kann.

  • Auf einer topographischen Karte. Wir können relativ gut nachvollziehen, was wo ist und Abstände abschätzen. Diverse Fantasy-RPGs.
  • Auf einem Graphen. Orte sind benachbart oder nicht. Ggf. muss man Zwischstops einlegen, z.B. Sprungrouten in Fading Suns.
  • Reine Beschreibung. Es werden Orte beschrieben, aber es gibt keine klare Beschreibung wie sie zu einander liegen. Mechanical Dream nennt z.B. verschiedene Städte, aber liefert keine Karte.
Orte
Es gibt Hinweise zu Orten. Wir können die Orte im Rollenspiel verwenden.

  • Als Namen
  • Als Namen mit kurzer Beschreibung
  • Als detaillierte Kapitel.
  • Als Generator. Man kann eine Checkliste ausfüllen oder würfeln, um weitere Orte zu erzeugen.
Monster
Es gibt Hinweise zu Monstern, die wir im Spiel bekämpfen können. Entweder einen fertigen Katalog (D&D) oder einen Baukasten oder beides (Dungeonworld).

Plot Hooks
Das Spiel liefert Plot Hooks, die wir im Spiel verwenden können.

  • An Charakteren dran. Werwolf: Forsaken - Rage Across The Rockies
  • Als Ereignisse bei Regionen. Reign.
  • Als globale Umwälzungen. Eberron.
  • Schwebend. Der Plot kann sich praktisch überall im Setting zutragen.


Die können auch sehr unterschiedlich ausgearbeiet sein.



Ich glaube also auch nicht, dass z.B. Romane oder Kurzgeschichten unnütz sind. Die können z.B. gut über Gebräuche informieren.




Offline klatschi

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settings
« Antwort #4 am: 22.08.2025 | 14:17 »
Ich würde bei Nummer 4 widersprechen. Auch Railroading-Abenteuer und Metaplot-Übersichten sind tolle Ergänzungen, wenn der Metaplot feststeht und angekündigt wird.

Bei Glorantha wartet die Community darauf, endlich eine Übersicht über den Metaplot zu bekommen.


Ich fand beispielsweise damals die Plot-Outline bei Symbaroum sehr cool, die sie für ihre Kampagne veröffentlicht haben. Dabei haben sie von Anfang an gesagt, dass es leichte Änderungen geben kann, aber die Major Factions und theoretischen Entwicklungen konnte man recht früh abschätzen. Für mich ist es für ein Setting nicht unwichtig.

Offline Alexandro

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #5 am: 23.08.2025 | 20:29 »
@Xemenides: trotzdem haben solche Übersichten keinen Wert im Spiel – sie mögen interessant zu lesen sein (in diesem Fall fallen sie in Kategorie 3), aber sie liefern nichts für die eigene Kampagne.

@manbehind: Ich sehe da eigentlich keinen Unterschied, da das Setting ja durch das Material vermittelt wird – wenn  das Material schlecht ist, dann ist es ein schlechtes Setting. Aber whatever, habe den Titel mal angepasst.

@1of3: trotzdem ist es schlechtes Design, wenn man für „Gebräuche“ etc einen Roman lesen muss. Wenn vom Spiel erwartet wird, dass ein Krieger seine Sätze mit einem „Rondra zum  Gruße“ beginnt, dann sollte diese Erwartung imo nicht in einen Roman versteckt werden (zumal Romane traditionell sehr schlecht darin sind zu vermitteln, welche Elemente darin eine Eigenheit der Hauptfigur sind, und welche allgemeine Gebräuche im Setting).
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Offline 1of3

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #6 am: 23.08.2025 | 20:53 »
Nun, das ist sicherlich so. Am besten ist da sicher ein relativ kurzer Vorlesetext wie die eine Seite in Masks: A New Generation über die Generationen. Kann man zusammen lesen. Anders funktionieren, die Intro-Geschichten in WoD-Büchern. Also wenn Lee-Ann ihren neuen Schüler durch das Gildehaus geführt hat, habe ich einen ganz guten Eindruck wie der Kult drauf ist. Da muss man natürlich dann schon eher so 10 Seiten lesen.

Offline Xemides

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #7 am: Gestern um 19:41 »
@Xemenides: trotzdem haben solche Übersichten keinen Wert im Spiel – sie mögen interessant zu lesen sein (in diesem Fall fallen sie in Kategorie 3), aber sie liefern nichts für die eigene Kampagne.

