Autor Thema: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen  (Gelesen 8634 mal)

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Offline Chiarina

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Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« am: 26.04.2017 | 10:38 »
So. Hier geht´s um Erzählrollenspiele. Gemeint sind regelleichte Spiele, in denen die Narration im Mittelpunkt steht und ein Fertigkeiten- und Kampfsystem nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist.

Ich habe in Weltengeists "automatische Erfolge" Strang davon geschrieben, dass es bei Erzählrollenspielen nicht außergewöhnlich ist, wenn Ereignisse im Spiel ohne Bemühen des Zufalls allein durch Narration zustande kommen. Auch die Beantwortung der Frage, wann überhaupt gewürfelt (oder eine Karte gezogen, etc.) wird, bleibt oft den Spielern überlassen. Es stand die Frage im Raum, ob die Zufallsentscheidung in solchen Fällen nicht einfach umgangen wird, damit die Spieler sich risikolos Erfolge herbeierzählen können. Ich kann das für meine Erfahrungen nicht bestätigen. Ich habe geschrieben:

Zitat
Die Karten werden gezogen, wenn eine spannende Situation da ist (symbolisiert den Nervenkitzel) oder geschaffen werden soll (die Spieler brauchen in ihrem freien Spiel eine Anregung). Meiner Vorstellung von Spiel kommt das entgegen.

Weltengeist hat offensichtlich andere Erfahrungen gemacht:

Zitat von: Weltengeist
Ich habe mit Erzählspielen über Jahre hinweg immer wieder die gegenteilige Erfahrung gemacht. Es braucht dazu eine ganz bestimmte Art von Spieler, bei den übrigen endet es tatsächlich häufig mit "und jetzt gelingt mir dies, und jetzt gelingt mir das...". Außerhalb von Oneshots habe ich diese Art zu spielen daher inzwischen aufgegeben; sie passt einfach nicht zu dem, was ich von einer spannenden Spielsitzung erwarte.

Jetzt frage ich ´mal allgemein:

1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
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Offline Blechpirat

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #1 am: 26.04.2017 | 10:55 »
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
Ich habe das noch nie erlebt.
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet
Den subjektiven Eindruck habe ich auch. Ich habe Spieler beobachtet, die sich überfordert gefühlt haben, und solche denen das Element des "etwas besiegens" fehlte.
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
Ich habe sogar beobachtet, dass meine Spieler "mürrisch" auf gewürfelte Konfliktszenen reagieren, weil es die Geschwindigkeit aus der Erzählung herausnimmt und sie den "Zoom-in" in der Detailtiefe nicht wollten; insbesondere wenn epische Handlungsstränge passieren und/oder der Konflikt einen Nebenstrang betrifft. Dann liegt (nach meiner Einschätzung) die Spannung in dem "wie geht es weiter": Das kann die Frage sein, ob die Rebellion gewinnt, oder ob sich Han Solo in Leia verliebt.

Offline Crimson King

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #2 am: 26.04.2017 | 10:58 »
Man müsste erstmal prüfen, ob ihr mit dem Begriff "Erzählspieler" das Gleiche meint. Meine Vermutung ist, dass Weltengeist Spieler meint, die zwar Spiele mit ausgeprägtem narrativem Anteil auf den Tisch legen, die aber den narrativen Ansatz mit Techniken aus dem klassischen Spiel vermischen und dementsprechend dazu verleiten, einen klassischen simulationistisch-herausforderungsorientieren Ansatz zu fahren und die narrativen Elemente lediglich zu verwenden, um die Simulation voran zu treiben oder sich Vorteile in den dortigen Herausforderungen zu verschaffen.

Meines Erachtens sind Spiele wie Polaris, Itras By, My Life with Master etc. hervorragend dazu geeignet, den Spielern zu vermitteln, wie narratives Spiel eigentlich funktioniert und wie man über diesen toten Punkt hinweg kommt, seinen Charakter als Alter Ego und dessen Niederlage als eigene Niederlage zu betrachten. Diese Erkenntnisse kann man dann gut an den Spieltisch mitnehmen, wobei es in eingespielten Runden dann gar nicht mehr nötig ist, ein System mit konkreten narrativen Versatzstücken zu wählen, weil die eingespielte Gruppe von allein auf die entsprechenden Situationen passend reagiert. Bei Spielern, die von klassischen Systemen kommend mit FATE & Co. konfrontiert werden, ist die Gefahr, dass man die narrativen Elemente lediglich als Gummipunktegenerator ansieht, in der Tat sehr groß.

