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[Tag 2] Raumstation Bazaar
Azzu:
Im flackernden Schein einiger Kerzen tanzten Schatten über die Wände von Keitaros Schlafgemach, als Arion leise durch die Tür trat, um nach seinem Herren zu sehen. Die muskulöse Gestalt des Li Halan kniete inmitten des Raumes, die Hände zum Gebet gefaltet. Linien der Trauer zeichneten das vom Kerzenlicht angestrahlte Gesicht des Ritters und ließen ihn älter erscheinen.
"Sir?" Arion war einerseits beunruhigt, dass das Schlafmittel so wenig Wirkung gezeigt hatte. Andererseits war er erleichtert, Taurus bei Bewusstsein anzutreffen.
Keitaro erhob sich langsam, begleitet vom Rascheln der schwarzen und silbernen Seide seines Kimonos, und blickte mit seinen glasigen Augen auf den Leibdiener hinab. Er hat unser Gebet unterbrochen! Wir sollten ihn strafen! "Arion. Gut, dass du hier bist. Du bist beim Baron gewesen?"
"Äh... ja, in der Tat... er wird Euch einen Termin für eine Audienz in... näherer Zukunft mitteilen lassen." Arion räusperte sich, trat zögerlich von einem Fuß auf den anderen. "Außerdem hätte ich da noch ein oder zwei Kleinigkeiten, die dringend Eurer Aufmerksamkeit bedürfen. Vor allem das hier scheint mir eilig zu sein... ich bin gerade auf dem Gang mit einem Boten zusammengestoßen."
Der grauhaarige Diener holte einen mit grün schimmernden Metallkannten verzierten Umschlag hinter seinem Rücken hervor. Eine stilisierte Gottesanbeterin prangte gut sichtbar auf dem schwarzen Karton. Sofort verfinsterte sich Keitaros Miene. Decados. Die Mantis hatte seinen Bruder getötet! Wut loderte in ihm auf, ließ ihn erzittern. Die Mantis? Sicher wissen wir gar nichts... "Was steht drin?"
"Eine Einladung von einem Graf Andrei Mandin Decados... fragt mich nicht, was er ausgerechnet hier verloren hat." Arion wendete den Umschlag zwischen seinen Fingern hin und her. "Der Anlass dürfte Euch interessieren... ein Duell heute um Mitternacht."
Für einen Moment runzelte Keitaro verwundert die Stirn. "Ein Duell? Ich kenne diesen Graf Mandin doch nicht einmal!"
"Oh... nein, Ihr missversteht, mein junger Herr, es handelt sich nicht um eine Forderung gegen Eure Person, ausnahmsweise einmal. Die Duellanten sind Baron Enkidi und ein gewisser Hauptmann Ras Chandra. Ihr seid als Gast geladen... in die Quartiere des Grafen."
Megan:
"Damals im Raumhafen, Enkidi, vielleicht hätte ich da gehen sollen.."
Wasser rinnt in hellroten Streifen die Haut hinab, entlang der bizarr-verkrüppelten Wirbelsäule..
"Oder, damals, als Du mich vor die Tür gesetzt hast.."
Glassplitter fallen in die Schale. Immer wieder gräbt sich die Pinzette in die Risse, zieht sie hervor.
Wimmern. Drückende Hitze, durchsetzt von Schweiß und Erbrochenem.
"Oder auf Midian, am Strand, als ich Dich zum ersten Mal wirklich gesehen habe..
Was meinst Du? Vielleicht hätte ich da gehen sollen."
Frisches Wasser, vermengt mit schwarzen Strähnen.
"Damals, als nur diese Bibel zwischen uns war, der letzte Wall.."
Weißes Tuch wandert in Bahnen um die wunde Hand. Gelbe und rote Sekrete fressen sich durch das Leinen.
Zittern. Der Schmerz zwingt die Lippen in schmale Linien. Unterdrücktes Keuchen.
"Aber hier bin ich, schaue Dir beim Huren zu, lasse mir von Dir vor die Füße kotzen und wasche den Eiter aus Deinen Wunden."
Parfümierte Seide hüllt den geschundenen Körper ein.
"Schätze, ich habe den Absprung verpasst. Also kümmere ich mich um die Scherben."
Einige Sekunden schwebt das Amulett an seiner Kette, dann verschwindet es in den Tiefen der Ledertasche.
"Zum Beispiel diese hier."
Enkidi Li Halan (N.A.):
Das Wasser tat gut. Es war kalt, aber wärmer als die Luft, die noch immer eisig in seine Lungen schnitt.
Enkidi saß starr auf einem Stuhl und ließ die Behandlung über sich ergehen.
Megans Finger, die sich nicht entscheiden konnten, sanft oder grob zu sein. Ihre Worte, die mehr schmerzten als die Schnitte, weil er den Zorn der darin lag nicht verstand. Der Blick, der seinem auswich und ihn voller Abscheu von sich drängte.
