Pen & Paper - Spielsysteme > Systemübergreifende Themen
[Vergleich] Mittelerde-Rollenspiele
Feuersänger:
Dazu würde ich auch noch ein paar Takte anmerken. Hast du die deutsche oder die englische Version getestet? Ich nehme mal an englisch, denn in der deutschen Fassung heissen die Klassen "Berufungen" und nicht "Orden".
1. finde ich das System nicht besonders belastbar, bzw. es widerspricht in seiner Mechanik dem im Spielleiter-Abschnitt propagierten Spielstil. So ist z.B. laut Regeln ein einziger Ork/Uruk ein verdammt harter Knochen und einem typischen Menschen von den Kampfwerten her überlegen. Und im SL-Kapitel wird dann geraten, die ganzen Gesundheitsgrad-Regeln über Bord zu werfen und die Mobs einfach nach ein bis drei Treffern zu Boden gehen zu lassen. Also was denn nun?
2. hat mich die Nomenklatur genervt; erstens diese zwanghafte Vermeidung konventioneller Rollenspielbegriffe: "wir sagen aber nicht Charisma sondern Auftreten". Zweitens viele verwirrend ähnlich lautende Begriffe, zumindest in der deutschen Fassung: "Tapfer" ist was anderes als "Tapferkeit", man muss Gewandheit von Geschicklichkeit unterscheiden (oder so ähnlich), und so weiter. Mal ganz abgesehen von diesem penetranten "Die Erzählerin"-Gefasel.
3. Das Regelbuch ist unübersichtlich hoch drei; das geht schon damit los, dass die Kapitel keine eindeutigen Überschriften haben, sondern irgendwelche Stimmi-Titel, die keine Rückschlüsse auf den Inhalt zulassen. Wer kommt z.B. auf die Idee, dass er im Kapitel "Gestrenge und entschlossene Männer" suchen muss, wenn er Edges und Flaws nachschauen will? Hinzu kommt, dass die Charaktererschaffung nicht klar und gebündelt abgehandelt wird, sondern man sich die einzelnen Komponenten mit ständigem vor- und zurückblättern zusammensuchen muss.
4. das Spiel ist von vorn bis hinten für "Storynutten" ausgelegt und eignet sich nicht die Bohne für herausforderungsorientiertes, ergebnisoffenes Spiel. Das fängt schon damit an, dass die Rassen vorn und hinten nicht ausbalanciert sind. Da gibt es ganz klar ein unübersehbares Machtgefälle in der Hierarchie Noldor > Sindar > Waldelben > Dunedain > Mittelmenschen etc., und irgendwo dazwischen fallen die Zwerge und ganz am Ende der Fahnenstange kommen die Hobbts. Das mag stimmig für Mittelerde sein, aber gefallen muss es einem trotzdem nicht. Wie gesagt, für Runden in denen die Würfel eh keine große Rolle spielen zweifellos geeignet, aber ich hätte mir etwas mehr Balance gewünscht.
5. Ich habe auch ein paar andere Supplements zu dem Spiel, die auch durchweg qualitativ in dieselbe Kerbe hauen wie das Hauptbuch. Etwas ratlos ließ mich z.B. der SL-Schirm, der auf der Innenseite zwar mit einer Reihe Tabellen bedruckt ist, deren Auswahl aber eher zufällig zustande gekommen sein muss. Nahkampfmodifikatoren sucht man vergebens, aber falls mal einer der Charaktere an Amnesie leidet, sind da die Modifkatoren schnell zur Hand. :D
Positiv ist mir allerdings ebenfalls das stimmige Magiesystem aufgefallen -- wenn man denn schon unbedingt Magier als SC-Klasse anbieten muss; ich persönlich finde das ja in Mittelerde einfach fehl am Platz.
Insgesamt hätte ich dem Spiel vor allem beim System einen Abzug reingewürgt, und würde als Gesamtwertung sagen wir mal 5 Nazgul vergeben, womit es immerhin eine Benchmark für die Konkurrenz darstellt.
(edit: Tippfehler)
Terrorbeagle:
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---Dazu würde ich auch noch ein paar Takte anmerken. Hast du die deutsche oder die englische Version getestet? Ich nehme mal an englisch, denn in der deutschen Fassung heissen die Klassen "Berufungen" und nicht "Orden".
--- Ende Zitat ---
Müßte ich irgendwo im Text erwähnt haben... ich hab nur die Englische Version von dem Spiel, ich weiß daher nicht, wie gut oder schlecht die Übersetzung gelungen ist.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---1. finde ich das System nicht besonders belastbar, bzw. es widerspricht in seiner Mechanik dem im Spielleiter-Abschnitt propagierten Spielstil. So ist z.B. laut Regeln ein einziger Ork/Uruk ein verdammt harter Knochen und einem typischen Menschen von den Kampfwerten her überlegen. Und im SL-Kapitel wird dann geraten, die ganzen Gesundheitsgrad-Regeln über Bord zu werfen und die Mobs einfach nach ein bis drei Treffern zu Boden gehen zu lassen. Also was denn nun?