Die Erfahrung, dass in Vollblut-Erzählspielen sich ein Spieler die Sterne vom Himmel erzählt, habe ich aber in der Tat noch nie gemacht.
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 11:01 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Nick-Nack

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #3 am: 26.04.2017 | 11:09 »
Bisher hatte ich auch nie den Fall, dass Spieler versucht haben, sich das Leben “zu einfach“ zu machen. Und das mit sehr vielen unterschiedlichen Spielerinnen und Spielern, die sonst teilweise auch klar eher Powergamer sind. Vielmehr kann ich mir das Problem aber schon bei der Frage vorstellen, denn wenn man narrativ spielt, geht es ja eben gerade nicht darum, Herausforderungen zu bestehen, sondern eine spannende Geschichte zu erleben. Also ist es eben gerade Teil der Narration, dass man in bestimmten Situationen Erfolg nach Erfolg erzählt, ohne dabei irgendwelche Probleme zu haben.
Andersherum heißt das aber natürlich auch nicht, dass jeder, der sich mal auf Erzählregeln einlässt, auch gleich ein glühender Fan sein muss. Ich habe auch schon sehr gute narrative Spielabende mit Spielern gehabt, die danach gesagt haben, dass sie dann doch lieber herausforderungsorientiert spielen.
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Offline bobibob bobsen

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #4 am: 26.04.2017 | 11:21 »
Zitat
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?

zu 1. Ja aber nur zu Beginn. Da haben die Mitspieler das erst mal ausgekostet am Ende der zweiten Sitzung fanden das alle irgendwie Langweilig und das ganze schlug ins genaue Gegenteil um. Konflikte wurden verschärft, Mitspieler angespielt, es wurden Verletzungen herbeierzählt die sogar bis zum Tod führten. System war Engel
zu 2. Nein. Aber wir hatten einen Mitspieler dem das Ziehen von Karten die dann auch noch beliebig interpretiert werden konnten zu beliebig war. Erstaunlicher weise war das genau der Mitspieler von dem ich gedacht hätte das er genau mit so was besonders viel Spaß hätte.
zu 3. Im zwischenmenschlichen Zusammenspiel. Die beste Spannung die ich je erlebt habe.

Offline LushWoods

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #5 am: 26.04.2017 | 11:54 »
Ich habe keine nennenswerten Erfahrungen mit Erzählspielen, bzw. nur mit Erzählspielen bei denen es feste Regeln für einen "Gewinner" gibt, wie z.B. Hobbit Tales.
Dafür aber Erfahrungen mit vielen RPG-Systemen die Erzählelemente in ihren Regeln haben.
Mich haben die Erfahrungen von Weltengeist auch überrascht. Ich kann das gar nicht nachvollziehen das sich Spieler übervorteilen, eher das Gegenteil.
Meine Spieler mögen die Herausforderung/den Nervenkitzel und in 8 bis 9 von 10 Fällen würfeln sie bei Ubiquity z.B. bevor sie den automatischen Erfolg wählen.

Offline Edvard Elch

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #6 am: 26.04.2017 | 12:14 »
1. Ich hatte mal einen Spieler, der eine Runde gesprengt hat, weil er mir zeigen wollte, dass das benutzte System scheiße ist. In seinen Augen darf man Spielern nämlich absolut keine Macht über die Erzählung geben, weil Spieler nicht damit umgehen können und sich dann natürlich in jeder Situation das bestmögliche Ergebnis hinerzählen. Also hat er sich wie der letzte Depp benommen und ständig versucht, sich entwickelnde Handlungen sofort für seinen Charakter positiv zu Ende zu erzählen.

Wenn Dread in diesem Zusammenhang zählt, hätte ich auch noch jemanden, der nicht verlieren bzw. scheitern kann, und deswegen den Jenga-Turm noch während des Auftakts leer gezogen hat.

Abgesehen davon waren allerdings alle meine Erlebnisse positiv.

2. Leute, die Niederlagen ihrer Figur akzeptieren können?

3. Nein. Wie geht es weiter? Wie kommen wir da wieder raus?
Kants kategorischer Imperativ, leicht modernisierte Fassung: „Sei kein Arschloch.“

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Offline D. Athair

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #7 am: 26.04.2017 | 12:43 »
... was sind Erzählrollenspiele?

Amber, Lords of Olympus/Gossamer and Shadow, Theatrix, Everway, Idee!, Engel ?
Polaris, Fiasco, Montsegur 1244 ?
RISUS, Wushu, The Pool ?
Vampire: tM, Scion, ... ?
Fate, PDQ, Heroquest ?
2d20, WFRP3, FFG Star Wars ?
Prince Valiant Storytelling, Ghostbusters RPG, Abenteuer!, Lone Wolf Multiplayer Gamebook/ Adventure Game ?
... und irgendwo gehören da auch das AGE-System, das Cypher-System, Cortex+ und pbtA dazu.

Das sind ganz unterschiedliche "Schulen" von Spielen - mit entsprechenden Spieltraditionen - und sie laufen ALLE u.a. als "Erzählrollenspiele". Viele nennen sich auch storyfokussiert oder narrativ.

"Erzählrollenspiel" heißt ja erstmal nur, dass der Prozess des Erzählens in irgendeiner Weise im Fokus steht. Mehr nicht.
Das "Wie" ist aber für das Spielerlebnis ganz entscheidend.

Für mich kann ich sagen: Mit einigen Richtungen des Erzählrollenspiels komme ich super klar - andere dagegen möchte ich nicht spielen.
Die Fragen im OP sind auch je nach Schule ganz unterschiedlich zu beantworten. Bei manchen kann man Erfolge herbeierzählen bei anderen Spielen ist das völlig ausgeschlossen.
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 13:01 von Clausustus Doom Occulta »
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Offline Hotzenplot

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #8 am: 26.04.2017 | 13:32 »
Och komm, kein Definitionskrieg bitte. Ich habe den Eindruck, bisher herrscht Konsens, worüber geredet wird.

Jetzt frage ich ´mal allgemein:

1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?

Ja, habe ich. Meistens nur kurz. Entweder gab es entsprechende klärende Gespräche oder es waren oneshots. Es betraf Spieler, die auch bei D20, DSA und Co. nicht verlieren können. Außerdem habe ich, wenn ich sowas leite, meistens PDQ# benutzt, was ein "Herbeierzählen" von Erfolgen durchaus leicht macht, wenn man z. b. das Stacken von Stärken zulässt.
Wenn du mich fragst, woran das liegt, würde ich sagen: Persönlichkeit. Es gibt einfach Leute, die wollen immer die tollsten sein, ganz einfach. Dabei erreichen sie das Gegenteil, wenn man mal aus den Gesichtern derjenigen liest, die den "Helden" bei seinen "grandiosen" Taten beobachten dürfen.

2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?

Das hängt bei mir sehr von meinen eigenen Vorstellungen ab. Wenn ich SL bin, habe ich gerne ein paar Storynutten in der Runde :D. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn die Spieler zwischendurch in den autor stance wechseln können und gemeinsam die Geschichte lenken. Das ist wie so eine Teamworkaufgabe mit einem Objekt, dass man in gemeinsamer Arbeit mittels Bändern auf einen bestimmten Platz transportieren muss. Jeder hält 1-2 Bänder fest, aber man muss auch den Klotz und die Bewegung der anderen im Blick haben. So ähnlich verhält es sich mit der Story (Klotz), den SC (Bändern) und den Spielern, jedenfalls in meiner favorisierten Vorstellung.

3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?

Jain. Es ist eine andere Form von Spannung. Einer meiner besten Session-Erinnerungen ist eine Polaris-Runde auf dem :T: Treffen. Absolute Spannung, obwohl nicht gewürfelt wird und obwohl jeder weiß, wie ganz grundsätzlich betrachtet die Sache am Ende ausgeht. Aber die Form einer Spannung, die durch einen Würfelwurf erzeugt wird, bzw. in Erwartung des Ergebnisses davon, ist schon eine andere.
Die Spannung in einem eher erzähllastigen Spiel ergibt sich m. E. vor allem durch die Handlung der Spieler und die so erzeugte Veränderung von Story und Setting.
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Offline 1of3

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #9 am: 26.04.2017 | 13:45 »
Zitat
Ich habe in Weltengeists "automatische Erfolge" Strang davon geschrieben, dass es bei Erzählrollenspielen nicht außergewöhnlich ist,...

Welcher Faden? Und welche Spiele sind da jetzt genau gemeint?