Außer man baut seine eigene Kampagne darum herum auf.
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Offline unicum

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #8 am: Gestern um 21:03 »
Wenn vom Spiel erwartet wird, dass ein Krieger seine Sätze mit einem „Rondra zum  Gruße“ beginnt, dann sollte diese Erwartung imo nicht in einen Roman versteckt werden (zumal Romane traditionell sehr schlecht darin sind zu vermitteln, welche Elemente darin eine Eigenheit der Hauptfigur sind, und welche allgemeine Gebräuche im Setting).

Naja das ist etwas das bei mir echtes fremdschämen auslöst, wenn irgendwo handlungsanweisungen drin stehe das ich eine Figur so zu spielen habe.

Btw: Wenn ein Krieger in einem Roman das so macht ist es erstmal ein Steckenpferd dieser Figur wenn aber es alle Krieger in allen Romanen machen ist das ... naja vieleicht ein alleinstellungsmerkmal aber für mich echt zum Fremdschähnen. Insofern - Romane sind immer schlaglicher auf ein Setting was Charactere betrifft und nichts mehr.

Wenn dieser Kink mit der Begrüsung durch Krieger "immer" so sein soll ist es etwas das ins Settingbuch gehört, aber klar kann ich dann in einem Roman durchaus auch mal dieses Merkmal brechen, warum nicht?

Etwas anderes mag es sein wenn alle Krieger der Schwarzen Legion sich in der Regel immer mit "Ehrvoll in den Tod!" begrüßen.

Offline Andropinis

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #9 am: Gestern um 21:14 »
Ein Kriterium wäre noch hard worldbuilding vs. soft worldbuilding. Das sagt nichts über die Qualiät, sondern über Vorlieben aus.

Ich zitiere mal einen Beitrag dazu aus dem Orkenspalter Forum:

Hard Worldbuilding. Es gibt eine genaue Erklärung der inneren Logik, der alles folgt. Zeittafeln, klare Sachtexte, Tabellen und Zahlen geben genau an, was Sache ist (auch wenn es Freiheit in verschiedene Ausprägungen, die vorgestellt werden, gibt). So gibt es eine klare, gemeinsame Grundlage und man kann die Welt mit ihren phantastischen Elementen leichter annehmen. Es wird allen klipp und klar diktiert, wie die Welt ist - mit allen Vor- und Nachteilen. Das ähnelt Tolkiens Vorgehen mit seinem Der Herr der Ringe.

Soft Worldbuilding. Es gibt eher weniger Informationen, Spielleiert*in und Spielende müssen, dürfen und können sich viel selbst erklären. Auf (innere) Logik wird weniger Wert gelegt, man gibt nur Infos, die für die Geschichte, die man gerade erzählen will, nötig sind. Alles wird mysteriös gehalten und fast mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet (die die eigene Kreativität anregen, aber auch nötig machen). Die Autor*innen wissen selbst vielleicht nicht alles und erst recht liefern sie nicht alles. Nichts muss und wird vor dem Leser erklärt oder gerechtfertigt - das bedeutet maximale Flexibilität. Die Gruppe kann genau die Geschichte erzählen, die sie will, ohne sie an die Welt anpassen zu müssen. Alle dürfen, müssen aber auch ihren eigenen Blick auf das Ganze entwickeln - für jede und jeden ist das Ganze damit ein bisschen anders (und vielleicht irgendwann widersprüchlich zueinander). Am Ende stehen so in der Spielhilfe die Charaktere mit ihrer Geschichte im Mittelpunkt, nicht die Welt, in der sie leben. Im Grunde ähnelt es damit Rowlings Vorgehen bei den frühen Harry Potter-Romanen.

Quelle: Hard-& Soft Worldbuilding
A reader lives a thousand lives before he dies. The man who never reads lives only one.

George R.R. Martin

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Re: Kriterien zur Bewertung von Settingmaterialien
« Antwort #10 am: Gestern um 21:37 »
Für mich ist wichtig dass das Setting in sich stimmig ist. Wenn also teufel und Engel (Orks/Zwerge/Elfen) in friedvoller Nachbarschaft leben soll mir das Setting bitte eine gute Erklärung dazu geben.

Ich habe gerne einige Sachen (eine typische Stadt, einige typsiche NSC, ein Dorf ein haus) im Detail beschrieben aber noch genügend Flecken die offen sind damit ich selbst dort etwas einbringen kann. Aber dadurch ist es schon mal typisiert.

Fehler wie etwa das man sich frägt ob man Gold auf dieser Welt im Tagebau abgraben kann,... über sowas kann ich auch hinwegsehen. ich will Rollenspiel machen, will ich Wirtschafstsimulation spiel ich was anderes. Trozdem würde ich bei einem selbst entwickelten Setting auf so etwas achten - oder es gleich ans Regelwerk abgeben, wenn das dann so eine Bock schiesst ist es nicht vollständig mein Problem.