Dass unsere Verbindung zu Ángel unvermittelt abgerissen war, nachdem wir noch hatten spüren könnten, dass er sich mit dem Dämonen aus seinem Denarius eingelassen hatte, das hatte ich ja schon geschrieben. Aber als wir jetzt im Auto noch einmal in diese Richtung hindachten, merkten wir, dass da eine neue, dünne Verbindung war, und zwar zu Alison Townsend, Edwards Nachfolgerin als Leiterin des SID. ¿Que demonios?
Auf dem Weg zur Casa machten wir natürlich eine kurze Bestandsaufnahme unserer Blessuren. Große Sprünge würden wir nicht mehr machen können, denn wir waren alle ziemlich angeschlagen, ob es jetzt meine Verwundung durch den Eisspeer war oder der Hitzschlag, den ich erlitten hatte, ob es Alex‘ Verbrennungen von der Explosion waren, Edwards Bisswunden oder Robertos Armbruch. Nur Totilas wirkte erstaunlich unversehrt… was seltsam war, denn auch er war in dem Kampf – den beiden Kämpfen – eigentlich ganz schön gebeutelt worden. Und normalerweise kann auch ein Weißvampir solche Verwundungen nicht sofort abschütteln, aber okay, vielleicht musste er tiefer in die übernatürlichen Reserven greifen als normalerweise.
An unserem Hauptquartier stellten wir zu unserer Erleichterung fest, dass dort inzwischen Ruhe eingekehrt war und sich keine Einherjer mehr dort befanden. Sowohl meine als auch Robertos Eltern standen gehörig unter Schock, aber mit Ausnahme von Dee ging es allen gut. Vor allem die hijas kamen stolz wie die Schneeköniginnen auf uns zugerannt und berichteten triumphierend (und völlig überdreht), sie hätten ganz alleine die Einherjer verjagt, nachdem Dee ohnmächtig geworden sei! Monica mit ihrem Feuer und Jandra mit Morrigans Schwert und mit den Raben! Okay, nicht ganz alleine – da sei ein Mann aufgetaucht, der ihnen gegen die Einherjer geholfen habe, und hinterher habe er zu Alejandra gesagt: „Du kannst mein Schwert erst einmal behalten! Wir sehen uns wieder!“ und sei dann gleich wieder abgezogen.
Ich zeigte mich angemessen stolz und bewundernd, und da machte es keinerlei Unterschied, als Lidia mir hinterher unter vier Augen erzählte, dass die Einherjer sich absichtlich zurückgehalten hätten, weil sie den Mädchen nichts antun wollten, und dass die nordischen Krieger sich sehr erleichtert zurückgezogen hätten, sobald Odins Befehl endete.
Der Mann, von dem die hijas gesprochen hatten, konnte Lidias Beschreibung nach niemand anderer sein als Joseph Adlene – oder besser: als die Morrigan in Joseph Adlenes Körper, denn die Person habe sich trotz des männlichen Aussehens bewegt wie eine Frau und ihre Stimme ein weibliches Timbre gehabt.
Offenbar hat die keltische Gottheit inzwischen wieder die Überhand gewonnen, nachdem der Nekromant sie ja mit einem der Godslayer-Dolche ermordet hatte. Oder zumindest teilweise: Sie war offensichtlich noch nicht ganz mit sich im Reinen, wirkte noch unstet, und sei eben tatsächlich sehr schnell wieder verschwunden, nachdem die Bedrohung durch die Einherjer abgewendet war.
Jetzt, wo langsam wieder Ruhe einkehrte, konnten wir uns um unsere Verwundungen kümmern. Für Dee riefen wir erst einmal einen Krankenwagen – sie war zwar, wie schon erwähnt, zum Glück nicht lebensbedrohlich verletzt, aber bei der Verteidigung der Casa hatte sie sich magisch sehr stark überanstrengt, noch deutlich stärker als ich mit meinem Hitzschlag. Sie wird einige Zeit brauchen, bis sie wieder vollständig auf den Beinen ist.
Ansonsten ergab die Bestandsaufnahme folgendes:
Bei den Santo Shango am Hafen waren Fébé, Ilyana und Cicerón in einen Kampf gegen Asen und Einherjer verwickelt gewesen, in dessen Verlauf Shango von Fébé wieder auf Cicerón übergesprungen war,
Da Ilyana die Yansa-Maske trug und die Orisha somit durch sich kanalisierte, war Fébé, nachdem Shango sie verlassen hatte, als einzige von den drei Gang-Mitgliedern ohne nennenswerte Magie, von der aktiven Unterstützung durch eine Santería-Gottheit ganz zu schweigen. Da sie in dem Kampf gewaltig ins Hintertreffen geriet und in erhebliche Gefahr geriet, rief sie Eleggua zu Hilfe. Wie sie es erzählte, ging sie einen Handel mit dem Trickster-Orisha ein, ohne genau zu wissen, welche Gegenleistung sie ihm da gerade genau versprach.
Und offenbar kam es nach dem Ende der Kampfhandlungen in der Hitze des aufgewallten Blutes und der gemeinsam überstandenen Krise zu einem heißen Stelldichein zwischen Shango und Yansa – also zwischen Cicerón und Ilyana. Das bedeutet Telenovela: Oshun ist wütend auf Shango, weil der mit Yansa im Bett war, und Fébé auf Cicerón, weil der mit Ilyana im Bett war – denn zwischen Fébé und Cicerón läuft ja eigentlich was. Ilyana ist auch nicht sonderlich amüsiert darüber, was da passiert ist, als sie und Cicerón von ihren jeweiligen Orishas geritten wurden: „Das war so nicht geplant!“
Ximena war in unserem Intellectus immer noch nicht zu spüren, aber Edward hatte ja erzählt, dass er sie im Nevernever getroffen hatte und sie dort gerade die Magie der diversen heidnischen Gottheiten zu beherrschen lernte.
Im Hotel Fountainebleu war es während des Chaos von Ragnarök zwischen Faunen, Nymphen und den Weißvampiren zu einer wilden Orgie gekommen, woraufhin die Raiths endgültig des Hotels verwiesen wurden. Der Wiederaufbau von Raith Manor wurde – natürlich – wieder einmal sabotiert, aber die gute Nachricht ist, dass Marshall, während wir unterwegs waren, ein passendes Objekt ausfindig gemacht hat, das sich als neuer Herrensitz eignet. Es braucht zwar einige Umbauten und Anpassungen, aber grundsätzlich können die Raiths das auch jetzt schon erwerben und kurzfristig einziehen, auch während diese Umbauten noch im Gange sind. Ob und inwieweit das alte als Köder noch weiterhin zur Verfügung bleibt, muss Totilas entscheiden. Wobei. Totilas. Mit dem stimmt was nicht. Während unseres Treffens war er ungewöhnlich launisch, geradezu sprunghaft, und seine Augen flackerten immer wieder zwischen seinem üblichen Grau und dem Silber seines Dämons. Wie ich sage: Irgendwas stimmt nicht. Da müssen wir dringend mal nachhaken.
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27. November
In der Presse wird natürlich auch über die Ereignisse berichtet, aber natürlich ist da in keinster Weise von Übernatürlichem die Rede. Der Blizzard, der während des versuchten Ragnarök herrschte, wird als vom Klimawandel begünstigter Zufall erklärt, immerhin gab es im Januar 1977 ja schon einmal Schnee in Miami. Die Kämpfe, die stattfanden, gelten offiziell als Bandenkriege zwischen Latino-Gangs und Nazis (a.k.a. skandinavische Einherjer).
Miami selbst ist übrigens auch etwas angeschlagen – nicht so, dass sie sich nicht wieder erholen würde, aber Ragnarök hat sie natürlich schon geschwächt. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung erst wieder geschieht, wenn unsere Stadt wieder vollständig genesen ist.
