Autor Thema: [Gibt es] Demokratische Fantasy  (Gelesen 5810 mal)

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Offline Aedin Madasohn

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #50 am: 9.06.2018 | 11:59 »
Erstmal. Bis hierher schon einmal vielen Dank für die ganzen Tipps.

Aber ich muss mich doch mal einmischen...

Das glaube ich wiederum nicht. Was sehr häufig vergessen wird: In der Geschichte unserer Welt waren nicht grundsätzlich die jeweils tödlichsten oder individuell mächtigsten Individuen die Herrscher, sondern die mit dem meisten Rückhalt. Oder warum wird unsere Welt eben nicht von den Leuten mit dem höchsten IQ oder den besten Fähigkeiten im Kampfsport regiert? Herrschaftsstrukturen und Legitimation von Herrschaft können sehr komplexe Gebilde sein. Letztlich ist Magiekundigkeit da nur ein Element unter vielen. Wir schmeißen ja jemandem, der eine tolle neue Waffe erfindet, auch nicht direkt die Königskrone vor die Füße. Magier sind vielleicht eine Elite, aber nicht zwangsläufig die herrschende Elite. Viel eher eine kontrollierte Elite.

ist jetzt die Phase erreicht, wo "schlagt bereits niedergeschriebene Settings vor" zu der Diskussion "wie könnten die verschiedenen Fantasy-Faktoren eine Demokratie beeinflussen" kommt?

einmal möchte ich hier "oberkörperfreier Judokämpfer mit rotem Atomknopf" Putin verweisen  >;D
klar, ist nur eine Propagandamasche und die ganzen Atomwaffen hat der Vladimir ja nicht in seinem Hobbyraum gebastelt, sondern sind mit Abermilliarden Rubeln finanziert worden, die anders eingesetzt den Russen aber locker einen westlichen Wohlstandsstil ermöglicht hätten

da hier bereits die attische Demokratie genannt wurde: immer auch den Blick auf die Auswirkungen der verschiedenen Reformen auf die Wehrverfassung Athens werfen. Als Athen Ruderer für die von "den Reichen" zu stiftenden Trimeren brauchte, hatte man plötzlich eine verfassungsmäßige Aufwertung von nicht steuerfähigen Armen, die vorher durch jedes Raster gerutscht waren. Jetzt gab es unterhalb der leichten Infanterie-Wehrdienstleistenden plötzlich die Ruderer-Wehrdienstleistenden in der Demos.

je nachdem also, wie sehr Menschen(material) als freiwillige Räderchen in der Militärmaschinerie gebraucht werden, ploppt da plötzlich eine politische Öffnung in die Demos auf.
Später (Mittelalter) erstritten sich die reichen Kaufmannsbürger Rechte gegenüber einem vormals absolutistischen König, als dieser König militärisch angeschlagen "dringend" frisches Geld brauchte. Für stumpf die Kaufmänner mittels Faustrecht ausplündern reichte die Kraft/Zeit nicht mehr aus und schwupps gab es offiziell einen dritten Stand bzw. waren die "freien Reichsstätte" reichsunmittelbar beim Kaiser (und den Herzögen entzogen)

sprich:
können "Magier" qualitativ "alles" (Zaubersprüche/Rituale vorhanden) - dann sind sie ein einflussreicher Stand unter Schwertadel, reichem Bürgertum und alle ernährender Bauernschaft etc.pp.

können Magier quantitativ alles - dann kommt niemand an dem Magierstand mehr vorbei. Magier-Oligarchie (schlecht) Magier-Aristrokratie (wohlmeinende Bevormunder  >;D)

kann ein einzelner Archomagus qualitativ und quantitaiv alles - Magodespotie vorprogrammiert. Irgendwann will der amtierende Archomagus nicht mehr lieb, nett und weise sein, sondern der Basta-Oberlehrer mit dem Rohrstock

wird nur dann ein Magier zum Archomagus, wenn er sich mit Erzdämonen einlässt - Magodespotie mit Blutaltar
wird ein Magier zum Archomagus, wenn er sich "den guten Göttern verschreibt" und per Karmaentzug disziplinierbar bleibt - Wächterstand im platonischen Sinne

ein einzelner Magier, dessen Feuerbälle Festungsmauern einreißen (also den Belagerungsartilleriepark ersetzt)
kann als Warlord einen Landstrich beherrschen - Gesetz des Raumes gegen eine Einzelperson
oder als Jediritter  ~;D >;D die Republik vor sich in ihren Burgen verschanzenden Raubrittern schützen - auch hier wieder der platonische Wächterstand

kurzum - wie (über)mächtig gegenüber mundanen Menschen der einzelne Magier gesetzt wird (1 zu 3 oder 1 zu 10.000 ist ja ein Unterschied), hat das Auswirkungen auf die Herrschaftsformen-Evolution:
Demokratie entartet zu Ochlokratie und wird von der Aristrokartie verdrängt, welche dann zur Oligarchie entartet, die dann vom Alleinherrscher verdrängt wird, der zum Despoten entartet, bis er vom freien Volk gestürzt wird und wieder Demokratie herrscht
- stark verallgemeinert in gerade mal zwei Zeilen gepresst, also macht da mal kein Fass von auf, ansonsten ExtraThread von machen -

je nachdem, wo das Setting hier einsteigen soll, kann man wahnsinnig viel von machen und spannende Fragenstellungen aufwerfen.


« Letzte Änderung: 9.06.2018 | 12:03 von Aedin Madasohn »

Offline Maarzan

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #51 am: 9.06.2018 | 12:26 »
Was wie udn warum IST, ist eben auch eine Frage von dem, was WAR (und das schon ganz von Anfang an verfolgt) , erst als metaphysische Regeln (Magie, Götter, Monster, abweichende Standardnaturgesetze/zustände) und dann die Entwicklungen im Widerstreit der Kräfte daraus.

Wobei Demokatie auch wieder unterschiedlichste Formen annehmen kann (direkte, unvollständige/gewichtete, reüpräsentative ...).

Und 3 Trolle, die Abstimmen ob es heute den Elf oder den Halbling zum Abendessen gibt, sind ja letztlich auch eine Demokratie.

Wie wäre es mit himmlischen "Götterparlamenten" und Wähler = Gläubige?
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Feuersänger

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #52 am: 9.06.2018 | 20:52 »
Denke da kommt es einfach sehr drauf an, was Magie im jeweiligen Setting überhaupt kann.
- "Du kannst Licht machen und mit Vögeln sprechen" ermöglicht da natürlich eher weniger Einfluss auf die Politik;
- "Du kannst hin und wieder Einzelpersonen oder kleine Gruppen mit Blitzen grillen" schon etwas mehr, aber wahrscheinlich immer noch nicht viel;
- "Du kannst einen Schwung Personen geistig beeinflussen oder kontrollieren, ohne dass es jemand nachweisen kann" hingegen ist eine ganz andere Hausnummer.

Mal gar nicht zu reden von "Du stehst in so hoher Gunst bei deiner Gottheit, dass du ganze Jahresernten positiv oder negativ beeinflussen kannst".
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Offline nobody@home

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #53 am: 9.06.2018 | 20:58 »
- "Du kannst Licht machen und mit Vögeln sprechen" ermöglicht da natürlich eher weniger Einfluss auf die Politik;

Na, ich weiß nicht. Mit kleinen Vögelein, die einem so das eine oder andere rein "zufällig" aufgeschnappte Interessante über andere Leute zwitschern können, läßt sich mMn schon so einiges anfangen. ;)

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #54 am: 9.06.2018 | 21:21 »
Nebenbei: Sollten wir hinreichend kleine Gemeinschaften -- und seien es nur Räuber- und Piratenbanden --, in denen der Anführer der Gruppe allen persönlich bekannt ist, tatsächlich einigermaßen frei gewählt wird, und dann halt so lange Anführer bleibt, bis die anderen ihm ihr Vertrauen in mehr oder weniger gegenseitigem Einvernehmen (<hüstel>) wieder entziehen, für diesen Faden als zumindest ungefähr "demokratisch" betrachten? Denn die, denke ich mir, gibt's tatsächlich mehr oder weniger überall...

Offline Kowalski

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #55 am: 10.06.2018 | 11:24 »
Janissaries von Jerry Pournelle.
Mag nicht zu einer Demokratie führen aber transportiert moderne Menschen auf eine Welt wo Schottland, Byzanz und Griechenland mehr oder minder parallel existieren.
Und sie mischen das als kleines Häuflein auf.

Hüter der Flamme von Joel Rosenberg
Wo eine Gruppe Rollenspieler vom spielleitenden Zauberer in seine Welt entführt wird.
Spätestens ab Band 4 fangen sie an die Welt zu verändern.
Mit Flamme ist die Aufklärung gemeint, im Englischen "Enlightenment"

Kann man beides lesen und macht beides Spass
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Offline Feuersänger

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #56 am: 10.06.2018 | 11:40 »
Janissaries klingt drollig. Von Pournelle wollte ich eh mal bissl was lesen. Da kenn ich nur ein paar Schnipsel aus A Step Farther Out und da merkt man schon, dass der schreiben kann.
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Offline Tjorne

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Re: [Gibt es] Demokratische Fantasy
« Antwort #57 am: 13.06.2018 | 22:35 »
In 'Guns of the Dawn' (von Adrian Tchaikovsky) hat das Nachbarland(TM) gerade eine Art (französische) Revolution hinter sich und führt nun Krieg mit dem Land der Protagonistin. Das Tech-Level ist entspricht etwa den Napoleonischen Kriegen, plus Magie. Magier haben hier eine besondere Verbindung zur Monarchie, aber es ist keine typische Magokratie. Der Plot verfolgt die Demokratisierung aber nur indirekt und auch sonst Politik nur stellenweise. Hauptthemen sind eher Propaganda (an der Heimatfront) und die Perspektive des einzelnen Frontsoldaten, der den Überblick über den Krieg oder Politk auch nicht wesentlich beser hat als die Zivilisten zu Hause.

Das Buch ist durchaus empfehlenswert. Weitere Bücher des Autors habe ich nicht gelesen.
Want an Orange?