--- Ende Zitat ---
Ich habe das mit den Mook-Regeln als einen Vorschlag gesehen, der mit geringer Verbindlichkeit ausgesprochen wird. Ich persönlich verwende so was eh so gut wie nie - der Mehrwert von Mook-Regeln geht meiner Meinung stark hinter dem Verlust der innerweltlichen Kontinuität zurück - aber es ist nichtsdestotrotz erwähnenswert, dass es entsprechende Regeln gibt und das man eben die Möglichkeit hat, zwischen einer eher grittigen und einer eher cineastischen Version zu wählen. Aber ja, vereinfachte Poolwerte wie z.B. bei Cinematic Unisystem wären hilfreicher, um das Selbe zu erreichen.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---2. hat mich die Nomenklatur generft; erstens diese zwanghafte Vermeidung konventioneller Rollenspielbegriffe: "wir sagen aber nicht Charisma sondern Auftreten". Zweitens viele verwirrend ähnlich lautende Begriffe, zumindest in der deutschen Fassung: "Tapfer" ist was anderes als "Tapferkeit", man muss Gewandheit von Geschicklichkeit unterscheiden (oder so ähnlich), und so weiter. Mal ganz abgesehen von diesem penetranten "Die Erzählerin"-Gefasel.
--- Ende Zitat ---
Oh ja, die Schrecken der gegenderten Texte die es wagen, von der normativen Maskulinität der Sprachwahl abzuweichen. Sorry, aber das ist die so ziemlich lächerlichste Kritik, die man anbrechen kann, gleich neben "die ausgewählte Schrifttype ist häßlich".
Was die Begriffe angeht: Wie gesagt, zur Übersetzung kann ich nicht viel sagen, aber ich finde "Bearing" oder "Nimbleness" nicht weniger griffig oder verständlich als "Charisma" oder "Dexterity"; genausowenig gibt es einen irgendwie gearteten Zwang, ausgerechnet das D&D-Vokabular zu übernehmen.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---3. Das Regelbuch ist unübersichtlich hoch drei; das geht schon damit los, dass die Kapitel keine eindeutigen Überschriften haben, sondern irgendwelche Stimme-Titel, die keine Rückschlüsse auf den Inhalt zulassen. Wer kommt z.B. auf die Idee, dass er im Kapitel "Gestrenge und entschlossene Männer" suchen muss, wenn er Edges und Flaws nachschauen will? Hinzu kommt, dass die Charaktererschaffung nicht klar und gebündelt abgehandelt wird, sondern man sich die einzelnen Komponenten mit ständigem vor- und zurückblättern zusammensuchen muss.
--- Ende Zitat ---
Als Kritik an der Rezension geht das etwas an dem vorbei, was ich geschrieben habe - eine Perle der Übersichtlichkeit ist das System nämlich wahrlich nicht, aber hey, dafür gibt es schliesslich einen Index. Und eine Einleitung, in der aufgeschlüsselt wird, was in welchem Kapitel steht. Ein guter Aufbau und Strukturierung ist sicher sehr hilfreich, ersetzt aber das Lesen an sich erst mal nicht. Und gerae bei den Kapitelnamen ist bei der Englischen Version mit angegeben, was genau das Kapitel behandelt (Um beim Beispiel zu bleiben: "Stern Men and Resolute: Traits"). Klar geht das besser, aber ich würde das als Manko nicht überbewerten (vor allem wenn man den wirklich schauerlichen Aufbau bei MERS noch vor Augen hat).
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---4. das Spiel ist von vorn bis hinten für "Storynutten" ausgelegt und eignet sich nicht die Bohne für herausforderungsorientiertes, ergebnisoffenes Spiel. Das fängt schon damit an, dass die Rassen vorn und hinten nicht ausbalanciert sind. Da gibt es ganz klar ein unübersehbares Machtgefälle in der Hierarchie Noldor > Sindar > Waldelben > Dunedain > Mittelmenschen etc., und irgendwo dazwischen fallen die Zwerge und ganz am Ende der Fahnenstange kommen die Hobbts. Das mag stimmig für Mittelerde sein, aber gefallen muss es einem trotzdem nicht. Wie gesagt, für Runden in denen die Würfel eh keine große Rolle spielen zweifellos geeignet, aber ich hätte mir etwas mehr Balance gewünscht.
--- Ende Zitat ---
Wer ausser "Storynutten" hat denn überhaupt ein Interesse an einem Mittelerde-Rollenspiel? Ich würde das wiederrum als vorgabengerechte Umsetzung ansehen - das Spiel kommt halt den eigenen Ansprüchen nach.
Darüber hinaus: Balancing zwischen den verschiedenen Völkern ist bei einem Mittelerde-Rollenspiel ungefähr so passend wie ausgiebige Automatikfeuer-Regeln. Wenn man sich die Vergleichsgruppe aus der Buchvorlage anschaut, reicht die Basis der Charaktere letztendlich von einem unerfahrenen Gärtner bis hin zu einem quasi göttlichen Wesen, das zufällig so aussieht wie ein alter Mann. Ich halte die aufoktruierte Gleichmacherei und das gegenseitige Ausbremsen, dass wohlwollend-euphemistisch als Balancing etikettiert wird, eh für eine bestenfalls völlig überbewertete, tendentiell sogar eher schädliche Konvention, denn letztendlich geht es quasi nie um so etwas wie Gerechtigkeit, sondern bloß um schlichten Neid, weil Spieler X plötzlich ein viel schöneres Förmchen at als man selbst. Ich würde sogar soweit gehen, dass derartige Unterschiede in der Basis, wie sie bei CODA auftauchen fürs herausforderungsorientierte Spiel auch nur marginale Einflüsse haben, denn ansonsten wäre jedes Spiel, dass auf ausgewürfelte Spielwerte setzt, genauso ungeeignet.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---5. Ich habe auch ein paar andere Supplements zu dem Spiel, die auch durchweg qualitativ in dieselbe Kerbe hauen wie das Hauptbuch. Etwas ratlos ließ mich z.B. der SL-Schirm, der auf der Innenseite zwar mit einer Reihe Tabellen bedruckt ist, deren Auswahl aber eher zufällig zustande gekommen sein muss. Nahkampfmodifikatoren sucht man vergebens, aber falls mal einer der Charaktere an Amnesie leidet, sind da die Modifkatoren schnell zur Hand. :D
--- Ende Zitat ---
Hab ich nicht, kann ich nix zu sagen. Was ich als Supplement kenne, sind die 9 Jahrgnge des frei zugänglichen E-Zine Hall of Fire und andere fan-based Sachen, die alles samt recht nützlich sind.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---Positiv ist mir allerdings ebenfalls das stimmige Magiesystem aufgefallen -- wenn man denn schon unbedingt Magier als SC-Klasse anbieten muss; ich persönlich finde das ja in Mittelerde einfach fehl am Platz.
--- Ende Zitat ---
Magier wie in Gandalf oder Radagast fände ich auch eher unpassend. SC-Magier sind bei den Regeln auch eher so was wie der "Conjurer of cheap tricks" der Gandalf nun mal eben nicht ist und Zaubersprüche verschiedener Art werden an verschiedener Stelle im HdR erwähnt ("I once knew every spell in all the tongues of Elves or Men or Orcs, that was ever used for such a prpose. I can still remember ten score of them..."). Auch ausserhalb der fünf WIzards gibt es Leute, die Magie verwenden auf Mittelerde, sie sind nur halt nicht so gut. Und das geben die Regeln auch durchaus her.
--- Zitat von: Feuersänger am 11.03.2012 | 17:31 ---Insgesamt hätte ich dem Spiel vor allem beim System einen Abzug reingewürgt, und würde als Gesamtwertung sagen wir mal 5 Nazgul vergeben, womit es immerhin eine Benchmark für die Konkurrenz darstellt.
--- Ende Zitat ---
Wie gesagt, ich bewerte System und Übersichtlichkeit als unabhängig von einander. Die Übersichtlichkeit ist keinen Nazghul wert, da gehe ich mit dir völlig d'accord. Aber gemessen an dem, was das System will ist es meines Erachtens durchaus gelungen.
Oberkampf:
Hat der Thread einen Anspruch auf Objektivität oder ist das ein "Was gefällt mir besser Thread"?
Wenn ich MERS und TOR unter dem Kriterium vergleiche, gefällt mir TOR besser.
Feuersänger:
Hmh, die deutsche Fassung scheint einfach teilweise vermurkst zu sein und schlechter als das Original. Welch Überraschung, hat man ja noch nie gesehen.
Balancing ist sicher eine philosophische Frage. Ich sehe das so, dass es eben gerade in ME seine Gründe hat, dass mit der Zeitenwende die "Dominion of Man" beginnt, und man von Elben und Zwergen als "failing peoples" hört. Aber wie sich das in Spielwerten widerspiegeln lässt, okay, das ist eine andere Frage. Was ich zum Beispiel passend gefunden hätte, wäre, dass Elben deutlich langsamer als Menschen aufsteigen.
--- Zitat ---Wer ausser "Storynutten" hat denn überhaupt ein Interesse an einem Mittelerde-Rollenspiel?
--- Ende Zitat ---
Ich zum Beispiel.
Jiba:
Und ich bin eine "Storynutte", die trotzdem sehr an Balancing festhält. Gleiche Chancen für alle!
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln