Autor Thema: Waffen vs Rüstung  (Gelesen 30604 mal)

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Offline HEXer

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #450 am: 2.08.2025 | 01:41 »
Die Frage ist halt auch, wie gut eine verteidigung von Schild gegen einen oder mehrere recht schnelle Stöße mit dem Speer ist. Erstens miss man ja entweder mit dem Schild so schnell sein, den noch zwischen sich und die Speerspitze zu bekommen beziehungsweise den Speer ganz vom Körper abzulenken. Den Stoß nur auf eine andere Stelle des Körpers zu lenken ist ja auch suboptimal. Zweitens ist die Frsge, ob man den Schild bei einer Reihe von Attacken schnell genug von a nach b bekommt. Um mit einem Speer von Brust auf Oberschenkel zu wechseln erforder nur eine leicht Drehung des Handgelenkes wegen des Abstandes zwischen Hand und Speerspitze.
Und dann muss eine Wunde ja auch nicht zwingend groß sein, und den Kampf damit gleich entscheiden. Ein Speer ist glaub ich kräfteschonender ald so manche Wuchtwaffe.
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Offline Raven Nash

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #451 am: 2.08.2025 | 08:22 »
Es gibt da einen wichtigen Punkt, der gerne übersehen wird: man kann sich selbst auch bewegen.  ~;D

Zum einen gibt es DEN Schild nicht. Ein Hoplitenschild ist was anderes als ein Wikingerschild, und eine Rotella (Rondartsche) ist wieder was anderes als ein Mandelschild.
Die klasssischen FrüMi-Schilde werden mit einem Mittelgriff geführt. Das ermöglicht ein sehr dynamisches Handling mit Schildstößen, Einsatz der Schildkante, usw.
Die Fesselschilde sind am Unterarm fixiert, und werden eher statisch verwendet.

In beiden Fällen gilt aber: Fußarbeit entscheidet.

Wenn der Speer vorstößt, darf ich eigentlich nicht stehen bleiben und den Schild dazwischen halten. Ich muss mich bewegen, den Speer idealerweise mit der Schildkante umlenken und mir damit eine Öffnung schaffen. Der Schwachpunkt des Speers (und jeder Stangenwaffe) ist seine Länge. Einmal im vorderen Bereich seitlich Impuls gesetzt, und die Waffe wird schwer kontrollierbar.*

Das ist der Nachteil des Schildwalls - der Einzelne kann sich nicht viel bewegen.

*) Übrigens die Gemeinsamkeit mit dem Rapier später. Physik eben. Wobei das Rapierfechten sehr viele Parallelen zum Speer hat.
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Offline caranfang

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #452 am: Gestern um 00:00 »
Schilde verschwanden, dass die Rüstungen besser wurden. Schilde sind auch der Grund, weshalb frühe Schwerter keine Parrierstangen hatten. Sie wurden erst notwendig, als Schilde langsam an Bedeutung verloren.

Offline nobody@home

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #453 am: Gestern um 00:34 »
Schilde verschwanden, dass die Rüstungen besser wurden. Schilde sind auch der Grund, weshalb frühe Schwerter keine Parrierstangen hatten. Sie wurden erst notwendig, als Schilde langsam an Bedeutung verloren.

Ganz verschwunden sind Schilde nie -- selbst heute gibt's ja noch High-Tech-Versionen, wie sie beispielsweise die Polizei gelegentlich mal auspackt --, aber es ist richtig, daß jemand mit einem brauchbaren Vollkörperpanzer einen zusätzlichen Schild eher nicht mehr benötigt und mehr davon profitiert, die ebenfalls vorhandene zusätzliche Behinderung durch ihn einzusparen (so ein Teil ist ja auch beispielsweise beim eigenen Angriff ein Stück weit im Weg). Zusätzlich beigetragen haben dürfte auch die Einführung zunehmend fortschrittlicher Feuerwaffen, gegen deren Treffer Schild wie Rüstung in dem Maß weniger wirksam wurden, wie ihre Geschosse einfach schneller fliegen konnten als irgendetwas grundsätzlich Muskelgetriebenes (Armbrustbolzen eingeschlossen)...

Offline Raven Nash

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #454 am: Gestern um 08:08 »
Schilde verschwanden, dass die Rüstungen besser wurden.
Das ist so eine Aussage, die könnte vom History Channel stammen...

Die Anzahl der Kämpfer im Vollharnisch in einer x-beliebigen Schlacht vom 14. - 16. Jhdt war gering. Das Zeug war teuer.
Für die einfacheren Soldaten gab es eine ganze Spanne an möglichen Rüstungskombinationen, je nach vorhandenem Budget. Der Fußsoldat fängt z.B. auch wenig mit vollem Beinzeug an, Panzerhandschuhe sind extrem teuer und daher selten (Stahl-Fäustlinge sind häufiger).

Das mit den Parierstangen ist übrigens auch Blödsinn, die gibt's nämlich bereits bei den sog. Normannenschwertern des 10. Jhdts - und da war der Schild noch lange Standard. Außerdem müssten dieser Logik nach Katana dann Parierstangen haben, demnach die Japaner keine Schilde verwendet haben.
Die Schwerter, die man im I.33 sieht, haben auch Pariere - und mehr "ich schütze meine Hand mit dem Buckler" gibt's nicht.
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Offline gilborn

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #455 am: Gestern um 10:54 »
Nochmal bzgl. Schild / Speer Kombination:

Ein paar Dinge die ich mir zusammenreihme, die aber vielleicht den Realitätscheck nicht standhalten:
  • Schild Speer ist in erster Linie in Formation Sinnvoll.
  • Die Reichweite des Speers kann ich nur schwer ausspielen mit Schild, da, wenn er "ausgefahren" ist, durch den großen Hebel und Einhändigkeit leicht abzulenken sein sollte. Außerdem sollte das "einfahren" einhändig geführt realtiv langsam und wohl auch kraftraubend sein.
  • Vermutlich wäre also meist das der Schild vorne, der Speer bereit zum Vorstoß, und ein passender Moment abgewartet (Das schnelle Vor- Zurück, also das, was ich als das gefährliche am Speer erachten würde, ist in der Geschwindigkeit also nicht mehr gegeben).
  • Sobald man im Duell einigermaßen auf Tuchfühlung ist, heißt es eigentlich nur noch wieder auf Abstand zu kommen.
An die Myth Busters hier - Sehe ich das richtig?
« Letzte Änderung: Gestern um 10:56 von gilborn »


Offline caranfang

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #457 am: Gestern um 12:09 »
Ich habe da oben etwas übertrieben. Fakt ist aber, dass Schilde auf den Schlachtfelder des (späten) Spätmittelalters und der frühen Neuzeit keine Rolle mehr spielten, wenn man mal vonm Pavesen u.ä. absieht. Sie wurden überflüssig, weil zum einen die Plattenpanzer so gut schützten, dass man den zusätzlichen Schutz eines Schildes nicht mehr benötigte, und weil zum anderen man beide Hände zum Führen der Waffen (Langschwert, Mordaxt, Hellebarde etc.) brauchte. Dort, wo Plattenpanzer nie entwickelt wurden (also fast überall außerhalb Europas) und noch weit bis in die Neuzeit (maximal) Kettenpanzer verwendet wurden, blieben einhändige Waffen und Schilde genauso lange im Gebrauch.
In Form des Bucklers wurden Schilde noch in der Neuzeit verwendet, aber nie auf dem Schlachtfeld. Rapier und Buckler war ein gängiger Fechtstil. Natürlich darf man die modernen Schilde der Polizei ebenfalls nicht vergessen.
Schola Gladiatoria hat etliche interessante Videos zum Thema, die auch viel tiefer in die Materie eingehen. Mat Easton, der diese Videos macht, ist kein Amateur, sondern ein auf antike Waffen spezualisierter Antiquitätenhändler und gleichzeitig HEMA-Ausbilder. Außerdem hat er Archäologie studiert. Er kennt sich wirklich aus. Durch ihn habe ich erst so einiges verstanden.

Offline T.F.

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #458 am: Gestern um 13:29 »
Ich stelle mal die These in den Raum, dass keine Schilde mehr verwendet werden konnten, weil man so schwere Waffen gegen Plattenpanzer brauchte, die den Einsatz von beiden Händen erforderten. Ein anderer Aspekt ist, dass Hiebe nicht mehr so effektiv gegen diese Rüstungen waren und man mit gut platzierten Stichen mehr ausrichten konnte, dafür aber auch beide Hände für die nötige Kraft und Präzision brauchte. Hätte man eine wirksame, einhändige Waffe gegen Plattenpanzer gehabt, dann hätte man sicherlich weiterhin einen Schild verwendet. Zusätzlicher Schutz, insbesondere körperferner, ist einfach besser als sich nur auf seine Körperpanzerung zu verlassen. Schilde waren also erst mit dem verbreiteten Einsatz von Schusswaffen wirklich nutzlos. Ich halte es daher für weniger wahrscheinlich, dass man zweihändige Waffen nutzte, weil man den Schildarm frei hatte, da der Plattenpanzer so gut schützte und der Schild daher überflüssig war. Aber, wie gesagt, das ist bloß meine These.

Was Matt Easton angeht: Ich kenne ihn nicht und als Antiquitätenhändler sollte er schon ein gewisses Fachwissen haben. Nur weil er einen BA (Hons) am UCL erworben hat und eine Zeit lang wohl an einer Diss gesessen hat, ist er natürlich nicht automatisch Experte. Nichtsdestotrotz finde ich diese praktischen Ansätze, Geschichtswissenschaft zu betreiben, sehr spannend.

Offline Feuersänger

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #459 am: Gestern um 13:44 »
Matt Easton leitet auch noch zusätzlich eine Kampfkunstschule, nämlich eben die Schola Gladiatora, sollte vielleicht auch nicht unerwähnt bleiben. ;) In den Videos labert er freilich meistens frontal in die Kamera, aber es gibt auch Filme von praktischer Arbeit.
(Wobei ich jetzt kein Easton-Jünger bin. Er kennt halt sein Publikum und versucht immer, so unkonfrontativ wie möglich zu sein. Standardantwort auf egal welche Frage, "It depends")

--

That said, _durch_ einen Plattenpanzer kommt man auch mit Zweihandwaffen nicht, das haben wir auch hier auf ungefähr den ersten 18 Threadseiten eruiert. Aber man hat halt eher die Kraft und den Hebel, um zB seine Waffe beim Gegner einzuhaken, ihn zu Boden zu zerren, um ihm dann mit dem Scheibendolch durch eine Lücke oder Visier den Garaus zu machen (bzw seine Aufgabge zu erzwingen um ein Lösegeld zu erpressen).
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Offline Raven Nash

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #460 am: Gestern um 14:44 »
und weil zum anderen man beide Hände zum Führen der Waffen (Langschwert, Mordaxt, Hellebarde etc.) brauchte.
Dummerweise sind diejenigen, die diese Waffen verwenden, auf dem Schlachtfeld eben die Minderheit.
Das Gros der Kämpfer führt Stangenwaffen mit Seitengewehr (vom Falchion bis zum Katzbalger), und kann sich neben dem Helm oft nur eine Torsopanzerung leisten. Die Form dieser Panzerung wechselt, dennoch sind die wirklich verwundbaren Stellen über Jahrhunderte die selben.

Die Aussage, dass Schilde verschwinden ist sachlich falsch. Sie werden zu Spezialeinheiten, wenn man so will. Rondartschiere waren noch bis zum Beginn des 18. Jhdts in Gebrauch. Gerade im 30jährigen Krieg sind sie aber wichtiger Bestandteil der Formationen, vor allem um Pikenhaufen aufzubrechen. Und natürlich als schwere Infantrie, mit ihren beschussfesten Schilden.

Was sich tatsächlich ändert, sind Taktiken und vor allem der Fernkampf. Gegen Arkebusenkugeln bieten leichte Schilde nunmal keinen Schutz. Schon gegen Armbrustbolzen sind Holzschilde eher mäßig gut. Die späteren Kugelschilde sind ca. 5 kg schwer - das hängt man sich nicht lange an den Arm, aktives Fechten ist damit praktisch unmöglich.
Zuerst werden die Schilde weniger, dann der Rest der Rüstung. Man setzt beides nur noch gezielt in kleinen Verbänden ein.

Und erklär mir nicht Matt Easton. Wie schon mehrfach erwähnt, ich kenn ihn persönlich - noch aus einer Zeit lange vor YT. Er hat immer gerne spekuliert und als Händler hat er auch gerne seine Produkte beworben. Man musste seine Aussagen immer schon mit ein bisschen Vorsicht genießen - schon bevor ihn das YT-Volk zum Experten für alle Waffen und Rüstungen erhoben hat. Ja, er hat Ahnung. Oft labert er sich aber in Regionen, in denen seine Ahnung nicht mehr mithält.
« Letzte Änderung: Gestern um 16:25 von Raven Nash »
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Offline YY

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #461 am: Gestern um 23:33 »
Standardantwort auf egal welche Frage, "It depends")

Das gilt ja als der heiße Tipp, als Experte dazustehen - dabei unterscheidet den Experten vom Rest erst, was er danach so erzählt, wovon es denn abhängt ;)
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline caranfang

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #462 am: Gestern um 23:44 »
Das gilt ja als der heiße Tipp, als Experte dazustehen - dabei unterscheidet den Experten vom Rest erst, was er danach so erzählt, wovon es denn abhängt ;)
Und das wird auch in den Videos erklärt.