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[Warhammer] Die Reise nach Tiléa

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Friedie:
Noch Wellentag der 5. Vorgeheim 

Ich wende mich um und traue meinen Augen kaum. Am Ende der Lichtung ist aus einer der Elfen-Behausungen gerade Monalon  getreten, meine alte Reisegefährtin, und nun blickt sie fassungslos zu mir hinüber. Dann läuft sie auf mich zu, und auch ich kann mich kaum noch beherrschen: Die Totgeglaubte steht plötzlich vor mir! Erst als ich sie zur Begrüssung in den Arm schliesse, begreife ich recht, dass all dies wirklich keine Einbildung sein kann. Monalon lebt tatsächlich noch! Dabei habe ich doch damals auf dem Richtplatz in Kemperbad mit eigenen Augen gesehen, wie das Fallbeil niedersauste, und noch heute höre ich den dumpfen Laut, mit dem ihr abgeschlagener Kopf in den Strohkorb fiel. Zwar werde ich nach wie vor das Gefühl nicht los, das Herabsausen des Beils zweimal gehört zu haben, aber das ist ja völlig unmöglich - natürlich habe ich das damals auf meinen eigenen Zustand zurückgeführt. Schliesslich war ich damals halb bewusstlos gewesen - nur wenige Minuten zuvor hatte man mir ja das Brandeisen auf die Stirn gedrückt.

„Wie kommst Du denn hierher, Sigurd?“ fragt sie mich schliesslich, und ich habe das Gefühl, genau das hätten jetzt eigentlich meine Worte sein müssen. „Ich bin verbannt worden, Monalon. Erinnerst Du Dich nicht ?“ „Ja sicher,“, gibt die kleine Magierin zurück, „aber wir hatten Euch schon viel weiter im Süden vermutet. Wir sind schliesslich mehr als eine Woche später aufgebrochen.“ „Wir?“, frage ich sie verdutzt. Aber ehe sie mir eine Antwort geben kann, gesellt sich eine weitere wohlvertraute Gestalt zu uns. Es ist zwar nicht Wolfgang - und selbst das hätte mich jetzt nicht mehr sonderlich gewundert -, sondern dessen Mutter, die Verena-Priesterin Ursula Kern, die mich nun wissend anlächelt. Vor dieser Frau kann man wahrlich nur grössten Respekt haben, nicht nur aufgrund ihrer hohen Position im Orden der Göttin für Wissen, Weisheit und Gerechtigkeit, nein, in meinen Augen gebührt ihr auch immenser Respekt dafür, einen Menschen wie Wolfgang grossgezogen zu haben - und dennoch einigermassen normal geblieben zu sein. Oder verwechsle ich hier Ursache und Wirkung? Ich glaube, ob dieser neuesten Entwicklungen kann ich irgendwie nicht mehr klar denken.

In dem nun folgenden, ausgiebigen Gespräch mit Monalon, der nach wie vor resoluten Mutter Ursula, die, sobald es etwas gibt, worüber es nachzudenken lohnt, sofort unruhig vor uns auf und ab geht - trotz unserer Versuche, ein wenig Licht in diese Angelegenheit zu bringen, belustigt mich dieser Anblick doch immer wieder -, und Magnus, der sich mittlerweile zu uns gesellt hat, erfahren wir zunächst einmal das wirkliche Datum des heutigen Tages, denn in Wahrheit ist heute...

Friedie:
Festtag, der 12. Vorgeheim

Ganze sieben Tage mehr sind also vergangen als nach meiner eigenen Zählung. Vermutet hatten wir so etwas in der Art ja schon, aber gleich sieben Tage? Natürlich berichten Magnus und ich nun von unseren jüngsten Reiseerlebnissen im verderbten Land, die unsere späte Ankunft hier ja auch durchaus erklären, und zudem erzähle ich Monalon von unserer Suche nach diesem magischen Stein, die jetzt ja offenbar schon wochenlang andauert.

„Warum bist Du eigentlich nicht tot?“, stelle ich Monalon endlich die Frage, die mir jetzt schon minutenlang auf den Nägeln brennt. Noch während mir auffällt, dass diese Frage nicht gerade sonderlich freundlich klingt, kündigt sich ein noch deutlich grösseres Problem an: Auch bei Magnus scheint die Erinnerung zurückzukehren: „Richtig! Ihr seid doch diese Magierin, die gemeinsam mit Sigurd und diesem wahnsinnigen Professor verurteilt und vor meinen eigenen Augen hingerichtet wurde! Hier war doch nicht etwa üble Hexerei am Werke?“. Doch Mutter Ursula blickt Magnus finster an: „Nein! Dass Ihr derartiges überhaupt wähnen könnt! Ihr habt den Prozess nicht miterlebt. Es gab mehr als nur berechtigte Zweifel an der Rechtmässigkeit des Urteils - Zweifel, die bis in die höchsten Ebenen des Tempels auch unserer Herrin laut wurden, möchte ich doch anmerken! Bei meinem Sohn konnte das Urteil noch ausgesetzt und letztendlich sogar umgewandelt werden, bei Monalon hingegen…“ - „Wolfgang lebt??“, fahre ich dazwischen.  „Ja, das wohl. Nun sitzt er natürlich im Hochsicherheitstrakt des Magiergefängnisses von Altdorf, und so habe selbst ich leider nicht sonderlich häufig die Gelegenheit, meinen Sohn zu sehen.“

Das muss sich jetzt alles erstmal bei mir setzen. Nicht nur Monalon, die hier leibhaftig vor mir steht, sondern auch Wolfgang lebt noch! „Ich brauche dringend einen Schluck...“ - „Hier mein Junge“, fällt mir Mutter Ursula schon uns Wort und zaubert aus den Falten ihres weissen Gewandes eine flache Metallflasche hervor - ein beachtlich kräftiger Kräuterschnaps, wie ich kurz darauf bemerke, nachdem ich einen ersten tiefen Zug getan habe.