Offline Caranthir

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #10 am: 26.04.2017 | 13:53 »
Es soll gerüchteweise Spieler geben, die von ihrem simulationistischen, alles verregelnden Spielstil nicht wegkommen möchten (was ja ansich kein Problem ist). Nur hatte ich mit denen dann während des Spiels desöfteren mal Probleme, wenn etwas nicht bis ins Kleinste geregelt wurde.

Es gibt nunmal solche und solche Spielertypen, es ist schlicht Geschmacksache. Als SL eines eher erzählerischen Systems wundere ich mich nicht über die verwunderten Blicke von Spielern, die sonst eher zu Regelschwergewichten greifen.
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 21:41 von Caranthir »
Lese: Fate of Cthulhu, Fate Horror Toolkit, Dragon Age RPG, The Expanse RPG

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Offline D. Athair

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #11 am: 26.04.2017 | 14:56 »
Welcher Faden? Und welche Spiele sind da jetzt genau gemeint?
Vermutlich der hier.

Welche Spiele genau gemeint sind? Alle, die sich Erzählrollenspiele nennen oder so genannt werden!?
Würde man genauer hinsehen, müsste man ja eingrenzen/differenzieren und es könnte mehr rauskommen als Allgemeinplätze.  :-X


Ich habe den Eindruck, bisher herrscht Konsens, worüber geredet wird.
Na dann ...
Crimson Kings Eingangsfrage und die Nachfrage von 1of3 sprechen eher nicht diese Sprache.


Vielleicht kann ich das in der Beantwortung der Fragen deutlicher machen:
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
Ja. Bei manchen Spielen gehört das zum guten Ton. Die billigen Erfolge kulminieren dann in etwas Größerem/Bedeutsamen. In anderen Spielen können Spieler gar nicht billige Erfolge herbeireden - entweder weil es das Genre kaputt machen würde oder weil es die Regeln nicht vorsehen. In wieder anderen Spielen tragen billige Erfolge nichts zum Spiel bei. Dadurch, dass sie im Ganzen sinnlos sind, ist es nicht interessant sie herbeizuerzählen. Es gibt Spiele, in denen billige Erfolge eine gute Möglichkeit sind, zwischendrin zu glänzen. Gerade Colour-Spielern gibt das recht viel.

Ob Spieler, die in Erzählrollenspielen gern "billige Erfolge" nutzen und mit klassischen RSP besser fahren, kommtt darauf an, welche Funktion ein "billiger Erfolg" im Rahmen des jeweiligen Spiels hat. Für Leuten, die meinen durch billige Erfolge ihre Kompetenz als Spieler darstellen zu müssen, sind Erzähl-RSP eher nix.

2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
Außer "Fiction first" halte ich nichts für so generalisierbar.  Vielleicht noch die Abwesenheit des Anspruchs, dass Regeln irgendwie die Physik-Engine der Spielwelt darstellen und dass Herausforderungen nicht allein durch kluge Regelanwendung bewältigt werden können. (Wobei die letzten beiden Punkte auch jenseits des Erzählrollenspiels weit verbreitet sind.)

3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
Der Zufall liefert ein Überraschungsmoment, das mMn leicht ersetzt werden kann. Mitspieler-Erzählungen, SC- und NSC-Handlungen, ... es gibt viele Möglichkeiten. (Andererseits ist es ja gerade kein besonderes Kennzeichen von Erzählrollenspielen auf Würfel-/Zufallsmechanismen zu verzichten.)
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 15:02 von Clausustus Doom Occulta »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Ucalegon

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #12 am: 26.04.2017 | 15:07 »
Du beziehst dich ja auf die Archipelago-Karten (Itras By). Mit denen habe ich nicht so viel Erfahrung, aber ich antworte trotzdem mal in Bezug darauf. Was Weltengeist meint, wäre natürlich interessant zu wissen. Ich vermute FATE, für das man die Diskussion hier ganz anders aufziehen müsste. [Mein Problem mit FATE habe ich erst nach der Lektüre von Eero Tuovinens einsichtigen Beiträgen hier wirklich erkannt.]