Enkidi schwieg. Fischte nach dem letzten, woran er sich klar erinnerte. Das Training mit dem Hauptmann.
Danach – nichts. Leere.
Megan setzte ihm eine Spritze in den Handballen. Ein Ziehen, als die Nadel ins Fleisch sank. Ein heftiges
Kribbeln. Dann drängte das Elixir den Schmerz zurück und hinterließ Taubheit.
Schaue dir beim Huren zu. Ein Satz voller kalter, niedergerungener Wut. Ein Satz, der wenig Interpretation zuließ.
Etwas schreckliches war geschehen, und er hatte keine Ahnung davon.
Ein schwarzer Fleck lag auf den letzten... ja, wie lange eigentlich? Minuten? Stunden? Er wusste noch nicht einmal, wie spät es war. Raum und Zeit hatten einfach wieder begonnen, zu existieren.
Seit Alpha Ikara hatte er sich nicht mehr verloren. Damals war es genauso gewesen. Filmriss. Der Körper gehorchte einem anderen Willen und die einzigen Erinnerungen an das, was während dieser Zeit geschehen war, quollen nur in nächtlichen Alpträumen an die Oberfläche.
Und nun wieder. Sein Blick fiel auf das zerwühlte Bett, das Chaos im Raum, Scherben, Blut, sein Blut. Auf Megan, die mit sich kämpfte, weil sie den Mann vor sich zugleich liebte und hasste. Sein Hals schnürte sich zu. Er senkte den Blick und starrte auf den Boden.
"Ich weiß nicht, was passiert ist, Megan." flüsterte er. Bitte vergib mir. Versteh doch. Verzeih. Wie oft hatte er ihr diese Worte gesagt. Sie hatten ihr Gewicht verloren. Ihre Berechtigung.
Schweigen. Ihr Blick lastete mit dem Gewicht von tausend Tonnen auf ihm. Er fröstelte.
Seine linke Hand fuhr über den Verband, unter dem das Fleisch pochte. Es hatte ihn verbrannt. Das Amulett.
Das Amulett. Enkidi beobachtete, wie es in Megans Tasche verschwand. Und er war froh. Er wollte es nicht mehr in seiner Nähe haben. Es war an allem schuld, das wusste er jetzt. Seit er es bei sich trug, hatte es das Unheil angezogen, und er hatte es einfach ignoriert. Hatte Megans Warnungen in den Wind geschlagen. Wie immer. Nun hatte er die Rechnung. Sollte sie es nehmen.
Aber vielleicht würde es sie in Gefahr bringen.
Seine bandagierten Finger krümmten sich. Der Blick haftete sich auf die Tasche. Dort war es sicher.
Es wird sie in Gefahr bringen. Unter dem Verband begann das Blut zu pulsieren. Schmerz wand sich unter der Decke von Beruhigungs- und Schmerzmitteln hervor. Wanderte, getragen vom schneller werdenden Puls, den Arm hinauf. Er durfte nicht zulassen, dass Megan etwas geschah.
Er starrte auf die Verschlüsse der Tasche und sah, wie sie sich öffneten.
Der Deckel schlug wie von Geisterhand zurück.
Mit einem metallischen Klicken schob sich Glied um Glied, wie eine Schlange, die eiserne Kette über den Rand.
Rutschte dann hinab, und zog den dumpf glänzenden Stein des Amuletts heraus.
"Ich bin das nicht", stieß Enkidi erschrocken hervor. "Ich bin das nicht."
Er sprang auf und wich zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. Schweiß trat auf seine Stirn, als der Schmerz in der Hand immer heftiger wurde.
Das Amulett lag reglos neben der Tasche und wartete.
"Megan... pack es weg. Sperr es irgendwo ein. Oder gib.. es.. einem... Priester."
Enkidi biss sich auf die Lippen, krümmte sich, spürte eine plötzliche Wut in sich aufwallen. Wut auf sich selbst und den Schmerz, der mit ihm spielte wie mit einem Ball auf tosender See.
Er verstand nicht, was hier geschah.
Aber er würde sich wehren.
Weil er die Angst in Megans Augen nicht ertrug.
Er schlug die Hand hart gegen die Wand, schluckte, rang die Qual nieder. Trat dann hastig vor, griff nach der Tasche, ließ das Amulett hinein rutschen und schlug den Deckel darüber.
"Nimm sie", sagte er und streckte Megan die Tasche entgegen.
In diesem Augenblick ertönte der Türsummer.
Azzu:
Ihn schwindelte. Sie sind mir zuvorgekommen! Die Mantis würde Enkidi töten und höhnisch lachend das Amulett aus dem Heiligtum an sich bringen. Er würde nichts tun können, musste auch noch zusehen! Langsam, Junge, langsam... ein öffentliches Duell, um jemanden auszurauben? Kaum... nicht unter unseren Augen! Er musste die Einladung wahrnehmen!