„Warum seid Ihr denn nun eigentlich zusammen mit Fräulein Monalon hier, verehrte Mutter Oberin“, möchte Magnus noch von Mutter Ursula wissen. "Wenn ich mich recht entsinne, hat doch Euer Herr Sohn diese Zauberin hier im Verlaufe dieses Prozesses doch ziemlich belastet, nicht wahr!?“ Ganz unberechtigt erscheint auch mir diese Frage nicht: Ich erinnere mich selbst noch zu gut, wie die beiden sich damals im Prozess regelrecht angegiftet hatten. Doch die Dienerin Verenas erklärt sonderbar geheimnisvoll, nicht alles sei so gewesen, wie es nach Aussen hin den Anschein gehabt habe. Letztendlich habe Wolfgang bei Monalons Rettung sogar eine wichtige Rolle gespielt. Als Monalon jetzt heftig gegen diese Darstellung der Ereignisse protestieren will, weist Mutter Ursula sie rasch in ihre Schranken zurück: „Überschätz Dich nicht, Mädchen! Vieles von dem, was sich damals ereignet hat, hast du überhaupt nicht mitbekommen.“

Aeskúrion kommt jetzt zu uns und lädt uns ein, doch bitte Platz zu nehmen - das Essen sei angerichtet. Es wird sehr wohlschmeckender Rehbraten serviert, gereicht mit frisch gebackenem Brot. Hoffentlich macht mein Magen das mit. Sehr schmackhaft ist auch der Wein - erstaunlich hell und doch vollmundig. Zu meinem grossen Erstaunen erklärt mir eines der freundlichen Elfenmädchen, die sorgsam darauf achten, dass mein Kelch nie leer wird, dieser Wein werde aus Birkenblättern gewonnen. Meinen Zwergenfreunden  sollte ich davon wohl nicht erzählen, das würde sie nur zu dummen Witzen anspornen, aber dieser Trank ist wirklich gut!

Und schon kündigt sich neue Zwietracht an: Monalon hat an Magnus Seite 'ihr' altes Schwert erspäht: „Die Waffe, die ihr dort tragt, gehört im übrigen mir", merkt sie an, doch Magnus erwidert nur, dieses Schwert sei nun in guten Händen, und er sei wahrlich nicht gewillt, es wieder herzugeben. „Das ist 'Barrakul’?“, fragt Mutter Ursula mit erstaunter Miene nach. „Den Namen dieses Schwertes kenne ich nicht, aber das ist zweifellos das Schwert des Sigmar-Templers von Kesselrink. Ich habe es damals in der Gruft des Sigmar-Tempels von Wittgendorf gefunden und Monalon überlassen, schliesslich führe ich ja bereits eine Waffe, die mir schon oft gute Dienste geleistet hat.“ Doch meine Erklärung scheint Mutter Ursula nicht auszureichen, also hole dann etwas weiter aus: „Nach den ... öhm ...Vorfällen von Kemperbad, und als Magnus und ich schon auf dem Weg nach Süden waren, hatte ich Magnus davon erzählt und auch davon, das mir in diesem Tempel dort in Wittgendorf Sigmar persönlich erschienen ist. Das hat ihn so neugierig gemacht, dass wir tatsächlich noch einmal nach Kemperbad zurückgekehrt sind.  Dann haben wir das Schwert bei der Stadtwache ausgelöst - schliesslich galt Monalon, die 'rechtmässige Besitzerin' dieser Waffe ja als tot, und so konnte Magnus die Wachen recht schnell davon überzeugen, es sei auch ganz in ihrem eigenen Sinne, diese Waffe abzugeben - nicht zuletzt dank der tatkräftigen Fürsprache durch Vater Tolan, den wir damals ja auch mal ein Stück auf der Beribeli mitnahmen. Ihr werdet ihn kennen, Mutter Ursula: der Hohepriester des Sigmartempels von Kemperbad - und damit irgendwie auch Magnus Vorgesetzter. Wie dem auch sei, Vater Tolan hat also erklärt, die Waffe stamme zweifellos von einem Templer Sigmars, und ich sei ja nun persönlich durch den obersten Herren gesegnet, also stehe diese Waffe ohne Zweifel mir zu. Und ich habe mir dann kürzlich erlaubt, es Magnus zu übereignen, denn ich selbst brauche es ja aus bekannten Gründen nicht, und Du, Monalon, warst ja schliesslich tot ...glaubte ich zumindest.“ Danaufhin blickt die Magierin Magnus und mich einmal kurz finster an, weiss aber dann auch nichts mehr zu entgegnen. Und irgendwie erscheint es mir ja auch tatsächlich nicht ganz unpassend, das Schwert wieder in Händen eines Templers des Sigmar zu sehen.

Dann wende ich mich Aeskúrion zu, unserem Gastgeber, und stelle ihm zahllose Fragen über die verderbten Lande. So erfahre ich, dass dieser Landstrich seit mehr als einhundert Jahren diesen unschönen Beinamen trägt, und dass der Fluch, der über diesem Land liegt, sich anscheinend immer weiter ausbreitet. „Bald werden deshalb wohl auch wir diese Gefilde verlassen und uns eine neue Heimat suchen müssen“, so der Anführer der Elfen. "Und das alles wurde noch verschlimmert durch diese Experimente mit magischen Steinen. Diese unvernünftigen Zwerge!“ Schon droht wieder ein Streit zu entflammen: Magnus springt auf und nimmt gegenüber unserem Gastgeber die Zwerge in Schutz, die ja schliesslich, ganz im Gegensatz zu den Elfen, den Menschen und der Sache Sigmars immer zur Seite gestanden hätten! Soviel Taktlosigkeit hätte ich einem Templer überhaupt nicht zugetraut - auch wenn ich eigentlich natürlich ganz seiner Meinung bin, aber ist das hier wirklich der richtige Ort dafür? Nun, offensichtlich liegen auch bei meinem Reisegefährten angesichts der jüngsten Ereignisse die Nerven blank. Und ganz, wie man es über die Elfen immer wieder hört, bleibt Aeskúrion im Laufe des nun folgenden Streitgespräches zwar äusserlich  erstaunlich ruhig, aber ich meine doch wahrzunehmen, dass in seinem Blick immer wieder Zorn aufblitzt. So geht die Debatte hin und her und der gemütliche Abend, auf den ich mich nach den letzten entbehrungsreichen und anstrengenden Tagen eigentlich eingestellt hatte, scheint mir doch nicht mehr vergönnt zu sein...

