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Der Reiz an Cthulhu

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Tarin:

--- Zitat von: Thandbar am  9.04.2013 | 17:11 ---Ich persönlich habe dasselbe Problem wie Stanley Kubrick, wenn ich mit landläufigem Horror konfrontiert werde: Die Gewissheit, dass es einen Satan oder Geister gibt, bestätigt am Ende doch ein religiöses Weltbild, in dem auch Gott und der Himmel existieren. Und das ist - paradoxerweise - unglaublich tröstlich.
Lovecraft verweigert sich dieser Versöhnung völlig, er setzt das Grauen vor Dämonen in einen atheistisch kalten Kosmos, in dem die einzig menschliche Regung die Flucht in den Wahnsinn bleibt.   

--- Ende Zitat ---
Das. Lovecrafts Werk funktioniert deshalb so gut, weil es schlicht die totale Hoffnungslosigkeit propagiert. Dagegen zu kämpfen, sich zu opfern, Held zu sein - alles, was in anderen Horrorszenarien noch erstrebenswert war (und sei es auf moralischen, religiösen usw. Ebenen), lässt HPL wie ein Kartenhaus zusammenfallen, weil jede heldenhafte Tat letztlich in der Bedeutungslosigkeit versinkt und überflüssig wird und selbst die moralischen Maximen, die eine solche Tat zur "Heldentat" machen, letztlich Konstruktionen ohne Gehalt sind. Das hebt HPLs Werk tatsächlich sehr von anderen Geschichten ab (das Alien kann man töten, "Kainiten" der oWoD deuten zumindest die Existenz eines Gottes an, usw.). Irgendwo las ich mal (hier irgendwo?), dass nur eine religiöse Person Lovecraft wirklich als Horror begreifen könnte. Das ist zwar übertrieben vereinfacht, die Tendenz stimmt aber schon.
Allerdings gebe ich zu, dass ich diese ganze Thematik als Rollenspiel eher weniger spannend finde. Dann lieber Schleim-Aliens und Kidnapping durch Deep Ones.

tartex:

--- Zitat von: Thandbar am  9.04.2013 | 17:11 ---Es gibt ein sehr schönes Buch von Michel Houellebecq - "Gegen die Welt. Gegen das Leben." - über Lovecraft, das ich jedem nur empfehlen kann zu lesen, wenn er sich für einen der beiden Autoren interessiert.  

--- Ende Zitat ---

Lese ich gerade auch wieder, und wollte es eben empfehlen.

Lovecraft lesen und Cthulhu spielen, triggeren bei mir aber nicht aus denselben Gründen.

Wobei ich Lovecraft erst super finde, seitdem ich ihn nicht mehr auf der Suche nach Grusel lese, sondern, weil es stimmungsmäßig gut dazu passt, allein in einen Haus voll Antiquitäten zu leben, wie ich es tue, und als Parabel auf Drogenexperimente und so. In einer guten CoC-Kampagne war ich eigentlich noch nie.

Xemides:

--- Zitat von: Shadom am  9.04.2013 | 17:23 ---Da hab ich aber weitaus bessere moderne Horrorgeschichten gelesen. Auch handwerklich besser.

--- Ende Zitat ---

Nunja, das bestreitet niemand. Aber da sollte man halt immer das Alter Bedenken, die Geshichten haben fast 100 Jahre auf dem Buckel, da darf man sicher keinen modernen Erzählstil erwarten. Das war damals aber modern.

Siehe Tolkien, heute würde auch niemand mehr seine Handlungsstränge in solche Blocks aufteilen.

Thandbar:

--- Zitat von: Xemides am  9.04.2013 | 18:14 --- Das war damals aber modern.

--- Ende Zitat ---

Lovecraft wollte stilistisch gesehn ja gerade nicht modern sein. Seine wissenschaftliche Perspektive, seine collagenhafte Erzähltechnik und seine Methode der Anverwandlung antiker Mythen machen ihn geradezu zu einem Autoren der Postmoderne, was man aber erst heute erkennt und würdigen kann. Der literarischen Moderne seiner Zeit konnte und wollte er aber nicht angehören.


--- Zitat ---Allerdings gebe ich zu, dass ich diese ganze Thematik als Rollenspiel eher weniger spannend finde. Dann lieber Schleim-Aliens und Kidnapping durch Deep Ones.
--- Ende Zitat ---

Ich denke, dass das derselbe Grund ist, warum Lovecraft aus seinem Mythos keine längeren Romane bilden konnte. Eine Figur ist durch eine einzige Begegnung mit dem kosmischen Schrecken bereits verbraucht, und man kann keine 350 Seiten lang immer nur Andeutungen über die Großen Alten aneinanderreihen.
Liest man die Kurzgeschichten in knapper Folge hintereinander, bemerkt man die notwendigen Mängel dieser Erzählungen: Es ist beinahe unmöglich, sie zu beenden, da das Unbegreifliche sich nicht in Worte fassen lässt. In der Konsequenz, in der Lovecraft seine Vision darstellen konnte, war es ihm nicht möglich, die Verlaufsformen der Geschichten aufzulockern oder abzuwandeln - weswegen ein Langtext von Lovecraft so ermüdend ist wie drei Symphonien von Schostakowitsch hintereinander weg zu hören.

Meine Freundin sammelt die Hörbücher der Gruselkabinett-Reihe. Und die Bearbeitungen von Lovecraft-Texten scheitern eben nicht selten daran, dass man versucht, sie zwischenmenschlich "aufzupeppen", die Charaktere interessanter macht oder gar eine Romanze einzuflechten versucht.
Lovecraft ist - künstlerisch gesehn - absolut steril, eine zusätzliche Note versaut gleich das ganze Gebilde. Deswegen ist es meiner Meinung nach so schwierig, daraus ein Rollenspiel zu machen - erst recht eine Kampagne.
Ein Mi-Go mit Hitpoints? Ein Rettungswurf gegen eine Mondleiter-Wahnsinnsattacke? Das nackte Grauen aus dem All - und das jeden zweiten Freitagabend? Ich persönlich war da immer etwas skeptisch. Für mich eignet sich Cthulhu eher zum Oneshot - oder eben, locker adaptiert, als Pulpsetting mit pfeifenden Tintenfischen, auf die man ballern kann.

 

tartex:

--- Zitat von: Xemides am  9.04.2013 | 18:14 ---Nunja, das bestreitet niemand. Aber da sollte man halt immer das Alter Bedenken, die Geshichten haben fast 100 Jahre auf dem Buckel, da darf man sicher keinen modernen Erzählstil erwarten. Das war damals aber modern.

--- Ende Zitat ---

Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft. Muss eh schon den ganzen Tag mit Leuten in Realtime reden. Da brauche ich nicht noch 'natürlichen' Dialog in der Literatur.

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