---

1.) In Love in the Time of Seid z.B. kam die Phrase "That Might Not Be Quite So Easy" als Aufforderung, eine Karte zu ziehen und nicht einfach so zu entscheiden, wie es ausgeht, eigentlich immer erwartbar, d.h. nicht um jemanden zu stoppen, der sich ansonsten einen billigen Erfolg herbeierzählt hätte, sondern, wie du sagst, einfach an einem spannenden Punkt, bspw. in einem direkten Konflikt zweier Figuren oder so. Aber selbst, wenn man davon absieht, dass es diese einfache Möglichkeit gibt, jemandem ins Wort zu fallen, denke ich nicht, dass man sich wegen herbeierzählter Erfolge übermäßige Sorgen machen muss. Mein Eindruck ist, dass die meisten Leute (mich eingeschlossen) im echten SL-losen Freiformspiel viel eher ein Problem damit haben, überhaupt Entscheidungen zu treffen, ohne sich dabei auf einen Zufallsmechanismus wie die Karten verlassen zu können. Nicht weil sie einen Drang unterdrücken müssen, immer nur Erfolge zu bringen, sondern, weil man ja nie weiß, was der Rest der Runde von der eigenen Entscheidung hält bzw. eine große Verantwortung hat. Bei einer eingespielten Gruppe gibt sich das aber bestimmt.

2.) Ich denke, um die Phrasen und Karten wirklich zu vollem Nutzen einsetzen zu können - ohne sie, d.h. in SL-losem Freiformspiel, erst recht - muss man eine Portion Selbstvertrauen mitbringen. Wer sich lieber im Hintergrund hält, andere ihr Ding machen und am liebsten die Würfel entscheiden lässt, wird es hier schwerer haben. Jemand, der sich wiederum voll reinhängt und dynamisch einen Erfolg nach dem anderen raushaut, hat da aus meiner Sicht schon bessere Grundvoraussetzungen, bzw. wird sich öfter Phrasen/Karten fangen oder in Freiform mit dem Rest des Tisches abstimmen müssen.

3.) Die meisten Rollenspiele haben irgendwo ein explizites Zufallselement wie z.B. die Archipelago-Karten. Ein schönes Beispiel für eine tolle Mechanik ohne Zufall ist Lovecraftesque, wo in einer Szene jeweils Hinweise beschrieben werden und danach jede(r) für sich aufschreibt, was wohl hinter diesen Clues steckt, um dann in der eigenen Szene Hinweise zu streuen, die auf die eigene Interpretation hindeuten. Was wirklich wahr ist, erfährt man erst ganz zum Schluss. Das ist Spannung.

---

Für mich sind Erzähl(rollen)spiele am ehesten DSA und Cthulhu, so wie sie hierzulande gespielt werden. Eine(r) erzählt, der Rest hört zu, Regeln sind egal. Insofern finde ich Clausustus' Frage schonmal absolut berechtigt. Für mich ist der Begriff letztlich noch unglücklicher als das bisweilen in ähnlicher Absicht verwendete story game. Kann man da noch behaupten, dass es sich um Rollenspiele handeln müsse, die einen bestimmten Inhalt, nämlich die Geschichte, in den Mittelpunkt stellen - was auch wieder für ganz andere Spielweisen gelten kann - ,  ist erzählen als Verb der Modus eines jeden Rollenspiels. Wenn ich nicht "schriftlich oder mündlich auf [mehr oder weniger, Anm.] anschauliche Weise darstelle", was (m)eine Figur tut, dann funktioniert das Spiel nicht.
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 15:17 von Ucalegon »

Pyromancer

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #13 am: 26.04.2017 | 15:17 »
Ich hab das eher umgekehrt erlebt, dass einige "klassisch geprägte" Spieler am Anfang Hemmungen hatten, sich "einfach so" Erfolge zu erzählen.

Offline Bildpunkt

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #14 am: 26.04.2017 | 15:21 »
Ich komme eher aus der Ecke des Improtheaters, was ja man ja durchaus aus Ganzkörpererzählrollenspiel bezeichnen kann. Dort ist das ganze zwa eher humoristisch aber es lebt auch bzw insb. von Spannungen und Herausforderungen die sich die Spieler gegenseitig stellen sowie durch spontane Zurufe (des Publikums/des Spielleiters/andere Spieler)die neue Elemente /Wendungen in die Story werfen und daher kann ich mich auch nicht vorstellen das sich jemand zum Gewinn erzählt/ erzählen kann auser der Handlungsbogen ist am Ende oder läuft darauf zu. Und dann gibts ja immer noch "die überraschende Wendung" als Stilmittel...
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Offline 1of3

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #15 am: 26.04.2017 | 15:37 »
Ich hab das eher umgekehrt erlebt, dass einige "klassisch geprägte" Spieler am Anfang Hemmungen hatten, sich "einfach so" Erfolge zu erzählen.