Schliessich mische ich mich doch ein - in der Hoffnung die Wogen vielleicht ein wenig glätten zu können. Ein: „Meister Aeskúrion, hört mich bitte an“, reicht tatsächlich aus, um die ganze Aufmerksamkeit des Elfen zu erringen. „Im vergangenen Frühjahr war ich mit meiner Reisegefährtin Monalon hier und dem vorhin schon erwähnten Herrn Wolfgang Kern am Aufbau eines Semaphorenturmes unweit des Reik beteiligt....“ - „Willst Du ihm jetzt etwa unser Empfehlungsschreiben von Meister Eisenbarth zeigen?“, fällt mir Monalon fassungslos ins Wort.“Nein, das natürlich nicht. Aber wenn du die Güte hättest, mich ausreden zu lassen... Also, in der Nähe der Baustelle, genauer gesagt im noch erhaltenen Fundament einer Turmruine, die  Meister Eisenbarth für seinen neuen Bau nutzen wollte, haben wir eine kleine, recht gut erhaltene Bibliothek entdeckt. Und dort stiessen wir auf Dokumente, in denen die Ereignisse der Reichsgründung unter Sigmar recht ausführlich geschildert wurden. Demzufolge war es insbesondere einer gewaltigen Zwergenarmee zu verdanken, dass der Krieg gegen das Chaos damals letztendlich zu unseren Gunsten entschieden wurde. So seht ihr also: Manchmal mag es doch von Nutzen für alle sein, wenn unterschiedliche Völker in schwierigen Zeiten zusammenstehen. Und ich glaube, derartige Zeiten stehen leider genau jetzt wieder an. Begraben wir doch unsere Differenzen und treten wir gemeinsam dem Übel entgegen. Und ein guter Anfang dafür wäre es ja vielleicht, gemeinsam nach diesen magischen Steinen zu suchen. In den falschen Händen, wie denen der Orks, mögen diese Steine wohl Schlechtes bewirken - aber gilt das nicht für alle machtvollen Gegenstände? Dass sie sowohl zum Guten als auch zum Bösen verwendet werden können?“. Aeskúrion, der mir erstaunlich aufmerksam zugehört hat, nickt mir zu und wendet sich dann wieder Magnus zu: „Euer Freund hat weise Worte gesprochen. Wir sollten diesen Streit vielleicht besser vertagen, Meister von Moosfels, und nun gemeinsam überlegen, wie in dieser Sache am besten vorzugehen ist. Wir werden Euch jedenfalls bei allem helfen, was ihr vorhabt.“

Der Rest des Abends verläuft deutlich harmonischer, und es werden auch schon die ersten Pläne geschmiedet. Einerseits sage ich dazu: 'endlich', doch andererseits hätte ich wirklich nichts gegen einen Abend einzuwenden gehabt, an dem man wirklich einfach nur in Ruhe hätte essen und trinken können. Was schreibe ich hier? Ich wollte doch Abenteuer! Aber dieser verderbte Wald scheint auch mich viel mehr erschöpft zu haben, als ich gedacht hatte. Wie dem auch sei, jetzt gilt es wohl wirklich, diesen Stein aus den Händen der Orks zu holen: Schon haben sich meine Gefährten und auch die Elfen geeingt, sich erst einmal um diesen magischen Erdstein zu kümmern, dessen Spuren Magnus, Myralin und ich in den letzten Wochen gefolgt sind. So berichten wir von den verschiedenen Botschaften der Zwerge und der Orks, die wir bei unserer Suche fanden, und in denen wir immer wieder auf einen Steinkreis hingewiesen wurden. „Oh, dieser Steinkreis ist uns durchaus bekannt! Er liegt nur etwa drei Meilen südlich von hier, nicht allzu weit entfernt vom östlichen Ufer des Jetzins“, so Aeskúrion. Nun berichten Magnus und ich von der Botschaft dieses Orks 'Zoglub' an seinen 'Boss Torgoch', die wir in diesem alten Wehrturm entdeckt hatten. Darin wurde uns zwar offenbart, wie man den Steinkreis betreten kann, allerdings fehlte uns ein Hinweis über ein ganz bestimmtes Zeichen, das man dabei wohl würde machen müssen.

„Da kann ich Euch vielleicht weiterhelfen“, erklärt Aeskúrion nun, „Vor etwa einhundert Jahren fiel eine Gruppe von etwa fünfzig Orks in unser Gebiet ein und machte sich an dem besagten Steinkreis zu schaffen. Ich selbst, damals noch jung und deutlich weniger erfahren, nahm zwanzig meiner Elfenkrieger mit - im festen Glauben, das würde reichen, um diese Eindringlinge zu vertreiben. Wir schlichen uns vom Wald heran, und da sah ich einen der Orks - und er sah völlig anders aus als seine Gefährten. Seine Augen leuchteten wie glühende Kohlen! Da stand er: Ausserhalb des Steinkreises, den Blick fest auf den Altar gerichtet: Den linken Arm hatte er ausgestreckt, in der Hand eine brennende Fackel, seine rechte Hand umfasste seinen linken Ellenbogen. Dann begann er, am Steinkreis entlangzugehen, den Blick immer weiter auf den Altar gerichtet, und dann... bekam ich genau in diesem Moment einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf und verlor das Bewusstsein", blickt uns Aeskúrion an und rümpft die Nase. "Nur mit viel Glück konnten die Angehörigen meines Volkes mich damals retten."

„Dieser Steinkreis...“, wendet sich jetzt Magnus an Aeskúrion. "Wisst ihr ob der von Menschen errichtet wurde, oder stammt er vielleicht sogar aus noch älterer Zeit?“. Dabei zeigt Magnus auf das Schwert an meiner Seite, von dem man mir ja gesagt hatte, es stamme aus der Zeit unserer alten Vorfahren. Doch auf diese Geste geht Aeskúrion nicht weiter ein. „Nun, dieser Steinkreis war schon hier, bevor die Sidhe Fascoluinne vor vielen Jahrhunderten in diese Gegend kamen. Und seit dieser Geschehnisse mit den Orks damals haben wir Elfen uns immer fern gehalten von diesem Ort. Dort geht es nicht mit rechten Dingen zu!“

„Was man vom verderbten Land wohl auch sagen kann“, merke ich an. "Und dennoch ist Toral damals dorthin aufgebrochen.“ - „Das stimmt wohl. Toral erkundete damals mit einer kleinen Gruppe dieses immer grösser werdende Gebiet des verderbten Landes, das aber auch nur, weil hiervon eine zunehmende Gefährdung des uns heiligen Waldes ausging. Der Steinkreis schien sich in keiner Weise auf unser eigenes Gebiet auszuwirken, sondern nur zu einer Gefahr zu werden, wenn man ihn aufsuchte, und so hielten wir uns von ihm fern.“

Während sich Monalon bei Aeskúrion genauer über Toral und seine Mission erkundigt, besprechen Mutter Ursula und Magnus, was denn mit den Steinen geschehen solle, wenn wir ihrer dann endlich habhaft geworden sind. Magnus besteht dabei darauf, sie an den Orden Sigmars zu übergeben, während Mutter Ursula die Steine gerne in Verenas Obhut sehen würde. „Warum geben wir sie nicht an Ranalds Leute“, mische ich mich ein. "Die lassen sie sich wenigstens nicht wieder klauen.“ Mutter Ursula findet das sehr amüsant: „Ich muss gestehen, bester Sigurd, der Gedanke hat etwas für sich - aber vielleicht sollten wir erst einmal zusehen, die Steine wirklich zu finden. Was damit dann geschenen soll, können wir immer noch später entscheiden." Sichtlich unwillig stimmt auch Magnus zu.

