Ich bin gerade auf das Fan-Sourcebook Data Haven North gestoßen und hab's mal durchgeblättert. Man hat schon schlechteres gesehen, aber leider sind wieder viele der darin enthaltenen Waffen nur Regelkonversionen realer Schießprügel. Das ist ja ein Syndrom, an dem wohl die meisten Fan-Arbeiten kranken. ABER immerhin sind die Waffen dafür mit Sinn und Verstand designt, von ein paar wenigen Ausnahmen (Gasventil+Schalldämpfer) mal abgesehen.
Bemerkenswert finde ich allerdings eine Zusatzregel für vollautomatisches Feuer. Ich zitiere:
Vollautomatischer Feuerstoß
Werden vollautomatische Feuerstöße nach den Regeln in SR 3.01D (Seite 110f) durchgeführt, dann resultiert die großzügige Bedeckung eines Gegners mit Munition nur theoretisch in dessen unerfreulichem Ableben. In der Spielpraxis ist der Mindestwurf auch durch den enormen Rückstoss so hoch, dass nicht ein einziger Schuss ins Ziel geht; Profis feuern deshalb im Salvenmodus. In der Realität wird das Ziel wenigstens von den ersten Schüssen getroffen, die folgenden Regeln spiegeln diese Tatsache wider. Sie erfordern etwas mehr Rechenarbeit, machen aber vollautomatische Waffen wesentlich tödlicher (auch in ungeübten Händen).
Der Mindestwurf erhöht sich für jeden Schuss in der gleichen Kampfphase um 1, außer dem Ersten; es gelten alle bekannten Modifikatoren für Rückstoß, Deckung, etc. Es wird allerdings erst der Mindestwurf für einen einzelnen Schuss berechnet, dann für den gesamten Feuerstoß. Werden Erfolge gegen letzteren erzielt, dann treffen alle Kugeln. Werden nur Erfolge gegen den ersten Mindestwurf (Einzelschuss) geschafft, so verfehlen das Ziel eine Anzahl von Schüssen entsprechend der Differenz von Feuerstoß-Mindestwurf und höchstem erzielten Würfelwurf. Jede getroffene Kugel erhöht das Powerniveau um 1, jede dritte erhöht das Schadensniveau, wie gehabt.
Diese neue Regel lässt sich natürlich auf für mehrere Gegner anwenden, dann werden für jeden Gegner separat die beiden Mindestwürfe (inklusive kumulativer Mali und Berechnung des Rückstoßes) ermittelt. Ein nur geringer Mehraufwand im Hinblick auf eine Regel, die wesentlich näher der Realität ist.
Beispiel: Ein Charakter feuert vollautomatisch 10 Schuss mit seiner guten alten Ingram Smartgun auf einen Gegner in mittle-rer Entfernung. Der Einzelschuss hat einen Mindestwurf von 5 (mittlere Distanz) -2 (Smartgun) =3; der Feuerstoß hat einen Mindestwurf von 5 (mittlere Distanz) -2 (Smartgun) +9 (erster Schuss zählt nicht mit) -2 (Gasventil) = 10. Der Charakter wirft 8,7,4,4,4,3,2,1 und hat somit 6 Erfolge für den einzelnen Schuss. Der Mindestwurf von 10 wird nicht erreicht, also verfehlen 10 (abgefeuerte Schüsse) -8 (höchster erzielter Wurf) =2 Kugeln das Ziel. Dies resultiert in einem Schaden von 15T mit sechs Erfolgen. Nach den herkömmlichen Regeln hätte nicht ein einziger Schuss den bedauerlichen Gegner getroffen.
Im Endeffekt macht man quasi mehr oder weniger aus dem Angriffswurf eine Offene Probe.
Meine Gedanken dazu, nach kurzer Überlegung:
Diese Regel ist durchaus plausibel und logisch, und auch der Rechenaufwand hält sich nach meiner Einschätzung in akzeptablen Grenzen. Es ist absehbar, dass in Gruppen mit dieser Regel Fullauto-Feuer wesentlich beliebter sein dürfte. Eigentlich kann man, solange man genügend Munition hat, mit einem richtig langen Feuerstoß gar nichts mehr falsch machen - ein Teil der Kugeln trifft ja quasi garantiert.
Das könnte einerseits positiv im Sinne der Cinematik sein. In welchem Actionfilm geben die Helden schon hochdiszipliniert immer nur kurze gezielte Feuerstöße ab? Da wird Blei in die Heide gerotzt, bis das Umweltamt kommt. So dürfte dann mit dieser Regel auch der Munitionsverbrauch erheblich steigen.
Andererseits sage ich aber auch voraus, dass das Spiel dadurch wesentlich tödlicher wird. Jeder Depp kann einfach auf gut Glück einen 10er-Feuerstoß rausrotzen, und selbst wenn er den Auto-MW grandios um 5 verpasst, treffen immer noch 5 Kugeln, solange er wenigstens mit einem Einzelschuss den MW erreicht hätte.
Wenn man also dieses Konzept übernehmen will, sollte man imho auf der anderen Seite auch die Überlebenschancen erhöhen.
Ansätze:
* Aufwertung der Ausweichprobe. Man könnte z.B. statt einer reinen Kampfpoolprobe eine Reaktionsprobe machen, die durch Kampfpool unterstützt werden kann. So könnte man pro Runde mehrmals effektiv ausweichen, und hätte dabei mehr Würfel zur Verfügung.
* Außerdem könnte jeder Erfolg bei der Ausweichprobe einen Treffer negieren.
* Und schließlich könnte ausreichend starke Panzerung körperlichen Schaden in Betäubungsschaden umwandeln. Soweit ich weiß, gibt es diese Regel bei SR4. Kann mir ja jemand genaueres zu sagen?
Um an obiges Beispiel anzuknüpfen:
Der Angreifer hat effektiv mit mehr Glück als Verstand 15T mit 6 Erfolgen erzielt. Sein Gegner läuft gerade Gefahr, von 8 Kugeln zersiebt zu werden. Er legt zunächst eine Ausweichprobe auf Reaktion(6) ab und pumpt noch 6 Würfel aus seinem Kampfpool dazu. Er wirft also 12 Würfel gegen einen Mindestwurf von 6 (4 +1 für jeweils 3 "treffende" Geschosse), und erzielt immerhin drei Erfolge.
Der Angreifer hat immer noch 3 Nettoerfolge, aber jetzt treffen nur noch 5 Kugeln, was den Schadenscode auf 12T und 1 Nettoerfolg reduziert. (7M + 5 = 12S, 2 der 3 Nettoerfolge erhöhen das Schadensniveau von S auf T). Nun zieht der Getroffene noch seine Ballistikstufe (5) ab und muss Schadenswiderstand gegen 7T+1 würfeln. Hoffentlich schafft er mindestens 3 Erfolge.
Was meint ihr zu dem Ganzen? Also zu der Automatikregel einerseits, und meinen Ausgleichsregeln andererseits? Kann man da was draus machen, oder wird das wieder viel zu kompliziert?
Achja, ALTERNATIV:
wie wäre es, wenn bei einem vollautomatischen Feuerstoß, bei dem nach dem obigen Modell der Auto-MW nicht erreicht wurde, aber der Einzel-MW schon, auch _genau ein_ Geschoss trifft, und zwar mit der Anzahl Erfolge, die gegen den Einzel-MW erzielt wurden?
Bei obigem Beispiel hätten dann halt nicht 8 Kugeln, sondern genau 1 Kugel mit Schaden 7M und 6 Erfolgen getroffen.