Das habe ich auch als ausgewiesener Storygamer. Spiele wie Engel, Nobilis, MURPG, Itras By führen bei mir zu Paralyse.

Offline Chiarina

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #16 am: 26.04.2017 | 17:56 »
Kurz zur Genrebestimmung: Ich habe im Ausgangsposting angegeben, um was für Spiele es mir geht:

Zitat
Gemeint sind regelleichte Spiele, in denen die Narration im Mittelpunkt steht und ein Fertigkeiten- und Kampfsystem nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist.

Ihr kennt viele Spiele, auf die das zutrifft, die aber ganz unterschiedlich funktionieren und auch hinsichtlich meiner Fragen unterschiedliche Antworten evozieren? Dann differenziert das doch einfach! Ich habe keine Ahnung, was daran jetzt ein Problem sein soll. Das ist doch kein Richtig-oder-Falsch-Strang!
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Offline sindar

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #17 am: 26.04.2017 | 18:19 »
Ist hier moeglicherweise auch eine Beschreibung von der anderen Seite hilfreich? Also von jemandem, der mit dem Erzaehlkrempel nichts anfangen kann bzw. den nur dazu benutzen wuerde, Erfolge fuer die Gruppe (eher als sich selber) herbeizuerzaehlen? So einer bin ich naemlich.
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Ucalegon

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #18 am: 26.04.2017 | 18:25 »
Ist hier moeglicherweise auch eine Beschreibung von der anderen Seite hilfreich? Also von jemandem, der mit dem Erzaehlkrempel nichts anfangen kann bzw. den nur dazu benutzen wuerde, Erfolge fuer die Gruppe (eher als sich selber) herbeizuerzaehlen? So einer bin ich naemlich.

Wenn du noch verrätst, welche Rollenspiele du so nutzt (?)/nutzen würdest, dann ist damit, glaube ich, auch was anzufangen. "Erzaehlkrempel" bedarf, wie Chiarina ja gerade nochmal selbst festgestellt hat, einer Differenzierung.

Offline sindar

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #19 am: 26.04.2017 | 18:57 »
Ich habe so Erzaehlkrempel nie selbst gespielt, kann da also nicht weiter differenzieren. (Abgesehen von einer Runde FATE auf dem Treffen, wo ich mit dem System eher wenig anfangen konnte.) Ich kann hier also nur schreiben, was ich standardmaessig spiele und wie da meine Vorlieben und Abneigungen aussehen. Normalerweise spiele ich klassisches Rollenspiel, also der Art D&D / Savage Worlds / DSA und dergleichen.
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Online Kreggen

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #20 am: 26.04.2017 | 19:40 »
Ich kenne das nur so, dass sich Spieler, die auch im normalen Leben viel reden und einem einen Knopf an die Backe labern, alles nur erdenklich positive zuschanzen und Spieler, die eher ruhig sind, keine Chance bekommen, was zu sagen. Meist sitzen die Spieler auch im Kreis und wollen bespaßt werden, anstatt mal "was" zu erzählen.
Ich habe noch nicht viele "Erzählrollenspiele" mitgemacht, hatte aber immer den Eindruck, dass mit Werten auf einem Charakterblatt und Würfeln + Regeln mehr chancengleichheit und Zufriedenheit herrscht als bei Spielen, bei denen einzelne Spieler alles bekommen könenn und andere gar nichts. Wir haben das auch meist aus Frust nach 2-3 Sitzungen sein gelassen.
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Offline Tyloniakles

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #21 am: 26.04.2017 | 20:00 »
Dass narrative Rollenspiele keine Regeln haben, ist jetzt aber ein Missverständnis. Auch kann man sich normalerweise nicht ständig Erfolge herbeireden, meist muss man viel mehr auch schreckliche Nachteile hinnehmen oder auch selbst ausschmücken.

Offline Bad Horse

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #22 am: 26.04.2017 | 20:37 »
Es gibt schon Erzählrollenspiele, bei denen man sich Erfolge herbeireden kann. Allerdings geht das meilenweit an der Intention der Spiele vorbei.