Eine kurze Weile später nimmt mich der Priester unter dem Vorwand, gemeinsam nach unseren Pferden sehen zu wollen, kurz beiseite und fragt mich, ob man Aeskúrion und seinen Elfen wohl trauen könne. Ja, ich kann nicht gerade behaupten, das zu wissen, schliesslich beschränken sich meine persönlichen Erfahrungen mit Elfen auch nur auf wenige Gelegenheiten, und aus meiner Vorliebe für das Leben des Bergvolkes habe ich ja auch nie einen Hehl gemacht, aber dennoch macht dieses Völkchen hier auf mich durchaus einen vertrauenswürdigen Eindruck - und das sage ich natürlich auch Magnus. Auch wenn ich im Zweifelsfalle immer die Gesellschaft von Zwergen  der von Elfen vorgeziehe - wohl auch weil, ich die Gebräuche und die Denkweise des Bergvolks aus meiner Middenheimer Zeit einfach besser kenne: Momentan können wir gewiss jeden Verbündeten gebrauchen.

Magnus scheinen meine Ansichten in dieser Sache zu beruhigen, denn als wir wieder zu den Anderen zurückkehren, führt er noch ein längeres Vieraugengespräch mit Aèskurion, an dessen Ende sich die beiden vertrauensvoll mit zwei Gläsern des wohlschmeckenden Birkenweines zuprosten.

Den Rest des Abends kann ich dann endlich einem längeren Gespräch mit Monalon widmen, in der ich ihr noch einmal ausführlich von meinen Erlebnissen seit Kemperbad berichte. Sie erzählt mir im Gegenzug, wie es damals gelang, sie wider aller Erwartung zu retten: Mit Hilfe einiger ebenfalls des Zauberns mächtiger Freunde hat ihr Vater - so berichtete er Monalon später selbst - während der Hinrichtung einen gewaltigen Illusionszauber bewirkt: Alle Anwesenden, auch die Henkersknechte, waren davon überzeugt, das Beil fallen gesehen zu haben - und kurz darauf eben auch Monalons Kopf. So wurde der 'Leichnam' dann fortgebracht. Anschliessend musste natürlich noch das Beil tatsächlich herabsausen, denn sonst hätte man ja bald bemerkt, dass das Henkersgerät niemals ausgelöst worden war - und  bei diesem Teil der Illusion musste den Zaubernden die Kraft ausgegangen sein, denn das 'zweite' Fallen des Beiles was tatsächlich das, was ich gehört habe! Den anderen Anwesenden wird es wohl ebenso ergangen sein, aber mit etwas Derartigem hatte wohl doch niemand gerechnet, und so hat auch niemand irgendetwas unternommen. Mir wird jetzt noch ganz schwindelig bei der Vorstellung, mit welchen Unverfrorenheit einige Zauberer aus Kemperbad hier in den Geschäfte des Staates selbst eingegriffen haben ...ganz zu schweigen davon, wie mächtig Monalons Vater wirklich sein muss, wenn er in der Lage ist, eine derart grosse Menschenmenge in dieser Art und Weise in die Irre zu führen - und zu dieser Menschenmenge gehörten ja auch zahlreiche wahrhaft mächtige Magier! Wie dem auch sei, anschliessend wurde Monalon dann eine gewisse Zeit lang bei ihren Eltern versteckt. Erstaunlicherweise sei sie selbst dem gleichen Zauber erlegen und war dann ab der 'Hinrichtung' mehrere Tage ohne Bewusstsein. Mir wird übel: Das bedeutet, Monalon hat ihre eigene Hinrichtung wirklich 'miterlebt'?! Ich möchte gar nicht wissen, wie man sich fühlt, wenn man einige Tage nach der eigenen Hinrichtung einfach wieder aufwacht! Aber einleuchtend ist es schon: Monalon durfte sich ja auch beim Abtransport der 'Leiche' keinesfalls auch nur das Geringste anmerken lassen. Später organisierte Mutter Ursula dann einen - anscheinend unter Dienerinnen der Verena nicht unüblichen - Austausch mehrerer Novizinnen ihres Ordens mit einem Kloster in Tiléa, und in der Verkleidung einer dieser diese Novizinnen konnte Monalon dann unbemerkt ausser Landes gelangen.

Als die ersten Strahlen der Morgensonne über die Bergspitzen im Osten kriechen, wird mir auch klar, warum ich müde bin! Als wir Aeskúrion darauf ansprechen, wird jedem von uns eine der kleinen, kunstvollen Hütten am Rande der Lichtung zugewiesen. Zu meiner Freude sehe ich in 'meiner' Behausung auch schon ein gemütliches Nachtlager vorbereitet.

Friedie:
Wellentag, der 13. Vorgeheim

Als ich wieder erwache, steht die Mittagssonne schon hoch über uns am Himmel. Die Anstrengungen der letzten Wochen haben doch ihre Wirkung gezeigt. Dennoch bin ich dann beim Frühstück nicht allein: Meine Reisegefährten wurden von Morr genauso lange aufgehalten.

Wieder gibt es das wohlschmeckende Elfenbrot, diesmal mit einem honigartigen Aufstrich - der mir sogar dann noch schmeckt, als ich erfahre, dass ich gerade Baumharz esse -, als Getränk wird uns ein heisser Aufguss aus verschiedenen Blütenblättern gereicht. Dieses schwarze Getränk, das wir seinerzeit beim fahrenden Volk kennen gelernt hatten, wäre mir zwar lieber gewesen, aber dies hier tut es auch. Zu meiner Überraschung sehe ich dann Myralin in ein Gespräch mit einem jüngeren der  Elfen vertieft - ist das nicht der gleiche, mit dem sie sich auch gestern Abend schon die ganze Zeit unterhalten hat? Na, wenn sie meint... Der mag ja jung aussehen, aber er wird bestimmt trotzdem schon dreimal so alt sein wie sie. Von Magnus erfahre ich, dass 'unsere' Ärztin tatsächlich eingeladen wurde, bei den Elfen zu verweilen. Ihr 'Auserwählter' sei  der Heiler dieser Gemeinschaft, und Myralin erhofft sich wohl, einiges von ihm lernen zu können. „Vielleicht sollte man den armen Kerl warnen“, flüstere ich Magnus grinsend zu. „Besser nicht, sonst haben wir sie weiter am Hals“, brummt der Sigmarianer zurück. Zur Ehrenrettung der Ärztin muss ich noch einmal erwähnen, dass sie uns durchaus das eine oder andere Mal wieder gut zusammengeflickt hat ...aber in letzter Zeit war es wirklich schon etwas anstrengend mit ihr geworden. Na gut: die Situationen, in die sie mit uns geraten ist, konnte so auch wirklich niemand vorhersehen. Fürs' grosse Abenteuer jedenfalls scheint Myralin einfach nicht gemacht.

