Komischerweise sind meiner Erfahrung nach viele DSA-Spieler, die "einfach nur spielen" wollen und sich "nicht für Regeln interessieren" massiv auf die DSA-Regeln fixiert. Denen ist es dann auch wichtig, dass viele Details des Charakters abgebildet werden. Probleme gibt es dann im Spiel - was die Generierung angeht, sind die Spieler vielleicht noch fit, aber sobald es um Manöver, spontane Modifikatoren von Zaubern, Beschwörungsregeln etc. geht - oder auch nur um die Initiativeregeln - kommen sie durcheinander und verstehen nicht die Hälfte von dem, was sie da gerade würfeln. Die Folge ist ein lascher Umgang mit den komplizierten Regeln und Handwedelei. Was ich mir daher eher vorstellen könnte, wäre ein Spiel mit zwar ausgefeilten, komplexen Charakteren, aber einfachen Spielregeln.
Ich muss da immer an Gurps denken. Die Generierung eines Charakters ist ähnlich komplex, aber die Spielregeln sind wesentlich unkomplizierter gehalten. (Ohne die taktischen Möglichkeiten zu reduzieren.) Ich habe 4 Jahre einen Söldner in DSA4 gespielt, ohne seine Manöver auswendig zu beherrschen (d.h. in jeder Situation anwenden zu können, ohne noch mal ins Buch zu schauen und bestimmte Modifikatoren abzuklären). In Gurps habe ich die gegebenen Möglichkeiten einfach ausgenutzt, weil die Regeln schnell, einfach und nützlich waren (Deckung, Dodge and Retreat/Drop, Pop-Up-Attacks, Shield Bash, aufgeladene Zauber usw. usf.). Komischerweise genießt Gurps, was die Komplexität der Regeln betrifft, einen m.E. genauso schlechten Ruf wie DSA4. Dabei wird wohl leider häufig "kompliziert" mit "komplex" verwechselt. DSA4 ist komplex (was nicht schlecht ist, wenn man komplex mag) und kompliziert (was schlecht ist). Gurps ist auch komplex, aber unkompliziert. Das kann jeder zu Hause leicht durch eine Gegenüberstellung entsprechender Regeln überprüfen
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Ich möchte jetzt weiß Gott nicht Gurps für DSA verwenden. Ich mag das Magiesystem nicht und an den Charakteren gefällt mir auch so einiges nicht. Häufig erscheint es mir ohne Seele. DSA ist da ganz anders. Zugestanden, an DSA missfällt mir vielleicht noch mehr an Gurps, was die Regeln hat - aber es hat Seele. Es ist ein träger, langsamer Gigant, ein Koloss, der sich beim Spielen müde erhebt und ungelenk mal in die eine, mal in die andere Richtung möchte. Aber wenn ich schon einen Nachmittag aufwende, um mir einen Charakter zu generieren, möchte ich auch das volle regeltechnische Potential in meiner "ich lege keinen Wert auf Regeln, möchte aber trotzdem
unbedingt DSA4 spielen"-Runde nutzen kann. Ich konnte bislang auch niemanden von der Widersprüchlichkeit dieser Einstellung überzeugen. Wenn ich sowieso erzählonkelig spiele, dauernd Regeln ignoriere usw. - wieso zur Hölle nicht mit einem System, das mit weniger als 1000 (!!!!) Regelseiten auskommt?
Wie soll DSA einen bestimmten Spielstil ansprechen, wenn die Spieler selber nicht wissen, was sie möchten? Meiner Meinung nach ist das ein Problem der aktuellen DSA4-Regeln. Die sind zum großen Teil eben im Labor bzw. auf dem Papier entstanden.