Gibt es Leute, die das tun würden? Klar. Einerseits diejenigen, die es gewohnt sind, um Erfolge im Rollenspiel kämpfen zu müssen. Andererseits diejenigen, die es vorziehen, ihre Erfolge gegen irgendwas / -wen durchsetzen zu müssen.

Die sind - um Frage zwei zu beantworten - mit einem Erzählrollenspiel nicht gut bedient. Das ist für Leute da, die interessante Entwicklungen in einer Geschichte bevorzugen, denen es mehr um Drama geht als um Erfolge. Das ist keine Wertung - manche so, andere anders.

Spannend wird es dann trotzdem, wenn genug Drama und emotionale Energie aufgebaut worden ist. Dann will man schon wissen, wie es weiter geht - schafft es der Charakter, oder scheitert er? Beide Ausgänge sind in einem Erzählrollenspiel vollkommen akzeptabel, solange sie nur dramatisch sind. Lieber glorios scheitern als einen langweiligen Sieg herbeiquatschen.
« Letzte Änderung: 26.04.2017 | 20:53 von Bad Horse 8 »
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Offline 1of3

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #23 am: 26.04.2017 | 20:45 »
Ihr kennt viele Spiele, auf die das zutrifft, die aber ganz unterschiedlich funktionieren und auch hinsichtlich meiner Fragen unterschiedliche Antworten evozieren? Dann differenziert das doch einfach! Ich habe keine Ahnung, was daran jetzt ein Problem sein soll. Das ist doch kein Richtig-oder-Falsch-Strang!

Ja. Also Dealgathair hat ja schon einige Kandidaten genannt und die mal vorgruppiert.

Zitat
Amber, Lords of Olympus/Gossamer and Shadow, Theatrix, Everway, Idee!, Engel ?
Polaris, Fiasco, Montsegur 1244 ?
RISUS, Wushu, The Pool ?
Vampire: tM, Scion, ... ?
Fate, PDQ, Heroquest ?
2d20, WFRP3, FFG Star Wars ?
Prince Valiant Storytelling, Ghostbusters RPG, Abenteuer!, Lone Wolf Multiplayer Gamebook/ Adventure Game ?
... und irgendwo gehören da auch das AGE-System, das Cypher-System, Cortex+ und pbtA dazu.

Also haben wir zunächst wir die Gruppe "Frei-Assoziativ". Hilfsmittel sind hier häufig Karten, die gewisse Hinweise oder Themen bieten, die man dann frei interpretieren kann. Diese Spiele haben eine relativ schwache Spielerführung durch ihre Mechanismen. Engel hat aber z.B. eine sehr starke Core Story. Ich würds trotzdem eher mit Fate spielen, was dann für Engel V2 ja auch so umgesetzt wurde.

Risus und Wushu sind aus der Kategorie "Action ohne Hindernisse". Die Regeln passen auf wenige Seiten und man kann damit vielfach tun, was andere Rollenspiele auch tun. Charaktere werden nicht wirklich besser, es gibt nichts zu looten, aber man kann sich hauen. Kampfsystem ist insofern schon vorhanden nur ziemlich rudimentär.

The Pool oder Primetime Adventures sind eine ganze andere Klasse. Sie setzen auf mechanische Resolution, die nicht von Aufgaben etc. abhängt, sondern primär vom Charakter. So kann im selben Kampf der Knappe versuchen, eine gute Figur zu machen, während der Paladin darauf aus ist, die Maid zu retten, und der Barbar möglichst viele Gegner zur Strecke bringen will. Und dafür würfelt jeder genau ein mal.

Dealgathairs Gruppe 2 sind die Set-Piece-Stücke. Sie haben ein festes Thema, sie haben wenige Mechanismen, die den Spielverlauf ändern können und ganz wichtig: Sie enden. Das Ende ist fest einprogrammiert. Weitere Beispiele sind z.B. Durance oder My Life with Master.

Die Storyteller-Spiele wie Vampire nennen sich Erzählspiele, sind aber technisch ziemlich D&D. Er gewünschte Effekt tritt ein, wenn man die Regeln eher so als grobe Richtlinien auffasst. Fate ist gleichsam Everybody's Darling. Es lässt sich ziemlich verschieden trimmen, so dass es wahlweise eher wie Vampire, Risus oder The Pool auftritt.