"Sir? Sir? Taurus?" Arions Stimme riss Keitaro aus seinen Gedanken. "Wenn Ihr die Botschaft beantworten wollt, bis Mitternacht bleibt nicht mehr viel Zeit!"
"So spät schon? Ich war eingeschlafen..." Wie kann das sein? Da war irgend etwas! "Ich benötige die volle Rüstung und meine übliche Bewaffnung. Außerdem meine Duellschwerter. Und ein Medpac. Elixir. Antidot. Du wirst mich begleiten. Und Justus auch, als Träger."
"Erm..." Der Diener legte die Stirn zweifelnd in Falten. "Ich glaube nicht, dass es weise wäre, diese Einladung anzunehmen, mein junger Herr... zu riskant. Darf ich an das letzte Mal erinnern, als Ihr es mit einem Decados zu tun hattet?"
Der Ritter knurrte abfällig. "Sir Jozsef hat bekommen, was er verdient hat!"
Arion hob eine Augenbraue. "Er hat Euch lediglich eine höfliche Einladung auf sein Anwesen..."
"Es war nicht sein Anwesen!" Keitaro fuhr wütend herum und stürmte aus dem Raum. Jozsef hätte wissen müssen, dass sein Lehen auf Malignatius nur wenige Jahre zuvor noch Keitaros Familie gehört hatte! Und wer hätte ahnen können, dass der Kiefer dieses degenerierten Decados derart zerbrechlich war? Keitaros Faustschlag war eine völlig legitime und traditionelle Art und Weise gewesen, eine Duellforderung auszusprechen. Jozsefs Familie hatte das freilich ganz anders gesehen.
Im Badezimmer legte Keitaro den Kimono ab und musterte mit finsterer Miene sein Abbild im Spiegel. Sein Körper. Die Maschine. Die Reliquie. Mit bloßem Auge war der Unterschied zu früher kaum zu erkennen, von den länglichen Operationsnarben abgesehen. Warum ich, alter Mann? Die Stimme in seinem Kopf schwieg. Man hatte ihm nach seiner Genesung erzählt, der Heilige Naraka Kaori sei während der Schlacht dem im Gebet versunkenen Bischof der ihm gewidmeten Kathedrale erschienen. In der Vision habe er gefordert, mit seiner Reliquie den Körper eines gefallenen Ritters wiederherzustellen - nur Augenblicke später war Keitaro tatsächlich von einer Artilleriegranate schier zerrissen und, mit dem Tod ringend, in die Kathedrale gebracht worden. Was hast du mit mir vor? Schweigen. Wenn Kaori gehofft hatte, nach der Operation die Kontrolle über das neu geschaffene Ganze zu erlangen, hatte er sich jedenfalls geirrt. Keitaro spannte seine künstlichen Muskeln an, sah zu, wie die gerippte, metallisch glänzende Panzerungsschicht unter seiner Haut sichtbar wurde. Die uralten Muskelstränge knarrten wie altes Leder. Sie verlangten nach Einsatz, nach Kampf, nach Blut.
"Sir?" Arions Stimme drang durch die Tür. "Darf ich wie üblich davon ausgehen, dass ihr vorhabt, meinen Rat nicht zu befolgen? In diesem Fall ist alles bereit, wie Ihr es gewünscht habt."
Keitaro antwortete nicht, bestätigte so die Befürchtung seines Leibdieners. Mit zusammengebissenen Zähnen und geschlossenen Augen ertrug er das kribbelnde Gefühl der Ultraschall-Dusche - für echtes Wasser hätte sein Budget nicht gereicht.
Nur wenig später war er voll gerüstet und bewaffnet. Einen Grafen ließ man nicht warten. Begleitet von Arion und Justus verließ der Lextiusritter die Sicherheit seines Quartiers.
Managarmr:
Bruder Erland schaute Itaru offen und einladend an, während er lauschte. Es war schlimmer als er bereits vermutete hatte. Und es war auch schlimm, ansehen zu muessen, wie dieser Knappe gezwungen war, gegen seinen anerzogenen LiHalan Ethos zu verstossen, um seinem Herrn zu helfen.
"Mein Sohn, ich kann es versuchen. Es ist allerdings nicht leicht, wirklich mit eurem Herrn, dem Baron zu sprechen. Er weicht aus, und versteckt etwas...oder etwas unterdrueckt ihn..."
Das Bild war deutlich und zugleich undeutlich gewesen, das schwarze Etwas auf der Brust, was sich dem Blick entzog... Erland unterdrueckte mit der erworbenen Routine ein Schaudern, das sich in frueheren Zeiten nach oben gedrueckt hätte.
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