Autor Thema: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")  (Gelesen 59911 mal)

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Offline sindar

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Ui, ui, ui. Das klingt, als hättet ihr ordentlich aufs Maul bekommen. Und gebannt ist die Gefahr wohl noch nicht, oder? Aber immerhin, das Schlimmste scheint abgewendet zu sein, wenigstens für den Moment. Und gut, daß ihr Miamis Inkarnation retten konntet!
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Offline Timberwere

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Ja, ordentlich aufs Maul stimmt: Wir hatten tatsächlich alle all unsere Konsequenzen ausgereizt. Aber zum Glück mussten wir dann doch nicht noch mehr kämpfen, auch wenn wir das tatsächlich eine Weile befürchtet hatten; in der nächsten Session kam dann doch nur noch Aufräumen und Nachklapp. Aber dafür reichte das Zeichenlimit meines letzten Postings nicht mehr.
Der Nachklapp kommt dann demnächst. :)
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Dass unsere Verbindung zu Ángel unvermittelt abgerissen war, nachdem wir noch hatten spüren könnten, dass er sich mit dem Dämonen aus seinem Denarius eingelassen hatte, das hatte ich ja schon geschrieben. Aber als wir jetzt im Auto noch einmal in diese Richtung hindachten, merkten wir, dass da eine neue, dünne Verbindung war, und zwar zu Alison Townsend, Edwards Nachfolgerin als Leiterin des SID. ¿Que demonios?

Auf dem Weg zur Casa machten wir natürlich eine kurze Bestandsaufnahme unserer Blessuren. Große Sprünge würden wir nicht mehr machen können, denn wir waren alle ziemlich angeschlagen, ob es jetzt meine Verwundung durch den Eisspeer war oder der Hitzschlag, den ich erlitten hatte, ob es Alex‘ Verbrennungen von der Explosion waren, Edwards Bisswunden oder Robertos Armbruch. Nur Totilas wirkte erstaunlich unversehrt… was seltsam war, denn auch er war in dem Kampf – den beiden Kämpfen – eigentlich ganz schön gebeutelt worden. Und normalerweise kann auch ein Weißvampir solche Verwundungen nicht sofort abschütteln, aber okay, vielleicht musste er tiefer in die übernatürlichen Reserven greifen als normalerweise.

An unserem Hauptquartier stellten wir zu unserer Erleichterung fest, dass dort inzwischen Ruhe eingekehrt war und sich keine Einherjer mehr dort befanden. Sowohl meine als auch Robertos Eltern standen gehörig unter Schock, aber mit Ausnahme von Dee ging es allen gut. Vor allem die hijas kamen stolz wie die Schneeköniginnen auf uns zugerannt und berichteten triumphierend (und völlig überdreht), sie hätten ganz alleine die Einherjer verjagt, nachdem Dee ohnmächtig geworden sei! Monica mit ihrem Feuer und Jandra mit Morrigans Schwert und mit den Raben! Okay, nicht ganz alleine – da sei ein Mann aufgetaucht, der ihnen gegen die Einherjer geholfen habe, und hinterher habe er zu Alejandra gesagt: „Du kannst mein Schwert erst einmal behalten! Wir sehen uns wieder!“ und sei dann gleich wieder abgezogen.

Ich zeigte mich angemessen stolz und bewundernd, und da machte es keinerlei Unterschied, als Lidia mir hinterher unter vier Augen erzählte, dass die Einherjer sich absichtlich zurückgehalten hätten, weil sie den Mädchen nichts antun wollten, und dass die nordischen Krieger sich sehr erleichtert zurückgezogen hätten, sobald Odins Befehl endete.

Der Mann, von dem die hijas gesprochen hatten, konnte Lidias Beschreibung nach niemand anderer sein als Joseph Adlene – oder besser: als die Morrigan in Joseph Adlenes Körper, denn die Person habe sich trotz des männlichen Aussehens bewegt wie eine Frau und ihre Stimme ein weibliches Timbre gehabt.
Offenbar hat die keltische Gottheit inzwischen wieder die Überhand gewonnen, nachdem der Nekromant sie ja mit einem der Godslayer-Dolche ermordet hatte. Oder zumindest teilweise: Sie war offensichtlich noch nicht ganz mit sich im Reinen, wirkte noch unstet, und sei eben tatsächlich sehr schnell wieder verschwunden, nachdem die Bedrohung durch die Einherjer abgewendet war.
Jetzt, wo langsam wieder Ruhe einkehrte, konnten wir uns um unsere Verwundungen kümmern. Für Dee riefen wir erst einmal einen Krankenwagen – sie war zwar, wie schon erwähnt, zum Glück nicht lebensbedrohlich verletzt, aber bei der Verteidigung der Casa hatte sie sich magisch sehr stark überanstrengt, noch deutlich stärker als ich mit meinem Hitzschlag. Sie wird einige Zeit brauchen, bis sie wieder vollständig auf den Beinen ist.

Ansonsten ergab die Bestandsaufnahme folgendes:
Bei den Santo Shango am Hafen waren Fébé, Ilyana und Cicerón in einen Kampf gegen Asen und Einherjer verwickelt gewesen, in dessen Verlauf Shango von Fébé wieder auf Cicerón übergesprungen war, 
Da Ilyana die Yansa-Maske trug und die Orisha somit durch sich kanalisierte, war Fébé, nachdem Shango sie verlassen hatte, als einzige von den drei Gang-Mitgliedern ohne nennenswerte Magie, von der aktiven Unterstützung durch eine Santería-Gottheit ganz zu schweigen. Da sie in dem Kampf gewaltig ins Hintertreffen geriet und in erhebliche Gefahr geriet, rief sie Eleggua zu Hilfe. Wie sie es erzählte, ging sie einen Handel mit dem Trickster-Orisha ein, ohne genau zu wissen, welche Gegenleistung sie ihm da gerade genau versprach.