Cortex+, PbtA feiern die neue Freude am Quellenmaterial. Sie sind gewissermaßen Genre-Rollenspiele, die zwar Regeln haben, die aber ganz bewusst an gewissen literarischen Vorlagen ausrichten. 2d20 geht in eine ähnliche Richtung, hat aber ganz viele D&D-Anleihen und will die anders als Vampire auch haben und passt daher nicht so recht auf deine Definiton.

Ergänzen könnte man noch Spiele wie Microscope und Kingdom, indem es um die Erschaffung einer Welt oder Lokalität geht und man spielt danach Leute darin. Die Regeln beschäftigen sich weniger mit dem was die Figuren tun, sondern mit der Generierung des Settings.

Wenn die hier genannten Spiele etwas gemeinsam haben, dann höchstens, dass man kein Equipment aufschreibt.

Offline Der Läuterer

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Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
« Antwort #24 am: 26.04.2017 | 21:05 »
Kurz auf Chiarina's Ausgangspost eingehend.
Persönlich sind mir zwei Arten von Spielern bekannt, die mit einem freien System nur sehr wenig anfangen können.

Jene, die das System ad absurdum führen wollen und alles nur zu ihrem eigenen Vorteil nutzen und benutzen. Diese Spieler gibt es jedoch auch in jedem anderen System. Das sind die bekannten Eier-legende-Woll-Milch-Sau-Spieler.

Narrative Systeme sind besonders anfällig und durch diese Spieler auch leicht verwundbar, da dem Ausnutzen keine, oder nur geringe, Reglementierung entgegen stehen.

Zum anderen gibt es auch jene, die sich durch all die Freiheiten überfordert fühlen oder sich nicht trauen, etwas selbst zu gestalten. Diese Spieler sind entweder zu zaghaft, zu zögerlich, manchmal vielleicht auch einfach nur einfallslos, bzw. wollen das System nicht ausnutzen und halten sich zu sehr zurück.

Hat man NUR solche Spieler (beide Sorten), dann kann man den Versuch 'Narratives Spiel' knicken. Das gibt nur Frust (vor allem auf Seiten des SLs). Also besser gleich Finger weg lassen, ein anderes System wählen oder die passenden Spieler suchen.

Bei uns, wir spielen nach TREMULUS. läuft das so.
Spieler: Ich öffne die Tür.
SL: Die Tür ist verschlossen.
Bei Tremulus würfelt NUR der Spieler. Auch fordert der SL keine Würfe ein. Das bestimmt auch IMMER NUR der Spieler selbst.
Spieler: Ich versuche die Tür zu manipulieren (und würfelt).
Der Spieler sieht das Ergebnis - Erfolg, Teilerfolg oder Fehlschlag - und der SL beschreibt anhand des Ergebnisses die weitere Situation.

Das narrative System lebt von und durch die Phantasien aller Beteiligten, nicht nur von der des SLs.

Spieler können/dürfen alles darstellen. Das zeigt unzählige Chancen auf, ist aber auch verpflichtend und fordert einiges an Verantwortung seitens der Spieler ein.

Wer 'nen tumben Schläger mit Keule spielen will, ist hier äusserst schlecht aufgehoben.
Gleiches gilt für den Zauberer, der sich nicht traut zu zaubern, weil er beim letzten Mal vom SL gesagt bekam, dass er Kopfschmerzen bekommen hat. Oder dem keine Zauber einfallen (wollen).
Flexibilität, Kreativität und Phantasie sind Trumpf.

Die 'guten' Spieler spielen ihre Chars vielschichtig und facettenreich.

Spannend ist eine Session für mich dann, wenn sich die Ideen der Teilnehmer gegenseitig befruchten. Alles baut dann aufeinander auf und geht ineinander über.

Zufall ist für uns weniger wichtig. Überraschungen sind das Salz in der Suppe. Die Situationen werden immer durch die Spieler offen beschrieben. Wenn der Spieler seinen Char selbst in eine kniffelige Situation manövriert, dann nutze ich als SL das nicht aus, um den Spieler klein zu halten oder kaputt zu machen, sondern kreiere daraus eine spannende Szene, welche den Spieler bzw. die Gruppe fordert und ihm/ihnen ein Highlight gibt.
Power Gamer: 38% | Butt-Kicker: 8% | Tactician: 67% | Specialist: 38%
        Method Actor: 96% | Storyteller: 83% | Casual Gamer: 13%

Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -