Autor Thema: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")  (Gelesen 62627 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline sindar

  • feindlicher Bettenübernehmer
  • Legend
  • *******
  • Lichtelf
  • Beiträge: 4.248
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: sindar
Ui, ui, ui. Das klingt, als hättet ihr ordentlich aufs Maul bekommen. Und gebannt ist die Gefahr wohl noch nicht, oder? Aber immerhin, das Schlimmste scheint abgewendet zu sein, wenigstens für den Moment. Und gut, daß ihr Miamis Inkarnation retten konntet!
Bewunderer von Athavar Friedenslied

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
Ja, ordentlich aufs Maul stimmt: Wir hatten tatsächlich alle all unsere Konsequenzen ausgereizt. Aber zum Glück mussten wir dann doch nicht noch mehr kämpfen, auch wenn wir das tatsächlich eine Weile befürchtet hatten; in der nächsten Session kam dann doch nur noch Aufräumen und Nachklapp. Aber dafür reichte das Zeichenlimit meines letzten Postings nicht mehr.
Der Nachklapp kommt dann demnächst. :)
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
Dass unsere Verbindung zu Ángel unvermittelt abgerissen war, nachdem wir noch hatten spüren könnten, dass er sich mit dem Dämonen aus seinem Denarius eingelassen hatte, das hatte ich ja schon geschrieben. Aber als wir jetzt im Auto noch einmal in diese Richtung hindachten, merkten wir, dass da eine neue, dünne Verbindung war, und zwar zu Alison Townsend, Edwards Nachfolgerin als Leiterin des SID. ¿Que demonios?

Auf dem Weg zur Casa machten wir natürlich eine kurze Bestandsaufnahme unserer Blessuren. Große Sprünge würden wir nicht mehr machen können, denn wir waren alle ziemlich angeschlagen, ob es jetzt meine Verwundung durch den Eisspeer war oder der Hitzschlag, den ich erlitten hatte, ob es Alex‘ Verbrennungen von der Explosion waren, Edwards Bisswunden oder Robertos Armbruch. Nur Totilas wirkte erstaunlich unversehrt… was seltsam war, denn auch er war in dem Kampf – den beiden Kämpfen – eigentlich ganz schön gebeutelt worden. Und normalerweise kann auch ein Weißvampir solche Verwundungen nicht sofort abschütteln, aber okay, vielleicht musste er tiefer in die übernatürlichen Reserven greifen als normalerweise.

An unserem Hauptquartier stellten wir zu unserer Erleichterung fest, dass dort inzwischen Ruhe eingekehrt war und sich keine Einherjer mehr dort befanden. Sowohl meine als auch Robertos Eltern standen gehörig unter Schock, aber mit Ausnahme von Dee ging es allen gut. Vor allem die hijas kamen stolz wie die Schneeköniginnen auf uns zugerannt und berichteten triumphierend (und völlig überdreht), sie hätten ganz alleine die Einherjer verjagt, nachdem Dee ohnmächtig geworden sei! Monica mit ihrem Feuer und Jandra mit Morrigans Schwert und mit den Raben! Okay, nicht ganz alleine – da sei ein Mann aufgetaucht, der ihnen gegen die Einherjer geholfen habe, und hinterher habe er zu Alejandra gesagt: „Du kannst mein Schwert erst einmal behalten! Wir sehen uns wieder!“ und sei dann gleich wieder abgezogen.

Ich zeigte mich angemessen stolz und bewundernd, und da machte es keinerlei Unterschied, als Lidia mir hinterher unter vier Augen erzählte, dass die Einherjer sich absichtlich zurückgehalten hätten, weil sie den Mädchen nichts antun wollten, und dass die nordischen Krieger sich sehr erleichtert zurückgezogen hätten, sobald Odins Befehl endete.

Der Mann, von dem die hijas gesprochen hatten, konnte Lidias Beschreibung nach niemand anderer sein als Joseph Adlene – oder besser: als die Morrigan in Joseph Adlenes Körper, denn die Person habe sich trotz des männlichen Aussehens bewegt wie eine Frau und ihre Stimme ein weibliches Timbre gehabt.
Offenbar hat die keltische Gottheit inzwischen wieder die Überhand gewonnen, nachdem der Nekromant sie ja mit einem der Godslayer-Dolche ermordet hatte. Oder zumindest teilweise: Sie war offensichtlich noch nicht ganz mit sich im Reinen, wirkte noch unstet, und sei eben tatsächlich sehr schnell wieder verschwunden, nachdem die Bedrohung durch die Einherjer abgewendet war.
Jetzt, wo langsam wieder Ruhe einkehrte, konnten wir uns um unsere Verwundungen kümmern. Für Dee riefen wir erst einmal einen Krankenwagen – sie war zwar, wie schon erwähnt, zum Glück nicht lebensbedrohlich verletzt, aber bei der Verteidigung der Casa hatte sie sich magisch sehr stark überanstrengt, noch deutlich stärker als ich mit meinem Hitzschlag. Sie wird einige Zeit brauchen, bis sie wieder vollständig auf den Beinen ist.

Ansonsten ergab die Bestandsaufnahme folgendes:
Bei den Santo Shango am Hafen waren Fébé, Ilyana und Cicerón in einen Kampf gegen Asen und Einherjer verwickelt gewesen, in dessen Verlauf Shango von Fébé wieder auf Cicerón übergesprungen war, 
Da Ilyana die Yansa-Maske trug und die Orisha somit durch sich kanalisierte, war Fébé, nachdem Shango sie verlassen hatte, als einzige von den drei Gang-Mitgliedern ohne nennenswerte Magie, von der aktiven Unterstützung durch eine Santería-Gottheit ganz zu schweigen. Da sie in dem Kampf gewaltig ins Hintertreffen geriet und in erhebliche Gefahr geriet, rief sie Eleggua zu Hilfe. Wie sie es erzählte, ging sie einen Handel mit dem Trickster-Orisha ein, ohne genau zu wissen, welche Gegenleistung sie ihm da gerade genau versprach.

Und offenbar kam es nach dem Ende der Kampfhandlungen in der Hitze des aufgewallten Blutes und der gemeinsam überstandenen Krise zu einem heißen Stelldichein zwischen Shango und Yansa – also zwischen Cicerón und Ilyana. Das bedeutet Telenovela: Oshun ist wütend auf Shango, weil der mit Yansa im Bett war, und Fébé auf Cicerón, weil der mit Ilyana im Bett war – denn zwischen Fébé und Cicerón läuft ja eigentlich was. Ilyana ist auch nicht sonderlich amüsiert darüber, was da passiert ist, als sie und Cicerón von ihren jeweiligen Orishas geritten wurden: „Das war so nicht geplant!“

Ximena war in unserem Intellectus immer noch nicht zu spüren, aber Edward hatte ja erzählt, dass er sie im Nevernever getroffen hatte und sie dort gerade die Magie der diversen heidnischen Gottheiten zu beherrschen lernte.

Im Hotel Fountainebleu war es während des Chaos von Ragnarök zwischen Faunen, Nymphen und den Weißvampiren zu einer wilden Orgie gekommen, woraufhin die Raiths endgültig des Hotels verwiesen wurden. Der Wiederaufbau von Raith Manor wurde – natürlich – wieder einmal sabotiert, aber die gute Nachricht ist, dass Marshall, während wir unterwegs waren, ein passendes Objekt ausfindig gemacht hat, das sich als neuer Herrensitz eignet. Es braucht zwar einige Umbauten und Anpassungen, aber grundsätzlich können die Raiths das auch jetzt schon erwerben und kurzfristig einziehen, auch während diese Umbauten noch im Gange sind. Ob und inwieweit das alte als Köder noch weiterhin zur Verfügung bleibt, muss Totilas entscheiden. Wobei. Totilas. Mit dem stimmt was nicht. Während unseres Treffens war er ungewöhnlich launisch, geradezu sprunghaft, und seine Augen flackerten immer wieder zwischen seinem üblichen Grau und dem Silber seines Dämons. Wie ich sage: Irgendwas stimmt nicht. Da müssen wir dringend mal nachhaken.

---

27. November

In der Presse wird natürlich auch über die Ereignisse berichtet, aber natürlich ist da in keinster Weise von Übernatürlichem die Rede. Der Blizzard, der während des versuchten Ragnarök herrschte, wird als vom Klimawandel begünstigter Zufall erklärt, immerhin gab es im Januar 1977 ja schon einmal Schnee in Miami. Die Kämpfe, die stattfanden, gelten offiziell als Bandenkriege zwischen Latino-Gangs und Nazis (a.k.a. skandinavische Einherjer).

Miami selbst ist übrigens auch etwas angeschlagen – nicht so, dass sie sich nicht wieder erholen würde, aber Ragnarök hat sie natürlich schon geschwächt. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung erst wieder geschieht, wenn unsere Stadt wieder vollständig genesen ist.
Nein, falsch. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung nie wieder geschieht!

---

28. November

Ximena hat sich bei Alex gemeldet. Aus dem Nevernever, ohne körperlich nach Miami zurückzukehren. Also hat Alex sie dort getroffen. Ximena erzählte, sie habe erreicht, was sie wollte, sie kann jetzt die Kräfte der heidnischen Gottheiten anzapfen. Und genau das ist der Grund, warum sie sich noch nicht wieder in Miami hat sehen lassen: Wenn sie jetzt zurückkäme, würde sie automatisch wieder in den Intellectus-Verband von uns Guardians eintreten, und dann würde sie mit ihren neuen Kräften den Intellectus überwältigen und die Göttin von Miami werden, und das will sie auf keinen Fall. Sie muss jetzt erst einmal lernen, was genau sie da tut, daher will sie den Intellectus und die Guardians verlassen, zumindest bis sie ihre gottgleiche Macht vollständig unter Kontrolle hat.
Dann allerdings brauchen wir Ersatz für Ximena, wenn wir den Ring unserer Guardians-Gemeinschaft nicht schwächen wollen.

Apropos Ersatz.
Jetzt, wo Ragnarök vorüber ist, muss ich so bald wie möglich einen neuen Sommerherzog finden. Denn wenn ich die ganze herzogliche Sommermagie, die ich momentan in mir trage, nicht bald wieder auf jemand anderen übertragen kann, dann wird sie sich in mir festsetzen, und dann würde ich mein Menschsein verlieren und zur Fee werden, und, wie ich schon das eine oder andere Mal festgehalten habe: Das darf nicht geschehen.

---

29. November

Au, verdammt. Ich habe Kopfschmerzen, und mir tun alle Knochen weh. Und, ¡padre en el cielo, ayúdanos!, ich weiß auch, warum.