Und offenbar kam es nach dem Ende der Kampfhandlungen in der Hitze des aufgewallten Blutes und der gemeinsam überstandenen Krise zu einem heißen Stelldichein zwischen Shango und Yansa – also zwischen Cicerón und Ilyana. Das bedeutet Telenovela: Oshun ist wütend auf Shango, weil der mit Yansa im Bett war, und Fébé auf Cicerón, weil der mit Ilyana im Bett war – denn zwischen Fébé und Cicerón läuft ja eigentlich was. Ilyana ist auch nicht sonderlich amüsiert darüber, was da passiert ist, als sie und Cicerón von ihren jeweiligen Orishas geritten wurden: „Das war so nicht geplant!“

Ximena war in unserem Intellectus immer noch nicht zu spüren, aber Edward hatte ja erzählt, dass er sie im Nevernever getroffen hatte und sie dort gerade die Magie der diversen heidnischen Gottheiten zu beherrschen lernte.

Im Hotel Fountainebleu war es während des Chaos von Ragnarök zwischen Faunen, Nymphen und den Weißvampiren zu einer wilden Orgie gekommen, woraufhin die Raiths endgültig des Hotels verwiesen wurden. Der Wiederaufbau von Raith Manor wurde – natürlich – wieder einmal sabotiert, aber die gute Nachricht ist, dass Marshall, während wir unterwegs waren, ein passendes Objekt ausfindig gemacht hat, das sich als neuer Herrensitz eignet. Es braucht zwar einige Umbauten und Anpassungen, aber grundsätzlich können die Raiths das auch jetzt schon erwerben und kurzfristig einziehen, auch während diese Umbauten noch im Gange sind. Ob und inwieweit das alte als Köder noch weiterhin zur Verfügung bleibt, muss Totilas entscheiden. Wobei. Totilas. Mit dem stimmt was nicht. Während unseres Treffens war er ungewöhnlich launisch, geradezu sprunghaft, und seine Augen flackerten immer wieder zwischen seinem üblichen Grau und dem Silber seines Dämons. Wie ich sage: Irgendwas stimmt nicht. Da müssen wir dringend mal nachhaken.

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27. November

In der Presse wird natürlich auch über die Ereignisse berichtet, aber natürlich ist da in keinster Weise von Übernatürlichem die Rede. Der Blizzard, der während des versuchten Ragnarök herrschte, wird als vom Klimawandel begünstigter Zufall erklärt, immerhin gab es im Januar 1977 ja schon einmal Schnee in Miami. Die Kämpfe, die stattfanden, gelten offiziell als Bandenkriege zwischen Latino-Gangs und Nazis (a.k.a. skandinavische Einherjer).

Miami selbst ist übrigens auch etwas angeschlagen – nicht so, dass sie sich nicht wieder erholen würde, aber Ragnarök hat sie natürlich schon geschwächt. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung erst wieder geschieht, wenn unsere Stadt wieder vollständig genesen ist.
Nein, falsch. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung nie wieder geschieht!

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28. November

Ximena hat sich bei Alex gemeldet. Aus dem Nevernever, ohne körperlich nach Miami zurückzukehren. Also hat Alex sie dort getroffen. Ximena erzählte, sie habe erreicht, was sie wollte, sie kann jetzt die Kräfte der heidnischen Gottheiten anzapfen. Und genau das ist der Grund, warum sie sich noch nicht wieder in Miami hat sehen lassen: Wenn sie jetzt zurückkäme, würde sie automatisch wieder in den Intellectus-Verband von uns Guardians eintreten, und dann würde sie mit ihren neuen Kräften den Intellectus überwältigen und die Göttin von Miami werden, und das will sie auf keinen Fall. Sie muss jetzt erst einmal lernen, was genau sie da tut, daher will sie den Intellectus und die Guardians verlassen, zumindest bis sie ihre gottgleiche Macht vollständig unter Kontrolle hat.
Dann allerdings brauchen wir Ersatz für Ximena, wenn wir den Ring unserer Guardians-Gemeinschaft nicht schwächen wollen.

Apropos Ersatz.
Jetzt, wo Ragnarök vorüber ist, muss ich so bald wie möglich einen neuen Sommerherzog finden. Denn wenn ich die ganze herzogliche Sommermagie, die ich momentan in mir trage, nicht bald wieder auf jemand anderen übertragen kann, dann wird sie sich in mir festsetzen, und dann würde ich mein Menschsein verlieren und zur Fee werden, und, wie ich schon das eine oder andere Mal festgehalten habe: Das darf nicht geschehen.

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29. November

Au, verdammt. Ich habe Kopfschmerzen, und mir tun alle Knochen weh. Und, ¡padre en el cielo, ayúdanos!, ich weiß auch, warum.

Hatte ich, als wir an Ragnarök hektisch Richtung Bjarkis Haus rasten, nicht noch geschrieben: „Ahalphu ließ uns auch problemlos gehen”?
Jahaa, y una leche. Das war eine der Hektik geschuldete Verkürzung der tatsächlichen Umstände. Ja, Ahalphu ließ uns problemlos gehen... für seine Verhältnisse. Er war freundlich und umgänglich wie immer, aber als wir in Xibalba waren, meinte er auch: “Euch ist schon klar, dass es einen gewissen Preis haben muss, dass ihr Xibalba zur Durchreise verwendet, sonst könnte ja jeder kommen!”
Der Preis war eine Infektion, die er uns mitgab und die irgendwann ausbrechen würde – nicht tödlich, nicht hochansteckend, nicht sofort ausbrechend und ohne bleibende Folgen, soviel handelten wir heraus (was nicht sonderlich schwer war; ich glaube auch nicht, dass Ahalphu uns tot sehen wollte), aber eben eine Krankheit, und das war etwas, auf das wir uns umgehend einließen, weil die Zeit so sehr drängte.

Und ich fürchte, jetzt bricht es bei mir aus, was auch immer es ist.

Ay mierda. Mir platzt der Kopf.

Ich habe Lidia schon vorgewarnt, dass da demnächst was kommt. Muss ihr bescheid sagen.

Glaube nicht, dass ich so bald so viel schreiben kann.

Mierda.

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5. Dezember

Es war das Oropouche-Virus. Bei mir jedenfalls. Das volle Programm: Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag... und extreme Lichtempfindlichkeit. Allein der Gedanke an Helligkeit, geschweige denn an meinen patentierten Sonnenlichtzauber oder sonstige Sommermagie war gelinde gesagt unerträglich. Die letzten Tage habe ich im abgedunkelten Zimmer verbracht und war die meiste Zeit zu kaputt, um auch nur Musik oder Podcasts zu hören, und an Lesen, Fernsehen, im Internet Surfen oder gar Schreiben war überhaupt nicht zu denken. Glücklicherweise hat Ahalphu Wort gehalten: Mein Fall von Oropouche-Fieber war zwar extrem unangenehm, aber ich hatte keinen der sehr seltenen schweren Verläufe, bei dem mein zentrales Nervensystem angegriffen worden wäre. Und Lidia hat mich – mit Maske und Handschuhen – hingebungsvoll gepflegt. Nicht dass ich nicht sowieso schon gewusst hätte, dass sie einfach die Beste ist.
Jetzt klingen meine Symptome langsam ab, und heute kann ich zumindest wieder einigermaßen Tagebuch führen, auch wenn ich noch ziemlich schlapp bin.

Alex hat es mit ähnlichen Symptomen gebeutelt wie mich, aber ihn hat das Hantavirus erwischt. Keine Lichtempfindlichkeit bei ihm, dafür Blutdruckabfall und vorübergehende Sehstörungen. Aber zum Glück auch bei ihm kein schwerer Verlauf.

Totilas wurde von Ahalphu mit Lepra beglückt. Eigentlich hat die Krankheit ja, wenn mich mein Google-Fu nicht trügt, eine Inkubationszeit von mindestens einigen Monaten, aber hey, er hat sie vom „Bringer des Eiters“ aufgedrückt bekommen, da gelten normale Maßstäbe nicht. Und glücklicherweise wusste Totilas, dass irgendwas kommen würde, also konnte er beim ersten Auftreten der Pusteln und roten Flecken sofort in Behandlung begeben. Und seine vampirische Konstitution trägt sicherlich auch das Ihre dazu bei, dass er vollständig geheilt werden kann.

Bei Roberto ist es ähnlich: Bei ihm brach eine Syphilis aus, obgleich auch hier die Inkubationszeit normalerweise mehrere Wochen beträgt. Aber auch er war ja gewarnt, und so konnte auch er, sobald das typische Geschwür bei ihm auftrat, gleich mit der Therapie beginnen. Wobei „Therapie“ in seinem Fall nicht die klassische Behandlung mit Penicillin durch Tabletten oder durch intramuskuläre Injektion bei einem Arzt bedeutete, sondern Roberto behandelt sich selbst mit Medizin aus seiner Botanica und selbst gezogenen Schimmelpilzen von verdorbenem Gemüse. Mir selbst wäre das ja zu experimentell, aber Roberto kann ja auf die Hilfe seiner patrona Oshun zählen. ¡Gracias a Dios!
Aber apropos Oshun: Dass die Orisha Roberto in seiner Krankheit beisteht, bedeutet auch, dass sie sich ausgiebigst wegen Shango und Yansa bei ihm ausheult... und dass sie so ziemlich ununterbrochen auf Roberto einredet, er müsse doch auch endlich seine wahre Liebe finden. Oder zumindest klingt es so, wie Roberto das erzählt. Das einzig Gute sei, sagt Roberto, dass Oshun auch keine Dating-Apps mag.

Und Edward? Edward hat die Räude, und der Juckreiz war unerträglich. Als Gegenmittel gegen den Parasitenbefall gibt es nur Therapien für Tiere, und die will Edward nicht auf sich anwenden. Also muss – natürlich, wir reden von Edward! – wieder einmal ein Ritual herhalten, oder genauer gesagt, mehrfache Anwendungen des Rituals, bis die Milben endgültig verschwunden sind. Schneeball hingegen bekommt eine Hundekur, erzählt Edward, falls die Parasiten übergesprungen sein sollten. Von Cassius hält er sich sorgfältig fern, aber natürlich ist das für Edwards kleinen Bruder  trotzdem eine Steilvorlage in Sachen Flöhe und sonstige blöde Sprüche.