Kurz darauf begeben wir uns zum Fluss Jetzin. Dort sind die Elfen bereits damit beschäftigt, unseren Wagen auf ein Boot zu verfrachten; unsere Pferde werden uns auf einem zweiten Boot folgen. Wirklich erstaunlich welch geringen Tiefgang diese beiden Elfenboote aufweisen. Wir gehen an Bord - wir bedeutet im Augenblick: Mutter Ursula, Monalon, Magnus und ich. Dazu kommen noch zwei Elfen, die die Boote lenken. Geht es eigentlich nur mir so, oder vergessen die anderen auch immer sofort jeden Elfennamen, den sie hören? Bei einem 'Tangrimm Eisenbeil' passiert einem das nie! Diese Elfennamen kommen mir immer vor wie nette, kleine Melodien - hübsch, aber viel zu verspielt, um sie länger im Kopf zu behalten. Ach, ich schweife ab. Aeskúrion ist ebenfalls zur Abfahrt erschienen und hebt zum Abschiedsgruss noch einmal die Hand und wünscht uns viel Glück. Magnus scheint sehr daran gelegen, noch einmal das hier geschlossene Bündnis zu bekräftigen und spricht dem Elfen erneut für Hilfe und Gastfreundschaft seinen und Sigmars Dank aus.

Zügig und mit ausserordentlichem Geschick steuern die Elfen die Boote. Nun ja: diese kleinen Schiffchen sind gewiss auch einfacher zu lenken als die gute alte Beribeli - und Monalon bekräftigt mich in meiner Auffassung. Bald kommen wir an der Furt vorbei, an der Mutter Ursula und Monalon vor einigen Tagen den Fluss durchquert hatten, um zu den Elfen zu gelangen. Und hier zeigt sich erst richtig, wie gering der Tiefgang dieser Elfenbote tatsächlich ist: Das klare Wasser scheint hier so flach, dass man meint, mit der Hand den Grund des Flusses erreichen zu können, wenn man sich nur ein wenig über den Bordrand beugt.

Zu beiden Seiten des Flusses erstreckt sich jeweils dichter Wald, und dann tut sich am linken Ufer - also der  Ostseite - eine beachtliche Lichtung auf. In der Mitte dieser Lichtung erhebt sich in wenigen hundert Schritten vom Ufer entfernt ein Steinkreis aus gewaltigen Monolithen, in dessen Zentrum deutlich ein Altar zu erkennen ist. Am gegenüberliegenden Ufer ragt der Wald so hoch und so dicht auf, dass es mich nicht wundert, warum niemand der Reisenden, die sich natürlich immer entlang der Strasse am Westufer halten, von diesem Steinkreis auch nur das Geringste gewusst hat!  Wer auch immer diesen Altar seinerzeit errichtet hat, er hat ganz offensichtlich darauf geachtet, dass er leicht erreichbar und doch fast unmöglich zu entdecken ist. Doch wir haben ihn endlich gefunden! Vom Ufer, an dem wir die Boote festmachen, führt ein leicht geschwungener Weg zunächst geradewegs nach Osten, biegt dann jedoch ab, so dass man sich den Steinkreis schliesslich aus nördlicher Richtung nähert. Alles hier macht einen äusserst friedlichen Eindruck, was durch das heutige sonnige Sommerwetter natürlich noch verstärkt wird. Nur dass die Pferde plötzlich unruhig werden, verwundert mich! Ich helfe den Elfen gerade dabei, die Tiere wieder am Wagen festzumachen, den die beiden Bootsführer bereits an Land gebracht haben, da bemerke ich, dass Magnus und die beiden Frauen schon sorglos auf den Steinkreis zuschlendern. Eilig laufe ich den Dreien nach: Ich erinnere mich noch zu gut an die bösen Mächte, die an solchen Orten oft wirken! Wie war das damals noch an der 'Schale des Teufels'? Als Wolfgang, Monalon und ich auf der Suche nach dem Formstein und nach Etelka Herzen, dieser Dienerin des Chaos, gesucht haben? Aber die Warnung, die ich meinen Gefährten noch zurufen will, kommt zu spät: Magnus hat den Steinkreis bereits betreten. Plötzliches Grollen der Erde selbst, schlagartig verfinstert sich der Himmel, Blitze zucken hernieder. Mit einem Ruck beginnt die Erde zu beben: In schweren Wellen wogt sie auf und ab -  den Mittelpunkt der Bewegungen stellt zweifellos der Altar dort dar. Und dann geht alles noch schneller: Dutzende von Armen graben sich aus der Erde, schon richten sich die ersten Skelette auf - das dürften einstmals wohl Goblins gewesen sein. Ein schauerlicher Anblick! Monalon und Magnus haben die Schwerter gezogen und setzen sich nach Kräften zur Wehr, ich will schon zu ihnen hinüber stürmen, um ihnen beizustehen, doch da sehe ich voller Entsetzen, dass vom östlichen Waldrand her weitere dieser Goblin-Skelette nahen: Dutzende! Aus Leibeskräften brülle ich: „Zu den Booten!“, denn alles ausser Flucht wäre hier der schiere Wahnwitz.

Mit Müh und Not - und mit tatkräftiger Hilfe der Elfen, die wohlweislich Karren und Pferde schon wieder von Land geschafft haben, kaum dass der erste Blitz über den Himmel zuckte -, gelingt es uns, die Boote zu erreichen und mit ihnen die Mitte des Flusses anzusteuern. Vom leicht erhöhten Ufer aus starren uns Dutzende - oder Hunderte? - skelettierter Goblins aus ihren leeren Augenhöhlen drohend an. Und dieser Anblick macht es mir wirklich schwer, das Frühstück bei mir zu behalten! „Wie sollen wir da denn reinkommen?“, deutet Magnus auf den Steinkreis. Ich schlage vor, erst einmal zum Lager der Elfen zurückzukehren und dort in aller Ruhe zu beraten, was als nächstes zu tun sei, denn diese Goblin-Skelette scheinen zwar zum Glück das Wasser zu scheuen, aber weiter kommen werden wir am Ufer im Moment ganz gewiss nicht. Und ausserdem möchte ich jetzt wirklich nichts wie weg hier! Da die Anderen mir zum Glück beipflichten, machen wir uns flussaufwärts wieder auf den Weg.

Ziemlich zerknirscht kehren wir also in das Lager der Elfen zurück. Da sieht man wieder, wie wichtig sorgsame Planung ist! Das habe ich damals schon gesagt, in Kemperbad, aber nein: Monalon musste ja unbedingt diesen Buchhalter umbringen! Ach, was rege ich mich auf... Nur: Wie soll es denn jetzt weitergehen ? Beim Mittagsmahl werden verschiedene Pläne besprochen, wie man dieser untoten Goblins Herr werden könne. Ja:  besprochen und verworfen! Mutter Ursula schlägt allen Ernstes vor, den ganzen Fluss zu 'weihen'. Aber da halte ich mich lieber zurück, denn davon versteh' ich rein gar nichts. Schliesslich schicken die Elfen ein paar Kundschafter in die Nähe des Steinkreises, die vorerst einfach nur die Lage dort beobachten sollen.

Der weitere Tag verläuft ohne nennenswerte Ereignisse. Kurz vor dem abendlichen Mahl kehren die Kundschafter zurück und melden, am Steinkreis sei alles ruhig sei wie eh und je. Wir beschliessen, unser Glück am nächsten Tag einfach noch einmal zu versuchen.

So folgt ein weiterer schöner Abend im Lager der Elfen mit Wildbret und Birkenwein. Myralin stellt uns ihren neuen ' Lehrer', die jungen Elfen-Heiler vor (und ich habe den Namen schon wieder vergessen!). Der Heiler kümmert sich erfolgreich um Magnus Verletzungen; gegen mein Bannzeichen auf der Stirn kann er aber leider nichts unternehmen. Er sagt, wäre die Wunde frischer, hätte er vielleicht verhindern können, dass sich dort eine Narbe bildet, aber so.... Das war dann wohl nichts mit einer schnellen Rückkehr ins Reich für mich. Aber immerhin kann dieser Heiler meine verletzte Wange wieder herstellen, so als wäre nichts gewesen.

Nach dem Essen geselle ich mich noch zu einigen Elfenmusikern, um mit ihnen ein bisschen für Unterhaltung zu sorgen. Die Jungs sind wirklich gut, und es macht Spass, nach so langer Zeit mal wieder mit Elfen zu musizieren - die haben wirklich einen ganz eigenen, aber auch sehr faszinierenden Musikstil. Das damalige gemeinsame Spiel mit Lladréin in Nuln macht sich jetzt für mich ein wenig bezahlt; die Elfen sind recht erstaunt, dass ich manchen ihrer eigentümlichen Harmonisierungsweisen so schnell folgen kann. Und im Laufe dieses netten Abends erfahre ich auch, dass der im Reich mittlerweile sehr bekannte Elfenbarde auch hier kein ganz Unbekannter ist.

Friedie:
Daubentag, der 14. Vorgeheim               

Als wir am nächsten Tag am Steinkreis eintreffen - bis hierher verlief eigentlich fast alles genau so wie am Tag zuvor, nur das wir heute sehr viel zeitiger aufgebrochen sind -, herrscht dort absolute Stille. Von den erschreckenden Ereignissen des gestrigen Tages sind keine Spuren mehr zu finden. Doch diesmal, so sind wir uns einig, wollen wir den uns Hinweisen,  die wir zu diesem Steinkreis bislang erhalten haben, doch wirklich buchstabengetreu folgen! Ich erinnere mich an die wohl entscheidende Botschaft Zoglubs, dem man wohl für Orks eine beachtliche Bildung wird zugestehen müssen, denn der Text, den er 'uns' hinterlassen hat, las sich fast schon wie richtige Sprache:

„Wenn du irgendwann mal deine Zauberkraft auffrischen möchtest, dann geh hoch zum Steinkreis. So kommst du rein: Geh um die Steine rum nach Nordost, dann nach Südwest und dann wieder nach Norden. Währenddessen musst du das Zeichen machen, was ich dir gezeigt habe. Dann gehen Flammen an. Du hältst eine Flamme fest und gehst durch die Öffnung - sollte gar kein Problem sein. Die Flammen gehen hoch, und dann kommst du rein. Sag keinem, dass ich dir das gesagt habe und bleibe den Göttern treu."

„Na, Freiwillige vor“, fordert uns Mutter Ursula auf. „Wie wär' es denn, wenn Monalon geht - die braucht nicht einmal eine Fackel, um Licht zu machen!“, schlage ich vor. Doch meine liebe Gefährtin denkt erst gar nicht daran, sondern hebt nur einen Zweig vom Boden auf, zündet ihn an der Spitze an und drückt mir diese Behelfsfackel einfach in die Hand. Man hat mich überrumpelt, denke ich gerade noch, als Magnus mir jetzt aufmunternd auf die Schulter klopft und auch Mutter Ursula mir zunickt.

Das ist ja wieder mal ganz toll gelaufen! Aber auf lange Diskussionen möchte ich mich jetzt auch nicht gerne einlassen. Sieh zu, wie Du das jetzt in Würde hinter Dich bringst, Sigurd, denke ich mir. So folge ich den Anweisungen haarklein, nehme die 'Fackel' (oder eher diesen 'Fackelersatz') in die linke Hand, strecke den Arm nach vorn und umklammere mit der rechten Hand meinen linken Ellenbogen - genau, wie Aeskúrion es beschrieben hat. Dann beginne ich, den Steinkreis langsam zu umrunden. Als ich meinen Ausgangspunkt wieder erreicht habe und von Norden aus den Altar betrachte, bricht darauf plötzlich eine gewaltige, gleissendblaue Flammensäule empor. Mir verschlägt es fast den Atem. Tatsächlich, bis jetzt geschieht alles genau so, wie das auf dem alten Pergament beschrieben steht. „Möchte jetzt vielleicht jemand von Euch 'übernehmen' ?“, frage ich hoffnungsvoll meine Gefährten - und ich stelle fest, dass meine Stimme auch schon einmal deutlich kräftiger geklungen hat. "Vielleicht irgendjemand mit magischen Kräften? Oder mit mehr Nähe zu der Göttin der Weisheit? Oder vielleicht jemand mit dem Mute Sigmars?“ Keine Reaktion. Ich muss verrückt sein allein weiterzumachen, aber die Neugier treibt mich letztendlich doch voran. Mit der rechten Hand am Schwertknauf trete ich mit einem grossen Schritt in das Innere des Steinkreises. Nichts. Kein, Grollen, keine Blitze, keine Erdstösse und keine Skelettarme, die aus dem Boden hervorbrechen. Soweit so gut. Mit klopfendem Herzen gehe ich auf den Altar zu, umrunde diesen und erreiche schliesslich eine kleine Steintreppe, die bis auf die Altarfläche selbst hinaufführt. "Ranald, steh' mir bei!", bete ich, während ich die Steinstufen langsam emporschreite. Als ich mich noch einmal kurz umwende, sehe ich, dass meine Gefährten immer noch vor dem südlichen 'Eingang' des Steinkreises verharren. Mutter Ursula nickt mir noch einmal aufmunternd zu.

Ein bis zwei Fuss vor mir lodern weissblaue Flammen viele Meter in die Höhe. Ich strecke den linken Arm mit dem brennenden Zweig langsam nach vorne. Merkwürdig, ich fühle dort weder Hitze noch Kälte. Wie lautet noch der alte Text ? „Du hältst eine Flamme fest und gehst durch die Öffnung...“. Jetzt strecke ich auch meine rechte Hand in das Feuer. Ich muss den Verstand verloren haben, geht es mir durch den Sinn. 'Ranald, steh' mir bitte nochmal bei', schicke ich ein weiteres Stossgebet 'gen Himmel und greife nach den Flammen, die sich jetzt fast wie ein Vorhang öffnen. Ich mache einen grossen Schritt nach vorne, sehe rings um mich nichts als ein gleissendes Weissblau und höre hinter mir die Stimmen meiner Gefährten: "Sigurd? SIGURD?!"


Fortsetzung folgt!

Friedie:
noch Daubentag, der 14. Vorgeheim

Die bläulichen Flammen rings um mich ebben nun deutlich ab, und mit einem Male scheint alles um mich wesentlich dunkler zu sein. Ich befinde mich noch immer auf einem Altar - der jetzt allerdings in einem saalartigen, langgestreckten Raum steht. Weit über mir, die Decke mag sechs oder sieben Meter von mir entfernt sein, sehe ich eine Öffnung, durch die ich einen nächtlichen Sternenhimmel erkennen kann. Allerdings wird das Licht dabei irgendwie gebrochen - fast sieht es aus, als würde ich durch eine Art Eisblock schauen. Und dieser 'Eisblock' entspricht in seinen Ausmassen genau dem Altar, auf dem ich mich befinde - und dem, auf dem ich mich gerade eben noch befunden habe!

Mit einem Mal höre ich auch leise Stimmen, die allerdings aus unendlicher Ferne zu kommen scheinen: „Wenn mein Sohn jetzt nur hier wäre...“ und:  „Wir sollten ihm folgen!“. Unzweifelhaft die Stimmen Ursulas und Monalons. Kurz darauf vernehme ich auch Magnus Worte: „Seid ihr des Wahnsinns? Wir sollten zurück zum Fluss...“. Ich rufe in die Richtung, aus der die Stimmen zu mir dringen - wobei ich mich sehr schwer tue, diese Richtung überhaupt zu bestimmen, irgendwie habe ich nämlich das Gefühl, die Stimmen in Wirklichkeit nur in meinem Kopf gehört zu haben: „Folgt mir ruhig, hier ist es sicher!“. Doch meine Gefährten reagieren nicht darauf, von draussen scheint man mich nicht wahrnehmen zu können. Dann höre ich auf einmal Schritte, die sich immer weiter nähern. Sofort steige ich rasch seitlich vom Altar herunter. Die Schritte werden lauter und lauter, und erneut vernehme ich Magnus Bariton: „Ich möchte noch mal daran erinnern, dass ich das für eine Idee des Wahnsinns halte…“. Kurz darauf erscheint Monalon aus dem Nichts auf dem Altar, unmittelbar gefolgt von Mutter Ursula, und kurz darauf sehe ich auch Magnus dort erscheinen.

„Endlich kommt ihr! Wie lange soll ich denn noch auf Euch warten?“, begrüsse ich sie, lässig an die Wand des Gewölbes gelehnt. Ursula blickt mich etwas verstört an, unsere Geschichten über die Zeitverschiebungen im verderbten Land scheinen ihr gerade durch den Kopf zu gehen - Verwirrung führt bei ihr übrigens zu einem äusserst lustigen Gesichtsausdruck. Doch als ich dann zugebe, selbst erst vor kurzem hier eingetroffen zu sein, beruhigt sie sich wieder.

Wir nehmen uns erst einmal etwas Zeit, uns ein wenig hier umzusehen. An den Wänden befinden sich kunstvolle Spiralmuster aus Stein, doch dazwischen sind mittlerweile nur zu vertraute Schmierereien orkischer Machart zu erkennen. Ich zücke meinen Kompass, um mich ein wenig zu orientieren... und tatsächlich, dieses Mal lässt er mich nicht im Stich, ganz anders als noch vor ein paar Wochen in den Höhlen unter Burg Wittgenstein. Vielleicht macht sich das Ding ja eines Tages doch noch bezahlt.

Während am westlichen und am östlichen Ende des lang gestreckten Raumes jeweils zwei grosse, durch massige Säulen begrenzte, Öffnungen gähnen - wie es dahinter weitergeht, vermag ich von hier aus nicht zu erkennen, dafür ist es doch entschieden zu dunkel -, gibt es an der nordwestlichen, nordöstlichen und südöstlichen Wand jeweils abgehende Gänge. Dort, wo man jetzt einen vierten Gang vermuten würde, nämlich im Südwesten (was bedeuten würde, dass sich ursprünglich jeweils zwei Gangöffnungen unmittelbar gegenüber lagen) sieht die Mauer ziemlich brüchig aus. Neugierig, wie ich nunmal bin, sehe mir das etwas genauer an und stelle fest, dass hier tatsächlich einmal ein Durchgang war, der aber anscheinend mit losem Gestein nur sehr unfachmännisch zugemauert wurde. Dafür spricht auch das Fehlen der Spiralmuster in diesem Bereich, mit denen sonst überall in diesem Saal die Wände geziert sind. „Um das hier freizuräumen, bräuchte man sicherlich ein paar Stunden“, stelle ich fest, und so einigen wir uns darauf, zunächst einmal die anderen Gänge zu erkunden. Aber wo sind wir hier eigentlich? Genau diese Frage wird nun erst einmal von allen ausgiebig besprochen. Meine eigene Vermutung - dass wir uns tatsächlich genau unterhalb des Steinkreises befinden - wird dabei auch von den anderen als durchaus möglich angesehen. Was mir hier jetzt noch auffällt ist, dass im Bereich vor dem brüchigen Mauerteil der Boden leicht abfällig ist. Wäre der Boden hier nicht überall so glatt, wäre mir das gewiss überhaupt nicht aufgefallen. Aber so weise ich meine Gefährten darauf hin und kann mir nicht die Anmerkung verkneifen, dass es ganz so aussieht, als wären hier irgendwann einmal wahrlich gewaltige Kräfte am Werk gewesen.

So machen wir uns endlich daran, diese uralten Räumlichkeiten näher zu untersuchen. Mit Hilfe von Monalons Licht - wir hätten doch besser auch noch ein paar Fackeln vom Elfenlager mitnehmen sollen! - gehen wir zunächst einmal durch die grosse Öffnung am westlichen Ende des Saales. Doch dort treten wir nur in eine leere, augenscheinlich natürliche Höhle, an deren Ende sich ein steiler Abhang befindet. In etwa vier bis fünf Metern Tiefe scheint sich ein grosses Wasserloch zu befinden. Nichts Interessantes also, und so wenden wir uns dem ersten Gang zu - dem, der an der „Nordwestecke“ des grossen Saales beginnt. Vorne geht dabei Magnus, gefolgt von Monalon, die ihren Arm weit nach oben reckt, um wenigstens ein bisschen für Licht zu sorgen. Dahinter folge ich während Mutter Ursula die Nachhut bildet. Nach wenigen Meter erreichen wir den Anfang einer geraden, sauber gemauerten Treppe, die steil in die Tiefe führt. Kaum  haben wir die ersten Stufen hinter uns gebracht, hören wir plötzlich vor uns schlurfende Geräusche. „Da kommt jemand“, zischt Magnus leise und zieht das Schwert. In Monalons Lichtschein sehen wir dann, wie uns ein gedungender, zweifellos untoter Ork entgegen stapft, in jeder seiner Klauen einen schartigen Säbel. Magnus reagiert blitzschnell: Mit nur einem Streich gelingt es ihm, seinen Gegner regelrecht zu fällen - der daraufhin rücklings die Treppe herunterstürzt und so wieder in der Dunkelheit verschwindet. Der macht uns keinen Ärger mehr.

Am Fusse der Treppe angekommen, müssen wir feststellen, dass der Gang hier nach Osten abbiegt. Gerade sind wir um die Ecke gebogen, da steht plötzlich schon wieder eine Grünhaut vor uns, die der ersten wie ein Ei dem anderen gleicht. Blitzschnell drückt Magnus Monalon ein wenig zur Seite, um sich etwas mehr Platz zu verschaffen, und greift den Ork an. Er trifft den ebenfalls säbeltragenden Untoten auch in der Schulter, doch gleichzeitig reisst einer der Säbel seines Gegners eine unschöne Wunde in Magnus eigene Schulter. Sofort stürzt sich auch Monalon auf den Gegner, um dem Sigmarianer beizustehen. Ich würde ja zu gerne auch eingreifen, ziehe auch schon einen Wurfdolch und spähe nach einer Lücke, um diesen Ork anvisieren zu können. Doch der Gang hier ist viel zu eng und Monalon und Magnus versperren mir den Weg. Gerade scheint sich eine Lücke aufzutun, da drängt sich plötzlich Mutter Ursula von hinten an mir vorbei: „Sigurd, da kommt 'was' die Treppe runter!“. Rasch wende ich mich um, und da stapft auch schon ein weiterer Ork die Treppe herunter. Blitzschnell werfe ich meinen Dolch, der dann auch die Brust des Gegners trifft, dann aber wundersamer Weise einfach durch ihn hindurchfliegt und mit einem blechernen Klirren irgendwo hinter ihm auf die Treppenstufen fällt! Und der Ork, auch dieser mit einem Säbel in jeder Hand bewaffnet, kommt völlig unbeeindruckt weiter auf mich zu. Was für ein fauler Zauber ist das jetzt nun wieder? Während hinter mir Kampfeslärm dröhnt, ziehe ich mein Schwert und treffe den Ork auch blitzschnell in das rechte Bein. Er wankt, prallt dabei kurz gegen die Wand, doch dann findet er sein Gleichgewicht wieder und greift mich unerwartet schnell mit einem mächtigen Säbelhieb an. Gerade noch kann ich den Schlag, der wohl meinen Kniescheiben galt, parieren. Ich schlage ein zweites Mal zu und treffe den linken Arm so heftig, dass ich ihn knapp unterhalb der Schulter vollständig vom Rumpf abtrenne - nutzlos fällt der Säbel klirrend zu Boden. Bevor ich erneut  zuschlagen kann, bricht der Ork in sich zusammen, so dass ich mich nun wieder dem restlichen Geschehen zuwenden kann. Vielleicht brauchen ja meine Gefährten Hilfe?

Doch auch dort ist der Kampf bereits beendet: Die anderen sind gerade dabei, ihre leichten Verwundungen zu versorgen. Magnus Schulterverletzung stellt sich dabei zum Glück als ebenso harmlos heraus wie der leichte Schnitt, den Monalon knapp unterhalb des Halses davongetragen hat. Plötzlich vernehme ich hinter mir Mutter Ursulas aufgeregte Stimme: „Magnus, ist Euer Ork auch verschwunden ?“. Und tatsächlich, nicht einer der drei Gegner ist mehr aufzufinden. Drei untote und jetzt wieder tote Orks und keine Leiche!, geht es mir durch den Kopf. Muss ich das jetzt verstehen?

Aber es hilft ja nichts, lange darüber zu nachzudenken, was hier gerade geschehen ist, oder warum dem so ist... und so folgen wir weiter dem Gang, der durch einen Torbogen in einen kleinen Raum führt. An der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein weiterer Torbogen, hinter dem ein ganz ähnlicher Gang noch einige Meter weiter führt, doch der Rest  des Weges scheint völlig von Erdreich verschüttet. Vielleicht täusche ich mich auch, denn weit genug, es genau erkennen zu können, reicht auch Monalons Licht nicht. Doch von dort aus schlägt uns auch äusserst unangenehmer Schimmelgeruch entgegen, also könnte der Weg wirklich verschüttet sein. Erdig genug riecht es hier jedenfalls. Der Raum, den wir jetzt erreicht haben, ist an sich völlig leer, doch  seine rechte Wand besteht fast zur Gänze aus einer grossen doppelflügeligen Holztür. Mit grossen, ungelenken Buchstaben ist auf das Holz mit Kreide eine Botschaft gemalt: „TRAUSN BLEIM – TORGOCH HAZE TUN !!!“

Der Türsturz weist einige Risse auf - meine Gefährten bemerken es zwar nicht, aber ein bisschen habe ich bei Meister Guntram damals in Middenheim ja doch gelernt -, mir scheint es fast, als würde das Gesamtgewicht der Steine mittlerweile auf den Türblättern lasten, so dass nur das Holz den Türsturz überhaupt noch hält. Ob das wohl irgendwie mit den Kräften zu tun hat, die auch den Boden oben im 'Altarsaal' (irgendwie muss ich ihn ja nennen!), so haben absacken  lassen? Und sollten wir versuchen, diese Tür mit Gewalt aufzubrechen, besteht die Gefahr, dass uns das alles auf die Schädel kracht!

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