Hatte ich, als wir an Ragnarök hektisch Richtung Bjarkis Haus rasten, nicht noch geschrieben: „Ahalphu ließ uns auch problemlos gehen”?
Jahaa, y una leche. Das war eine der Hektik geschuldete Verkürzung der tatsächlichen Umstände. Ja, Ahalphu ließ uns problemlos gehen... für seine Verhältnisse. Er war freundlich und umgänglich wie immer, aber als wir in Xibalba waren, meinte er auch: “Euch ist schon klar, dass es einen gewissen Preis haben muss, dass ihr Xibalba zur Durchreise verwendet, sonst könnte ja jeder kommen!”
Der Preis war eine Infektion, die er uns mitgab und die irgendwann ausbrechen würde – nicht tödlich, nicht hochansteckend, nicht sofort ausbrechend und ohne bleibende Folgen, soviel handelten wir heraus (was nicht sonderlich schwer war; ich glaube auch nicht, dass Ahalphu uns tot sehen wollte), aber eben eine Krankheit, und das war etwas, auf das wir uns umgehend einließen, weil die Zeit so sehr drängte.

Und ich fürchte, jetzt bricht es bei mir aus, was auch immer es ist.

Ay mierda. Mir platzt der Kopf.

Ich habe Lidia schon vorgewarnt, dass da demnächst was kommt. Muss ihr bescheid sagen.

Glaube nicht, dass ich so bald so viel schreiben kann.

Mierda.

---

5. Dezember

Es war das Oropouche-Virus. Bei mir jedenfalls. Das volle Programm: Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag... und extreme Lichtempfindlichkeit. Allein der Gedanke an Helligkeit, geschweige denn an meinen patentierten Sonnenlichtzauber oder sonstige Sommermagie war gelinde gesagt unerträglich. Die letzten Tage habe ich im abgedunkelten Zimmer verbracht und war die meiste Zeit zu kaputt, um auch nur Musik oder Podcasts zu hören, und an Lesen, Fernsehen, im Internet Surfen oder gar Schreiben war überhaupt nicht zu denken. Glücklicherweise hat Ahalphu Wort gehalten: Mein Fall von Oropouche-Fieber war zwar extrem unangenehm, aber ich hatte keinen der sehr seltenen schweren Verläufe, bei dem mein zentrales Nervensystem angegriffen worden wäre. Und Lidia hat mich – mit Maske und Handschuhen – hingebungsvoll gepflegt. Nicht dass ich nicht sowieso schon gewusst hätte, dass sie einfach die Beste ist.
Jetzt klingen meine Symptome langsam ab, und heute kann ich zumindest wieder einigermaßen Tagebuch führen, auch wenn ich noch ziemlich schlapp bin.

Alex hat es mit ähnlichen Symptomen gebeutelt wie mich, aber ihn hat das Hantavirus erwischt. Keine Lichtempfindlichkeit bei ihm, dafür Blutdruckabfall und vorübergehende Sehstörungen. Aber zum Glück auch bei ihm kein schwerer Verlauf.

Totilas wurde von Ahalphu mit Lepra beglückt. Eigentlich hat die Krankheit ja, wenn mich mein Google-Fu nicht trügt, eine Inkubationszeit von mindestens einigen Monaten, aber hey, er hat sie vom „Bringer des Eiters“ aufgedrückt bekommen, da gelten normale Maßstäbe nicht. Und glücklicherweise wusste Totilas, dass irgendwas kommen würde, also konnte er beim ersten Auftreten der Pusteln und roten Flecken sofort in Behandlung begeben. Und seine vampirische Konstitution trägt sicherlich auch das Ihre dazu bei, dass er vollständig geheilt werden kann.

Bei Roberto ist es ähnlich: Bei ihm brach eine Syphilis aus, obgleich auch hier die Inkubationszeit normalerweise mehrere Wochen beträgt. Aber auch er war ja gewarnt, und so konnte auch er, sobald das typische Geschwür bei ihm auftrat, gleich mit der Therapie beginnen. Wobei „Therapie“ in seinem Fall nicht die klassische Behandlung mit Penicillin durch Tabletten oder durch intramuskuläre Injektion bei einem Arzt bedeutete, sondern Roberto behandelt sich selbst mit Medizin aus seiner Botanica und selbst gezogenen Schimmelpilzen von verdorbenem Gemüse. Mir selbst wäre das ja zu experimentell, aber Roberto kann ja auf die Hilfe seiner patrona Oshun zählen. ¡Gracias a Dios!
Aber apropos Oshun: Dass die Orisha Roberto in seiner Krankheit beisteht, bedeutet auch, dass sie sich ausgiebigst wegen Shango und Yansa bei ihm ausheult... und dass sie so ziemlich ununterbrochen auf Roberto einredet, er müsse doch auch endlich seine wahre Liebe finden. Oder zumindest klingt es so, wie Roberto das erzählt. Das einzig Gute sei, sagt Roberto, dass Oshun auch keine Dating-Apps mag.

Und Edward? Edward hat die Räude, und der Juckreiz war unerträglich. Als Gegenmittel gegen den Parasitenbefall gibt es nur Therapien für Tiere, und die will Edward nicht auf sich anwenden. Also muss – natürlich, wir reden von Edward! – wieder einmal ein Ritual herhalten, oder genauer gesagt, mehrfache Anwendungen des Rituals, bis die Milben endgültig verschwunden sind. Schneeball hingegen bekommt eine Hundekur, erzählt Edward, falls die Parasiten übergesprungen sein sollten. Von Cassius hält er sich sorgfältig fern, aber natürlich ist das für Edwards kleinen Bruder  trotzdem eine Steilvorlage in Sachen Flöhe und sonstige blöde Sprüche.

---

6. Dezember

Während ich in meinem abgedunkelten Zimmer außer Gefecht war, kamen mehrere Vögel vom Sommerhof bei mir zuhause an, die alle Lidia für mich abgefangen hat. Oder genauer, sie hat die Botschaften gesammelt und sie mir heute gegeben, nachdem ich bis gestern größtenteils ja noch zu fertig dafür war. Die Vögel wurden von Lady Rhodorea geschickt, meiner Stellvertreterin in zivilen Dingen, und sie schrieb, ihre Majestät, Königin Titania, habe sich angemeldet, und sie – Rhodorea – wisse, dass ich nach den Ereignissen von Ragnarök unpässlich sei, aber meine Anwesenheit sei erforderlich, sobald ich es nach Kräften einrichten könne. ¡Ay, bendita! Als ob ich nicht schon längst dort gewesen wäre, wenn ich gekonnt hätte! Ich weiß ja selbst, wie wichtig es ist, dass ich in der Casita Präsenz zeige!
Naja. Sie hat es ja sehr höflich formuliert. Und natürlich gehe ich hin, sobald ich kann.

---

8. Dezember

So langsam geht es uns allen besser.

Ein kurzes Update zu ein paar Dingen, die ich bisher noch nicht erwähnt hatte.

Alex sagt, dass Eleggua unter dem ganzen Druck, weil er ja das Ziel von Odins Angriff war, ebenfalls einen Deal – oder mehrere Deals, ganz so klar war das nicht – abschließen musste. Mit wem genau, das ist auch nicht so ganz klar, aber Alex war ja auch nicht auf der Höhe, als er diese Information von seinem patron bekommen hat.

Odin selbst ist aus Miami verschwunden, ohne das Thema Ragnarök oder Outsider-Einfluss noch einmal anzuschneiden. Ich habe aus Neugier bei Monoc Securities angerufen, aber da ist immer noch nur derselbe Anrufbeantworter dran.

Wir haben ja gespürt, dass Ángels mystische Verbindung zu Miami abrupt auf Alison Townsend überging, als er sich im Kampf am SID mit dem Dämonen aus dem Denarius einließ. Wie zu erwarten war, hat Alison bei Edward angerufen und um ein Treffen gebeten, und natürlich hat Edward zugestimmt. Ich gehe sogar fest davon aus, dass er sie von sich aus kontaktiert hätte, wenn sie ihm nicht zuvorgekommen wäre. Aber jedenfalls haben sie sich für morgen verabredet.

Ich habe außerdem gehört, dass Pan nach dem Kampf und nach den Entgleisungen im Hotel Fountainbleu zurück an seinem Hof ist und sich dort als den größten machorro aller Zeiten feiern lässt.
Ein paar Raiths haben sich offenbar auch vom Hotel an den Panshof mitschleppen lassen. So ist zum Beispiel Vin Raith nicht mehr da, der sich eigentlich gerade um die IT-Sicherheit für das neue Anwesen des White Court kümmern sollte. Mierda.

Und wie ich vor Ausbruch unserer Krankheiten schon schrieb: Irgendwas stimmt mit Totilas nicht. Falls ich gedacht hatte, seine, wie soll ich es nennen? Stimmungsschwankungen? Persönlichkeitsverschiebungen? würden nachlassen, habe ich mich geirrt. Sie sind immer noch genauso deutlich wie vor knapp zwei Wochen, treten sogar eher stärker hervor. Da müssen wir ran.

---

9. Dezember

Hah. Habe ich es nicht gesagt. Jetzt hat es Bjarki auch schon gemerkt.

Vorhin hat Roberto angerufen und Alex, Edward und mich in eine Videokonferenz geholt. Totilas nicht, absichtlich. Denn wie gesagt, jetzt hat es Bjarki auch bemerkt.

Bjarki hatte Totilas angerufen, um sich auf Stand zu bringen und weil er einfach reden wollte. Er erzählte, dass er natürlich weiß, dass Ximena erst einmal nicht nach Miami zurückkommen wird, dass aber auch Ángel inzwischen offenbar komplett untergetaucht ist. Sein – Ángels – kleines Haus ist verlassen.
Bjarkis Geschwister, Fenrir und Jormungandr, sind inzwischen wieder weg, nachdem sie sich von Bjarkis Computer losreißen konnten. Dass er Ragnarök mit Babysitten verbringen würde, habe Bjarki auch nicht gedacht.
Jedenfalls habe Bjarki Totilas dann auch noch erzählt, dass er auch bei den Santo Shango vorbeigeschaut habe, dass er aber das Drama zwischen Febe, Ilyana und Cicerón, gegen dass jede Telenovela ein Dreck sei, nicht ausgehalten habe, vor allem, da Eleggua, der auch gerade dort gewesen sei, aus lauter Spaß noch Öl ins Feuer gegossen und das Drama noch mehr angestachelt habe.

Nach dem Gespräch habe Bjarki dann bei Roberto angerufen, erzählte der, und gefragt, ob Totilas okay sei – er habe zwischendurch immer wieder Aussetzer, wie bei einer gespaltenen Persönlichkeit, und in diesen Momenten klinge auch seine Stimme anders, dominanter. Bjarki gegenüber reagierte Roberto mit einem „es ist alles unter Kontrolle“, aber das war dann der Moment, wo er uns zusammenrief und uns alles erzählte, was der Halb-Ase gesagt hatte.

Und wir vier waren uns einig, dass es nichts bringt, um Totilas herumzulavieren, wir müssen das offen ansprechen: zu fünft. Wir haben uns alle im Dora's verabredet.

---

Später.

Das war jetzt tatsächlich das erste Mal, dass ich seit Abklingen der Krankheit wieder richtig das Haus verlassen habe. Ich bin ein bisschen platt, aber es geht eigentlich. Große Kämpfe sollte ich noch nicht wieder ausfechten, schätze ich, und es auch ansonsten noch ein bisschen langsam angehen lassen, aber grundsätzlich ist das jetzt ein ganz guter Test dafür, dass ich – dass wir alle fünf – wieder soweit auf dem Damm sind.

Sobald wir in unserem separaten Raum im Dora's saßen, kam Roberto ohne Umschweife zur Sache:
„Sag mal, Totilas, sollten wir irgendwas über dich wissen?“
Die Augen des Weißvampirs blitzten silbern auf, und seine Stimme klang rauh, als er brummte: „Bin stabil.“
„Ihr solltet vorsichtig sein“, kam es im nächsten Moment in Totilas' gewöhnlicher Stimme, und auch seine Augen hatten wieder ihr übliches Grau angenommen.
„Das war gerade dein Dämon, oder?“, fragte ich.
„Ich bin der Dämon.“ –  rauh und silbern.
„Ich bin Totilas.“ – grau und sanft.
„Ich weiß es nicht...“

Oh oh.

Edward machte den Vorschlag, dass wir Hilary Elfenbein konsultieren sollten, was wir alle befürworteten, aber da er kein Handy besitzt, machte ich den Anruf und bekam den Bescheid, Dr. Elfenbein könnte sich in zwei Stunden Zeit für uns nehmen.

Drei Minuten später klingelte Totilas' Telefon. „Dein Freund Cardo hat eben einen Termin bei mir gemacht? Weißt du davon? Es klang irgendwie seltsam.“
„Ja“, bestätigte Totilas – wirklich Totilas, mit grauen Augen und seiner normalen Stimme, also nicht sein Dämon - „Das war für mich.“

Also zu Hilary – dummerweise ist Edwards Verabredung mit Alison ungefähr zur selben Zeit. Aber gut, dann müssen wir uns eben aufteilen: Totilas, Roberto und ich gehen zu Dr. Elfenbein, Edward und Alex ins SID.

Und ich habe das jetzt gerade noch schnell aufgeschrieben, bevor wir aufbrechen.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
Hilary empfing uns höflich-interessiert und ließ sich noch einmal berichten, was unser Anliegen war.
„Seit der Sache vor zwei Wochen hat Totilas ziemlich heftige Stimmungsschwankungen, bei denen auch seine Augenfarbe wechselt.“
„Ja“, bestätigte Totilas, „das habe ich.“
Von jetzt auf sofort waren seine Augen silbern und seine Stimme rauh und barsch. „Nein, ich!“
„Aaaah ja.“ Hilary schaute Totilas und seinen Dämon unverwandt an. „Dieses Phänomen ist mir so auch noch nicht untergekommen. Das muss ich recherchieren.“

Aber solange sie recherchiert und bis eine Lösung gefunden ist, braucht Totilas eine Cover Story, soviel ist klar.
Ein Steward muss die Alltagsgeschäfte übernehmen, während Totilas sich um „wichtige Dinge“ kümmert. Und tatsächlich hat Marshall ja in den letzten Wochen bereits die Vertretung übernommen, solange Totilas sich von seiner Krankheit erholte, das muss er einfach weitermachen. Eingeweiht natürlich.

Ebenso kam die Idee auf, dass Richard Raith ja vielleicht helfen könnte, weil der sich ja von seinem eigenen Dämon gelöst hat. Richard und Sancía sind zwar untergetaucht, aber über dieses Forum zu erreichen, in dem wir alle noch angemeldet sind. Totilas will also seinen Vater über das Forum kontaktieren.

Als Alex und Edward am SID ankamen – das erfuhren wir, als wir uns hinterher wieder trafen –, wurden sie von Salvador Herero abgefangen, der besorgt aussah und sichtlich erleichtert war, Edward zu sehen. Alison sei im Büro, sagte er, aber etwas stimme mit ihr nicht. Seit Ángel da war bei dem Kampf vor ein paar Wochen sei etwas mit ihr passiert, sie sehe Dinge, aber andere als Matthew.
„Ich weiß, was das ist“, versuchte Edward ihn zu beruhigen, „ich rede mit ihr.“
„Sie hat von dir gesprochen, aber sie meinte auch, wir sollten dich nicht anrufen, es ginge dir gerade nicht so gut.“
Edward nickte. „Da hatte sie recht, ich war krank.“

Das Gebäude, in dem das SID beheimatet ist, hat an Ragnarök starken Schaden genommen. An einer Stelle wurde gar ein großes Stück aus der Mauer gerissen. Aber gerade ist so vieles in Miami stark beschädigt, und es gibt wichtigere Prioritäten als eine eher unwichtige Polizeistation. Während Edward also mit Alison sprechen ging, machte Alex sich an die Untersuchung des Precincts und daran, die nötigen Reparaturarbeiten aufzulisten. Alles konnte er nicht auf Anhieb richten, und alles kann er alleine auf sich gestellt auch in mehreren Sitzungen nicht wieder hinbiegen, aber er will seine Kontakte spielen lassen, ob er nicht jemanden finden kann, der die Reparaturen außerhalb der städtischen Reihenfolge angeht – auch wenn das natürlich ebenfalls seine Zeit dauern wird.

Als Edward an Lieutenant Townsends Tür klopfte, wusste diese sofort, wer draußen stand. „Edward, komm rein!“
Vor ihr auf dem Schreibtisch lag eine Karte von Miami, die sie offenbar bis eben studiert hatte.
Auf Edwards Frage, was los sei, berichtete Alison, während Ragnarök habe Ángel, als es gerade besonders schlimm stand, unvermittelt gefragt: „Liebst du diese Stadt?“, woraufhin Alison etwas verdutzt geantwortet habe: „Ja, … schon?“ Daraufhin habe er sie an der Stirn gepackt und irgendetwas gemacht, und seitdem merke sie Dinge. Sie wisse plötzlich, wo sich alle aufhalten: Edward, Roberto …, bedeutungsschwangere Pause, Totilas Raith, Cicerón Linares…

Edward erklärte, was es mit dem Intellectus auf sich hatte, und schloss mit: „Willst du das wieder loswerden, oder willst du versuchen, damit klarzukommen?“
Die Frage brachte Lt. Townsend zum Überlegen. Sie würde gerne, aber wie soll das im Polizeialltag funktionieren? Sie hätte all dieses Wissen über die Stadt und die Verbrechen, die in ihr begangen werden, aber kein Richter aufgrund ihrer ‚Eingebungen‘ einen Haftbefehl ausstellen; sie könnte aufgrund ihres Intellectus-Wissens nicht handeln.
Sie müsse darüber nachdenken, das Thema auch mit ihrer Truppe besprechen, die Vor- und Nachteile abwägen. Vermutlich müsste sie viel übersehen, aber ob sie einen solchen Vorteil ausschlagen könne?

Edward bot an, ihr dabei zu helfen, ihren Geist abschirmen zu lernen: die Informationsflut des Intellectus grundsätzlich auszublenden und nur dann anzuzapfen, wenn sie dies aktiv wolle. Mit den ersten kleineren Tips fing er an, aber sie werden sich für weitere Treffen verabreden müssen, vor allem, wenn Alison im Bund der Guardians verbleibt.

Aber jetzt erstmal los zu dem Treffen mit den anderen Guardians. Es gibt viel zu besprechen!

---

Zurück vom Treffen. Edward hatte Alison gefragt, ob sie gleich mitkommen wolle, und die hatte zugesagt, weil sie meinte, eigentlich gehe ihr das zu schnell, aber um eine Entscheidung treffen zu können, müsse sie die Truppe ja mindestens einmal kennengelernt haben. Und es würde ja auch um sie gehen.

Bei dem Treffen waren wir zu zehnt – Alison statt Ángel, Dee noch im Krankenhaus, Ximena im Nevernever. Ilyana hat ein etwas ähnliches Problem wie Totilas: Auch ohne dass sie die Yansa-Maske trägt, ist die Orisha noch in ihr, sodass deren Persönlichkeit immer wieder einmal durchblitzte.
Und auch Cicerón merkt man an, dass er den Körper gerade noch mit Shango teilt: Der Santero – er wurde gefahren – trug eine dunkle Sonnenbrille, aber wenn man genau hinschaute, konnte man sehen, dass in seinen noch immer leeren Augenhöhlen Flammen züngelten. Und wir konnten die Anwesenheit des Orishas ja auch über unsere Verbindung spüren.
(Von Febe, die separat ankam und die sich betont geschäftsmäßig gab, wurden die beiden übrigens geflissentlich ignoriert.)
Alison wurde natürlich neugierig beäugt – zwar wussten alle grundsätzlich, wer sie ist, aber wirklich bekannt war sie den anderen Guardians bisher nicht.

Bjarki übernahm die Begrüßung und gab erst einmal eine Bestandsaufnahme ab. Dass Ximena sich derzeit im Nevernever aufhalte, sich aber dauerhaft aus dem Guardians-Verbund zurückziehen wolle, um nicht ungewollt mit ihren neuen Kräften alles an sich zu reißen, und dass Ángel sein Band zu Miami auf Alison übertragen habe. Diese Verbindung sei vorhanden, aber wackelig – sobald Alison sich entschieden habe, ob sie dauerhaft im Kreis der Guardians bleiben wolle oder nicht, müssten wir alle gemeinsam ihren Zugang zum Intellectus stabilisieren oder kappen. Und bei dieser selben Gelegenheit sollten wir dann auch den Ersatz für Ximena (und, falls Alison nicht bleiben wolle, den Ersatz für Alison) in den Bund holen, quasi in ein und demselben magischen Aufwasch.

Aber wer wäre ein guter Ersatz für Ximena? Cleo du Morne fiel mir ein – wie Ximena ist sie ja eine Vertreterin der hermetischen Ratsmagie. Aber sie steht ja momentan in Tanits Diensten, um ihre Schuld am Winterhof abzuarbeiten – ob und unter welchen Umständen dieser Dienst beendet ist bzw. sie aus diesem Dienst entlassen werden kann, müsste man herausfinden.

Und wir müssen dringend das Projekt ‚neuer Sommerherzog‘ angehen. Das können wir jetzt nicht länger auf die lange Bank schieben. Dieser Sache werde ich mich jetzt als nächstes annehmen.
Cicerón, Febe und Ilyana werden ihre Privatprobleme beiseiteschieben und sich um Spencer Declan kümmern, oder zumindest in dieser Richtung Nachforschungen anstellen. Mit dem Warden stimmt nämlich etwas nicht, berichtete Bjarki. Während Ragnarök war er einmal eine Weile lang völlig von der Bildfläche verschwunden, bevor er wieder auftauchte, und irgendetwas stimmt bei ihm nicht. Also abgesehen davon, dass sein Haus ja schon seit einer ganzen Weile von einer da-wollen-wir-nicht-hindenken-Outsider-Aura umgeben ist. Sollte Pennywise jetzt etwa seine Krallen stärker in den Ratsmagier geschlagen haben? Die Santo Shangos sollen bloß vorsichtig sein, wenn sie sich das anschauen gehen.

Was Ángel betrifft, so hat Bjarki versucht, ihn zu finden, hatte aber keinen Erfolg damit, weil der Santero alle Spuren sehr gründlich verwischt hat. Ximena wird das mit ihren neuen Kräften sicherlich können, braucht aber vielleicht auch Unterstützung. Das will Bjarki übernehmen.

Totilas und Edward wollen Pans Satyrhof einen Besuch abstatten, weil ja Totilas‘ Cousin Vin offenbar dort versumpft ist, und Alex und Roberto wollen Tanit nach Cleo duMorne fragen.

Aber bevor wir uns trennten, machten wir einen Krankenbesuch bei Dee, Pralinen und Blumenstrauß inklusive. Dem Himmel sei Dank befindet sie sich auf dem Weg der Besserung, aber eine Weile wird ihre Genesung wohl noch in Anspruch nehmen. Ein Heiltrank würde helfen – Edward will ihr einen brauen.

---

Wieder zuhause. Und das war einigermaßen erfolgreich, glaube ich.

Als ich am Sommerhof ankam, wurde ich erst einmal mit einigem Pomp und Trara empfangen, was mir etwas unangenehm war, Bekanntheit als Autor hin oder her. Aber es war ja auch ein Ausdruck der Freude, dass wir Ragnarök hatten abwenden können, und ein Zeichen von Respekt gegenüber dem amtierenden Sommerherzog. (Um so mehr Grund, endlich Ersatz zu finden.)

Zunächst einmal ließ ich mir von Sir Anders und Lady Rhodorea einen Lagebericht geben. Militärisch gesehen war jetzt nach dem Ende von Ragnarök alles ruhig – es hatte ein paar kleinere Zwistigkeiten mit Pans Leuten gegeben, aber grundsätzlich hielten sich alle an ihre jeweilige Domäne.
Lady Rhodorea berichtete, dass ihre Majestät, Königin Titania, von Pans Verrat natürlich alles andere als amüsiert sei. Es sei durchaus möglich, dass sie dem Sommerhof Miamis demnächst einen Besuch abstatten und verlangen werde, dass wir Pan bestrafen und ganz aus Miami vertreiben sollen. Und wenn sie käme, dann wäre das vermutlich zur Sommersonnenwende.
Allerdings könnte es auch sein, dass, wenn offiziell ein neuer Herzog eingesetzt sei und wir Pan in seine Schranken gewiesen hätten, Titania vielleicht auch auf einen Besuch verzichtet und es dabei bewenden lässt. Noch ein Grund mehr, die Frage des neuen Herzogs bald zu klären.

Also nutzte ich die Gespräche mit den beiden natürlich auch, um die beiden in Sachen Herzogsnachfolge einzuschätzen. Und ich ließ mir generell viel Zeit, sprach auch mit vielen anderen Angehörigen des Sommerhofs. Und ich machte einen Rundgang durch die Domäne und ließ mein Unterbewusstsein arbeiten. Als ich gerade in Gedanken versunken am Ufer stand und auf das Meer hinausschaute, schob mir Casita wieder einmal einen Strandsessel unter, und diesmal kam auch ein Tischchen mit einem kühlen Mixgetränk dazu.

Lady Rhodorea würde sich eigentlich als Herzogin sehr gut eignen, dachte ich nach den Gesprächen, die ich mit den beiden gehabt hatte. Sir Anders ist eher der General, für militärische Dinge ausgezeichnet geeignet, aber ich bin nicht sicher, wie er sich als Herzog machen würde. Lady Rhodorea hingegen führt den Hof gerade ja ohnehin schon als meine Stellvertreterin in zivilen Dingen. Sie ist als hohe Blumenlady zwar gewissermaßen die Leiter hinaufgefallen, und sie hat gehörige Angst vor Königin Titania, aber sie ist eine Fae. Fae wachsen nicht nur an ihren Aufgaben, Fae verkörpern ihre Aufgaben in gewissem Sinne. Sobald sie das Amt einmal innehätte, käme das nötige Selbstbewusstsein von allein.

Doch, je länger ich darüber nachdachte, um so besser gefiel mir die Idee.
Aber das war nichts, was ich gleich hier und jetzt abschließen konnte: Die Macht des Sommers muss per Ritual übertragen werden, und dazu brauche ich die Jungs, oder zum Allermindesten Edward.
Ich hoffe und bete nur, dass ich mich nicht wieder vertue wie bei Colin im Amt des Ritters; ich hoffe und ich bete, dass sie eine gute Herzogin wird. Aber ich glaube schon, denn sie ist ja eine treue Sommerfee, und wie gesagt, bei den Fae kommt die Befähigung mit dem Amt.

Wie ich da so saß und nachdachte, spürte ich die Magie des Sommers besonders deutlich in mir. Diese, ja, diese Macht, die mich bis in meine Fingerspitzen durchflutet. Mir auf meinen kleinsten Gedanken hin zur Verfügung steht. Mich in jeder Faser meines Seins ausfüllt wie ein warmes, goldenes Leuchten; ein sanfter, liebevoller Druck in mir, der sagt: ‚ich bin hier, ich bin dein. Öffne dich mir komplett, lass mich ein, lass mich zu, dann gehöre ich dir für alle Ewigkeit.‘

Padre en el cielo, perdoname, es war – es ist – wirklich verdammt verlockend. Ich könnte die Macht des Sommers annehmen. Dann würde ich dieses warme Leuchten, dieses Gefühl, vor magischer Kraft zu strotzen, nie verlieren, und ich müsste mir keine Sorgen machen, dass ich das Herzogsamt der falschen Person übereigne. Oder besser, wenn ich die falsche Person wäre und einen schlechten Job machen würde, dann wäre es wenigstens ich selbst, niemand sonst. Es wäre so einfach. Ein winzigkleines ‚Ja‘, nicht einmal ausgesprochen, sondern einfach eine Veränderung der Bereitschaft in meinem Inneren. Und wäre es so schlimm, zu einem Fae zu werden? Ich glaube nicht daran, dass Feen keine Seele haben, wie das so gerne kolportiert wird.

Aber trotzdem. Ich könnte mir zwar einreden, dass das keinen Einfluss auf meine Beziehung zu Lidia und den Hijas hätte, aber das hätte es eben doch. Ich wäre dann ein Fae, und Fae denken, fühlen, existieren anders. Und selbst wenn nicht, ich wäre dann alterslos, und ich müsste mit ansehen, wie meine geliebte Frau altert und stirbt, wie meine Töchter altern und sterben, würde… Nein. Ich will es nicht. Nein. Ich will diese Macht nicht, nicht auf Dauer. Lady Rhodorea muss so bald wie möglich die neue Herzogin werden.

---

Während ich am Sommerhof war, suchten Edward und Totilas Pans Domäne auf. Sie wurden von einigen Satyren aufgehalten, die sie erst nicht durchlassen wollten, aber nach einer Verhandlung, auf die die beiden nicht näher eingehen wollten (ich hege den Verdacht, eine Orgie könnte eine gewisse Rolle gespielt haben, immerhin reden wir hier von Nymphen und Satyren!), wurden die beiden dann zu Vin Raith gebracht. Der junge Hacker fläzte nach bester griechischer Gelagemanier träge auf einem Diwan herum wie eine satte Fliege, war high von welchen Drogen auch immer, und es brauchte einige Überredung, um ihn loszueisen.
Da sei noch ein anderer White Court am Panshof gewesen, berichtete Vin mit der unbekümmerten Distanziertheit des Drogen-Hochs, aber den hätten sie mit den ganzen Orgien kaputtgemacht und entsorgt.
Eine Aufwartung bei Pan machten Totilas und Edward nicht, sondern sie sahen zu, dass sie Vin schnappten und Land gewannen. Das könnte natürlich bedeuten, dass demnächst ein unfreundlicher Brief eintrudeln könnte, weil sie nicht Hallo gesagt und einfach so Pans neuestes Spielzeug mitgenommen haben, aber das war den beiden in dem Moment herzlich egal.

Anschließend traf Totilas sich auch noch mit Marshall und weihte den in das Problem seiner Instabilität sein. Er sagte Marshall, dass er ihn als Steward brauche, solange er mit diesen Anfällen kämpfe, und dass er eine gute Cover Story benötige, um vor dem Rest des White Court nicht das Gesicht zu verlieren. Er erzählte Marshall außerdem, dass Hilary bereits an der Sache forsche, dass er, Totilas, aber nicht sagen könne, wie lange es im Endeffekt dauern werde, um das Problem zu lösen.
Marshall erklärte, dass er selbstverständlich einspringen werde, Totilas‘ Geheimnis auch wahren werde, aber dass er diesen Job keinesfalls auf Dauer machen wolle – dazu sei er nicht nach Miami gekommen, und das liege auch nicht in seinem Naturell. Auf maximal ein Jahr ließ er sich ein – aber so lange wird unser White Court-Kumpel hoffentlich ohnehin nicht unter dieser Dämonen-Dysphorie zu leiden haben!

Alex und Roberto waren derweil bei Tanit am Cayo Huracán. Es war eiskalt, und die Wellen drohten das Boot zu überspülen, aber Alex ist nicht umsonst einer der besten Lenker aller Fahrzeuge, die ich überhaupt kenne, und so kamen die beiden doch problemlos an ihr Ziel. Am Anlegesteg wurden sie bereits von Yahaira Montero empfangen, die den Arm in der Schlinge trug, aber ansonsten recht fit wirkte. Auch Tanit begrüßte sie höflich, und als sie danach fragten, wie lange Cleos Dienst voraussichtlich noch dauern werde, gab die Herzogin des Winters ihnen tatsächlich bereitwillig Auskunft. Cleos Dienst wird beendet sein, sobald sie ihre Aufgabe erledigt hat. Und diese Aufgabe ist auch kein Geheimnis, sagte Tanit: Sie soll herausfinden, wie man Outsider töten kann. Nicht nur vertreiben, richtig töten. Sie sei schon eine Weile in dieser Mission unterwegs, derzeit gerade im Nevernever, und irgendwann werde sie zurückkehren … oder sie sei bereits tot oder werde sterben, bevor sie es zurück schaffe, denn es sei ja immerhin eine gefährliche Aufgabe. Aber Cleo sei ja auch eine kompetente Magierin. Übrigens beauftragten die Winterfae die Jungs explizit nicht, Cleo bei dieser Aufgabe zu helfen – falls wir uns aus irgendeinem Grund doch entschließen sollten, Cleo aktiv unter die Arme zu greifen, damit sie schneller aus dem Dienst entlassen wird, dann wäre das, weil wir sie schneller als Guardian gewinnen wollen, es wäre explizit kein Gefallen gegenüber Winter.

Schon klar. Feen halt. Aber ich weiß schon, was sie meint.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline sindar

  • feindlicher Bettenübernehmer
  • Legend
  • *******
  • Lichtelf
  • Beiträge: 4.248
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: sindar
Dämliche Frage: Kann eine Frau Herzog werden? Meine Kenntnisse der keltischen Mythologie sind vage, aber ich habe das irgendwie so im Kopf, daß es immer Herzogin und Herzog sein müßten.
Bewunderer von Athavar Friedenslied

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
Das ist keine dämliche Frage, sondern eine durchaus gute. Aber wir haben, als wir darüber nachdachten, festgestellt, dass es mit Titania und Mab ja auch zwei Königinnen gibt, deswegen haben wir beschlossen, dass es auch zwei Herzoginnen geben kann.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
Ricardos Tagebuch: Skin Game 1

11. Dezember.

Noch knapp zwei Wochen bis Weihnachten. Ich hoffe so sehr, dass das Chaos jetzt erst einmal vorüber ist und wenigstens bis zu den Feiertagen Ruhe einkehrt.

In meinem letzten Eintrag vorgestern hatte ich ja noch so vollmundig geschrieben: „Lady Rhodorea muss so bald wie möglich die neue Herzogin werden.“ Und aus unserem Gespräch ging ja grundsätzlich auch hervor, warum ich es mit ihr führte, aber so richtig 100%ig konkret hatte ich es mit der Blumenlady noch gar nicht abgesprochen.
Aber heute hat sie offiziell zugestimmt. Gracias à Dios!

Es ist nur klar – oder zumindest aufs Allerstärkste empfehlenswert – dass wir die Mantelübergabe erst nach der Wintersonnenwende vollziehen, wenn die Macht des Winters abnimmt und Sommer sich wieder im Aufwärtstrend befindet.

Also nach den Feiertagen: Ich möchte ein unbeschwertes Weihnachten mit der Familie verbringen und das Fest nicht in irgendeiner Weise durch irgendwelche eventuellen Komplikationen bei dem Ritual in Gefahr bringen. So lange kann ich den Herzogsmantel jetzt auch noch tragen.

Aber nicht zu lange nach den Feiertagen. Der Herzogsmantel flüstert in mir.

---

12. Dezember

Edward hat angefangen, sich wegen der Mantelübergabe Gedanken zu machen. Ich helfe ihm natürlich, so gut ich kann, mit Input in Sommer-Dingen.

---

15. Dezember

Gestern abend waren wir auf der Winterfest Boat Parade. Nicht zu spät, natürlich, weil die hijas ja nicht zu spät ins Bett gehen sollten, und weil mit zunehmender Stunde ja auch die Unterhaltung auf den Booten immer erwachsener wird, aber auch kurz nach Einbruch der Dunkelheit waren die bunten Boote mit ihren unterschiedlichen Dekorationen aller Art ein tolles Ereignis. Monica wie Alejandra gleichermaßen begeisterten sich vor allem für eines, wo die Lichterketten einen Phönix zeigten, der mit flammenden Flügeln aus der Asche aufstieg – die eine wegen des Feuerbezugs, die andere wegen des Vogels. Lidia sagte, ihr habe dasjenige am besten gefallen, das über und über mit Lichterketten in der Form von stilisierten Musikinstrumenten und Noten geschmückt war. Und ich erfreute mich besonders an einem Boot, das dekoriert war wie ein einziger bunt blühender Tropenwald.

Heute nachmittag gehen wir auch noch in den Santa’s Forest. Vor einigen Jahren waren wir erstmals vor Weihnachten dort, und inzwischen hat es sich zu einer Art Tradition entwickelt, dass wir am Samstag Abend die Winterfest Boat Parade anschauen und am Sonntag desselben Wochenendes Santa’s Forest besuchen. Mir persönlich ist das zwar etwas zu winterlich (hust), aber die hijas lieben die Fahrgeschäfte und Attraktionen und generell die Stimmung des Freizeitparks. Also wer wäre ich, mich da rauszu-grinch-en.

---

20. Dezember

Heute kam Edward fast ein bisschen schüchtern an und meinte, er wolle Cherie ganz unverbindlich eine Weihnachtskarte schicken, und ob er die mir mal zeigen dürfe, ob die nicht zu viel sei und so.

Klar durfte er – wofür hat man denn einen besten Freund?

Die Karte war auch tatsächlich sehr stilvoll, kein kitschiges, quietschbuntes Motiv, sondern das hübsch gezeichnete Bild einer verschneiten Landschaft, in der ein Tannenbaum wuchs, der mit einer dezenten Lichterkette behängt war. Und wenn man die Karte öffnete, dann stand da unter Edwards Festtagswünschen die Zeile: „Weihnachten braucht Schnee!“ und der Hinweis: „Achtung, gleich schneit es wirklich!“

Und tatsächlich hatte Edward die Karte so verzaubert, dass nach einigen Sekunden zum Verarbeiten der Information wirklich echter Schnee daraus zu rieseln begann.

„Ich dachte, ich warne sie besser vor, du kennst sie ja…“

---

24. Dezember, morgens

Ich werde heute im Laufe des Tages vermutlich nicht viel zum Schreiben kommen, weil es so viel für Nochebuena vorzubereiten gibt. Aber ein paar Worte wenigstens.

Heute abend kommt die ganze Familie zusammen. Lidias Papi wird es sich nicht nehmen lassen, das Spanferkel zu grillen, aber wir alle bringen etwas mit. Mamá will ihr Yuca con Mojo machen, weil ein Weihnachten ohne undenkbar ist, dazu natürlich Kochbananen, und ich bekomme tatsächlich einen ziemlich guten arroz congri hin. Papá sagte was von Crema de Vie – den macht er nicht jedes Jahr, es hat aber doch ein bisschen was von einer Familientradition. Und nennt es bloß nicht 'Egg Nog', Römer und Patrioten, nicht mal 'kubanischen Egg Nog', das kann Papá gar nicht gut hören. Milch, Eigelb, Zucker und rum mögen gleich sein, aber die gezuckerte Kondensmilch, die Vanille und die fehlenden Gewürze sind es nicht - Crema de Vie ist Crema de Vie, kein Egg Nog! Lidias Mamí hingegen hat uns eine Überraschung versprochen – sie hat ein neues Rezept entdeckt, das noch keiner von uns kennt, einen Dulce de Leche-Käsekuchen mit einem Boden aus Mariakeksen.
Und Lidia macht bestimmt ihre knusprigen Kartoffelblätter.

---

Zurück von der Familienfeier und von der Mitternachtsmesse

Das war richtig schön. Sowohl die Feier als auch die Messe. Und das Essen richtig lecker. Dios, bin ich vollgegessen. Und ich glaube, ich habe einen neuen Lieblingskuchen.

Aber die hijas sind im Bett, ich werde mich hüten, jetzt noch viel zu schreiben, sondern noch etwas Zeit mit Lidia verbringen.

---

25. Dezember

Edward hat sich gerade bei uns gemeldet. Cherie hat nämlich auf seine Weihnachtskarte reagiert. Ihre ersten Worte am Telefon: „Es schneit immer noch.“

Dann kamen die beiden ein bisschen ins Reden und stellten fest, dass sie eigentlich beide Weihnachten nicht feiern, aber dass sie ja vielleicht doch gemeinsam was unternehmen könnten, so am nächsten Tag, ganz ohne Hintergedanken. Das lief natürlich nicht ab, ohne dass Cassius das mitbekam, so wie Edward das erzählt.

„OMG, du hast ein Date!“
„Das ist kein Date, man geht nicht auf Dates mit seiner Ex!“
„Oh! Ohooo! Du musst was anderes anziehen, wir gehen morgen einkaufen – ich will, dass mein großer Bruder eine gute Figur macht!“

Also hat Edward morgen ein Date, sorry, Nicht-Date mit Cherie. Sie will sich von ihm bei der Wahl des Lokals überraschen lassen, und deswegen brauchte Edward jetzt ein bisschen Input von uns.

Er will will nichts, wo sie als Paar waren; etwas Nettes, wo man gemütlich sitzen kann, das aber kein Date-Niveau hat. Alex hat das „B Bistro & Café“ vorgeschlagen – von den Vibes her genau das, was Edward sucht, und dass sie nur bis nachmittags und gar nicht abends geöffnet haben, unterstreicht den lockeren Charakter des Treffens.

Aber ich gebe zu, ich bin trotzdem gespannt, wie das morgen für die beiden läuft. So richtig oft gesehen haben sie sich ja nicht mehr, seit sie nicht mehr zusammen sind.

---

27. Dezember

Heute haben wir uns im Dora's getroffen – diesmal saßen wir nicht in unserem separaten Zimmer, sondern in einer der Nischen im ganz normalen Gastraum. Die Jungs haben die Feiertage auch soweit gut verbracht – Robertos war „anregend, aber nicht aufregend“, wie er es nannte; er war am in den Tagen direkt vor Weihnachten offenbar bei diversen Firmenfeiern eingeladen, und den 24. und 25. verbrachte er bei Familie, ähnlich wie ich selbst.

Roberto fielen auch gleich die neuen Sneaker auf, die Edward trug (mir nicht, muss ich gestehen).„Faaaaancy!“
Und so berichtete Edward, dass Cassius ihm vor dem Date, sorry, Nicht-Date mit Cherie tatsächlich den Modeberater gemacht habe und die Brüder gestern vormittag gemeinsam nicht nur die Sneaker, sondern generell ‚coole Klamotten‘ (Cassius‘ Worte) gekauft hätten.

Bei dem Treffen in dem Bistro, das Alex vorgeschlagen hatte, wollte Cherie natürlich irgendwann wissen, was da genau los gewesen sei in der Stadt mit Ragnarök und all dem. Und ob sie sich willen bei Pan entschuldigen solle, weil sie einige seiner Leute umgebracht habe, als die das Hotel Fontainebleau angriffen. „So um des lieben Friedens willen, damit dein Kumpel Cardo keinen Stress bekommt?“
Daraufhin brachte Edward Cherie auf Stand: dass Pan nicht mehr der Sommerherzog ist, ich nicht mehr sein erster Ritter, und überhaupt, wie die Dinge gerade so liegen.
Cherie habe einen Moment lang geschwiegen, sagte Edward, und dann geantwortet: „Also wenn ihr wen braucht, der eine … hmmm … in Ungnade gefallene Gottheit beseitigt… warte, kann man Gottheiten überhaupt umbringen? Hmmm… Wäre sicherlich einen Versuch wert…“
Edward habe nicht direkt zugesagt, erzählte er, aber Cherie versichert, wir würden das Angebot im Hinterkopf behalten.

Alex hatte eigentlich vor, es nach dem ganzen Ragnarök-Chaos einfach nur ruhig angehen zu lassen, da kam ihm die Tatsache, dass Dee inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sich aber noch schonen muss und sie daher gemütlich zu zweit feierten, gerade recht. Ob und inwieweit allerdings der obligatorische Facetime-Anruf bei den Eltern die reine Entspannung war, darüber schwieg Alex sich aus.

Totilas sagte, er habe viel Zeit in diversen Bibliotheken und Archiven verbracht und zu seinem Zustand geforscht. Und sein Vater habe sich gemeldet – Richard Raith habe zwar gerade sehr viel um die Ohren, werde aber seine Tochter schicken.

Unser White Court-Kumpel hatte das kaum erzählt, da fuhr draußen ein Auto vor. Ein unauffälliges Modell, aber geschwärzte und kugelsichere Scheiben. Ich selbst hätte das nicht erkannt, denn die Scheiben waren so kunstvoll geschwärzt, dass man so auf Anhieb gar nicht merkte, dass man nicht hindurchschauen konnte – aber Alex‘ und Edwards geschulten Blicken entging es nicht.

Aus stieg eine junge Frau von vielleicht 20 Jahren, dunkle Haare, blasse Haut, der typische Raith-Look, und tatsächlich erkannte Totilas sie sofort. Bei uns anderen dauerte es einen Moment länger, aber es ist ja auch 6 Jahre her, dass wir sie zuletzt gesehen haben: Es war Cherise, Totilas‘ kleine Schwester, deren Tod wir während der Sache mit Richard Raiths Dämon fingiert hatten und die hinterher zur Sicherheit von Gerald Raith aus der Stadt geschickt wurde, weil Totilas‘ Mutter ja nach ihr suchte, um sie zum Red Court zu machen, wie wir befürchteten… damals, als ich die Jungs vergleichsweise frisch kennengelernt hatte und noch nicht wieder regelmäßig Tagebuch führte.

Totilas bemerkte sofort: Seine Schwester war keine White Court Virgin mehr, hatte keinen Hunger-Dämon mehr in sich, nicht mal den schlafenden wie früher – aber es hing Magie an ihr, spürte Edward. Auch ein Mann stieg aus dem Auto, den wir alle sofort erkannten, obwohl es auch bei ihm dieselben 6 Jahre her war wie bei Cherise: Castor Elfenbein, der sich nach deren Übernahmeversuch vom russischen Zweig der Raiths losgesagt hatte und Cherise anschließend als Bodyguard begleitet hatte, als diese untertauchte.

Beide betraten das Dora’s, und Cherise steuerte zielsicher auf uns zu, nachdem sie sich im Raum umgeschaut und Totilas erkannt hatte. Castor Elfenbein setzte sich in Bodyguard-tauglicher Entfernung an einen anderen Tisch, behielt seinen Schützling aber scharf im Auge.

Nach der Begrüßung lächelte Cherise ihren Bruder an. „Ich habe gehört, du wärst hier, da habe ich gedacht, ich komme einfach mal vorbei.“
Sie wolle nicht im Haus mit den ganzen Raiths wohnen. Und – in vorsichtigem Ton – „Können wir reden?“ „Ja.“ „Auch über…“ – noch vorsichtiger – „… Dad?“ „Ja. Wir waren dabei.“
Cherise wirkte erleichtert. Ihre Eltern seien gerade an einem anderen Problem dran, und sie habe aus Gründen die Uni wechseln müssen und habe ohnehin überlegt, nach Miami zu kommen und hier weiterzustudieren… „Geht das?“

Sie nennt sich übrigens nicht mehr Cherise Raith. Seit sie damals untergetaucht ist, geht sie als Anelise Johnson durch die Welt. Aber ‚Annie‘ sei auch okay.
(Ich bin tatsächlich gar nicht unglücklich darüber – ich fand es damals vor sechs Jahren ziemlich verwirrend, zwischen Totilas‘ Cousine Cherie und seiner Schwester Cherise unterscheiden zu müssen.)

Oh, und Cherise Annie ist wirklich keine White Court Virgin mehr, sondern sie ist ihren Dämon losgeworden, auch ohne wahre Liebe. Es gehe leichter, wenn der Dämon noch nicht aufgewacht sei. Aber sie sei jetzt Mitglied des Weißen Rates, weil sie Magie beherrsche. „Deswegen muss ich auch möglichst bald beim örtlichen Warden meine Aufwartung machen.“

Bei diesen Worten verzogen wir alle das Gesicht, was Annie natürlich nicht entging.
„Ja, wir müssen dir da noch was über den Warden erzählen, bevor du dahin gehst…“
„Okaaay? Könnt ihr ja. Aber erstmal, wegen deines Problems, Totilas: Ich habe mich viel mit Dämonen beschäftigt und nachgeforscht, und dein Fall scheint ziemlich einzigartig zu sein. Dein Dämon ist komplett getrennt von dir?“
„Ja“, erwiderte Totilas, „aber zum Glück hat er nicht die Kontrolle.“
„Najaaaa“, warf Roberto ein, „manchmal redet er aber schon aus deinem Mund.“

Annie schaute interessiert. „Aber das ist genau der Punkt: Wenn bei einem White Court Vampir der Hunger überhand nimmt, dann hat der Dämon die Kontrolle, bis der Hunger gestillt ist, den Rest der Zeit hat der menschliche Teil die Kontrolle. In allen Fällen, wo der Dämon die ständige Kontrolle übernommen hatte, wurde er bisher immer von der Familie beseitigt.“ Anelise schwieg einen Moment und dachte nach, dann wandte sie sich wieder ihrem Bruder zu:
„Aber die wichtigste Frage ist jetzt, was willst du? Deinen Dämon behalten und die Kontrolle wieder übernehmen, wie es vorher war? Oder den Dämon komplett loswerden?“

Totilas machte ein etwas verlegenes Gesicht. „Das weiß ich gerade selbst nicht so genau.“
„Das ist ein Problem.“
„Es geht ja nicht nur um Macht. Es geht um Verantwortung, um die Existenzen, für die ich inzwischen verantwortlich bin. Es geht um die Menschen. Ich habe damals die Verantwortung übernommen, damit Großvater abdanken kann, die kann ich jetzt nicht ohne Weiteres einfach wieder abgeben.“
Auch schwieg einen Moment, bevor er in langgezogenem Ton, als denke er beim Sprechen nach, sagte: „Es bräuchte… etwas zum Verschleiern. Dass man nicht merkt, was ich dann bin.“
Annie ließ ihre Augen für einen kurzen Moment silbern aufleuchten. „Visuell geht das schon. Aber manche Leute können das riechen.“Totilas nickte leicht. „Ja, klar. Es war ja auch nur so eine spontane Idee.“

„Oh!“, entfuhr es seiner Schwester dann abrupt, „Ich habe eine Idee! Wir könnten deinen Dämon in einen Gegenstand bannen, den du dann bei dir trägst!“
„Oh?“
„Ja! Ich muss das recherchieren, aber das kriegen wir hin.“
„Okay, cool. Was brauchst du von uns?“

Das fast schon Übliche, könnte man meinen. Blut sei immer eine gute Idee, erklärte Annie, und auch Tränen wären super. Zugang zur Bibliothek der Raiths, eine Übersicht über Totilas‘ bisherige Forschungen. Er versprach, ihr die Namen der Titel zu schicken, die er interessant fand. Und wir sollten doch schon einmal über den Gegenstand nachdenken, in den der Dämon gebunden werden solle.

Derzeit wohnt Anelise übrigens im Studentenwohnheim, braucht aber eine eigene Bleibe, gerade wenn sie magisch tätig werden will. Wir versprachen, uns einmal umzuhören.

Und wir warnten sie, dass ihr Treffen mit dem Warden lieber an einem öffentlichen Ort statfinden solle. Vielleicht ein Geschäftsessen in einem Restaurant oder etwas dergleichen, wo wir unauffällig in der Nähe sein können.
„Hm, ja, Gerald hat erzählt, dass Spencer Declan keine anderen White Council-Magier in der Stadt duldet und dass es etwas gefährlich werden könnte, deswegen habe ich ja als arme kleine Studentin“ – Annie klimperte unschuldig mit den Augen und nickte in Richtung Castor Elfenbein – „meinen Custos dabei.“
Der Bodyguard ist übrigens auch kein White Court mehr, sagte Totilas später, das habe er genauso spüren können wie bei seiner Schwester. Ein normaler Mensch, aber ebenfalls mit Magie an sich.

„Wundert es dich, dass wir mit Spencer Declan verfeindet sind?“, fragte Edward rundheraus.
„Wieso lebt ihr dann noch beziehungsweise seid noch in der Stadt?“
Das Lächeln, das Edward zeigte, war ganz das eines Lykanthropen. „Weil wir inzwischen nicht mehr ganz unfähig sind.“
„Oh, ist jemand von euch von einem Dämon besessen?“, fragte Annie mit leuchtenden Augen. „Ich frage, weil ich’s studiere, wisst ihr…“
„Definiere Dämon.“
„Eine parasitäre oder symbiotische Verbindung zu einer übernatürlichen Wesenheit.“
Alex legte den Kopf schief. „Hmmm… immer mal wieder.“
Annies Augen wurden noch größer. „Wie das denn? Das ist ja cool! Erzähl!“
„Es fing mit Geistern an, jetzt geht auch mehr.“
„Wie cool!“ Während Alex ihr einen kurzen Abriss gab, machte Anelise sich eifrig Notizen auf ihrem Laptop.

Als Alex fertig war, brummte Edward: „Zorngeist.“
„Ein Zorngeist? Aber du bist okay, also ich meine, du verlierst nicht die Kontrolle?“
„Nur bei Vollmond.“
„Warte, bist du etwa ein Lykanthrop?“
Edward nickte. „Genau.“
„Wie COOL!“
Das entlockte Edward ein Schmunzeln. „Die meisten Leute reagieren nicht so.“
Anelise lächelte einen Hauch verlegen. „Es interessiert mich halt, das ist mein Spezialgebiet!“

„Was studierst du eigentlich?“, wollte ich daraufhin wissen und bekam ein „Naja, eigentlich Biologie mit Fachrichtung parasitäre und symbiotische Verbindungen, also an der Uni rein mundan halt, aber auf magischer Ebene spezialisiere ich mich auch darauf.“
„Verstehe“, erwiderte ich. „Also ich kann nur Feenmagie.“
„Feenmagie ist aber auch cool“, erwiderte Annie und schaute dann zu Roberto. „Und du?“
„Ich habe eine Verbindung zu der Santeria-Orisha Oshun, aber ich habe auch eine gute Beziehung zu Titania.“

Das ließ mich unwillkürlich schnauben. Eine gute Beziehung?! Fern sei es mir, die Beziehungen ihrer Majestät, Königin Titania, bewerten zu wollen, aber ich glaube, das sieht ihre Majestät ein klein wenig anders…
Bei meinem Schnauben warf Roberto mir einen Blick zu. „Okay. Es ist kompliziert.“

Annie sah völlig begeistert aus, riss sich aber zusammen und erklärte: „Das ist total faszinierend, ich würde das echt gerne weiter verfolgen, aber ich will euch ja nicht als Studienobjekte verwenden.“
Edward schmunzelte wieder. „Aber du würdest, wenn du könntest, oder?“
„Jaaaa, schon – aber jetzt ist vor allem Totilas‘ Problem erstmal wichtiger.“

Bevor sie ging, tauschten wir noch Nummern aus. Und eines konnte ich mir nicht verkneifen, nachdem ich gesehen hatte, wie locker Annie mit ihrem Smartphone und ihrem Laptop umging: „Verrate Edward mal, was man tun muss, damit das Handy nicht ständig kaputtgeht.“
„Nicht soviel Magie machen“, antwortete Anelise trocken. „Ich zaubere tatäschlich gar nicht so viel, ich bin mehr so der theoretische Typ. Aber stimmt, ruft lieber bei Cas an, das ist sicherer. Bei meinem Handy läuft gerne mal der Akku leer.“ Sie stutzte. „Aber warte mal… Edward, du kannst auch Magie? Ich dachte, du bist Lykanthrop?“
Edward grinste sie an. „Na, na, du solltest mich nicht auf eine Rolle reduzieren.“
Anelise blinzelte. „Oh, ich dachte irgendwie, das geht nicht, ich weiß gar nicht, warum.“

Bevor sie ging, zog sie Totilas in eine Umarmung. „Mom und Dad sagen Grüße und dass sie dich lieb haben.“
„Wir sollten uns wirklich bald mal wieder treffen“, erwiderte ihr Bruder.
„Totilas, sie haben dir ausrichten lassen, dass sie dich lieb haben!“
Totilas schwieg einige Sekunden, und man konnte förmlich sehen, wie er die erhaltene Information erst verstehen und verarbeiten musste, Dann: „Oh. Oh! Ich habe sie auch lieb.“
„Gut“, machte seine Schwester betont, „das richte ich ihnen so aus.“

Dann ging sie, gefolgt von Castor Elfenbein. Der Custos warf uns einen skeptischen Blick zu, der deutlich von seinem Beschützerinstinkt zeugte, ganz nach dem Motto: 'das Urteil, ob diese Typen gut für meinen Schützling sind, das steht noch aus.'
« Letzte Änderung: 20.11.2025 | 08:51 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

  • Lutzbot
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Tanelorns Hauswerwölfin
  • Beiträge: 16.449
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Timberwere
    • Timbers Diaries
28. Dezember

Gracias a Dios, ich bin nicht mehr der amtierende Sommerherzog!

Was für eine Erleichterung. Aber der Reihe nach.

Das Ritual, mit dem Lady Rhodorea zur neuen Herzogin wurde, war richtig schön und würdig.
Es war vor allem ein Feen-Ritual, nicht so sehr eines der hermetischen Magie, deswegen hatte Edward diesmal nicht größer etwas damit zu tun.

Für die zu krönende Herzogin hatten wir aus Rhododendron einen Thron in die richtige Form gezaubert (das war Sommermagie, da konnte ich die Hauptarbeit leisten und musste nicht Edward alles machen lassen), und natürlich hatten auch den Thron und überhaupt den Ort des Festaktes geschmückt üppig mit Sommerblumen geschmückt.

Dem Blumenarrangement gab Lady Rhodorea ihre persönliche Note, indem sie die eine oder andere Sorte aussortierte (dass Tagetes zwar im Sommer blühen, aber auch für den Tod stehen, darauf hätte ich auch selbst kommen können, duh, immerhin sind sie eine der wichtige Dekoration am Dia de los Muertos) und einige andere Arten hinzufügte. Aber das wunderte mich nicht, denn schließlich ist war sie eine hohe Blumenlady.

Auch das Wetter war wunderschön, und zwar nicht nur in der Sommerdomäne, sondern auch vorher schon im weltlichen Miami. Im strahlenden Sonnenschein, inmitten eines Meers aus leuchtenden Blumen und umgeben von singenden Fae, übergab ich Lady Rhodorea im Zuge des Rituals feierlich und mit dem Gelübde es Ersten Ritters die Herzoginnenkrone. Als sie diese auf ihr Haupt setzte, lief eine Art Welle durch die Domäne, und ich spürte, wie der Herzogsmantel und die damit einhergehende Magie von mir in Herzogin Rhodorea floss und nur die Rittermagie in mir blieb.

Und in diesem Moment spürten wir auch Königin Titanias Anwesenheit. Die oberste Herrscherin aller Sommerfae stand mit einem Mal mitten unter uns, als sei sie schon die ganze Zeit über dabei gewesen.
„Herzogin“, sagte sie freundlich, aber von einem Hauch Kühle durchsetzt, und Lady Rhodorea leistete ihr den Treueschwur.
„Du übernimmst eine Aufgabe in dieser Stadt, Herzogin“, fuhr ihre Majestät dann fort. Pan muss für seinen Verrat bestraft werden, und sollte das nicht geschehen, werde ich selbst kommen und es mit ihm ausfechten.“

Als sie ging, warf sie Roberto einen durchdringenden Blick zu. Der versuchte, davon unbeeindruckt auszusehen, aber so richtig klappte das nicht. Unser Kumpel gab deutlich die Aura eines Mannes ab, der gelangweilt aussehen wollte, aber darunter ziemlich nervös war.
Aber das war vermutlich auch ganz gut so, denn wenn Roberto sich wirklich nicht hätte beeindrucken lassen oder zumindest diesen Anschein erweckt hätte, dann hätte Königin Titania das ja nicht auf sich sitzen lassen können, sondern hätte etwas unternehmen müssen.

So aber wurde ihr Blick Roberto gegenüber noch etwas schärfer, bevor sie sich uns zuwandte:
„Sir Ricardo, Herzogin, Eure Gästeliste lässt zu wünschen übrig.“
Dann wand sich eine Rosenranke – eine dornige Rosenranke um Robertos Bein, und mit diesen Worten verschwand sie.

„Wir müssen über den Verräter sprechen und darüber, welche Strafe wir ihm angedeihen lassen“, sagte die Herzogin. Für einen kurzen Moment durchfuhr mich ein kleiner Stich, dass sie jetzt die Entscheidungen traf und nicht länger ich selbst, aber das war nur ein sehr kurzer Moment, und gleich darauf überwog wieder die Erleichterung.

---

29. Dezember

Heute gab es eine kleine Berufsberatung für Cassius. Also nein, nicht direkt natürlich, aber heute kam das Gespräch darauf, was Edwards kleiner Bruder eigentlich später – bzw. demnächst, so klein ist er ja inzwischen gar nicht mehr – mal machen wolle.

Also auf keinen Fall wolle er Gangster werden, sagte er. Okay, das ist schonmal gut.
Studieren möchte Cassius auch nicht, Bücher seien nichts für ihn, meinte er.
Irgendein Handwerk vielleicht? Influencer? Oder Model?
“Falls du das mit dem Modeln ernst meinen solltest, ich habe da Kontakte.“ Roberto, natürlich.

Modedesign? Das war Totilas‘ Vorschlag, aber das erschien Cassius zu anstrengend.
„Handwerk klingt okay“, meinte er. „Handwerk mach‘ ich.“
„Etwas mit Autos vielleicht?“, schlug Alex vor.
„Oder was mit Bau?“
„Nee, lieber Autos. Autos sind cool. Das mach ich.“
Da kann Alex ihm doch bestimmt etwas vermitteln.

---

30. Dezember

Annie hat sich gemeldet. Sie sagte, für ihre Forschungen wegen Totilas‘ Problem müsse sie nach Schottland und diesen See studieren, aus dem der erste Raith-Dämon kam.

Uh oh.

Verdammt. Wir müssen sie vom Lochan Dubh nan Geodh und den Mordor-Ents fernhalten, aber alle denken, unser Gedächtnis sei in bezug auf die Mordor-Ents komplett gelöscht. Und Anelise ist im Magierrat; sie einzuweihen, wäre ein zu großes Risiko. Ich weiß nicht genau, wie auffällig es für Anelise war, aber für einen kurzen Moment wurden unser aller Mienen sorgfältig neutral.

Alex reagierte am schnellsten. „Was hat dein Vater dir denn von dem See erzählt?“
„Mit Dad habe ich nicht darüber gesprochen. Gerald hat erzählt, dass der erste Raith-Dämon dort herausgekommen sei, mehr nicht. Aber das klingt nicht ganz glaubwürdig. Und nicht ungefährlich.“ Sie lächelte unbekümmert. „Aber ich würde ja Cas dabeihaben. Und ich muss sowieso erst mit Warden Declan reden, also weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt nach Schottland fahren würde und falls ja, wann.“

Ein Treffen mit Spencer Declan hat Annie auch schon vereinbart. Im neuen Jahr, im Opera House. Das ist nicht nur vornehm, sondern vor allem neutraler Boden nach den Unseelie Accords. Am 2. Januar um 19:00 Uhr, sagte sie. Wir haben sie noch einmal gewarnt, sie solle auf jeden Fall vorsichtig sein.

---

31. Dezember

Kein großer Eintrag heute; wir sind am Vorbereiten. Wir feiern bei uns, und die hijas freuen sich schon einen Ast, dass sie bis Mitternacht aufbleiben dürfen, und auf das „richtige“ Feuerwerk. Die Großeltern beiderseits gehen zwar auch mit ihnen zu dem Kinderfest mit abschließendem Feuerwerk um 21:00 Uhr, das ist einfach Tradition, aber das ist natürlich nicht dasselbe.

Memo an uns: Darauf achten, dass Monica nicht aus lauter Begeisterung das Apartment in Brand steckt.

---

1. Januar

¡Feliz Año, allerseits!

Natürlich hat Monica die Gelegenheit genutzt, ihr eigenes kleines Feuerwerk zu veranstalten - es war aber nicht wesentlich weniger schlimm, als es hätte sein können. Sie hat sogar um Erlaubnis gefragt.
Sie wollte unbedingt eine Wunderkerze, die länger hält als die übliche halbe Minute, aber das war offenbar doch noch zu filigrane Magie für sie. Die beiden, die sie für Alejandra und sich selbst verzauberte, hielten länger, aber dummerweise nicht mit den für Wunderkerzen typischen Funken, sondern mit der stetigen Flamme einer kleinen Fackel. Und dann brannten sie und brannten und brannten und gingen nicht einmal aus, als wir sie in Wasser steckten. Also holten wir einen großen Eimer Sand vom nahegelegenen Strand, und darin ließen sich die Flammen endlich ersticken, gracias a Dios.

Aber das hat mich wieder einmal daran erinnert, dass es gut wäre, wenn Monica ihre magischen Lektionen bei einem anderen Lehrer oder einer anderen Lehrerin fortsetzen könnte, jetzt wo Ximena bis auf Weiteres im Nevernever ist.
Zum Glück bricht die Kleine nicht mehr unkontrolliert in Flammen aus, aber trotzdem. Weiterhin Unterricht wäre gut.

---

2. Januar

Wir haben es Anelise nicht verraten, aber zu diesem Treffen mit Declan wollen wir auch vor Ort sein. Nur für den Fall, dass irgendwas passiert. Wenn was passiert, können wir hoffentlich eingreifen, und falls nichts passiert, dann muss Annie gar nicht wissen, dass wir da waren.

---

Okay, das war einigermaßen seltsam. Wir hatten uns für 18:30 ebenfalls einen Tisch reserviert, aber in einem kleinen Restaurant gegenüber des Opera House, und dort einen Tisch an einem Fenster, an dem Annie und Declan hoffentlich nicht vorbeikommen würden, aber von der aus wir alles sehen konnten. Und falls etwas passieren sollte, würden wir es über unseren Intellectus merken und könnten schnell drüben eingreifen.

Annie kam pünktlich, eine oder zwei Minuten vor 17:00 Uhr. Sie war unauffällig gekleidet, ganz die unschuldige, junge College-Studentin. Castor Elfenbein war bei ihr, ging aber getrennt hinein – bestimmt würde er sich woanders hinsetzen und die Szene von dort aus im Auge behalten.
Etwas später traf ein junger Mann ein, der ein nahöstliches Aussehen hatte, Edward zufolge über eher wenig Magie verfügte, aber keinen Outsider-Einfluss an sich hatte und sich draußen vor der Tür erst einmal straffte, bevor er hineinging.

In unserem Intellectus blieb alles friedlich, und nach erstaunlich kurzer Zeit kam Annie wieder heraus, mit einer etwas verwirrten „Häh, was war das denn jetzt?“-Miene. Kurz darauf ging auch Castor, und zuletzt der junge Mann, der einen durchaus erleichterten Ausdruck auf dem Gesicht hatte.

Unser Gespür für die Stadt sagte uns, dass Anelise und ihr Bodyguard sich hinter der nächsten Ecke trafen und nach Hause fuhren, während der junge Mann zu Spencer Declans blindem Fleck fuhr. Dort war kein Outsider-Kopfschmerz, zu dem wir nicht hindenken konnten – tatsächlich war gerade überhaupt kein Outsider-Kopfschmerzfleck überhaupt irgendwo in dem Bereich, den wir spüren können.

---

3. Januar

Nachher ist das erste Treffen der Guardians im neuen Jahr. Wir sind fahren wieder mal gemeinsam hin – Alex’ Auto ist ja bekanntlich groß genug.
Drückt die Daumen, Römer und Patrioten, dass Febe und Cicerón sich nicht allzusehr an die Gurgel gehen.

---

Wir saßen gerade im Auto, da rief Annie bei Totilas an, um ihm von dem Treffen gestern Abend zu berichten.
„Das war irgendwie komisch. Der Warden war gar nicht da – er hat einen Lehrling geschickt, aber der war voll überfordert.“
„Ach, interessant… was hat er denn gesagt, warum der Warden nicht selbst gekommen ist?“
„Angeblich sei der voll im Kampf gegen die Fomori, aber ich hatte das Gefühl, der hat irgendwie gelogen.“
„Ach ja? Was hat er denn erzählt?“
„Nur das Übliche… ich soll die Gesetze einhalten, vorsichtig sein… Oh, und er meinte, ich solle mich nicht wundern, man könne hier in Miami jede Menge alte Gottheiten antreffen.“
„Ja… das ist alles richtig.“
„Okay…  Es war nur etwas verwirrend, irgendwie… naja, antiklimaktisch nach euren ganzen Warnungen.“

---

Zurück vom Treffen. Es gibt Neuigkeiten.

Edward berichtete, dass Lieutenant Townsend fertig sei mit Nachdenken und ihm vor ein paar Tagen die Rückmeldung gegeben habe, sie könne das nicht. Sie müsse aus dem Guardians-Verbund wieder raus, weil sie denke, sie könne Miami als Leiterin des SID mehr helfen als mit einer Rolle, die sie völlig überfordert.
Edward verstand das natürlich und versprach, dass er sich darum kümmern werde und dass wir uns innerhalb der Guardians bei nächster Gelegenheit über einen Ersatz beraten würden.
Zeitnah wäre nett, habe Alison gesagt, und auch das sagte Edward ihr gerne zu, warnte sie aber auch gleich, dass das nächste Treffen des gesamten Guardians-Kreises erst wieder im neuen Jahr stattfinden werde. Also heute. Aber damit muss Alison wohl leben, bleibt ihr ja nichts anderes übrig.

Die Nachricht kam in der Gruppe … unterschiedlich an. Ich selbst finde es schade, kann Alisons Standpunkt aber sehr gut nachvollziehen – vermutlich ist die Funktion, die sie gerade hat, wirklich genau die Position, wo sie am besten für Miami da sein kann.

Totilas‘ erste Frage zu dem Thema hingegen brachte mir etwas in Erinnerung, das ich gerne verdränge: dass er nämlich ein verdammter Verbrecherboss ist. „Haben wir ein Problem, weil Alison die Casa Guardián kennt?“
Und damit weiß, wo sie uns finden kann, wollte er damit sagen.

Alex zuckte mit den Schultern. „Wenn sie dich oder Cicerón verhaften wollte, könnte sie das eh, dazu müsste sie nicht hierherkommen. Im Gegenteil, hier tut Ihr ja nichts Illegales. Aber sie wird euch eh nicht verhaften, sie hat nämlich keine Beweise.“

Bei diesen Worten verzog Edward etwas das Gesicht – er ist halt doch immer noch ein Ex-Cop –, sagte aber nichts weiter dazu, und nachdem Totilas Alex zugenickt hatte, widmeten wir uns dem Brainstoming zu möglichen neuen Kandidaten.

Ciceróns Vorschlag kam für mich völlig unerwartet und von hinten links aus der Ecke: „Wie wäre es mit deinem Bruder, Ricardo?“
Hui. Woooah. Mein erster Instinkt war sofortige und kategorische Ablehnung, aber ich biss mir auf die Zunge und tat die Idee nicht gleich ab, sondern zog die Brauen hoch und blinzelte. Den Gedanken musste ich erstmal verdauen.

Totilas warf seine Schwester in den Ring, aber Anelise ist erst ganz frisch zurück in der Stadt. Bei ihr ist es noch völlig unklar, wie sie zu Miami stehen wird, das wäre viel zu früh. Und sie ist Mitglied im Magierrat, die haben ihre ganz eigene Agenda. Das wäre ein Ungleichgewicht. Okay, wir haben mit Totilas auch einen Weißvampir in unseren Reihen und mit mir jemanden, der mit dem Sommerhof verbandelt ist, aber es tut auch nichts zur Sache. Für Annie wäre es zu früh, und wir brauchen jetzt jemanden.

Jemand warf Byron in den Raum, aber der hat ja schon öfter gesagt, dass er den Posten nicht will, weil er eigentlich nur vorübergehend in Miami ist. Linares meinte, man könnte Byron die Pistole auf die Brust setzen, aber wir anderen fanden es überhaupt nicht sinnvoll, den Schamanen unter Zwang in unseren Bund zu holen. „Immer noch besser als ein offener Posten“, fand Cicerón, aber nein. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Lieber der Posten offen halten als ihn unter Zwang besetzen – auch wenn es hoffentlich soweit nicht kommen wird. Es muss doch Optionen geben.

Macaria Grijalva, schlug Febe vor. Aber die könnte vielleicht zu alt sein. Und ist sie nicht krank? Immerhin, Red Court Infected ist sie nicht mehr, seit alle Rotvampire vernichtet sind, aber ob sie den Posten haben wollen würde? Vielleicht zeitweilig, bis wir jemand Permanentes gefunden haben? Immerhin würde sie Ángels Profil ziemlich genau ersetzen. Wir können sie ja mal fragen, einigten wir uns.

Aber wenn Macaria eins zu eins auf Ángels Profil passt, wer wäre denn dann ein guter Ersatz für Ximena? Jemand mit hermetischer Magie wäre gut.
Ich sage es ja nur ungern, aber mir fiel da jemand ein. „Christine Wick vielleicht? Sie kann Magie, sie ist auf Feuer spezialisiert? Ist nur die Frage, ob sie mit mir wieder kann.“
Roberto zuckte die Schultern. „Musst ja vielleicht nicht du sie fragen.“
„Und es ist ja nun auch nicht so, als ob hier nicht mehrere Leute ein angespanntes Verhältnis miteinander hätten.“ Das kam von Febe, gepaart mit einem finsteren Blick zu Cicerón und Ilyana, die die finsteren Blicke unvermindert zurückgaben.

„Alex“, mischte Dee sich ein, „du kennst doch so ziemlich alle Praktizierer in dieser Stadt, fällt dir nicht jemand ein?“
Und ihm fiel tatsächlich jemand ein: Jasmine Lestari, eine junge Hermetikerin mit Spezialisierung auf Luftmagie, die offenbar wie Alex Segeln als Hobby hat und die er einmal bei einem Sturm dabei erlebt hat, wie sie den Wind beeinflusste, um das Schlimmste abzuwehren. Surfen tut sie offenbar auch.
Alex erzählte, Jasmine sei Indonesierin – oder besser, sie selbst sei schon hier geboren, aber ihre Eltern seien aus Indonesien eingewandert und führten ein kleines Restaurant hier, in dem Jasmine auch als Kellnerin arbeite. Dort habe er auch schon das eine oder andere Mal gegessen, es sei ziemlich lecker.

Keiner von uns kannte Jasmine bisher, aber das klang doch gar nicht schlecht. Mit der sollten wir gleich einmal reden.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!