Nein, falsch. Hoffen und beten wir, dass ein Ereignis dieser Größenordnung nie wieder geschieht!
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28. November
Ximena hat sich bei Alex gemeldet. Aus dem Nevernever, ohne körperlich nach Miami zurückzukehren. Also hat Alex sie dort getroffen. Ximena erzählte, sie habe erreicht, was sie wollte, sie kann jetzt die Kräfte der heidnischen Gottheiten anzapfen. Und genau das ist der Grund, warum sie sich noch nicht wieder in Miami hat sehen lassen: Wenn sie jetzt zurückkäme, würde sie automatisch wieder in den Intellectus-Verband von uns Guardians eintreten, und dann würde sie mit ihren neuen Kräften den Intellectus überwältigen und die Göttin von Miami werden, und das will sie auf keinen Fall. Sie muss jetzt erst einmal lernen, was genau sie da tut, daher will sie den Intellectus und die Guardians verlassen, zumindest bis sie ihre gottgleiche Macht vollständig unter Kontrolle hat.
Dann allerdings brauchen wir Ersatz für Ximena, wenn wir den Ring unserer Guardians-Gemeinschaft nicht schwächen wollen.
Apropos Ersatz.
Jetzt, wo Ragnarök vorüber ist, muss ich so bald wie möglich einen neuen Sommerherzog finden. Denn wenn ich die ganze herzogliche Sommermagie, die ich momentan in mir trage, nicht bald wieder auf jemand anderen übertragen kann, dann wird sie sich in mir festsetzen, und dann würde ich mein Menschsein verlieren und zur Fee werden, und, wie ich schon das eine oder andere Mal festgehalten habe: Das darf nicht geschehen.
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29. November
Au, verdammt. Ich habe Kopfschmerzen, und mir tun alle Knochen weh. Und, ¡padre en el cielo, ayúdanos!, ich weiß auch, warum.
Hatte ich, als wir an Ragnarök hektisch Richtung Bjarkis Haus rasten, nicht noch geschrieben: „Ahalphu ließ uns auch problemlos gehen”?
Jahaa, y una leche. Das war eine der Hektik geschuldete Verkürzung der tatsächlichen Umstände. Ja, Ahalphu ließ uns problemlos gehen... für seine Verhältnisse. Er war freundlich und umgänglich wie immer, aber als wir in Xibalba waren, meinte er auch: “Euch ist schon klar, dass es einen gewissen Preis haben muss, dass ihr Xibalba zur Durchreise verwendet, sonst könnte ja jeder kommen!”
Der Preis war eine Infektion, die er uns mitgab und die irgendwann ausbrechen würde – nicht tödlich, nicht hochansteckend, nicht sofort ausbrechend und ohne bleibende Folgen, soviel handelten wir heraus (was nicht sonderlich schwer war; ich glaube auch nicht, dass Ahalphu uns tot sehen wollte), aber eben eine Krankheit, und das war etwas, auf das wir uns umgehend einließen, weil die Zeit so sehr drängte.
Und ich fürchte, jetzt bricht es bei mir aus, was auch immer es ist.
Ay mierda. Mir platzt der Kopf.
Ich habe Lidia schon vorgewarnt, dass da demnächst was kommt. Muss ihr bescheid sagen.
Glaube nicht, dass ich so bald so viel schreiben kann.
Mierda.
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5. Dezember
Es war das Oropouche-Virus. Bei mir jedenfalls. Das volle Programm: Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag... und extreme Lichtempfindlichkeit. Allein der Gedanke an Helligkeit, geschweige denn an meinen patentierten Sonnenlichtzauber oder sonstige Sommermagie war gelinde gesagt unerträglich. Die letzten Tage habe ich im abgedunkelten Zimmer verbracht und war die meiste Zeit zu kaputt, um auch nur Musik oder Podcasts zu hören, und an Lesen, Fernsehen, im Internet Surfen oder gar Schreiben war überhaupt nicht zu denken. Glücklicherweise hat Ahalphu Wort gehalten: Mein Fall von Oropouche-Fieber war zwar extrem unangenehm, aber ich hatte keinen der sehr seltenen schweren Verläufe, bei dem mein zentrales Nervensystem angegriffen worden wäre. Und Lidia hat mich – mit Maske und Handschuhen – hingebungsvoll gepflegt. Nicht dass ich nicht sowieso schon gewusst hätte, dass sie einfach die Beste ist.
Jetzt klingen meine Symptome langsam ab, und heute kann ich zumindest wieder einigermaßen Tagebuch führen, auch wenn ich noch ziemlich schlapp bin.
Alex hat es mit ähnlichen Symptomen gebeutelt wie mich, aber ihn hat das Hantavirus erwischt. Keine Lichtempfindlichkeit bei ihm, dafür Blutdruckabfall und vorübergehende Sehstörungen. Aber zum Glück auch bei ihm kein schwerer Verlauf.
Totilas wurde von Ahalphu mit Lepra beglückt. Eigentlich hat die Krankheit ja, wenn mich mein Google-Fu nicht trügt, eine Inkubationszeit von mindestens einigen Monaten, aber hey, er hat sie vom „Bringer des Eiters“ aufgedrückt bekommen, da gelten normale Maßstäbe nicht. Und glücklicherweise wusste Totilas, dass irgendwas kommen würde, also konnte er beim ersten Auftreten der Pusteln und roten Flecken sofort in Behandlung begeben. Und seine vampirische Konstitution trägt sicherlich auch das Ihre dazu bei, dass er vollständig geheilt werden kann.
Bei Roberto ist es ähnlich: Bei ihm brach eine Syphilis aus, obgleich auch hier die Inkubationszeit normalerweise mehrere Wochen beträgt. Aber auch er war ja gewarnt, und so konnte auch er, sobald das typische Geschwür bei ihm auftrat, gleich mit der Therapie beginnen. Wobei „Therapie“ in seinem Fall nicht die klassische Behandlung mit Penicillin durch Tabletten oder durch intramuskuläre Injektion bei einem Arzt bedeutete, sondern Roberto behandelt sich selbst mit Medizin aus seiner Botanica und selbst gezogenen Schimmelpilzen von verdorbenem Gemüse. Mir selbst wäre das ja zu experimentell, aber Roberto kann ja auf die Hilfe seiner patrona Oshun zählen. ¡Gracias a Dios!
Aber apropos Oshun: Dass die Orisha Roberto in seiner Krankheit beisteht, bedeutet auch, dass sie sich ausgiebigst wegen Shango und Yansa bei ihm ausheult... und dass sie so ziemlich ununterbrochen auf Roberto einredet, er müsse doch auch endlich seine wahre Liebe finden. Oder zumindest klingt es so, wie Roberto das erzählt. Das einzig Gute sei, sagt Roberto, dass Oshun auch keine Dating-Apps mag.
Und Edward? Edward hat die Räude, und der Juckreiz war unerträglich. Als Gegenmittel gegen den Parasitenbefall gibt es nur Therapien für Tiere, und die will Edward nicht auf sich anwenden. Also muss – natürlich, wir reden von Edward! – wieder einmal ein Ritual herhalten, oder genauer gesagt, mehrfache Anwendungen des Rituals, bis die Milben endgültig verschwunden sind. Schneeball hingegen bekommt eine Hundekur, erzählt Edward, falls die Parasiten übergesprungen sein sollten. Von Cassius hält er sich sorgfältig fern, aber natürlich ist das für Edwards kleinen Bruder trotzdem eine Steilvorlage in Sachen Flöhe und sonstige blöde Sprüche.
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6. Dezember
Während ich in meinem abgedunkelten Zimmer außer Gefecht war, kamen mehrere Vögel vom Sommerhof bei mir zuhause an, die alle Lidia für mich abgefangen hat. Oder genauer, sie hat die Botschaften gesammelt und sie mir heute gegeben, nachdem ich bis gestern größtenteils ja noch zu fertig dafür war. Die Vögel wurden von Lady Rhodorea geschickt, meiner Stellvertreterin in zivilen Dingen, und sie schrieb, ihre Majestät, Königin Titania, habe sich angemeldet, und sie – Rhodorea – wisse, dass ich nach den Ereignissen von Ragnarök unpässlich sei, aber meine Anwesenheit sei erforderlich, sobald ich es nach Kräften einrichten könne. ¡Ay, bendita! Als ob ich nicht schon längst dort gewesen wäre, wenn ich gekonnt hätte! Ich weiß ja selbst, wie wichtig es ist, dass ich in der Casita Präsenz zeige!
Naja. Sie hat es ja sehr höflich formuliert. Und natürlich gehe ich hin, sobald ich kann.
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8. Dezember
So langsam geht es uns allen besser.
Ein kurzes Update zu ein paar Dingen, die ich bisher noch nicht erwähnt hatte.
Alex sagt, dass Eleggua unter dem ganzen Druck, weil er ja das Ziel von Odins Angriff war, ebenfalls einen Deal – oder mehrere Deals, ganz so klar war das nicht – abschließen musste. Mit wem genau, das ist auch nicht so ganz klar, aber Alex war ja auch nicht auf der Höhe, als er diese Information von seinem patron bekommen hat.
Odin selbst ist aus Miami verschwunden, ohne das Thema Ragnarök oder Outsider-Einfluss noch einmal anzuschneiden. Ich habe aus Neugier bei Monoc Securities angerufen, aber da ist immer noch nur derselbe Anrufbeantworter dran.
Wir haben ja gespürt, dass Ángels mystische Verbindung zu Miami abrupt auf Alison Townsend überging, als er sich im Kampf am SID mit dem Dämonen aus dem Denarius einließ. Wie zu erwarten war, hat Alison bei Edward angerufen und um ein Treffen gebeten, und natürlich hat Edward zugestimmt. Ich gehe sogar fest davon aus, dass er sie von sich aus kontaktiert hätte, wenn sie ihm nicht zuvorgekommen wäre. Aber jedenfalls haben sie sich für morgen verabredet.
Ich habe außerdem gehört, dass Pan nach dem Kampf und nach den Entgleisungen im Hotel Fountainbleu zurück an seinem Hof ist und sich dort als den größten machorro aller Zeiten feiern lässt.
Ein paar Raiths haben sich offenbar auch vom Hotel an den Panshof mitschleppen lassen. So ist zum Beispiel Vin Raith nicht mehr da, der sich eigentlich gerade um die IT-Sicherheit für das neue Anwesen des White Court kümmern sollte. Mierda.
Und wie ich vor Ausbruch unserer Krankheiten schon schrieb: Irgendwas stimmt mit Totilas nicht. Falls ich gedacht hatte, seine, wie soll ich es nennen? Stimmungsschwankungen? Persönlichkeitsverschiebungen? würden nachlassen, habe ich mich geirrt. Sie sind immer noch genauso deutlich wie vor knapp zwei Wochen, treten sogar eher stärker hervor. Da müssen wir ran.
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9. Dezember
Hah. Habe ich es nicht gesagt. Jetzt hat es Bjarki auch schon gemerkt.
Vorhin hat Roberto angerufen und Alex, Edward und mich in eine Videokonferenz geholt. Totilas nicht, absichtlich. Denn wie gesagt, jetzt hat es Bjarki auch bemerkt.
Bjarki hatte Totilas angerufen, um sich auf Stand zu bringen und weil er einfach reden wollte. Er erzählte, dass er natürlich weiß, dass Ximena erst einmal nicht nach Miami zurückkommen wird, dass aber auch Ángel inzwischen offenbar komplett untergetaucht ist. Sein – Ángels – kleines Haus ist verlassen.
Bjarkis Geschwister, Fenrir und Jormungandr, sind inzwischen wieder weg, nachdem sie sich von Bjarkis Computer losreißen konnten. Dass er Ragnarök mit Babysitten verbringen würde, habe Bjarki auch nicht gedacht.
Jedenfalls habe Bjarki Totilas dann auch noch erzählt, dass er auch bei den Santo Shango vorbeigeschaut habe, dass er aber das Drama zwischen Febe, Ilyana und Cicerón, gegen dass jede Telenovela ein Dreck sei, nicht ausgehalten habe, vor allem, da Eleggua, der auch gerade dort gewesen sei, aus lauter Spaß noch Öl ins Feuer gegossen und das Drama noch mehr angestachelt habe.
Nach dem Gespräch habe Bjarki dann bei Roberto angerufen, erzählte der, und gefragt, ob Totilas okay sei – er habe zwischendurch immer wieder Aussetzer, wie bei einer gespaltenen Persönlichkeit, und in diesen Momenten klinge auch seine Stimme anders, dominanter. Bjarki gegenüber reagierte Roberto mit einem „es ist alles unter Kontrolle“, aber das war dann der Moment, wo er uns zusammenrief und uns alles erzählte, was der Halb-Ase gesagt hatte.
Und wir vier waren uns einig, dass es nichts bringt, um Totilas herumzulavieren, wir müssen das offen ansprechen: zu fünft. Wir haben uns alle im Dora's verabredet.
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Später.
Das war jetzt tatsächlich das erste Mal, dass ich seit Abklingen der Krankheit wieder richtig das Haus verlassen habe. Ich bin ein bisschen platt, aber es geht eigentlich. Große Kämpfe sollte ich noch nicht wieder ausfechten, schätze ich, und es auch ansonsten noch ein bisschen langsam angehen lassen, aber grundsätzlich ist das jetzt ein ganz guter Test dafür, dass ich – dass wir alle fünf – wieder soweit auf dem Damm sind.
Sobald wir in unserem separaten Raum im Dora's saßen, kam Roberto ohne Umschweife zur Sache:
„Sag mal, Totilas, sollten wir irgendwas über dich wissen?“
Die Augen des Weißvampirs blitzten silbern auf, und seine Stimme klang rauh, als er brummte: „Bin stabil.“
„Ihr solltet vorsichtig sein“, kam es im nächsten Moment in Totilas' gewöhnlicher Stimme, und auch seine Augen hatten wieder ihr übliches Grau angenommen.
„Das war gerade dein Dämon, oder?“, fragte ich.
„Ich bin der Dämon.“ – rauh und silbern.
„Ich bin Totilas.“ – grau und sanft.
„Ich weiß es nicht...“
Oh oh.
Edward machte den Vorschlag, dass wir Hilary Elfenbein konsultieren sollten, was wir alle befürworteten, aber da er kein Handy besitzt, machte ich den Anruf und bekam den Bescheid, Dr. Elfenbein könnte sich in zwei Stunden Zeit für uns nehmen.
Drei Minuten später klingelte Totilas' Telefon. „Dein Freund Cardo hat eben einen Termin bei mir gemacht? Weißt du davon? Es klang irgendwie seltsam.“
„Ja“, bestätigte Totilas – wirklich Totilas, mit grauen Augen und seiner normalen Stimme, also nicht sein Dämon - „Das war für mich.“
Also zu Hilary – dummerweise ist Edwards Verabredung mit Alison ungefähr zur selben Zeit. Aber gut, dann müssen wir uns eben aufteilen: Totilas, Roberto und ich gehen zu Dr. Elfenbein, Edward und Alex ins SID.
Und ich habe das jetzt gerade noch schnell aufgeschrieben, bevor wir aufbrechen.