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6. Dezember

Während ich in meinem abgedunkelten Zimmer außer Gefecht war, kamen mehrere Vögel vom Sommerhof bei mir zuhause an, die alle Lidia für mich abgefangen hat. Oder genauer, sie hat die Botschaften gesammelt und sie mir heute gegeben, nachdem ich bis gestern größtenteils ja noch zu fertig dafür war. Die Vögel wurden von Lady Rhodorea geschickt, meiner Stellvertreterin in zivilen Dingen, und sie schrieb, ihre Majestät, Königin Titania, habe sich angemeldet, und sie – Rhodorea – wisse, dass ich nach den Ereignissen von Ragnarök unpässlich sei, aber meine Anwesenheit sei erforderlich, sobald ich es nach Kräften einrichten könne. ¡Ay, bendita! Als ob ich nicht schon längst dort gewesen wäre, wenn ich gekonnt hätte! Ich weiß ja selbst, wie wichtig es ist, dass ich in der Casita Präsenz zeige!
Naja. Sie hat es ja sehr höflich formuliert. Und natürlich gehe ich hin, sobald ich kann.

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8. Dezember

So langsam geht es uns allen besser.

Ein kurzes Update zu ein paar Dingen, die ich bisher noch nicht erwähnt hatte.

Alex sagt, dass Eleggua unter dem ganzen Druck, weil er ja das Ziel von Odins Angriff war, ebenfalls einen Deal – oder mehrere Deals, ganz so klar war das nicht – abschließen musste. Mit wem genau, das ist auch nicht so ganz klar, aber Alex war ja auch nicht auf der Höhe, als er diese Information von seinem patron bekommen hat.

Odin selbst ist aus Miami verschwunden, ohne das Thema Ragnarök oder Outsider-Einfluss noch einmal anzuschneiden. Ich habe aus Neugier bei Monoc Securities angerufen, aber da ist immer noch nur derselbe Anrufbeantworter dran.

Wir haben ja gespürt, dass Ángels mystische Verbindung zu Miami abrupt auf Alison Townsend überging, als er sich im Kampf am SID mit dem Dämonen aus dem Denarius einließ. Wie zu erwarten war, hat Alison bei Edward angerufen und um ein Treffen gebeten, und natürlich hat Edward zugestimmt. Ich gehe sogar fest davon aus, dass er sie von sich aus kontaktiert hätte, wenn sie ihm nicht zuvorgekommen wäre. Aber jedenfalls haben sie sich für morgen verabredet.

Ich habe außerdem gehört, dass Pan nach dem Kampf und nach den Entgleisungen im Hotel Fountainbleu zurück an seinem Hof ist und sich dort als den größten machorro aller Zeiten feiern lässt.
Ein paar Raiths haben sich offenbar auch vom Hotel an den Panshof mitschleppen lassen. So ist zum Beispiel Vin Raith nicht mehr da, der sich eigentlich gerade um die IT-Sicherheit für das neue Anwesen des White Court kümmern sollte. Mierda.

Und wie ich vor Ausbruch unserer Krankheiten schon schrieb: Irgendwas stimmt mit Totilas nicht. Falls ich gedacht hatte, seine, wie soll ich es nennen? Stimmungsschwankungen? Persönlichkeitsverschiebungen? würden nachlassen, habe ich mich geirrt. Sie sind immer noch genauso deutlich wie vor knapp zwei Wochen, treten sogar eher stärker hervor. Da müssen wir ran.

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9. Dezember

Hah. Habe ich es nicht gesagt. Jetzt hat es Bjarki auch schon gemerkt.

Vorhin hat Roberto angerufen und Alex, Edward und mich in eine Videokonferenz geholt. Totilas nicht, absichtlich. Denn wie gesagt, jetzt hat es Bjarki auch bemerkt.

Bjarki hatte Totilas angerufen, um sich auf Stand zu bringen und weil er einfach reden wollte. Er erzählte, dass er natürlich weiß, dass Ximena erst einmal nicht nach Miami zurückkommen wird, dass aber auch Ángel inzwischen offenbar komplett untergetaucht ist. Sein – Ángels – kleines Haus ist verlassen.
Bjarkis Geschwister, Fenrir und Jormungandr, sind inzwischen wieder weg, nachdem sie sich von Bjarkis Computer losreißen konnten. Dass er Ragnarök mit Babysitten verbringen würde, habe Bjarki auch nicht gedacht.
Jedenfalls habe Bjarki Totilas dann auch noch erzählt, dass er auch bei den Santo Shango vorbeigeschaut habe, dass er aber das Drama zwischen Febe, Ilyana und Cicerón, gegen dass jede Telenovela ein Dreck sei, nicht ausgehalten habe, vor allem, da Eleggua, der auch gerade dort gewesen sei, aus lauter Spaß noch Öl ins Feuer gegossen und das Drama noch mehr angestachelt habe.

Nach dem Gespräch habe Bjarki dann bei Roberto angerufen, erzählte der, und gefragt, ob Totilas okay sei – er habe zwischendurch immer wieder Aussetzer, wie bei einer gespaltenen Persönlichkeit, und in diesen Momenten klinge auch seine Stimme anders, dominanter. Bjarki gegenüber reagierte Roberto mit einem „es ist alles unter Kontrolle“, aber das war dann der Moment, wo er uns zusammenrief und uns alles erzählte, was der Halb-Ase gesagt hatte.

Und wir vier waren uns einig, dass es nichts bringt, um Totilas herumzulavieren, wir müssen das offen ansprechen: zu fünft. Wir haben uns alle im Dora's verabredet.

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Später.

Das war jetzt tatsächlich das erste Mal, dass ich seit Abklingen der Krankheit wieder richtig das Haus verlassen habe. Ich bin ein bisschen platt, aber es geht eigentlich. Große Kämpfe sollte ich noch nicht wieder ausfechten, schätze ich, und es auch ansonsten noch ein bisschen langsam angehen lassen, aber grundsätzlich ist das jetzt ein ganz guter Test dafür, dass ich – dass wir alle fünf – wieder soweit auf dem Damm sind.

Sobald wir in unserem separaten Raum im Dora's saßen, kam Roberto ohne Umschweife zur Sache:
„Sag mal, Totilas, sollten wir irgendwas über dich wissen?“
Die Augen des Weißvampirs blitzten silbern auf, und seine Stimme klang rauh, als er brummte: „Bin stabil.“
„Ihr solltet vorsichtig sein“, kam es im nächsten Moment in Totilas' gewöhnlicher Stimme, und auch seine Augen hatten wieder ihr übliches Grau angenommen.
„Das war gerade dein Dämon, oder?“, fragte ich.
„Ich bin der Dämon.“ –  rauh und silbern.
„Ich bin Totilas.“ – grau und sanft.
„Ich weiß es nicht...“

Oh oh.

Edward machte den Vorschlag, dass wir Hilary Elfenbein konsultieren sollten, was wir alle befürworteten, aber da er kein Handy besitzt, machte ich den Anruf und bekam den Bescheid, Dr. Elfenbein könnte sich in zwei Stunden Zeit für uns nehmen.

Drei Minuten später klingelte Totilas' Telefon. „Dein Freund Cardo hat eben einen Termin bei mir gemacht? Weißt du davon? Es klang irgendwie seltsam.“
„Ja“, bestätigte Totilas – wirklich Totilas, mit grauen Augen und seiner normalen Stimme, also nicht sein Dämon - „Das war für mich.“

Also zu Hilary – dummerweise ist Edwards Verabredung mit Alison ungefähr zur selben Zeit. Aber gut, dann müssen wir uns eben aufteilen: Totilas, Roberto und ich gehen zu Dr. Elfenbein, Edward und Alex ins SID.

Und ich habe das jetzt gerade noch schnell aufgeschrieben, bevor wir aufbrechen.
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: ErikErikson
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Hilary empfing uns höflich-interessiert und ließ sich noch einmal berichten, was unser Anliegen war.
„Seit der Sache vor zwei Wochen hat Totilas ziemlich heftige Stimmungsschwankungen, bei denen auch seine Augenfarbe wechselt.“
„Ja“, bestätigte Totilas, „das habe ich.“
Von jetzt auf sofort waren seine Augen silbern und seine Stimme rauh und barsch. „Nein, ich!“
„Aaaah ja.“ Hilary schaute Totilas und seinen Dämon unverwandt an. „Dieses Phänomen ist mir so auch noch nicht untergekommen. Das muss ich recherchieren.“

Aber solange sie recherchiert und bis eine Lösung gefunden ist, braucht Totilas eine Cover Story, soviel ist klar.
Ein Steward muss die Alltagsgeschäfte übernehmen, während Totilas sich um „wichtige Dinge“ kümmert. Und tatsächlich hat Marshall ja in den letzten Wochen bereits die Vertretung übernommen, solange Totilas sich von seiner Krankheit erholte, das muss er einfach weitermachen. Eingeweiht natürlich.

Ebenso kam die Idee auf, dass Richard Raith ja vielleicht helfen könnte, weil der sich ja von seinem eigenen Dämon gelöst hat. Richard und Sancía sind zwar untergetaucht, aber über dieses Forum zu erreichen, in dem wir alle noch angemeldet sind. Totilas will also seinen Vater über das Forum kontaktieren.

Als Alex und Edward am SID ankamen – das erfuhren wir, als wir uns hinterher wieder trafen –, wurden sie von Salvador Herero abgefangen, der besorgt aussah und sichtlich erleichtert war, Edward zu sehen. Alison sei im Büro, sagte er, aber etwas stimme mit ihr nicht. Seit Ángel da war bei dem Kampf vor ein paar Wochen sei etwas mit ihr passiert, sie sehe Dinge, aber andere als Matthew.
„Ich weiß, was das ist“, versuchte Edward ihn zu beruhigen, „ich rede mit ihr.“
„Sie hat von dir gesprochen, aber sie meinte auch, wir sollten dich nicht anrufen, es ginge dir gerade nicht so gut.“
Edward nickte. „Da hatte sie recht, ich war krank.“

Das Gebäude, in dem das SID beheimatet ist, hat an Ragnarök starken Schaden genommen. An einer Stelle wurde gar ein großes Stück aus der Mauer gerissen. Aber gerade ist so vieles in Miami stark beschädigt, und es gibt wichtigere Prioritäten als eine eher unwichtige Polizeistation. Während Edward also mit Alison sprechen ging, machte Alex sich an die Untersuchung des Precincts und daran, die nötigen Reparaturarbeiten aufzulisten. Alles konnte er nicht auf Anhieb richten, und alles kann er alleine auf sich gestellt auch in mehreren Sitzungen nicht wieder hinbiegen, aber er will seine Kontakte spielen lassen, ob er nicht jemanden finden kann, der die Reparaturen außerhalb der städtischen Reihenfolge angeht – auch wenn das natürlich ebenfalls seine Zeit dauern wird.

Als Edward an Lieutenant Townsends Tür klopfte, wusste diese sofort, wer draußen stand. „Edward, komm rein!“
Vor ihr auf dem Schreibtisch lag eine Karte von Miami, die sie offenbar bis eben studiert hatte.
Auf Edwards Frage, was los sei, berichtete Alison, während Ragnarök habe Ángel, als es gerade besonders schlimm stand, unvermittelt gefragt: „Liebst du diese Stadt?“, woraufhin Alison etwas verdutzt geantwortet habe: „Ja, … schon?“ Daraufhin habe er sie an der Stirn gepackt und irgendetwas gemacht, und seitdem merke sie Dinge. Sie wisse plötzlich, wo sich alle aufhalten: Edward, Roberto …, bedeutungsschwangere Pause, Totilas Raith, Cicerón Linares…

Edward erklärte, was es mit dem Intellectus auf sich hatte, und schloss mit: „Willst du das wieder loswerden, oder willst du versuchen, damit klarzukommen?“
Die Frage brachte Lt. Townsend zum Überlegen. Sie würde gerne, aber wie soll das im Polizeialltag funktionieren? Sie hätte all dieses Wissen über die Stadt und die Verbrechen, die in ihr begangen werden, aber kein Richter aufgrund ihrer ‚Eingebungen‘ einen Haftbefehl ausstellen; sie könnte aufgrund ihres Intellectus-Wissens nicht handeln.
Sie müsse darüber nachdenken, das Thema auch mit ihrer Truppe besprechen, die Vor- und Nachteile abwägen. Vermutlich müsste sie viel übersehen, aber ob sie einen solchen Vorteil ausschlagen könne?

Edward bot an, ihr dabei zu helfen, ihren Geist abschirmen zu lernen: die Informationsflut des Intellectus grundsätzlich auszublenden und nur dann anzuzapfen, wenn sie dies aktiv wolle. Mit den ersten kleineren Tips fing er an, aber sie werden sich für weitere Treffen verabreden müssen, vor allem, wenn Alison im Bund der Guardians verbleibt.

Aber jetzt erstmal los zu dem Treffen mit den anderen Guardians. Es gibt viel zu besprechen!

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Zurück vom Treffen. Edward hatte Alison gefragt, ob sie gleich mitkommen wolle, und die hatte zugesagt, weil sie meinte, eigentlich gehe ihr das zu schnell, aber um eine Entscheidung treffen zu können, müsse sie die Truppe ja mindestens einmal kennengelernt haben. Und es würde ja auch um sie gehen.

Bei dem Treffen waren wir zu zehnt – Alison statt Ángel, Dee noch im Krankenhaus, Ximena im Nevernever. Ilyana hat ein etwas ähnliches Problem wie Totilas: Auch ohne dass sie die Yansa-Maske trägt, ist die Orisha noch in ihr, sodass deren Persönlichkeit immer wieder einmal durchblitzte.
Und auch Cicerón merkt man an, dass er den Körper gerade noch mit Shango teilt: Der Santero – er wurde gefahren – trug eine dunkle Sonnenbrille, aber wenn man genau hinschaute, konnte man sehen, dass in seinen noch immer leeren Augenhöhlen Flammen züngelten. Und wir konnten die Anwesenheit des Orishas ja auch über unsere Verbindung spüren.
(Von Febe, die separat ankam und die sich betont geschäftsmäßig gab, wurden die beiden übrigens geflissentlich ignoriert.)
Alison wurde natürlich neugierig beäugt – zwar wussten alle grundsätzlich, wer sie ist, aber wirklich bekannt war sie den anderen Guardians bisher nicht.

Bjarki übernahm die Begrüßung und gab erst einmal eine Bestandsaufnahme ab. Dass Ximena sich derzeit im Nevernever aufhalte, sich aber dauerhaft aus dem Guardians-Verbund zurückziehen wolle, um nicht ungewollt mit ihren neuen Kräften alles an sich zu reißen, und dass Ángel sein Band zu Miami auf Alison übertragen habe. Diese Verbindung sei vorhanden, aber wackelig – sobald Alison sich entschieden habe, ob sie dauerhaft im Kreis der Guardians bleiben wolle oder nicht, müssten wir alle gemeinsam ihren Zugang zum Intellectus stabilisieren oder kappen. Und bei dieser selben Gelegenheit sollten wir dann auch den Ersatz für Ximena (und, falls Alison nicht bleiben wolle, den Ersatz für Alison) in den Bund holen, quasi in ein und demselben magischen Aufwasch.

Aber wer wäre ein guter Ersatz für Ximena? Cleo du Morne fiel mir ein – wie Ximena ist sie ja eine Vertreterin der hermetischen Ratsmagie. Aber sie steht ja momentan in Tanits Diensten, um ihre Schuld am Winterhof abzuarbeiten – ob und unter welchen Umständen dieser Dienst beendet ist bzw. sie aus diesem Dienst entlassen werden kann, müsste man herausfinden.

Und wir müssen dringend das Projekt ‚neuer Sommerherzog‘ angehen. Das können wir jetzt nicht länger auf die lange Bank schieben. Dieser Sache werde ich mich jetzt als nächstes annehmen.
Cicerón, Febe und Ilyana werden ihre Privatprobleme beiseiteschieben und sich um Spencer Declan kümmern, oder zumindest in dieser Richtung Nachforschungen anstellen. Mit dem Warden stimmt nämlich etwas nicht, berichtete Bjarki. Während Ragnarök war er einmal eine Weile lang völlig von der Bildfläche verschwunden, bevor er wieder auftauchte, und irgendetwas stimmt bei ihm nicht. Also abgesehen davon, dass sein Haus ja schon seit einer ganzen Weile von einer da-wollen-wir-nicht-hindenken-Outsider-Aura umgeben ist. Sollte Pennywise jetzt etwa seine Krallen stärker in den Ratsmagier geschlagen haben? Die Santo Shangos sollen bloß vorsichtig sein, wenn sie sich das anschauen gehen.

Was Ángel betrifft, so hat Bjarki versucht, ihn zu finden, hatte aber keinen Erfolg damit, weil der Santero alle Spuren sehr gründlich verwischt hat. Ximena wird das mit ihren neuen Kräften sicherlich können, braucht aber vielleicht auch Unterstützung. Das will Bjarki übernehmen.

Totilas und Edward wollen Pans Satyrhof einen Besuch abstatten, weil ja Totilas‘ Cousin Vin offenbar dort versumpft ist, und Alex und Roberto wollen Tanit nach Cleo duMorne fragen.

Aber bevor wir uns trennten, machten wir einen Krankenbesuch bei Dee, Pralinen und Blumenstrauß inklusive. Dem Himmel sei Dank befindet sie sich auf dem Weg der Besserung, aber eine Weile wird ihre Genesung wohl noch in Anspruch nehmen. Ein Heiltrank würde helfen – Edward will ihr einen brauen.

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Wieder zuhause. Und das war einigermaßen erfolgreich, glaube ich.

Als ich am Sommerhof ankam, wurde ich erst einmal mit einigem Pomp und Trara empfangen, was mir etwas unangenehm war, Bekanntheit als Autor hin oder her. Aber es war ja auch ein Ausdruck der Freude, dass wir Ragnarök hatten abwenden können, und ein Zeichen von Respekt gegenüber dem amtierenden Sommerherzog. (Um so mehr Grund, endlich Ersatz zu finden.)

Zunächst einmal ließ ich mir von Sir Anders und Lady Rhodorea einen Lagebericht geben. Militärisch gesehen war jetzt nach dem Ende von Ragnarök alles ruhig – es hatte ein paar kleinere Zwistigkeiten mit Pans Leuten gegeben, aber grundsätzlich hielten sich alle an ihre jeweilige Domäne.
Lady Rhodorea berichtete, dass ihre Majestät, Königin Titania, von Pans Verrat natürlich alles andere als amüsiert sei. Es sei durchaus möglich, dass sie dem Sommerhof Miamis demnächst einen Besuch abstatten und verlangen werde, dass wir Pan bestrafen und ganz aus Miami vertreiben sollen. Und wenn sie käme, dann wäre das vermutlich zur Sommersonnenwende.
Allerdings könnte es auch sein, dass, wenn offiziell ein neuer Herzog eingesetzt sei und wir Pan in seine Schranken gewiesen hätten, Titania vielleicht auch auf einen Besuch verzichtet und es dabei bewenden lässt. Noch ein Grund mehr, die Frage des neuen Herzogs bald zu klären.

Also nutzte ich die Gespräche mit den beiden natürlich auch, um die beiden in Sachen Herzogsnachfolge einzuschätzen. Und ich ließ mir generell viel Zeit, sprach auch mit vielen anderen Angehörigen des Sommerhofs. Und ich machte einen Rundgang durch die Domäne und ließ mein Unterbewusstsein arbeiten. Als ich gerade in Gedanken versunken am Ufer stand und auf das Meer hinausschaute, schob mir Casita wieder einmal einen Strandsessel unter, und diesmal kam auch ein Tischchen mit einem kühlen Mixgetränk dazu.

Lady Rhodorea würde sich eigentlich als Herzogin sehr gut eignen, dachte ich nach den Gesprächen, die ich mit den beiden gehabt hatte. Sir Anders ist eher der General, für militärische Dinge ausgezeichnet geeignet, aber ich bin nicht sicher, wie er sich als Herzog machen würde. Lady Rhodorea hingegen führt den Hof gerade ja ohnehin schon als meine Stellvertreterin in zivilen Dingen. Sie ist als hohe Blumenlady zwar gewissermaßen die Leiter hinaufgefallen, und sie hat gehörige Angst vor Königin Titania, aber sie ist eine Fae. Fae wachsen nicht nur an ihren Aufgaben, Fae verkörpern ihre Aufgaben in gewissem Sinne. Sobald sie das Amt einmal innehätte, käme das nötige Selbstbewusstsein von allein.

Doch, je länger ich darüber nachdachte, um so besser gefiel mir die Idee.
Aber das war nichts, was ich gleich hier und jetzt abschließen konnte: Die Macht des Sommers muss per Ritual übertragen werden, und dazu brauche ich die Jungs, oder zum Allermindesten Edward.
Ich hoffe und bete nur, dass ich mich nicht wieder vertue wie bei Colin im Amt des Ritters; ich hoffe und ich bete, dass sie eine gute Herzogin wird. Aber ich glaube schon, denn sie ist ja eine treue Sommerfee, und wie gesagt, bei den Fae kommt die Befähigung mit dem Amt.

Wie ich da so saß und nachdachte, spürte ich die Magie des Sommers besonders deutlich in mir. Diese, ja, diese Macht, die mich bis in meine Fingerspitzen durchflutet. Mir auf meinen kleinsten Gedanken hin zur Verfügung steht. Mich in jeder Faser meines Seins ausfüllt wie ein warmes, goldenes Leuchten; ein sanfter, liebevoller Druck in mir, der sagt: ‚ich bin hier, ich bin dein. Öffne dich mir komplett, lass mich ein, lass mich zu, dann gehöre ich dir für alle Ewigkeit.‘

Padre en el cielo, perdoname, es war – es ist – wirklich verdammt verlockend. Ich könnte die Macht des Sommers annehmen. Dann würde ich dieses warme Leuchten, dieses Gefühl, vor magischer Kraft zu strotzen, nie verlieren, und ich müsste mir keine Sorgen machen, dass ich das Herzogsamt der falschen Person übereigne. Oder besser, wenn ich die falsche Person wäre und einen schlechten Job machen würde, dann wäre es wenigstens ich selbst, niemand sonst. Es wäre so einfach. Ein winzigkleines ‚Ja‘, nicht einmal ausgesprochen, sondern einfach eine Veränderung der Bereitschaft in meinem Inneren. Und wäre es so schlimm, zu einem Fae zu werden? Ich glaube nicht daran, dass Feen keine Seele haben, wie das so gerne kolportiert wird.

Aber trotzdem. Ich könnte mir zwar einreden, dass das keinen Einfluss auf meine Beziehung zu Lidia und den Hijas hätte, aber das hätte es eben doch. Ich wäre dann ein Fae, und Fae denken, fühlen, existieren anders. Und selbst wenn nicht, ich wäre dann alterslos, und ich müsste mit ansehen, wie meine geliebte Frau altert und stirbt, wie meine Töchter altern und sterben, würde… Nein. Ich will es nicht. Nein. Ich will diese Macht nicht, nicht auf Dauer. Lady Rhodorea muss so bald wie möglich die neue Herzogin werden.

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Während ich am Sommerhof war, suchten Edward und Totilas Pans Domäne auf. Sie wurden von einigen Satyren aufgehalten, die sie erst nicht durchlassen wollten, aber nach einer Verhandlung, auf die die beiden nicht näher eingehen wollten (ich hege den Verdacht, eine Orgie könnte eine gewisse Rolle gespielt haben, immerhin reden wir hier von Nymphen und Satyren!), wurden die beiden dann zu Vin Raith gebracht. Der junge Hacker fläzte nach bester griechischer Gelagemanier träge auf einem Diwan herum wie eine satte Fliege, war high von welchen Drogen auch immer, und es brauchte einige Überredung, um ihn loszueisen.
Da sei noch ein anderer White Court am Panshof gewesen, berichtete Vin mit der unbekümmerten Distanziertheit des Drogen-Hochs, aber den hätten sie mit den ganzen Orgien kaputtgemacht und entsorgt.
Eine Aufwartung bei Pan machten Totilas und Edward nicht, sondern sie sahen zu, dass sie Vin schnappten und Land gewannen. Das könnte natürlich bedeuten, dass demnächst ein unfreundlicher Brief eintrudeln könnte, weil sie nicht Hallo gesagt und einfach so Pans neuestes Spielzeug mitgenommen haben, aber das war den beiden in dem Moment herzlich egal.

Anschließend traf Totilas sich auch noch mit Marshall und weihte den in das Problem seiner Instabilität sein. Er sagte Marshall, dass er ihn als Steward brauche, solange er mit diesen Anfällen kämpfe, und dass er eine gute Cover Story benötige, um vor dem Rest des White Court nicht das Gesicht zu verlieren. Er erzählte Marshall außerdem, dass Hilary bereits an der Sache forsche, dass er, Totilas, aber nicht sagen könne, wie lange es im Endeffekt dauern werde, um das Problem zu lösen.
Marshall erklärte, dass er selbstverständlich einspringen werde, Totilas‘ Geheimnis auch wahren werde, aber dass er diesen Job keinesfalls auf Dauer machen wolle – dazu sei er nicht nach Miami gekommen, und das liege auch nicht in seinem Naturell. Auf maximal ein Jahr ließ er sich ein – aber so lange wird unser White Court-Kumpel hoffentlich ohnehin nicht unter dieser Dämonen-Dysphorie zu leiden haben!

Alex und Roberto waren derweil bei Tanit am Cayo Huracán. Es war eiskalt, und die Wellen drohten das Boot zu überspülen, aber Alex ist nicht umsonst einer der besten Lenker aller Fahrzeuge, die ich überhaupt kenne, und so kamen die beiden doch problemlos an ihr Ziel. Am Anlegesteg wurden sie bereits von Yahaira Montero empfangen, die den Arm in der Schlinge trug, aber ansonsten recht fit wirkte. Auch Tanit begrüßte sie höflich, und als sie danach fragten, wie lange Cleos Dienst voraussichtlich noch dauern werde, gab die Herzogin des Winters ihnen tatsächlich bereitwillig Auskunft. Cleos Dienst wird beendet sein, sobald sie ihre Aufgabe erledigt hat. Und diese Aufgabe ist auch kein Geheimnis, sagte Tanit: Sie soll herausfinden, wie man Outsider töten kann. Nicht nur vertreiben, richtig töten. Sie sei schon eine Weile in dieser Mission unterwegs, derzeit gerade im Nevernever, und irgendwann werde sie zurückkehren … oder sie sei bereits tot oder werde sterben, bevor sie es zurück schaffe, denn es sei ja immerhin eine gefährliche Aufgabe. Aber Cleo sei ja auch eine kompetente Magierin. Übrigens beauftragten die Winterfae die Jungs explizit nicht, Cleo bei dieser Aufgabe zu helfen – falls wir uns aus irgendeinem Grund doch entschließen sollten, Cleo aktiv unter die Arme zu greifen, damit sie schneller aus dem Dienst entlassen wird, dann wäre das, weil wir sie schneller als Guardian gewinnen wollen, es wäre explizit kein Gefallen gegenüber Winter.

Schon klar. Feen halt. Aber ich weiß schon, was sie meint.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!