Autor Thema: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu  (Gelesen 3845 mal)

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Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #25 am: 16.03.2024 | 09:22 »
Schwer bepackt, aber von Takur gut geführt, bahnten sich die vier ihren Weg aus dem Sumpf, auch wenn Takur selber beinahe in einem Sumpfloch geendet hätte. Reisenden wichen sie aus und boten nach Tagen im Sumpf keinen sehr vertrauenserweckenden Anblick. Die Helden beschlossen, die Papiere zu sichten, ehe sie über das weitere Vorgehen entschieden. Sie kamen vorerst in einem kleinen Dorf unter, auch wenn die Bewohner sie misstrauisch beäugten und möglicherweise selbst etwas zu verbergen hatten. In einer gemieteten Hütte werteten Akira und Ren die Papiere aus, während Luo und Takur - des Lesens unkundig - wechselseitig Wache hielten.
Die Auswertung der Unterlagen gestaltete sich als langwierig. Die Helden sahen ihre Vermutungen bestätigt: Im Laufe der Zeit waren die Soldaten der „verschwundenen“ Wacheinheit versetzt oder im Todesfall nicht abgemeldet worden, um den Sold, die Ausrüstung und Verpflegung zu unterschlagen.
Zwei inzwischen nach Westen versetzte Offiziere schienen die eigentlichen Schuldigen zu sein. Die Familie Guo war offenbar der Hauptprofiteur gewesen. Sollte General Wu davon erfahren, würde dies vermutlich dramatische Konsequenzen für die Offiziere und eventuell auch ihre Familien haben. Die Informationen machten sie damit manipulier- und erpressbar. Zuan Lihua, die letzte zuständige Militärbeamtin, hatte anscheinend versucht, die Ungereimtheiten zu untersuchen, war dann aber gekauft oder durch Drohungen überzeugt worden, bei dem Betrug mitzumachen.
Zusätzlich zu den administrativen Informationen fanden sich auch einige militärische Planungen. Diese waren zwar veraltet, gaben aber einen Einblick in die defensiven Vorbereitungen Zhoujiangs in dieser Region und Überlegungen für die Verteidigung im Fall eines Konflikts mit Kintai.

Die Abenteurer entschieden sich, die Informationen zu den Unterschlagungen an die Familie Ka weiterzugeben. Wenig überraschend war die Aufnahme in der Ka-Sumpfburg diesmal sehr entgegenkommend. Ren und Akira legten die neuen Informationen offen. Sie plädierten dafür, die Informationen zu nutzen, um die Position der Ka zu verbessern und die Guo in Verruf zu bringen, anstatt Fürstin Lui Luli zu diskreditieren. Lady Ka schien das ähnlich zu sehen. Sie ersetzte der Gruppe nicht nur ihre Ausgaben, sondern zeigte sich auch auf andere Weise erkenntlich:
Zum einen stellten sie der Gruppe ein Empfehlungsschreiben für ihre Recherchen in Palitan aus. Wegen der seitens der Ka geknüpften Verbindung nach Selenia hatten sie Kontakte in der Portalstadt. Takur erhielt ein Empfehlungsschreiben der Ka, das ihn vom Stigma des exotischen Fremden befreien sollte. Akiras Appell, die Kooperation mit Kintai zu verbessern, stieß ebenfalls auf bereitwillige Annahme. Ren und Luo hatten mit den Ka potentiell wichtige Verbündete gewonnen, die für die Sache der Kaiserin wirken würden.
Allerdings zeigte sich einmal mehr, dass auch die Abenteurer teilweise unterschiedliche Loyalitäten hatten. Akira gab die in den Dokumenten gefundenen militärischen Informationen insgeheim an die Kintai-Botschafterin Suguri Hanako weiter. Er überließ es ihr, die Ehre dafür einzufahren und sicherte sich damit ihre Dankbarkeit.
Ren ihrerseits nutzte die gewonnene Vertrautheit mit den Ka, um diese als potentielle Verbündete für einen noch vagen Plan zu gewinnen. Sie trat für die Idee ein, dass die Prinzessin Yi positiv gegenüberstehenden Adligen der Region Ehebündnisse mit schwertalbischen Familien anbahnen sollten. Vielleicht könnten auch nachrangigen Kintari-Adlige einzelne Sumpfburgen als Sitz angeboten werden – gerne auf Kosten von Adligen, die mit den Triaden verbündet waren. So würde man hoffentlich wertvolle Verbündete gewinnen. Sowohl die Triaden als auch General Wu mochten es sich zweimal überlegen, einen Konflikt mit Untertanen des mächtigen Kintai zu riskieren. Die Ka waren grundsätzlich interessiert, doch musste so etwas natürlich langfristig vorbereitet werden. Es galt geeignete Partner zu finden, und es musste sichergestellt werden, dass die isolationistische Kaiserin von Kintai dem keinen Riegel vorschob.

Hao erfuhr in den folgenden Tagen mehr über die beunruhigenden Gerüchte zu den „verwehten Seelen“ Timogs. Da in letzter Zeit die Zahl der geistig Verwirrten zugenommen hatte und etliche der Unglücklichen spurlos verschwunden waren, meinten manche, dass sich etwas unter der Oberfläche des Sees rege und dass der aus Kintai geschleuderte Speer Myurikos vielleicht eine Warnung oder Weckruf gewesen sei.
Mindestens ebenso beschäftigte Haos Kollegen in der Unggoy-Kirche allerdings das „Lachende Dutzend“: eine Gruppe Affenpriester, die in der Spinnen- und Katzenprovinz korrupte Beamte, Adlige und Triadenangehörige beraubten und demütigten. Einige von Haos Kolleginnen und Kollegen bewunderten die Bande, andere lehnten ihre Methoden und Vorgehensweise ab oder sahen in ihnen Aufschneider und Betrüger. Hao zählte sich zu den Skeptikern.
Zudem erfuhr sie, dass aus der Affenprovinz ein „Fahndungsaufruf“ an die Priesterschaft des Unggoys gegangen war, der von weiteren Differenzen innerhalb der Kirche zeugte. Gesucht wurde eine rothaarige Albin namens Quinma alias Quiam alias Quiang alias Quiguan alias Quin alias Qiu, die möglicherweise Probleme mit den Behörden hatte. Sie war unbedingt beim nächsten Tempel, aber nicht bei der Obrigkeit zu melden.
Luo, der seine Nachforschungen nach den bewaffneten Gruppen im Sumpf fortgesetzt hatte, konnte abschließend ermitteln, dass es sich bei der Vargin, welche die Abenteurer als mögliche Kommandeurin des Waffenschmuggels identifiziert hatten, möglicherweise um die gefürchtete „Wasserdrachin“ General Wus oder zumindest eine ihrer Kapitänin handelte. Die Bande sollte aus 200 bis 600 Kämpfern auf etwa einem Dutzend leichter Schiffe bestehen.

Dramatischer entwickelten sich die Nachforschungen zu dem magischen Horn, dass die Gruppe kürzlich erbeutet hatte. Eine vertiefte magische Analyse war momentan schwer möglich (zumindest mit den Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten der Helden), aber Ren konnte eine Expertin finden, die die Inschrift des Horns übersetzte. Die Inschrift war in (fehlerfreiem) Ur-Xienyan verfasst, war aber erst in jüngerer Vergangenheit abgeändert worden - abermals in fehlerfreier Syntax und Rechtschreibung. Dies ließ vermuten, dass entweder ein sehr gebildeter Magiewirker oder aber vielleicht ein Untoter aus Esmoda bzw. jemand mit direktem Kontakt nach Esmodea oder einem alten Geist das Horn geschaffen (und modifiziert?) hatte. Die Inschrift war sehr ominös, ging es doch darum „den Schleier zu zerreißen“ und die gerufenen Geister zu unterwerfen. Die Inschrift endete mit einem unheilverkündenden Spruch:

Geist unterwirft sich dem Willen
Macht unterwirft sich dem Willen
Wille ist Macht
Wille ist Geist
Wille ist Alles
Und der Tod nur der Anfang des Dienstes.

Meisterin Yao Kun vermutete, dass das Artefakt einen Nekromantiezauber beinhaltete, vielleicht auch Teil eines Rituals war. Dies weckte natürlich die Besorgnis von Ren. Mit Nekromantie kannte sie sich nicht aus.  Sie hatte zwar von einigen mächtigen Nekromanten gehört, hielt jedoch keinen von ihnen für vertrauenswürdig, um ihn zu befragen. Auch Hao war sehr beunruhigt. Im Fall der Priesterin wurde ihre Sorge dadurch gesteigert, dass ihr magischer Eichhörnchen-Begleiter dem Horn stets fernblieb und über ihre diffuse telepathische Verbindung deutliche Abneigung gegenüber dem Artefakt übermittelte.

Hao wollte unbedingt herausfinden, was das Horn bewirken konnte, während Ren sich Sorgen machte, Tang oder seine ominösen Hintermänner könnten versuchen, es zurückstehlen.
Allerdings schienen die ursprünglichen Besitzer zunächst eine Verhandlungslösung anzustreben. Ein dunkelhaariger Alb suchte Hao und Ren auf.  Seine Tätowierungen legten nahe, dass er zu den 13 Blättern gehörte, einer auf Piraterie spezialisierten Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus Kintai bestand. Er nannte sich selbst Dschiahn, zweifellos ein Tarnname. Im Namen Tangs forderte er das Horn zurück und bot dafür 40 Lunare als Auslöse. Ren und Hao vertrösteten ihn und beschlossen, Rens ursprünglichen Vorschlag aufzugreifen und das Horn der Fürstin von Timog zu übergeben. Sicherlich würde diese über die Möglichkeiten verfügen, das Horn vor dem Zugriff seiner bisherigen Besitzer zu bewahren.

Es gelang den Helden allerdings nicht, eine direkte Audienz bei der Fürstin zu erlangen, und so landeten Hao und Ren bei Sima Yu, dem zwergischen Kanzler. Dieser nahm das Horn entgegen und dankte den Helden, auch wenn er anmerkte, dass sich das Horn leicht als zweischneidiges Geschenk erweisen könnte. Es blieb zu hoffen, dass Sima Yu und Liu Luli mit dem Horn weise umzugehen verstanden. Der Kanzler deutete an, dass die Abenteurer einen Gefallen offen hatten und belohnte sie mit 30 Lunaren. Sie konnten sich zudem mit „großen“ Siegeln (sprich, von einem hochrangigen Beamten) abgestempelte Passierscheine für ihre Reise nach Palitan sichern und erhielten eine Eskorte, die sie und ihre Gefährten aus Timog hinausbegleiten würde.
Noch ehe Dschiahn zurückkehrte, um die Antwort der Helden einzuholen, brachen die Hao, Takur und Akira gen Palitan auf, um einem möglichen Gegenschlag zu entgehen. Auch Ren und Luo verließen die Stadt, wenngleich nicht direkt nach Osten. Sie würden ein Postschiff auf der Fahrt von Osten nach Westen über den Maishi-See begleiten. Da sie auch auf der Rückreise den Wasserweg nehmen wollten, sollte es möglich sein, zu ihren Kameraden aufzuschließen, mit denen sie sich in Baoshi verabredet hatten, an der Ostgrenze der Kranichprovinz. Vorgeblich wählten die beiden diesen Umweg, um etwas zusätzliches Geld zu verdienen und um Spuren für mögliche Verfolger zu verwischen, insgeheim aber auch um eine Nachricht an eine Agentin der Kaiserlichen in Tangtu zu überbringen. Der überhastete Aufbruch erfolgte sehr zu Luos Leidwesen, der einmal mehr sehr überstürzt von seiner Bekannten (und nicht-so-heimlichen Schwarm) Sun Lin Abschied nehmen musste.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #26 am: 6.04.2024 | 17:26 »
Begraben und besiegelt
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Akira, Takur)

Auch wenn die Helden eigentlich gemeinsam gen Palitan aufbrechen wollten, trennten sich ihre Wege mal wieder zeitweilig. Ren und Luo hatten noch eine persönliche Mission zu erledigen, über deren genaues Ziel sie sich jedoch nicht ausführlich äußerten. Akira vermutete, dass es etwas mit ihren Sympathien im zhoujiangischen Bürgerkrieg zu tun hatte. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass Qui Ruan, der junge Stadtgarde-Offizier, der die Helden aus Timog herausbegleitete, eine gemeinsame Geschichte mit Ren hatte, die beiden peinlich zu sein schien. Die Helden verabredeten, sich in Baoshi zu treffen und von dort die Reise nach Palitan fortzusetzen.

Baoshi sollte nicht nur Treffpunkt und Etappenziel für die Reise nach Palitan sein. In der Stadt lebte Ji Xai, eine weitere der zahlreichen Verwandten Rens, deren Ehemann Yuchi als erfahrener Historiker den Helden für ihre Recherchen in den Kaiserlichen Archiven wertvolle Hinweise und vielleicht auch ein weiteres Empfehlungsschreiben geben konnte. Allerdings warnte Ren, dass man bei der Familie ihren Cousin Luo besser nicht erwähnen sollte. Offenbar hatte er als Leibwächter der Tochter von Ji Xai und Yuchi dahingehend versagt, sie nicht am Umgang mit den „falschen Leuten“ gehindert zu haben. Möglicherweise wollten Ren und Luo auch deshalb erst einmal die anderen Helden „vorschicken“.
Bevor die Helden Timog verließen, verabschiedete sich Akira noch von der Kintari-Botschafterin Suguri Hanako, mit der er in den letzten Wochen ein gutes Einvernehmen entwickelt hatte. Sie gab den Helden ihre Glückwünsche auf den Weg und empfahl Akira, in Palitan Kontakt zur dortigen Botschaft Kintais aufzunehmen. Gleichzeitig warnte sie vor den Intrigen Palitans. Dort würde mit hohen Einsätzen und großem Risiko gespielt…
Als die Helden die Stadt verließen, konnte es sich Takur nicht verkneifen, Qui Ruan zu seinem früheren Verhältnis zu Ren auszufragen. Damit legte er freilich den Finger auf eine allzu frische Wunde. Der junge Offizier reagierte ungehalten auf die unsensiblen Fragen des Jaguarkriegers. Auch wenn Akira versuchte, die Lage zu entspannen, fanden sich die Helden bald alleine auf der Straße wieder.

Die nächsten Tage folgten die Helden der Dammstraße, die durch das Schilfmeer von Timog aus nach Osten führte. Der Bürgerkrieg und das Erstarken der Triaden belasteten den Handel: Überlandreisende, die die Provinzgrenzen passieren wollten, mussten Pässe mit sich führen. Reisende wurden an den Provinzgrenzen, an Wachstationen und durch Straßenpatrouillen kontrolliert. Der damit verbundene Aufwand und Zeitverlust wurde durch die wuchernde Korruption verschlimmert, die sich in „Sonder-“ und „Beschleunigungsgebühren“ für den Warentransport oder die Ausstellung von amtlichen Dokumenten niederschlug. Die Helden selber hatten damit allerdings kaum Probleme: dank ihrer Taten in Timog verfügten sie über gute Papiere und da sie mit leichtem Gepäck und wenig Prunk reisten, gab es bei ihnen nicht viel zu holen.
Allerdings war die Herrschaft der Triaden im Südosten Zhoujiangs offenbar nicht unangefochten: Es kursierten Gerüchte über maskierte Krieger in farbenfrohen Schuppenpanzern, die höherrangige Mitglieder der Triaden und Diener der Göttin Gagamba mit äußerster Brutalität angriffen. Da keiner der Helden den Triaden freundlich gegenüberstand und sie bezüglich der Gagamba-Kirche nach dem Zusammenstoß mit der Spinnenkultistin Kuraiko eine gewisse Skepsis hegten, beunruhigte dies die Abenteurer aber wenig.

Die Reise verzögerte sich für einen Tag, als sich die Helden entschlossen, einem in Not geratenen Händler zu helfen: sein Wagen war in den Sumpf geraten, Krokodile hatten den Zugochsen getötet und nun suchte er nach jemanden, der seine Waren bergen half.   
Die Helden folgten dem Mann zu der Unfallstelle. Tatsächlich fanden sie dort den havarierten Wagen und den Kadaver des Zugtiers. Hao beruhigte mithilfe ihrer Magie das an dem Kadaver fressende Krokodil, schnitt den toten Ochsen los und befestigte ein Seil an dem Wagen. Als ein weiteres Krokodil auftauchte, konnte Takur es mit einem gut gezielten Fackelwurf verscheuchen. Mit vereinten Kräften konnten die Helden den Wagen ein Stück aus dem Sumpf ziehen. Er war allerdings stark beschädigt. Die Helden fehlte das handwerkliche Können, um ihn wieder farbereit zu machen. Sie konnten nur die aufgeladenen Töpferwaren bergen und diese mithilfe von zwei ausgeliehenen Trageseln wegschaffen. Zur Belohnung erhielten sie jeder eine kunstvoll verzierte Teeschale.
Als die Helden an diesem Abend in einer Wegherberge rasteten, wären sie beinahe in eine Auseinandersetzung verwickelt worden: die auf die Triaden gemünzten Spottlieder einer vagierende Musikantin stießen bei einigen Gäste auf wenig Zustimmung. Aber Akira schaffte es mal wieder, die Situation zu entschärfen.

Nach einer Reise von etwa einer Woche erreichten die Helden ihr Etappenziel Baoshi. Die Stadt war etwa halb so groß wie Miari und lag an der Ausmündung des Jadebandes aus dem Maishi-See. Dies verlieh der Stadt wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Die Triaden hofften offenbar, mithilfe der hiesigen Streitkräfte und Befestigungen zu verhindern, dass General Wu in das östliche Jadeband vorstoßen konnte. Deshalb hatten sie die Befestigungen Baoshis verstärkt und die Stadt zu einem Flottenstützpunkt ausgebaut. Als Zeichen der Macht – und vermutlich als Beobachtungsposten – schwebte über Baoshi weithin sichtbar ein Fesselballon.
Die Stimmung in der Stadt war lebhaft aber angespannt. Offenbar hatte es in letzter Zeit im Hafen Sabotageanschläge gegen, was die Stadtherrin Liu Xu erzürnt hatte. Die Bevölkerung war wegen des Bürgerkrieges, den zahlreichen Flüchtlingen und der starken Söldnerpräsenz beunruhigt. Aufgrund der Nähe zu Kintai war im Straßenbild zahlreiche Kintari zu sehen. Ungewöhnlicher waren die vielen Kungaitani. Wie die Helden später erfuhren, half Kungaitan den Triaden, die berüchtigten Schildkrötenschiffe zu kopieren. Kungaitanische Söldner verstärkten die Truppen der Triaden und Ausbilder schulten Matrosen in der Handhabung der gepanzerten Schiffe und im Einsatz als Seesoldaten. Alleine in Baoshi hielten sich bis zu 300 Kungaitani auf. Unter ihrer Aufsicht waren mindestens drei Schildkrötenschiffe in Bau. Ein viertes war kürzlich durch Sabotage vernichtet worden.
Viele der Fremdländer traten recht herrisch und arrogant auf, was zur Verärgerung der Einheimischen beitrug. Dazu kamen gelegentliche Spannungen zwischen den in Baoshi befindlichen Kintari und den Kungaitani, standen sich beide Länder doch misstrauisch gegenüber. Auch Akira war angesichts der Präsenz Kungaitans alarmiert. Er hegte wie viele seiner Landsleute mehr als nur leichte Vorurteile. Dass Kungaitan sich als Unterstützer der Triaden im östlichen Zhoujiang zu etablieren schien, war beunruhigend – zumal die Handelsnation auch in dem östlich von Kintai liegenden Sadu mithilfe von Söldnern und Agenten aktiv war. Schwebte den Kungaitani eine Einkreisung des Kaiserreiches Kintai vor? Seine Gefährten trieben solche Fragen weniger um, auch wenn Ren und Luo aufgrund ihrer Loyalitäten im Bürgerkrieg von dieser ausländischen Unterstützung für die Triaden sicher nicht begeistert gewesen wären.
Die Kungaitani betrieben zudem Werbung für das politische System ihrer Händlerrepublik. Die Stadtherrin hatte dies freilich bald unterbunden.

Vorerst kümmerten sich die Helden erst einmal um ihr eigentliches Anliegen: Sie suchten Ji Xai und ihren Ehemann Yuchi auf, um ihnen Grüße von Ren zu übermitteln und um Hilfe für die Recherchen in Palitan zu bitten. Zu letzterem war der Historiker Yuchi gerne bereit. Seine Ehefrau bremste den Enthusiasmus und hatte ihrerseits eine Bitte an die Helden: Ihre Tochter Tian arbeitete als Sekretärin im Bauministerium und stand vor der nur alle drei Jahre stattfindenden Auswahlprüfung für eine der begehrten Stellen als Inspektorin. Natürlich halfen die meisten Kandidaten mit dem ein oder anderen „Geschenk“ nach. Aber das Abschneiden bei den Prüfungen spielte dennoch eine Rolle. Die Helden sollten Tian bei den Prüfungen helfen. Derartige Unterstützung zu suchen was durchaus üblich, da man sich als Beamter auch dabei zu bewähren hatte, Helfer zu rekrutieren (ein Vorrecht des Bauministeriums). Der jungen Beamtin war das Ganze peinlich, aber die Helden willigten gerne ein – auch wenn Akira angesichts der in Zhoujiang wuchernden Korruption einmal mehr Mühe hatte, seine Verachtung zu verbergen. Yuchi sah das offenbar ähnlich, Tians Mutter hingegen hatte eine pragmatische Einstellung.
Die Helden konnten sich in dem geräumigen und gut eingerichteten Familienanwesen einquartieren. Sie waren nicht die einzigen Gäste: offenbar hatten etliche entfernte Verwandte der familie vor den Wirren des Bürgerkrieges in Baoshi Schutz gesucht.

Von Tian erfuhren die Helden mehr über die anstehenden Prüfungen: Diese beinhalteten einen theoretischen und einen praktischen Teil, wobei bei letzterem Baumaßnahmen überwacht oder die Sicherheit eines Gebäude abgenommen werden würde. Zwar hatten die Helden keine Bauerfahrung, aber sie würden Tian bei ihren Vorbereitungen und im Umgang mit renitenten Bauleuten oder Hausbesitzern helfen können – und ein Auge auf die Intrigen möglicher Konkurrenten haben. Die Prüfungen würden unter der Aufsicht der Magistratin Yuwen Lai stattfinden, einer Beamtin, die unter der Triadenherrschaft Karriere gemacht hatte und die – wie bei den Beamtenprüfungen üblich – dem Ritus-Ministerium angehörte. 

In den Tagen bis zum Beginn der Prüfung machten sich die Helden mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut: Sie versuchten einen Überblick von den Baumaßnahmen in der Stadt zu gewinnen. So hofften sie abschätzen zu können, was für eine praktische Aufgabe Tian gestellt werden könnte. Allerdings erregte ihr Herumgefrage wenig Zuneigung bei den Bauleuten.
Auch ein Besuch der Bibliothek verlief nicht ohne Zwischenfall: sie begegneten dort Guo Nan, einer der Hauptkonkurrentinnen von Tian sowie Guo Nans Onkel Guo Dan. Da dieser einen höheren Posten bei der Stadtwache hatte, verfügte er wahrscheinlich über Möglichkeiten und Kontakte, um den Wettbewerb im Sinne seiner Nichte zu beeinflussen…
Angenehmer war die Begegnung mit Tians Freund Rong Lu, einem jungen, gutaussehenden Musikanten – auch wenn Tians Eltern wohl wenig begeistert von dem Umgang ihrer Tochter waren.
Dass die angehende Bau-Inspektorin eine Gerichtsverhandlung gegen eine Architektin besuchte, erwies sich als schlechte Entscheidung: die Angeklagte wurde wegen Pfusch beim Bau von Befestigungsanlagen verbannt, ihr Gehilfe umgehend hingerichtet. Dieses Schauspiel war nicht dazu angetan, Tians Zuversicht zu stärken. Akira gab sein Bestes, um ihr Mut zuzusprechen und mit ihr das Zeremoniell für den folgenden Tag durchzugehen.

Am nächsten Tag wurden die Prüfungen im Palastbereich von Baoshi eröffnet. Neben den Prüflingen auf die verschiedenen offenen Stellen und deren Helfern waren auch zahlreiche Familienangehörige anwesend. Wie in Zhoujiang üblich, waren ein Großteil derer, die sich für die höheren Ämter bewarben, Frauen der Ober- oder Mittelschicht. Die Eröffnungszeremonie fand in Anwesenheit der Stadtherrin statt. Besonders beeindruckend waren die Priesterin Tanglangs, der göttlichen Gottesanbeterin, unter deren Schutz alle überlieferten Riten standen und die die Prüfung mit einem Segen eröffneten. Ihre fremdartigen Masken und Bewegungen faszinierten Akira. Sein Gefährte Takur – der aus seiner Dschungelheimat sehr viel blutigere Riten kannte – ließ sich weniger aus der Ruhe bringen.
Der erhabene Eindruck der Zeremonie wurde im Nachhinein beeinträchtigt, als Guo Dan, der Onkel einer von Tians Konkurrentinnen, versuchte, die Helden mit unverhohlenen Drohungen einzuschüchtern. Tian war wegen ihrer guten Leistungen und vor allem wegen der Vernetzung ihrer Familie offenbar eine der Favoritinnen für den Inspektorinnenposten und Gao Dan wollte diesem Risiko für die Kariere seiner Nichte vorbeugen.
Hao und Tian wurden etwas nervös, aber an Akira und Takur prallten die Drohungen ab. Die Vorurteile des Schwertalben bezüglich der in Zhoujiang (und besonders im Einflussbereich der Triaden) wuchernden Korruption erhielten freilich neue Nahrung – und sollten in den nächsten Tagen noch wachsen.

Die erste Aufgabe Tians war es, in der Bibliothek Material für ihre theoretische Prüfung zu sichten. Auf Vorschlag Akiras begleitete Hao die junge Bausekretärin. Die vermeintliche Routineaufgabe erwies sich schwerer als gedacht: jemand hatte „zufällig“ Teile der Berichte und Vorschriftentexte verlegt, mit denen sich die Prüflinge vorbereiten sollten. Hao half bei der Suche nach den fehlenden Schriftrollen, obwohl ihre eigene Schriftbildung nur durchschnittlich war. Dementsprechend dauerte es deutlich länger als erwartet. Auf dem Rückweg zum Familienanwesen wurden die beiden zudem von ein paar Straßenkindern belästigt und mit faulem Obst beworfen. Hao schaffte es, durch ein paar bissige Bemerkungen die Kinder von Tian abzulenken und dann den meisten der fauligen Wurfgeschosse auszuweichen. Hao und Akira halfen Tian bei dem Sichten der Dokumente. Akira vermutete, dass weitere Sabotageversuche folgen könnten. Während er aus seiner Frustration keinen Hehl machte, nahm Hao das Ganze gelassener. Immerhin handelte es sich nur um lästige Nadelstiche.

Am dritten Tag der Prüfung war die Zeit für die erste praktische Übung gekommen: Tian sollte eine Gerbergasse kontrollieren (einschließlich der dazugehörigen öffentlichen Latrine), die Einhaltung der Bau-, Hygiene- und Brandschutzvorschriften überprüfen und arbeitsfähige Bewohner für einen Einsatz des Bauministeriums rekrutieren. Offenbar wurden angehende Bau-Inspektorinnen nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Prüfung sollte sowohl das korrekte Anwenden von Vorschriften als auch die Durchsetzungskraft testen, waren doch weder die Kontrollen noch die schlecht bezahlten staatlichen Arbeitseinsätze beliebt. Tian tat sich etwas schwer damit, bestimmend aufzutreten. Die Helden halfen bei dem Feststellen potentieller Mängel und beim Umgang mit renitenten Anwohnern. Sie machten sich dabei nicht beliebt, zumal Tian und ihre Helfer bei Regelverstößen nicht gegen eine „Aufwandsentschädigung“ durch die Finger sahen. Außerdem mussten sie erfahren, dass der Stadtgardeoffizier Guo Dan die Runde gemacht und die Stimmung gegen die Inspektion geschürt hatte. Langsam wurden seine Sabotageversuche lästig. Hao fand besonders bedenklich, dass Guo Dan so gut über die Aufgaben der Prüflinge informiert war. Besaß er Insiderinformationen aus der Prüfungsleitung?

Der nächste Tag beinhaltete den zweiten Teil der praktischen Übung: mithilfe der am Vortrag rekrutierten Arbeitskräfte sollte die Umfassungsmauer eines aufgegeben Tempels abgerissen werden. Sehr schnell stießen Tian und die Helden auf Schwierigkeiten. Etliche der am Vortag rekrutierten Helfer waren auf einmal „erkrankt“. Eine Untersuchung durch Hao enthüllte, dass die meisten nur simulierten. Leider konnte ausgerechnet der stärkste der Rekrutierten Hao austricksen, was die Leistung des kleinen Abbruchtrupps reduzierte. Beim Abholen der Werkzeuge und Wagen gab es das nächste Problem: einer der Fahrer hatte am Vorabend auf Einladung eines gewissen Stadtgardeoffiziers zu tief ins Glas geschaut und war kaum ansprechbar. Zum Glück sprang Hao als Wagenlenkerin ein, da sie gut mit Tieren umgehen konnte.

Der alte Tempel – eine frühere Kultstätte des kaum noch verehrten Drachenfisches – lag außerhalb der Stadt. Der halb überwucherte Weg zum Tempel wurde von dicken Spinnenweben eingerahmt, die einen etwas bedrohlichen Anblick boten. Die Anlage zeigte deutliche Anzeichen von Verfall. Ein gesigeltes Schreiben am Eingang des ummauerten Areals verkündete, dass der Tempel vom Ritenministerium kontrolliert und seine Umwallung für die Demontage freigegeben worden sei. Den Tempel selber sollte der Bautrupp in Ruhe lassen. Der neben dem Gebäude gelegene Friedhof wurde offenbar noch genutzt, vermutlich für Armenbegräbnisse, Hingerichtete und ähnlich Unerwünschte. Zur Beunruhigung aller hatte jemand – oder etwas? – einige Grabsteine umgestoßen oder zerkratzt. Die Leistung der Arbeiter wurde dadurch nicht gerade gesteigert und auch die Helden sahen sich immer wieder sichernd um. Akira half Tian bei der Koordination der Arbeiter, während Takur beim Abriss der Mauer mit Hand anlegte. Mit vereinten Kräften kamen die Arbeiten dann doch recht gut voran. Hao behielt derweil die Umgebung im Auge.

Es war Takur, dem der goldfarbige Vogel auffiel, der den Tempel von einem nahegelegenen Baum beobachtete. Hao identifizierte das Tier als einen Sonnenvogel. Den Legenden nach tauchten diese Tiere an Orten auf, an denen Unheil drohte, weshalb sie teilweise als Unglücksboten verschrien waren. Das war freilich ungerecht, weil sie das Unrecht nicht herbeiriefen, sondern im Gegenteil es meist zu verhindern suchten. Auf jeden Fall aber verhieß der Vogel eine nahe Gefahr…
Alle waren erleichtert, dass die Abbrucharbeiten an der alten Tempelmauer bereits am Nachmittag beendet werden konnten. Allerdings entschlossen sich die Helden, noch etwas vor Ort zu bleiben, um mehr über das anscheinend drohende Unheil zu erfahren und es vielleicht sogar zu verhindern. Hao musste freilich erst einmal mit dem Bautrupp nach Baoshi zurück, da sie ja einen der Wagen des Bautrupps übernommen hatte. Sie versprach, so bald wie möglich auf ihrem kürzlich erworbenen Zhu-Schreiter zurückzukehren. Tian wollte beim Ritenministerium über das Erscheinen des Sonnenvogels Bescheid geben. Ihren Kameraden war es nicht Recht, dass Hao den Weg zurück zum Tempel würde alleine zurücklegen müssen. Zum Glück gelangte der Bautrupp aber ohne Probleme nach Baoshi, und auch Haos Ritt zurück zum Tempel verlief ohne Probleme. Sie brachte die Rüstungen und Waffen mit, die die Helden in Baoshi zurückgelassen hatten.

Wieder vereint und besser ausgerüstet durchsuchten die Helden die Umgebung des Tempels und die Tempelruine. Sie fanden jedoch nichts Auffälliges. Die Helden beschlossen, am nächsten Morgen noch einmal eine gründlichere Suche vorzunehmen und schlugen ihr Nachtlager unter freiem Himmel auf. Allerdings kamen sie kaum zum Schlafen: der Sonnenvogel wurde nach Einbruch der Dunkelheit immer unruhiger. Und der Wind, der zwischen den Friedhofsteinen und durch das löchrige Dach des Tempels pfiff, erinnerte unangenehm an das Klagen verlorener Seelen. Endgültig war es um den Schlaf geschehen, als Akira und Takur auf dem Friedhof schattenhafte Bewegungen auszumachen meinten. Sie unternahmen allerdings erst einmal nichts, sondern warteten lieber bis zum Morgen.

Sobald es hell wurde, untersuchten die Helden noch einmal den Friedhof. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass bei einem der Mehrfachgräber – vermutlich für Hingerichtete oder im Gefängnis verstobene Strafgefangene – die Erde nicht wie eigentlich zu erwarten eingesunken war, sondern aufgeworfen wirkte. Hao kehrte noch einmal auf ihrem Zhu-Schreiter nach Baoshi zurück, um Werkzeuge für eine Untersuchung der Gräber zu organisieren. Dort erfuhr sie von Ji Tian, dass diese wie versprochen beim Ritenministerium Meldung gemacht hatte. Sie war jedoch abgebügelt worden: Das Erscheinen irgendeines mythischen Vogels sei kein Grund zur Sorge. Der Tempel sei erst kürzlich ordnungsgemäß untersucht worden. Es gäbe von Seiten der Behörden keinen Grund für Untersuchungen oder weitere Maßnahmen. Die Helden waren also auf sich alleine gestellt.
Mit den von Hao organisierten Werkzeugen machten sich Akira und Takur ans Graben. Der Sonnenvogel flog näher und wirkte mit jedem Spatenstich wachsamer, was auch die Helden alarmierte. Der zuerst nur schwache Verwesungsgeruch wurde von Minute zu Minute stärker. Akira versicherte sich, dass sein Schwert locker in der Scheide saß, während Takur seine Glefe neben seinem Arbeitsplatz in den Boden rammte. Bald legten die beiden die erste Leiche frei: den kopflosen Körper des vor wenigen Tagen hingerichteten Baugehilfen. Seltsamerweise war sein Leib bereits extrem stark verwest. Wenige Augenblicke später bemerkte Akira, dass sich der Erdboden wellenartig bewegte, als ob sich darin etwas regte. Er schrie eine Warnung und die Helden griffen zu ihren Waffen – gerade rechtzeitig, bevor vier stark verweste Untote aus dem Erdboden brachen. Der abscheuliche Anblick brachte Hao aus der Fassung und auch die beiden Krieger waren verunsichert und verpatzten ihre ersten Angriffe. Binnen Sekunden musste der ungerüstete Akira einen hässlichen Biss kassieren, während Takur von einem anderen Untoten gepackt wurde. Die verängstigte Hao zögerte, direkt in den Kampf einzugreifen und half ihren in Not geratenen Kameraden mit einem Segensspruch. Nur mit knapper Not entging Takur einer Verwundung, während Akira einen weiteren heftigen Treffer kassierte. Ebenso hilfreich wie Haos Segen war das Eingreifen des Sonnenvogels, der einen der Untoten mit einem magischen Angriff fällen konnte.
Dadurch bekamen die Helden etwas Luft: die nächsten Hiebe Akiras waren zielsicherer und Takur konnte sich befreien. Zusammen mit Haos Eingreifen in den Kampf wendete sich das Blatt und die Angreifer konnten einer nach dem anderen niedergestreckt werden. Hao kümmerte sich um die hässlichen Wunden ihres schwertalbischen Kameraden. Sie befürchtete eine Infektion, gegen die ihre Heilzauber nicht viel ausrichten würden. Nachdem die gefällten Untoten zur Sicherheit alle geköpft und wieder verscharrt worden waren, machte sich die etwas erschütterte Gruppe auf den Weg nach Baoshi. Der Sonnenvogel begleitete sie in einigem Abstand. Offenbar sah er seine Aufgabe als erfüllt an.

In Baoshi machten die Helden bei den Behörden Meldung. Akira sollte sich im Ji-Anwesen isolieren und ein örtlicher Arzt die Wunden begutachten. Bald bestätigte dieser Haos Befürchtung: Akira hatte sich mit Blutfluss infiziert, einer ebenso gefährlichen wie langwierigen Krankheit. Mit Unterstützung eines hinzugezogenen Amtsarztes, Haos und später der in Baoshi eingetroffenen Ren konnte Akira die Krankheit besiegen, die ihn freilich mehrere Wochen niederstrecken sollte.
Damit fiel er auch als Unterstützung für Tian aus, deren Prüfungen inzwischen weitergingen. Hao tat ihr Bestes, die junge Frau zu unterstützten und moralisch aufzubauen.

Noch bevor die Prüfungsergebnisse bekannt wurden, erhielt die Familie Ji Besuch durch die Magistratin und Prüfungsleiterin Yuwen Lai. Diese befand sich in einer etwas unangenehmen Situation: Ihr Ministerium hatte nicht nur die Meldung Tians bezüglich des Sonnenvogels und der drohenden Gefahr ignoriert, sondern zuvor auch den Tempel kontrolliert. Das Erscheinen der Untoten drohte die Beamtin in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Wenig überraschend hatte sie bereits eine Lösung für dieses Dilemma: Wenn die Helden die Situation in ihrem Sinne darstellen und ihren Bericht unterstützten, würden sie nicht nur eine Belohnung erhalten – ihre Kooperation und Tians Rolle dabei würden bei der Prüfungsbewertung „wohlwollend berücksichtigt“ werden. Yuwen Lai brauchte nicht auszuführen, was die Alternative für Tians Karrierehoffnungen wäre, falls die Helden sich als renitent erwiesen.
Wohl oder Übel – im Fall Akiras mit einem deutlichen Zähneknirschen – stimmten die Helden zu. Auch wenn ihnen diese Entscheidung eine Audienz bei der Stadtherrin, eine Belohnung und die Dankbarkeit der Ji-Familie einbrachten, hinterließ die Geschichte zumindest bei Akira einen bitteren Nachgeschmack. Seine gegenüber den anderen Helden unverhohlen geäußerte Verachtung für die Intrigen und Korruption in Zhoujiang verärgerten wiederum Ren. Auch wenn sie die Triaden ebenfalls verachtete, sah sie sich in ihrem Nationalstolz gekränkt und hielt Akiras Glaube an die moralische Überlegenheit Kintais und dessen schwertalbischer Oberschicht für ungerechtfertigt. Natürlich kümmerte sie sich trotzdem um ihren erkrankten Kameraden, aber es gab den einen oder anderen energischen Wortwechsel.

Hao interessierte sich vor allem auch dafür, WARUM die Untoten überhaupt aufgetaucht waren, doch erhielt sie darauf keine befriedigende Antwort. Magistratin Yuwen Lai merkte an, dass der Tempel schon vor einiger Zeit entweiht worden sei – ohne näher darauf einzugehen – und dies vielleicht böse Geister angezogen hätte. So blieb die Angelegenheit ein wenig rätselhaft…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #27 am: 20.04.2024 | 07:26 »
Botschaften und Nebenwege
Maishi-See, Jadeband und Tangtou (Ren und Luo)

Die Aufgabe, ein Postschiff auf der Fahrt über den Maishi-See zu begleiten und zugleich Post für die kaiserlichen Agenten im Grenzbereich von General Wus Einflusssphäre zu schmuggeln, entpuppte sich für Ren Ji und Luo Xi als gefährlicher als vermutet. Die „Schwalbe“ unter Kapitän Hu wurde südlich von Jangmian von einem Piratenschiff angegriffen. Obwohl Luo, Ren und ihre drei Söldnerkollegen erbitterten Widerstand leisteten, wurde das Schiff einzig durch das Eingreifen der „Strahlenden Morgenröte“ gerettet. Dabei handelte es sich um eines der wenigen schweren Schaufelradkriegsschiffe der Kranichprovinz unter dem Kommando von Kapitän Fong. Die arg gerupften Piraten entkamen mit knapper Not. Die beschädigte „Schwalbe“ musste zunächst die eigenen Schäden ausbessern, ehe sie an eine Weiterfahrt denken konnte. Obwohl verwundet, packten die beiden Abenteurer mit an: Luo bei den Reparaturen und Ren, indem sie zwei Schwerverwundete stabilisierte. Nach einem kurzen Verhör der Augenzeugen drehte die „Strahlende Morgenröte“ ab und nahm einige Verwundete mit nach Jangmian, während die „Schwalbe“ ihre Fahrt fortsetzte. Kapitän Hu hatte es nicht nur wegen der Verspätung eilig. Er fürchtete auch, die Piraten könnten zurückkehren. So segelte er auch in der Dunkelheit weiter, bis er Einmündung des Jadebandes in den Maishi-See erreichte. Der hier bereits recht breite Strom war am Süd- wie am Nordufer durch ein Fort gesichert, das von Soldaten Kintais respektive Zhoujiangs (Fraktion Wu) besetzt war. Leuchtfeuer auf beiden Flussufern wiesen jenen den Weg, die töricht genug waren nachts zu segeln.

Die „Schwalbe“ wurde von einem Wachboot der Truppen Wus kontrolliert. Das schmale, flachgehende Segel-/Ruderboot mit ca. 30 Ruderern und Soldaten verfügte über einzelne Flammenlanzen als Bewaffnung. Der kommandierende albische Offizier, Leutnant Lang, überprüfte die Ladung und die Passagiere, ohne dabei – wie in den Triadengebieten üblich - zusätzliche „Gebühren“ oder Gefälligkeiten zu verlangen. Offenbar gab es allerdings eine längere Liste zu besteuernder oder gesperrter Güter. Der Offizier stellte die junge Fähnrich Kin Di mit fünf Soldaten als Begleitschutz bis Tangtou ab, gegen die Widerworte von Kapitän Hu und wohl auch zum Missfallen der Fähnrich. Die beiden Abenteurer überstanden das Verhör ohne Aufsehen zu erregen und wurden mit dem einzigen noch kampffähigen Söldner in den Wachdienst eingebunden. Am nächsten Tag setzte das Schiff die Reise fort. Bei Tage war zu erkennen, dass das Wachfort Platz für mehrere hundert Soldaten bot und mehrere Wachboote sowie eine Kriegsdschunke beherbergte. Zudem verfügte die Festung über mehrere Steinschleudern und ein oder zwei Kanonen.
Luo plauderte mit den beiden Soldaten seiner Wachschicht und erfuhr, dass es sich um frisch rekrutierte Kräfte handelte. Sie beschrieben ihren Kommandeur als kompetent, Kin als etwas pedantisch, und beneideten die Kaperer auf dem Maishi-See um ihren weniger eintönigen und aufgrund von Beuteanteilen auch lukrativeren Dienst.

Die Fahrt das Jadeband hinauf ging aufgrund der Gegenströmung und nur mäßigem Wind nur langsam vonstatten. Der Verkehr auf dem Fluss war rege: Fischerboote, Handelsschiffe und einige Kriegsschiffe passierten die „Schwalbe“. Während Luo in seiner Freiwache mit den Soldaten plauderte, die allerdings von Fähnrich Kin zu ständiger Bereitschaft ermahnt wurden, befragte Kin Ren zu Neuigkeiten aus dem Osten. Ren blieb vage und vermied brisante Themen. Ihrerseits erfuhr sie von der Offizierin einiges zu den Piratenaktivitäten auf dem Jadeband.
Ursprünglich hatte man darauf gehofft, bis zum Abend Tangtou zu erreichen, doch das Schiff lief auf ein Hindernis. Glücklicherweise schlug die „Schwalbe“ nicht leck, lag aber erst einmal fest. Luo nahm es auf sich, tauchend das Hindernis zu erkunden. Offenkundig war hier ein Boot versenkt worden. Da es mit Steinen beladen war, handelte es sich eventuell um eine gezielte Sabotage oder eine improvisierte Sperre. Es gab einige Verletzte an Bord, die Ren mit gemischtem Erfolg behandelte.

Während man erfolglos versuchte, andere Schiffe auf die Notlage aufmerksam zu machen, entschied Fähnrich Kin, einen Läufer um Hilfe loszuschicken. Luos Angebot, diese Aufgabe zu übernehmen, ging nach hinten los, weil er ungewollt die Unteroffizierin beleidigte. So wurde an seiner Stelle ein Matrose gesandt und er zu einer Doppelwache verdonnert. Er schluckte die Kränkung herunter und versah klaglos seinen Dienst, während Ren die Zeit nutzte, sich etwas mit dem Kapitän anzufreunden.
Luo erhielt die Chance, die Scharte auszuwetzen, als er in der Nacht die Schemen näherschleichender Bewaffneter gewahrte. Er alarmierte Fähnrich Kin und die Wachen, doch als die Soldaten sich kampfbereit machten, traten die potentiellen Angreifer sofort den Rückzug an. Luo schoss ihnen hinterher und traf. Eine Nachsuche am nächsten Morgen erbrachte keine eindeutigen Spuren. Luo war aber wieder im Ansehen gestiegen. Gegen Mittag traf ein Patrouillenschiff unter Kapitän Koda ein, welches der Läufer alarmiert hatte. In einem gekonnten Manöver wurde die „Schwalbe“ aus ihrer Notlage befreit. So erreichte das Postschiff endlich (wenn auch mit deutlicher Verspätung) Tangtou. An eine schnelle Rückreise war wegen der Verwundeten und Schäden erst einmal nicht zu denken. Luo und Ren erhielten ihre Bezahlung und machten sich auf, ihre Botschaft zu überbringen.

Tangtou war mit fast 40.000 Einwohnern nach Inani die zweitgrößte Stadt der Provinz der Geflügelten Schlange, die das Herz des Machtbereiches von General Wu darstellte. Wegen der überall verwendeten blauen Dachziegel nannte man sie die „blaue Stadt“. Sie war einerseits ein Wirtschaftszentrum, da sich hier große Schleusenanlagen befanden, um die Wasserfälle des Jadebandes zu überwinden. Zudem war die Stadt als ein künstlerisches Zentrum bekannt. Die kaiserliche Ausstellung und die durch Kreativität und Magie geformten lebenden Bilder wurden weithin gerühmt.
Kontaktfrau der Abenteurer war Liao Duan, eine Albin mit silbernem Haar und mädchenhaften Auftreten. Die Dichterin mit guten Beziehungen zur örtlichen Oberschicht- und Künstlerszene war anfangs etwas misstrauisch, ließ sich aber vom Losungswort und Rens Beredtheit überzeugen und bot den Helden Quartier an. Man tauschte Informationen aus der Kranichprovinz und dem Maishi-See (Ren und Luo) respektive der Provinz der Geflügelten Schlange aus. Wiewohl Loyalistin, konnte Liao nicht umhin, einige Erfolge General Wus anzuerkennen. In der Provinz herrschte Ordnung und die Versorgung war geregelt. Freilich konnten sich „unproduktive Elemente“ schnell im (Zwangs-)Arbeitseinsatz finden, und die verbesserte Schulbildung diente auch der Indoktrination. Detaillierte militärische Informationen besaß die Albin nicht. Die Werften Tangtous waren gut bewacht und so mancher Möchtegern-Spion oder Saboteur hatte angeblich ein schlimmes Ende gefunden. Die Gerüchte über die künftigen Pläne Wus waren widersprüchlich. Diplomatisch hatte Wu keinen Erfolg gegenüber Esmodas gehabt, auch Kintai blieb zurückhaltend – und die Jogdaren waren sein eingefleischter Feind. Zweifellos wurde viel Geld in den Ausbau der Flotte wie der Terrakottakrieger gesteckt, nur was Wu genau damit plante blieb offen. Manche meinten, er wolle gestützt auf moderne Waffen erneut gegen die Jogdaren losschlagen. Angeblich suchte er weiter nach ausländischer Hilfe, unter anderem angeblich in Jagodien, Dalmarien und dem Shahirat Shahandir. Andere mutmaßten, er wolle Druck auf die Fangschreckenprovinz ausüben, um die Grenze zu den Jogdaren zu sichern. Und manche vermuteten, er wolle gen Osten entlang des Jadebandes expandieren. Zwar war er auf dieser Achse bei einem früheren Vorstoß in der Schlacht am Blauen Felsen zurückgeschlagen worden, doch mit einer stärkeren Flotte mochte es diesmal anders laufen. Dafür sprach auch, dass die Oberschicht und das Militär keine hohe Meinung von den Triaden hatten. Behindert wurde Wus Aufrüstung allerdings durch ein Ausfuhrverbot von Feuerwaffen aus Kintai.

Die beiden Kuriere lebten im Haus der Künstlerin, und diese ging mehrfach mit Ren aus, um ihr die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Die beiden Frauen freundeten sich ein wenig an. Luo trieb sich eher im Hafen und den einfacheren Vierteln herum. Mit Hilfe Liaos fand Luo eine günstige Transportmöglichkeit gen Osten.
Doch ehe sie diese Möglichkeit ergriffen, gab es beunruhigende Nachrichten:
Ein Agent der Kaiserlichen, ein Schreiber namens Rong Kao war verhaftet worden, als er unter falscher Identität im Umland unterwegs gewesen war. Unter Folter und Magie würde er sicherlich bald zu Reden anfangen. Deshalb galt es, seine Wohnung nach brisantem Material zu durchsuchen, dieses zu sichern oder, falls die Wohnung bereits unter Beobachtung stand, den Unterschlupf zu zerstören.

Liao Duan kannte Rong Kao nicht persönlich und wusste nur die ungefähre Adresse von Rongs Wohnung. Mit ihrer Unterstützung gelang es Luo aber, das Ziel auszumachen. Der Schreiber-Spion lebte nahe dem Hafen. Hier waren die Gassen kaum breit genug für einen Karren, die Häuserblocks vier Stockwerke oder höher und meist um einen Innenhof gebaut. Es wimmelte von kleinen Garküchen und Arbeiterquartieren.
Die Abenteurer verkleideten sich und observierten zunächst den Block, für den Fall, dass er bereit von Wus Geheimpolizei überwacht wurde. Es fand sich jedoch kein Anzeichen dafür. Natürlich mochte sich das schnell ändern und so schritten sie zur Tat. Luo übernahm den Einbruch. Angesichts des schlechten Wetters entschied er sich gegen einen Einstieg über das Dach, sondern schwindelte sich in das Gebäude hinein. Es kostete ihn einige Mühe (und beschädigte seine Dietriche), das Schloss an der Wohnungstür zu knacken. Die Zweiraum-Wohnung war nur kärglich eingerichtet und enthielt auf den ersten Blick nur Kleidung, Schreibutensilien, etwas Geld und ein paar Schriftrollen, darunter einige erotische Gedichte und Zeichnungen. Bei genauerer Nachsuche entdeckte Luo ein Geheimfach unter einer Diele. Bei der vorsichtigen Untersuchung stellte sich heraus, dass es mit einem Alarmdraht gesichert war. Luo entschärfte die installierte Brandkugel und barg den Inhalt: einige Lunare, ein Pass für einen Kao Feng (vermutlich ein Deckname) mit echt wirkendem Siegel, einige verschlüsselte Dokumente sowie die Signalements einiger Beamter und Offiziere. Luo nahm das Gefundene mit sich und entwich unbemerkt aus dem Gebäude.

Seine Funde übergaben die Abenteurer Liao Duan. Luo wollte sich nicht am Unglück eines Mitstreiters bereichern, so dass er nur die Brandkugel behielt. Kurz darauf traten Ren und Luo die Reise nach Osten an. Ein Schiff würde sie nach Baoshi bringen. Die beiden waren froh, Wus Einsatzgebiet unbehelligt verlassen zu können.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #28 am: 5.05.2024 | 09:38 »
Begegnung am Wegesrand
Zhoujiang, Kranichprovinz (Hao, Luo, Ren)

Akiras Krankheit hielt die Abenteurer für mehrere Wochen in Baoshi fest. Der junge Schwertalb litt nicht nur unter der Krankheit selber, der Blutfluss war auch eine recht würdelos Krankheit. Zumindest verlief seine Heilung gut, sodass er bald in keiner unmittelbaren Gefahr mehr war.
Hao besichtigte die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Als sie sich zu langweilen begann, entschloss sich die Affenpriesterin, mehr Zeit beim Training ihres Zhu-Schreiter zu verbringen. Sie sammelte Heilkräuter und half bei der Betreuung von Flüchtlingen. Ren unterhielt sich mit Yuchi, an dessen Forschungen zum Krieg der Zwillingskaiserinnen sie auch aus persönlichen Gründen Interesse hatte, führte ihr Cousin Luo doch eine Klinge, die damals gefertigt worden war. Luo selber schaute wohlweißlich nicht vorbei, da er sich bei seinem letzten Aufenthalt in Baoshi nicht im Einvernehmen von der hiesigen Ji-Familie verabschiedet hatte. Er stellte ähnlich wie zuvor Akira Nachforschungen zu den Kungaitanis in Baoshi an, um mehr über diese neuen Verbündeten der Triaden zu erfahren. Es war offenkundig, dass es sich nicht nur um Söldner handelte, sondern vielmehr um eine Art halbverdeckte Militärhilfe. Die Anwesenheit so vieler Auswärtiger (Söldner wie Flüchtlinge) stellte eine große Belastung für die Stadt dar. Die Preise waren auch aufgrund der Kriegsvorbereitungen deutlich gestiegen. Dinge wie Eisen und Textilien ließen sich kaum noch beschaffen. Zudem wurden die Quartiere knapp, und die Einwohner beklagten eine gestiegene Kriminalität. Die von staatlicher Seite sporadisch angeordneten Arbeitseinsätze der Bevölkerung, die neben öffentlichen Aufgaben auch für die Instandsetzung der Befestigungsanlagen herangezogen wurden, waren ebenfalls unbeliebt. Die Kungaitani traten arrogant auf und gerieten gelegentlich mit Besuchern aus dem nahen Kintai aneinander. Dazu kam die unterschwellige Angst vor Saboteuren und Spionen, ob diese nun aus Kintai oder von einer der feindlichen Bürgerkriegsfraktionen stammen mochten.

Im Laufe der nächsten Tage bekamen die Abenteurer das Gefühl, dass sie die Gastfreundschaft der örtlichen Ji-Familie langsam überstrapazierten. Sie waren länger geblieben als geplant, konnten sich aber auch nicht einfach andere Quartiere suchen. Zum einen, weil das in der überfüllten Stadt schwierig war, zum anderen wäre ein Auszug unhöflich gewesen. So nahmen Hao, Ren (und Luo, auch wenn der nicht bei den Jis wohnte) gerne das Angebot an, die inzwischen zur Inspektorin beförderte Ji Tian auf ihrer ersten Mission zu begleiten. Takur wollte Akira Gesellschaft leisten und rechnete auch nicht damit, dass auf der Reise seiner Kameraden irgendetwas Aufregendes passieren würde. Tian sollte ein halbes Dutzend Wagen und ein halbes hundert Arbeitskräfte – teils Flüchtlinge, teils Strafgefangene – zum „Turm des Silbernen Falken“ eskortieren. Diese Festung lag nordwestlich von Baoshi und bewachte die Einmündung des Lianxuhe in das Weihei-Schilfmeer. Da die Helden ohnehin nicht gen Palitan aufbrechen konnten, ehe Akira marschfähig war, würde der Abstecher keinen Zeitverlust bedeuten. Die Helden konnten sich bei den Gastgebern erkenntlich zeigen und ein wenig Geld verdienen. Die Reise würde etwa eine Woche dauern.

Während Hao mit mäßigem Erfolg versuchte, in ihrer Rolle als Priesterin die Teilnehmenden der Expedition zu ermutigen, half Luo bei der Organisation der Karawane. Weder die in Fesseln marschierenden Sträflinge, noch die rekrutierten Flüchtlinge wirkten enthusiastisch. Da nur ein halbes Dutzend Wachen zum Schutz der Kolonne abkommandiert worden war, kam die Verstärkung durch die Helden gerade Recht. Ren sorgte angelegentlich für einen dramatischen Auftritt ihres „Höllenhundes“, um fluchtwillige oder renitente Strafgefangene zu entmutigen. Hao führte die Karawane kompetent, und da das Wetter gut war, kam man gut voran. Reisende Bauern ließen sich gelegentlich frische Nahrungsmittel abhandeln, um die karge Reisekost aufzubessern. Luo und Ren halfen beim Wachestehen, und die Reisegesellschaft erreichte ihr Ziel planmäßig und ohne Zwischenfälle.
Der Turm des Silbernen Falken hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Die Festung war unterbemannt, die namensgebende weiße Bemalung der Mauern blätterte ab. Mit einem massiven Bergfried, Maueranlagen und Vorwerken (die freilich in einem schlechten Zustand waren) war die Anlage theoretisch recht wehrhaft, aber die zusätzlichen Arbeitskräfte wurden offenkundig dringend gebraucht. Luo, der sich ein wenig umsah, hatte den Eindruck, dass es auch mit der Moral der Besatzung nicht zum Besten stand. Es handelte sich nicht gerade um Elitetruppen. Tian verabschiedete sich freundlich von den Abenteurern und wünschte ihnen alles Gute. Angesichts des Zustandes der Verteidigungsanlagen würde sie eine Weile zu tun haben, und bei ihrer Rückkehr nach Baoshi würden die Abenteurer wahrscheinlich bereits abgereist sein. Dann machten sich die drei Abenteurer mit ein paar Lunaren Lohn auf den Weg zurück nach Baoshi.
Wie schon auf dem Hinweg erwies sich die Landstraße als relativ spärlich frequentiert. Selten waren Soldaten zu sehen, häufiger Bauern auf dem Weg zum Markt oder reisende Händler. Die auf der Kaiserstraße allgegenwärtige Korruption im Umgang mit Reisedokumenten, Zöllen und Kontrollen war hier nicht so dominant. Da die Abenteurer gute Pässe hatten und mit leichtem Gepäck reisten, kamen sie gut voran.

Eine ungewöhnliche Begegnung auf halber Stecke nach Baoshi stellte ein wandernder Priester Unggoys dar, der sich – erkenntlich an der braun-weißen Kleidung seiner Kirche – im Schatten eines Baumes niedergelassen hatte und eine Schar Affen fütterte. Xiao Houzi („Kleiner Affe“) war ein wahrer Hüne von Mann, mit langem, braun-blond gesträhntem Haar. Er plauderte ein wenig über seine Erlebnisse, zeigte aber vor allem großes Interesse an den Erlebnissen der Helden. Er lud die Abenteurer zu einem Rätselspiel ein, wobei er jeden Erfolg mit einer alten Silbermünze belohnte:

Was brennt ohne Feuer, Hitze und Nahrung?
Was beißt ohne Zähne, sticht ohne Nadel und Klinge,
und kann doch ewigen Schlaf schenken?
Die Antwort war „Frost“ oder „Kälte“

Dieser körperlose Geist antwortet in allen Sprachen der Welt.
Er lernt nie eine davon, er spricht sie ebenso gut wie ihr, doch nur zögernd antwortet er auf alles, was ihr sagt.
Die Antwort war „Echo“

Die Zeit zieht daran achtlos vorbei,
Holz bricht an ihm splitternd entzwei,
selbst Stahl vermag ihn kaum zu verwunden,
hab ihn gestern erst am Wegesrand gefunden.
Die Antwort war „Stein“

Was lässt dich die Welt erkunden, ohne einen Schritt zu tun?
Wo findest du Wälder ohne Bäume, Städte ohne Häuser, Straßen ohne Wagen?
Die Antwort war „Landkarte“.

Die Abenteurer schlugen sich gut, besonders Hao, die zwei der vier Rätsel beantwortete, während Luo und Ren je eines der Rätsel lösten. Auch bei einer Partie Weiqui zeigte sich, dass Xiao Houzi seine Kontrahentinnen Ren und Hao unterschätzt hatte. Allerdings war er mit dem Stab deutlich überlegen, wie ein kurzer Probekampf mit Hao bewies. Er warnte die Abenteurer auf der Straße wachsam zu bleiben und gab ihnen noch den ominösen Ratschlag „Wenn die Sonne sich aus dem Bett erhebt, grabt im Herzen der Stube“.
Während Hao trotz ihrer Niederlage im Stockkampf das Treffen mit einem Glaubensbruder zu schätzen wusste, war Luo misstrauisch. Er fragte sich, ob der wehrhafte Priester vielleicht Kontakte mit solchen fragwürdigen Elementen der Unggoy-Kirche wie dem lachenden Dutzend hatte. Und Ren war ob der alten Münzen des Priesters ein wenig verwundert.

Die Begegnung hatte die drei Abenteurer aufgehalten, und so setzten sie ihre Reise mit größerer Eile fort, um vor Nacheinbruch ein festes Quartier zu finden. Infolge der unsicheren Zeit waren so manche Weggaststätte und manches Dorf verlassen worden. Die Dunkelheit brach schnell herein. Immerhin ging es jetzt im späten Katzenmond, im Gnomenkalender Fruchtmond, deutlich auf den Herbst zu. Der aufkommende Nebel machte die Sache nicht besser.
Als in dieser Situation in der Ferne ein langgezogenes Heulen zu vernehmen war, fuhr allen der Schreck in die Glieder. Hao und Ren konnten sich zusammenreißen, Luo aber war ernsthaft verunsichert. Während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor, bat Hao ihren magischen Eichhörnchenbegleiter Hozhou um Schutz. Die Helden setzten ihren fort. Sie waren aber noch nicht weit gekommen, als sie am Wegesrand etwas liegen sahen und ein schmerzerfülltes Stöhnen hörten. Zögernd wagten sie sich näher.
Auch wenn von ihrem Fund keine Gefahr ausging, der Anblick war beunruhigend: ein leichtes Reitpferd war zu Boden gegangen und hatte seinen Reiter, einen jungen Gnom, eingeklemmt. Er trug Kleidungsstücke, die auf eine Zugehörigkeit zur kaiserlichen Post hinwiesen. Sowohl der Gnom, der sich als Gu vorstellte, als auch das tote Pferd wiesen Pfeilwunden auf. Gus Bein war zudem beim Sturz lädiert worden. Hao erschien seine Behauptung, er sei von Banditen angegriffen worden, glaubhaft. Luo und Ren hatten gewisse Vorbehalte. Es erschien ihnen ungewöhnlich, dass Banditen einen Botenreiter angriffen, da die potentielle Strafe die Beute weit überstieg. Natürlich halfen sie Gu dennoch. Den Weg konnte man nur langsam fortsetzen, da der Verwundete sich nur mühsam auf den Zhu-Schreiter Haos setzen ließ. Der Vogel schien außergewöhnlich nervös – freilich waren die Tiere für ihr heikles Naturell bekannt.

Der mit der Dunkelheit aufgezogene Nebel nahm immer mehr zu. In dieser Situation wies der Verwundete auf ein Licht abseits des Weges. Die Abenteurer waren nicht sicher, ob sie dort Zuflucht finden würden. Bei diesem Wetter kamen ihnen all die unheimlichen Geschichten über verfluchte, von Geistern oder Schlimmeren bewohnte Weggaststätten in den Sinn. Aber mit einem Verwundeten und einer unbekannten Zahl von Feinden irgendwo im Dunkeln, sahen sie kaum Alternativen. Nur sehr zögernd öffnete sich die Tür, und ein hünenhafter Mensch ließ die Schutzsuchenden ein. Im Innern des zweistöckigen Hauses fanden sie eine einfache aber saubere Gaststube. Die zwergische Wirtin Xing hatte offenbar nur wenige Gäste oder Gesinde. Abgesehen von dem Hünen an der Tür war da nur ein hochgewachsener Varg mit einer Keule und eine zierliche Gnomin namens Chen Li, die neugierig mit den Neuankömmlingen plauderte. Die Abenteurer beschlossen, sich erst einmal auszuruhen. Besonders für Luo war die Ruhepause eine Erleichterung, denn so konnte er sich von dem Schrecken durch das geisterhafte Heulen erholen. Dennoch blieben er und Ren misstrauisch. Sie argwöhnten, dass etwas nicht stimmte. Es gelang Ren zudem nicht, die Beinwunde des Boten angemessen zu verarzten.

Die Ruhe sollte nicht lange währen. Schon bald war erneut Heulen zu hören, und dazu sich nähernde Stimmen. Die Abenteurer erwogen sich abzusetzen, aber dazu war es zu spät. Sie waren sich inzwischen sicher, dass die Verfolger kaum normale Banditen sein konnten. Tatsächlich gab der Bote jetzt zu, dass er von „Verrätern an der Krone“ verfolgt wurde. Es war aber nicht herauszufinden, zu welcher Bürgerkriegsfraktion er oder seine Feinde gehörten. Gleich darauf hämmerte es an die Tür.
Als Ren versuchte, die Identität der Verfolger Gus herauszufinden, wiesen sie sich als Männer der Silberschwerter aus. Das war entweder eine schlechte Lüge oder etwas wesentlich Schlimmeres – denn diese Einheit war vor mindestens drei Jahrhunderten aufgelöst worden. In den Abenteurern keimte der Verdacht auf, möglicherweise in eine Geistergeschichte geraten zu sein, in der der Bote, seine Verfolger und vielleicht auch die Insassen des Gasthauses ewige Protagonisten waren. Doch änderte dies nichts an der akuten Bedrohung, denn die Verfolger ließen sich nicht lange hinhalten. Sie versuchten die Tür aufzubrechen. Die Helden bereiten sich vor, in den ersten Stock zurückzuweichen, denn dort würden die Angreifer nur paarweise über die Treppe angreifen können.

Die Abenteurer rekapitulierten gedanklich, was sie über Geister wussten – was gerade bei Hao recht viel war, leider aber auch eine Menge widersprüchliche Dinge.
Geister waren in Zhoujiang allgegenwärtig. Manche klammerten sich an ihr früheres Leben und interagierten teils segensreich (etwa als Lehrer, Beamte und Handwerker), teils schadenbringend mit den Sterblichen. Andere steckten in endlosen Wiederholungen fest, die sie immer wieder durchlebten. Manche knüpften mit Sterblichen zarte Bande an, andere gierten nach dem Leben und dem Glück der Lebenden, oder stahlen ihre Körper.
Ebenso vielfältig waren die Dinge, die mit denen man Geister fernhalten konnte. Sie verabscheuten den Hahnenschrei als Zeichen des Morgens, und viele mieden Weiß (die klassische Begräbnisfarbe) – wenngleich andere davon angezogen wurden. Nicht ganz so logisch war ihre Angst vor Hundeblut, weshalb manchmal Hunde bluten oder gar sterben mussten, um Neugeborene und Türschwellen zu segnen. Zudem fürchteten Geister „wurzelloses Wasser“, wie etwa Regentropfen. Manche sagten auch, dass Bohnen sie zumindest verlangsamten. Pfirsichholz und Weidenzweige galten ebenfalls als wirksam, wie auch Spiegel, Gongs und besonders Feuerwerk. Die Barbaren im fernen Westen glaubten, dass Salz und kaltes Eisen sie abhielten. Leider waren die meisten potentiellen Gegenmittel nicht verfügbar. Die Abenteurer wagten es, sich schnell noch einmal umzuschauen – doch die Säcke in der Küche, die Bohnen enthalten sollten, waren leer. Regenwasser und Hahnenschrei ließen sich nicht magisch simulieren und die gesuchten Hölzer oder ein Spiegel waren ebenfalls nicht zu finden. So bewaffneten sich die Helden mit Töpfen und begannen Lärm zu schlagen. Das zeigte etwas Wirkung – die Versuche, die Tür aufzubrechen, stoppten für einen Moment. Freilich reagierten auch die Leidensgefährten im Gasthaus mit Abscheu. Es schien so, als ob es sich auch bei ihnen um Geister handelte…

Luo spähte aus einem der Fenster im ersten Stock. Im Schein der Fackeln der Verfolger sah er, dass es sich bei den Belagerern um etwa ein Dutzend Bewaffneter handelte. Dazu kamen einige Hunde, die von zwei Tierbändigern nur mühsam an der Leine gehalten wurden. Ein jung aussehender Alb in einem soliden Schuppenpanzer befehligte die Truppe. Die Schattenkling sandte einen Pfeil auf einen der Hundeführer, in der Hoffnung, dass die Tiere sich losreißen und Chaos anrichten würden. Doch trotz eines Treffers hielt der Mann die Leine fest. Luo tauchte vor einigen Pfeilen ab.
Auf Haos Vorschlag forderte Luo den Hauptmann zum Zweikampf um die Herausgabe des Boten heraus. Er präsentierte dabei seine Klinge (von der er wusste, dass sie sich aus der Zeit der Zwillingskaiserinnen stammte). Tatsächlich rief das eine heftige Reaktion hervor: wie sich herausstellte, trug der Hauptmann eine ähnliche Waffe und beschimpfte Luo wütend als Verräter.
Der Alb ging auf die Forderung ein, und Luo trat hinaus ins das Rund der Soldaten. Bald trafen die Klingen aufeinander, und für einen Moment sah es so aus, als würde Luo sich durchsetzen. Doch als der Hauptmann schwer verletzt zurücktaumelte, befahl der Alb seinen Untergebenen nicht etwa den Rückzug, sondern den Angriff. Nur dank seiner schnellen Reflexe konnte Luo sich in das Gasthaus retten. Mühsam wurde die Tür verbarrikadiert, doch bald schon brach sie entzwei…

Vor den in die Gaststube hereindrängenden Angreifern wichen die Abenteurer auf die Treppe zurück. Die anderen Insassen des Gasthauses waren keine Hilfe. Die junge Gnomin und das Wirtspaar hatten sich verkrochen. Gu und der Varg hielten Abstand, da Ren wieder begonnen hatte, auf ihrem improvisierten „Gong“ zu hämmern, was sie während des folgenden Gefechts auch durchhielt, und damit die Angreifer zumindest etwas ablenkte. Luo und Rens „Höllenhund“ verteidigten ihre vorteilhafte Stellung auf der Treppe mit Geschick und einer ordentlichen Portion Glück – unterstützt von der Magie von Haos magischem Eichhörnchen. Wohl kassierte Luo einen ordentlichen Treffer, doch schließlich zogen sich die Soldaten zurück, nachdem mehrere schwer verwundet und einer von dem Feuerhund getötet worden war.
Für eine Weile herrschte Ruhe. Als Luo erneut vorsichtig durch ein Fenster spähte, sah er, wie der verwundete Kommandant seine Leute für einen neuen Angriff instruierte. Mit einem zielsicheren Pfeil streckte er den Offizier nieder. Dies war keine ehrenhafte Handlung, aber nach dem Wortbruch während des Duells hatte Luo keine Hemmungen. Der heimtückische Schlag verzögerte den nächsten Angriff, doch die Soldaten knobelten eine neue Strategie aus. Es war Ren, die bemerkte, dass die Angreifer nun Feuer legen wollten. In fliegender Hast eilten die Abenteurer ins Erdgeschoss, wo sie Eimer mit Wasser und dünnen Bier füllten. Dann war es an Luo, das Nass aus einer Dachluke zu schütten, als geschleuderte Fackeln das Dach in Brand zu setzen drohten. Beständig mit neuer „Munition“ versorgt und trotz eines heftigen Pfeiltreffers gelang es ihm, die Brandherde zu löschen.
Die Abenteurer waren erschöpft, aber immer noch ungeschlagen, und den Soldaten fehlte offenbar die Entschlossenheit, einen neuerlichen Ansturm zu unternehmen. Und so sah Luo, wie sie eine in einen Mantel gehüllte Gestalt auf eines ihrer Pferde banden – vermutlich den gefallenen Anführer – und abzogen, als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zu sehen waren.
Und während die Abenteurer inbrünstig den Göttern dankten, wurde das Licht immer heller und heller, drang in strahlender Pracht durch die Fenster und bald auch durch die Wände, blendete die Helden und nahm ihnen für einen Moment die Sinne…

Die drei kamen in der Ruine eines Weggasthauses zu sich, das vor allermindestens 100 Jahren verlassen worden war. Der Grundriss war freilich nur zu vertraut. Dem Ratschlag des Mönches eingedenk, suchten sie in der ehemaligen Feuerstelle im Herzen der Gaststube und fanden eine kleine Schatulle. Hao sprach ein Gebet für die Geister der Toten, auch wenn eine gründliche Nachsuche keine sterblichen Überreste zu Tage förderte. Dann machten sie sich auf den Weg nach Baoshi, das sie ohne weitere Zwischenfälle erreichten.
Dort öffneten die Helden das Kästchen, das billigen Schmuck und alte Silbermünzen enthielt, die aus der Li-Dynastie stammten (die jüngsten aus den frühen Jahren der Zwillingskaiserinnen Li Sao und Li Sui). Reichtümer hatten sie also nicht gewonnen, wohl aber wertvolle Erfahrungen. Die drei teilten die Beute gerechnet, wobei Ren ihren Anteil an Yuchi verschenkte, der dankbar für diese antiken Stücke war. Die Abenteurer bemerkten, dass die Münzen dieselben Prägungen hatten wie jene, die der wandernde Mönch ihnen geschenkt hatte (nur waren seine wesentlich abgewetzter gewesen). Sie fragten sich, ob er auch ein Geist gewesen war.

Hao erstatte den örtlichen Vertretern des Ministeriums der Riten Meldung. Deren Begeisterung hielt sich in Grenzen, schienen die Abenteurer doch Schwierigkeiten geradezu anzuziehen. Man räumte aber ein, dass in der Vergangenheit mehrmals Reisende in der Gegend verschwunden waren – was natürlich auch Folge von Banditenangriffen gewesen sein mochte...
Das hinzugezogene Geisterministerium in Gestalt eines Inspektors Hung bestätigte dies. Laut einigen alten Geschichten war während des Krieges der Zwillingskaiser in einem Gasthaus ein Bote von den Wirtsleuten ermordet oder seinen Häschern übergeben worden, in der vergeblichen Hoffnung, diese gnädig zu stimmen. Die Geisterscheinungen waren angeblich besonders bei dichtem Nebel oder wie jetzt im Spätsommer/Herbst aufgetreten. Hung glaubte, dass der Bote die Schlüsselfigur war. Vielleicht mochte ja der Umstand, dass diesmal die Geschichte anders ausgegangen war, den Geistern Ruhe gebracht haben. In jedem Fall würde das Ministerium das Gasthaus und Umgebung noch einmal prüfen.

Da Akira inzwischen ausgeheilt war, konnte man nun an den Aufbruch denken. Die Abenteurer verabschiedeten sich von ihren Gastgebern, die ihnen zu einem Platz auf einem Flussschiff verhalfen. Flussabwärts und gestützt durch ein Segel ging die Fahrt zügig voran. Abends wurde stets geankert, wobei zu erfahren war, dass man plante, in regelmäßigen Abständen Schiffsstationen anzulegen, um die Transportroute nach Silangan auszubauen - und um die Händler davon abzuhalten, auf der anderen Flussseite ihr Geld in Kintai auszugeben.
Am dritten Tag erreichte man die Flussfeste Alter Mandarin, die den Übergang zum kintaiischen Atasato bewachte. Dies war eine gute Gelegenheit sich nach Gerüchten umzutun. Angriffe auf Triadenangehörige und Beamte gab es offenbar auch in der Spinnenprovinz, teils die harmloseren weil eher demütigend statt tödlichen des „Lachenden Dutzend“ (die in der einfachen Bevölkerung durchaus Bewunderer fanden), teils die extrem gewalttätigen und blutigen der unbekannten Magierkrieger in ihren bunten Schuppenpanzern.
Zur Nervosität trug auch die Unsicherheit über das weitere Verhalten Kintais bei. Es war ein offenes Geheimnis, dass mancher Daimyo Ambitionen nördlich des Jadebandes hegte.
Auch die zunehmende Stärke der 13 Blätter, einer besonders auch im Piratenwesen und Schmuggel tätigen Triade, die mehrheitlich aus Exilanten aus dem Kranichreich bestand, war beunruhigend. Manche hielten sie für eine verdeckte fünfte Kolonne Kintais, andere fürchteten, ihre Missachtung, ja teilweiseoffene  Feindschaft gegenüber ihrer alten Heimat könnte einen Konflikt heraufbeschwören.
Der Bürgerkrieg in Zhoujiang selber war für die meisten Menschen hier weit weg. Wie Hao und Luo erfuhren, war die Haltung der Bevölkerung zu denTriaden-Machthabern gemischt. Mancher litt unter der allgegenwärtigen Korruption. Insbesondere die Praxis, das Eintreiben der Steuern gegen eine Festsumme an Steuerpächter zu vergeben, führte unweigerlich zu Missbrauch. Generell waren die Preise und Abgaben gestiegen. Natürlich gab es auch Gewinner, namentlich unter den Händlern, die den schwindenden Einfluss des Adels und die…entgegenkommendere…Art der Beamten begrüßten. Handelshindernisse und Standesbeschränkungen waren zurückgefahren worden, was einige Traditionalisten verärgerte. Interessanterweise waren die Beziehungen zu Atasato (wo ebenfalls Händlerorganisationen einen Großteil der Tagesgeschäfte regelten) und zu Kungaitan deutlich besser als früher. Die freien Künste hatten an Ansehen gewonnen, auch wenn sie teilweise neue Gönnerinnen und Gönner suchen mussten. Zudem hatten die auf den Künstlern liegenden Reglementierungen stark nachgelassen. Die Triadenherrschaft hatte also sowohl Vor- als auch Nachteile.
Wenige Tage später kam das Delta der Rauschenden Seide in Sicht. Am Zusammenfluss dieses Stroms mit dem Jadeband erhob sich die Inselstadt Palitan, die zweitgrößte Metropole in ganz Lorakis.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #29 am: 26.05.2024 | 03:00 »
Die Suche beginnt
Palitan, Spinnenprovinz (Akira, Takur, Ren, Luo)

Die fünf Abenteurer waren von der Großstadt Palitan und ihrem pulsierenden Straßenleben beeindruckt. Luo war der einzige, der sich bisher längere Zeit in der Stadt aufgehalten hatte. Während Akira sich im Viertel der Schwertalben einquartierte, fanden die anderen ein Gasthaus in der Altstadt, östlich des Kaiserlichen Archivviertels. Ihr zeitweiliges Domizil, der „Grüne Palast“ war recht komfortabel. Hier kamen Offiziere, Kapitäne, Künstler, Gelehrte und Kunsthandwerker unter. Das Gebäude wies das doppelte Ziegeldach vieler zhoujiangischer Gebäude auf. Die große Speisehalle war drei Etagen hoch, während die Zimmer um die Halle gruppiert waren. Das Gasthaus wurde von einer dunkelhäutigen Albin namens Altani betrieben, und die Küche bot sowohl einheimische als auch ausländische Gerichte. Seinen Namen verdankte das Gebäude seiner Farbgebung und der reichlichen Begrünung mit zum Teil exotischen Pflanzen. Luo und Ren witzelten, wie lange sie hier würden wohnen können, da sie schon öfter bei ihrem Aufenthalt in verschiedenen Städten in Schwierigkeiten geraten waren. Luo besuchte seine Großmutter Xi Fei, die die Küche eines Speisehauses in der Nudelgasse leitete. Sie war in seiner Kindheit weit mehr eine Bezugsperson gewesen als seine unstete Mutter.

Es galt nun, das weitere Vorgehen zu beraten. Der Zugang zu den Archiven war nicht leicht zu erlangen. My Mei, die Herrin der Archive, galt als zentrale Akteurin im Händlerrat und als Anführerin der Triade des Fließenden Steins. Keiner der Abenteurer war begierig, sich an eine so mächtige und zweifelhafte Person zu wenden. Dazu war das Thema der Recherchen zu heikel.
Wie die Helden rasch erfuhren, war die Archiv-Sicherheit erhöht worden, nachdem einige Fremde Chaos angerichtet und sogar ein Feuer verursacht hatten.
Palitan wurde seinem Ruf als Zentrum von Abenteuern, Handel, Diplomatie und Intrigen gerecht: Der kürzliche Besuch von Prinzessin Hui Amui und ihre überhastete Abreise hatten für viel Gerede gesorgt. Die ausgedehnten Gespräche der Tante von Prinzessin Yi mit der Botschafterin Kintais hatten die Gerüchte sprießen lassen. Nachdem die letzte Kaiserin die Büffelprovinz „an die Jogdaren verschachert habe“, glaubten manche, dass ihre Familie jetzt bereit sei, im Austausch gegen Waffenhilfe andere Reichsteile Myuriko anzubieten. Es erschien wahrscheinlich, dass diese Gerüchte gezielt von den Triaden oder von Gefolgsleuten Wus gestreut wurden.
Auch die Kabalen um die gestoppten Lieferung von Geisterseide an die Kaiserlichen und an die von Wu kontrollierten Reichsteile, von denen die Abenteurer in Timog erfahren hatten, trieben die Leute in Palitan um. Geisterseide war ein zentrales Exportgut der Spinnenprovinz. Nicht jeder konnte wie die Großhändler und die Triaden einfach abwarten. Die Entscheidung, an wen man die wertvolle Geisterseide liefern wollte, war zudem nicht nur eine wirtschaftliche und fiskalische, sondern vor allem auch eine politische Frage.
In der Straße der Wunder war angeblich kürzlich – mal wieder – eine Chimäre entlaufen, wobei es habe sogar Tote gegeben hatte. Und im Sumpf der 32.000 Lichter gab es angeblich wie so oft Probleme mit Geistern.

Hao gelang es nach einigen Tagen, mit Meisterin Hira eine Rechercheurin mit Zugang zum kaiserlichen Archiv zu finden. Die zwergische Gelehrte war allerdings nicht billig und die
Gerüchte, die Luo über sie aufschnappte, waren widersprüchlich. Manche nannten sie eine versierte Expertin und ehemalige Archivarin. Für andere war Hira eine Scharlatanin, die wegen gefährlicher Inkompetenz aus dem Archiv entlassen worden war. Ihr Zuhause, das nicht weit vom Archivviertel lag, entsprach dem Klischeebild einer Gelehrtenhöhle: verstaubte Schriftrollen, Bücher und Schrifttafeln bildeten ein verwirrendes Durcheinander.
Die Helden setzten die Gelehrte zuerst auf den ominösen „Kult des Strahlenden Schattens“ und weitere Informationen zum „Tempel der Tausend Tore“ an. Besonders Ren und Luo ließen es nicht an Warnungen mangeln: Ihrer Meinung nach war nicht auszuschließen, dass dieses Wissen heikel und vielleicht sogar gefährlich sein könnte. Meisterin Hira schien sich allerdings keine großen Sorgen zu machen.
Sowohl Hao als auch Luo hatten zudem persönliche Rechercheanliegen: Hao zum Kult des Drachen-Tiergeistes, der einst den Tempel der Tausend Tor mitbegründet hatte, und Luo zu seinem Schwert, an dessen düstere Vergangenheit er erst kürzlich erinnert worden war. Allerdings stellten sie diese Privatrecherchen erst einmal zurück. Man einigte sich auf einen Preis von 10 Lunaren für jedes Recherchethema. Hira erhielt die Hälfte der Summe für die beiden ersten Recherchen im Voraus und machte sich an die Arbeit. Sie warnte, dass die Recherchen dauern würden und es keine Erfolgsgarantie gäbe – besonders bei derart lange zurückliegenden und obskuren Themen. Denn Helden stand wohl ein längerer Aufenthalt in Palitan bevor. Sie würden Hira nur eingeschränkt helfen können, denn auch lizensierte Forschende konnten nicht einfach durch das Archiv wandern und selber nach interessanten Schriftrollen suchen, schon gar nicht nach den letzten Zwischenfällen mit einigen „fremdländischen Barbaren“. Ein weiterer Grund für die Zugangsbeschränkungen war, dass angeblich Geister durch die Archivgänge wanderten und der Umgang mit den älteren Schriftrollen die Einhaltung strikter, alleine den Archivkräften bekannten Ritualen und Regeln verlangte.

Das Archivviertel, das im Laufe der Zeit eine komplette Insel Palitans eingenommen hatte, wirkte verwirrend. Ursprünglich nur ein einzelner Gebäudekomplex mit jeweils einem Eingang für die Kaiserin, die adligen Nanjin und die Beamtenschaft, hatte das Archiv im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Gebäude geschluckt, darunter ehemalige Paläste, Wohn- und Funktionsbauten. Letztendlich war es irgendwann verboten worden, weitere Gebäude jenseits der ursprünglichen Insel zu erwerben. Und da es gleichzeitig untersagt war, Dokumente zu zerstören, musste man sich fragen, wie es möglich war, all das Material aufzubewahren, das Jahr für Jahr ins Archiv strömte – zumal in dem feuchten Klima Palitans. Angeblich waren alle Archivgebäude durch unterirdische Gänge und Lagerräume verbunden, von denen manche nicht in der diesseitigen Welt lagen.

Auf der Suche nach weiterer Unterstützung konnte Akira den Helden Zugang zur Botschaft Kintais verschaffen. Die junge Gesandte Suguri Jun erschien grundsätzlich hilfsbereit und stellte auch finanzielle Unterstützung in Aussicht. Immerhin waren die Recherchen im Interesse Kintais, das von einem Ausbruch des im „Tempel der tausend Tore“ eingesperrten Dämonen Kokumo als erstes bedroht worden wäre. Mit dieser Unterstützung mochte es gelingen, dem Geheimnis des Tempels der Tausend Tore auf die Spur zu kommen, und ebenso dem geheimnisvollen Kult, der ihn angegriffen hatte…
Die Abenteurer versprachen, alle relevanten Informationen weiterzuleiten. Allerdings deutete die Botschafterin an, dass ihre Hilfe einen Preis haben würde. Die Suguri machte kein Geheimnis aus ihrer Abneigung gegenüber der Triade der 13 Blätter, die mehrheitlich aus Kintai-Exilanten und deren Nachkommen bestand, und mit denen die Abenteurer bereits aneinandergeraten waren. Die Diplomatin war sehr an den bisherigen Erlebnissen der Helden in Timog und Baoshi interessiert. Anders als Hao waren Luo und Ren etwas zurückhaltend, vor allem bezüglich der militärischen Verhältnisse in den zhoujiangischen Grenzprovinzen zu Kintai. Akira hatte natürlich keinerlei derartige Bedenken.

***

Parallel zu den anlaufenden Archivrecherchen knüpften die Helden weitere Kontakte, die auch für ihre persönlichen Ziele nützlich werden konnten. Besonders Ren und Luo waren daran interessiert, sich mit dem örtlichen Ableger der aus Timog stammenden Ka-Adelsfamilie in Verbindung zu setzen. Diese waren als Loyalisten auch ein wertvoller potentieller Aktivposten für Rens und Luos Mission für die Fraktion von Prinzessin Yi.
Ka Maomei und Ka Gao empfingen die Helden freundlich. Zur Überraschung der Helden waren beide albischer Herkunft, während die Kai-Familie in Timog aus Menschen bestanden hatte. Wie die Helden erfuhren, war Ka Maomei in das Adelshaus adoptiert worden, um mit Gao (aus dem elfischen Hause Han) verheiratet zu werden, dessen Familie die Kas als potentiell wertvolle Verbündete angesehen hatten. Diese Hoffnung hatte sich wohl nur partiell erfüllt. Vermutlich auch wegen den Unruhen der letzten Jahre waren viele von Gaos Verwandten nach Kintai ausgewandert. Das steigerte Rens Interesse an den Kas eher noch. Immerhin war es eines ihrer Ziele, die Kontakte zwischen den Kaiserlichen und Kintai zu verbessern, um Adelsfamilien des mächtigen südlichen Nachbarn Zhoujiangs für die Sache von Prinzessin Yi zu gewinnen.
Die Kas hatten zwar keine Kontakte im Archiv, deuteten jedoch an, die Recherchen der Helden finanziell unterstützen zu können. Zudem hatte die Familie gute Verbindungen zu Kaufleuten und Händlern. Falls die Helden exotische Materialen oder Waren benötigen sollten, würde sich das Wohlwollen von Maomei und Gao als wertvoll erweisen.
Allerdings hatten die Kas eigene Probleme. Möglicherweise wegen ihrer Loyalität zum Kaiserhaus oder den jüngsten Bemühungen des Hauses Ka, politische Verbindungen mit Selenia zu etablieren, war ihr selenischer Kontaktmann Ilmar Wuselbach in Schwierigkeiten geraten. Er war zusammengeschlagen worden und man hatte in sein Haus eingebrochen. Daraufhin hatte er im Anwesen der Ka-Familie Schutz gesucht. Diese hofften, dass die Helden bei der Lösung des Problems behilflich sein konnten. Den von den Triaden kontrollierten Behörden trauten sie nicht.

Wuselbach konnte nur in begrenztem Umfang Auskunft geben. Die Männer, die ihn verprügelt hatten, konnte er nicht identifizieren. Sie hatten auch keine Abzeichen oder auffälligen Tätowierungen gehabt. Er hielt sie aber für Triadenmitglieder. Wuselbachs Haus lag in dem überwiegend von Seleniern bewohnten Hirschviertel, das von der Triade der Roten Karpfen kontrolliert wurde. Er vermutete, dass diese hinter dem Überfall und dem Einbruch steckten. Das würde auch erklären, warum die Stadtwache des Viertels nicht viel unternommen hatte. Bei dem Einbruch sei nichts abhandengekommen. Die Einbrecher schienen es eher darauf angelegt zu haben, Wuselbach zu verunsichern und einzuschüchtern. Er behauptete keine Ahnung zu haben, warum die Roten Karpfen ihm grollen mochten. Wuselbach wollte die Angelegenheit gütlich aus der Welt geschafft sehen. Als Händler mit Kontakt zur Portalgilde und zu anderen selenischen Kaufleuten konnte er nicht einfach in ein anderes Viertel ziehen und war langfristig auf das Wohlwollen der Roten Karpfen angewiesen. Die Helden versprachen, ihr Bestes zu tun. Allerdings hatten sie ein eher wechselhaftes Verhältnis zu den Roten Karpfen, mit deren Ablegern sie es schon gelegentlich zu tun gehabt hatten.

Als erstes patrouillierte Luo die Umgebung des Ka-Anwesens, ob der Gebäudekomplex observiert wurde. Dies schien nicht der Fall zu sein. Dann machte er sich daran, sich im Hirschviertel umzuhören. Allerdings hatte er damit keinen Erfolg.
Akira wandte sich an die Wachtruppe des Hirschviertels und trat als Bekannter von Wuselbach auf. Die Wachen begegneten ihm mit Misstrauen, gaben dem wortgewandten Samurai dann aber Auskunft. Sie gingen ebenfalls davon aus, dass das eine „Triadensache“ sei und hatten sich deshalb herausgehalten. Vor kurzem hatte ein gutgekleideter kintarischer Zwerg angefangen, im Hirschviertel nach Wuselbach zu fragen. Er schien nicht viel von Wuselbach zu halten, war jedoch sehr an seinem Verbleib interessiert. Dass mit Akira jetzt ein zweiter (und diesmal sogar adliger) Kintari nach Wuselbach fragte, irritierte die Wachen.
Die Helden konzentrierten ihre Nachforschungen auf den Zwergen, der nach Wuselbachs Verbleib gefragt hatte. Nach einigem Herumgefrage konnten sie seinen Namen und seinen Unterkunftsort herausfinden. Ayanokoji wohnte in einem Gasthaus in dem an das Hirschviertel grenzenden Schwertalbenviertel. Angeblich war er ein Schmied, der schon öfters in Palitan Geschäfte getätigt hatte. Er sollte sehr gut vernetzt sein und war als Vermittler bei einer ganzen Reihe von Geschäften und Transaktionen in Erscheinung getreten.  Die Verwickelung seiner Landsleute in die Angelegenheit motivierte Akira, sich verstärkt in die Recherchen einzubringen.
Luo erfuhr, dass anscheinend eine dritte Partei in die Angelegenheit involviert war: Ein weiterer (diesmal zhoujiangischer?) Zwerg hatte Stimmung gegen Wuselbach gemacht und verbreitet, dass er den Roten Karpfen hinterherspioniere und Schläger anwerbe. Allerdings konnten die Helden keine genaue Beschreibung dieses neuen Protagonisten erhalten, da er sein Gesicht durch einen Zauber maskiert hatte. Das konnte natürlich bedeuten, dass der zhoujiangische Zweg und Ayanokoji ein und dieselbe Person waren.

Um Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen, entschlossen sich die Helden zu einer direkten Aktion: Ren und Akira suchten Ayanokoji auf. Der zwergische Schmied verhielt sich reserviert und war auch durch die Präsenz eines adligen Schwertalben keineswegs eingeschüchtert. Er stellte sich als Vertreter einer im kintarischen Atasato operierenden Kobe vor – einer Vereinigung mehrerer Schmiedemeister.
Ayanokoji gab an, nach Wuselbach zu suchen, da seine palitanischen „Partner“ befürchteten, dass dieser ihre Geschäfte sabotiere. Dadurch seien auch die Interessen von Ayanokojis Kobe gestört worden, da diese dringend benötigte Materialien nicht erhalten habe. Offenbar gingen Ayanokoji und seine „Partner“ davon aus, dass Wuselbach etwas gesehen hatte, was nicht für seine Augen bestimmt war und daraufhin gierig geworden sei.
Vor allem wollte Ayanokoji erfahren, wer hinter Wuselbach stehe, da dieser es ohne die nötige Rückendeckung wohl kaum wagen würde, Ayanokojis „Partner“ anzugreifen.
Was freilich die Art der von Ayanokojis Kobe benötigten Materialien oder die Identität seiner „Partner“ anging, blieb der zwergische Schmied vage. Die Helden konnten sich allerdings ausrechnen, dass die palitanischen „Partner“ die Triade der Roten Karpfen und die Geschäfte mit diesen bestenfalls halblegal waren.
Akira brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass Ayanokojis Konflikt mit Wuselbach nur ein Missverständnis sei, was der Schmied nicht so recht glauben wollte. Er blieb auch skeptisch, als ihm die Helden berichteten, dass jemand Stimmung gegen Wuselbach gemacht hatte, um ihn anzuschwärzen. Ayanokoji bestätigte immerhin indirekt, dass Wuselbach von Schlägern der Roten Karpfen verprügelt worden war, die auch bei dem Selenier eingebrochen waren, um ihn einzuschüchtern und die fehlenden Güter zu finden. Die Helden boten Ayanokoji an, Licht in die Angelegenheit zu bringen, solange er und seine „Partner“ von drastischen Maßnahmen absahen. Ayanokoji sagte dies zu und war sehr an dem Vorschlag der Helden interessiert, ein „klärendes Gespräch“ mit Wuselbach führen zu können.

Mit diesen Informationen kehrten die Helden zum Ka-Anwesen zurück. Ren und Luo unterzogen Wuselbach noch einmal einer eingehenden Befragung. Dieser behauptete immer noch, keine Ahnung zu haben, was er der Meinung von Ayanokojis „Partnern“ nach angeblich gesehen und weitererzählt hätte. Im Laufe der Befragung räumte Wuselbach allerdings ein, dass die Verdächtigungen mit seiner jüngsten Reise über die Seidenstraße in Verbindung stehen könnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass über den Mondpfad zwischen Selenia und Zhoujiang wertvolle Schmuggelware floss. Einige von Wuselbachs Mitreisenden hatten sich etwas geheimnisvoll verhalten. Die Helden vermuteten, dass die Schmuggler annahmen, Wuselbach sei ihrem Geschäft auf die Schliche gekommen und habe dies weitererzählt. Luo hatte auch bereits eine Vermutung, WAS von Selenia nach Zhoujiang geschmuggelt worden sei: Mondstahl. Dies würde das Interesse von Ayanokojis Schmiede-Kobe erklären.

Die Helden verabredeten ein Treffen zwischen Wuselbach und Ayanokojis Triadenkontakt. Als Treffpunkt wählten sie ein Gasthaus im Schwertalbenviertel. Dort hatten die Roten Karpfen keinen Heimvorteil. Sollte es zu Komplikationen oder gar Blutvergießen kommen, würden die Helden (und besonders Akira) sich besser herausreden können, als in einem von den Triaden dominierten Viertel.
Ren und Akira begleiteten Wuselbach, während Takur und Luo vor dem Gebäude Wache hielten. Allerdings wurde Takur durch einen verpatzten Zauber abgelenkt und so bemerkte nur Luo, dass mehrere unauffällig gekleidete Personen das Gasthaus im Auge behielten.
Das Treffen im Gasthaus verlief höflich, aber angespannt. Der Verdacht der Helden, dass es um Mondstahlschmuggel ging, bestätigte sich. Die Lieferung hatte nach Atasato gehen sollen, wo Ayanokojis Kobe das wertvolle Material für ein größeres Projekt benötigte. Offenbar war es nach Wuselbachs Reise zu zwei Angriffen auf die Schmuggler gekommen – einer davon erfolgreich. Dies und Wuselbach scheinbares Interesse an den Geschäften der Roten Karpfen hatten ihn zum Hauptverdächtigen gemacht. Die Zeugenaussagen der Schmuggler, die die Angriffe überlebt hatten, waren leider nicht sehr genau. Angeblich war ein selenischer Zwerg unter den Angreifern gewesen, der eine strahlende Glefe geführt hatte. Die Helden vermuteten, dass es sich dabei um denselben Zwergen handelte, der die Gerüchte über Wuselbach verbreitet hatte. Mithilfe der Helden konnte Wuselbach den Triadenvertreter überzeugen, ihn vorerst in Ruhe zu lassen.
Draußen wäre es beinahe zu einer Eskalation gekommen, als Luo die das Haus Observierenden zur Rede stellte. Es zeigte sich, dass dies Triadenleute waren, die das Treffen abgesichert hatten. Offenbar hatten nicht nur die Helden ihren Gegenübern nicht vertraut…

Zwischen Luo und Akira kam es zu einem kleinen Geplänkel, als Akira sein Missfallen über die in Palitan wuchernde Korruption äußerte. Luo verwies auf die Beteiligung der Kintari in den Schmuggel und die Triadenaktivitäten. Akira tat das mit dem Argument ab, dass Ayanokoji aus Atasato kam. Was konnte man von einer Stadt erwarten, in der entgegen der Myuriko-gefälligen Ordnung Händler und Handwerker die Macht hatten?

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #30 am: 26.05.2024 | 03:01 »
Die Helden setzten bei ihren weiteren Nachforschungen auf mehrere Spuren: Zuerst wandten sie sich an ihre „Auftragsgeber“, das Adelshaus Ka. Diese sollten ihre lokalen Handelskontakte nutzen, ob irgendwo Mondstein günstig zum Kauf angeboten wurde. Wenn die Diebe ihre Beute zu Geld machen wollten, würde das eventuell Aufsehen erregen.
Gleichzeitig hörte sich Luo in dem Viertel um, wo der Überfall auf die Schmuggler stattgefunden hatte. Unterstützt von seinen eigenen Unterwelt-Kontakten hoffte er, Augenzeugen zu finden, denen während oder vor dem Überfall etwas aufgefallen war. Und der von den Dieben erbeutete Wagen und die Zugtiere konnten sich auch nicht in Luft aufgelöst haben. Die Räuber waren sicherlich in Eile und eventuell verwundet gewesen. Vielleicht war ihnen ein Fehler unterlaufen…
Tatsächlich brachte dieser Rechercheansatz den ersten Erfolg: Luo identifizierte einen Straßenhändler, der zumindest indirekt an dem Überfall beteiligt gewesen sein musste. Als er und Akira den Mann verhörten, knickte der Straßenhändler schnell ein: Er gab zu, für den zwergischen Anführer der Diebe als Späher und Helfer gearbeitet zu haben. Dieser hatte ihn schon vor einer ganzen Weile rekrutiert und für verschiedene Hilfsdienste eingesetzt. Dem Händler war die Sache allerdings jetzt über den Kopf gewachsen. Dass Blut geflossen war und er sich die Triaden zum Feind gemacht hatte, machte ihm fast genauso viel Angst, wie sein Auftraggeber. Leider konnte er nichts zu dessen Aufenthaltsort, Identität oder Verbindungen sagen. Er lieferte aber wertvolle Informationen zum Verbleib der Beute. Der gestohlene Mondstahl war in den „Gärten der Asche“ versteckt worden. Dieser Teil Palitans stand seit einer Feuerbrunst leer und war berüchtigt für das Auftauchen gefährlicher Feuergeister. Die beiden Helden schilderten dem Mann ausführlich, was ihm drohte, falls er seinen Auftraggeber warnen oder sich noch einmal in die Geschäfte der Roten Karpfen einmischen würde. Dann ließen sie ihn laufen. Beide waren zu gutmütig, um den Straßenhändler den Triaden zu überantworten oder ihn auf andere Art und Weise dauerhaft „aus dem Spiel zu nehmen“.
Ren befragte währenddessen den überlebenden Schmuggler noch einmal. Da dieser physisch und psychisch immer noch in einem sehr schlechten Zustand war, musste sie behutsam vorgehen. Vermutlich auch deshalb erhielt sie nur wenige neue Informationen. Da die drei Angreifer großzügigen Gebrauch von Blendzaubern gemacht hatten, konnte der Überlebende keine genaue Beschreibung liefern.

Die „Gärten der Asche“ erschienen als die logische Wahl für weitere Nachforschungen. Die Zeit eilte: Es war anzunehmen, dass die Diebe ihre Beute bald an einen weniger gefährlichen Ort verlagern oder von dem von Luo und Akira verhörten Straßenhändler gewarnt werden würden. Die Helden mieteten ein Boot und setzten zu dem ihnen bezeichneten Areal nördlich der Altstadt über. Die Brücken zu den „Gärten der Asche“ waren zumeist schon vor langer Zeit abgerissen oder verbrannt worden.
Eine unheimliche Atmosphäre erwartete sie: obwohl die Feuersbrunst schon vor vielen Jahren geendet hatte, roch die Luft immer noch nach Rauch. In den rußgeschwärzten Ruinen schien hier und da immer noch Glut zu glimmen. Die sonst üppig wuchernde Vegetation weigerte sich, die Straßen und Häuserreste zu überwuchern.
Bald fanden die Helden die Spuren, die die Diebe beim Transport ihrer Beute hinterlassen hatten. Freilich gab es auch noch andere, beunruhigende Fährten: große, rußgeschwärzte Pfotenabdrücke.
Kurz darauf bekamen die Helden den Verursacher dieser Spur zu Gesicht: einen wütenden Feuergeist in Gestalt einer brennenden Großkatze, der sofort angriff. Doch mit vereinten Kräften konnten die Helden den Geist rasch besiegen. Von diesem Zusammenstoß beunruhigt, folgten die Helden vorsichtig den Spuren der Diebe, die sie zu einem halb verfallenen Haus führten. Jemand hatte die Tür mit einem neuen Schloss versehen, das aber kein Hindernis für Luo war.
Die Spuren führten in den Keller, aus dem den Helden der Geruch nach altem Blut entgegenwehte. Mit gezogenen Waffen pirschten Ren, Luo und Akira nach unten, während Takur oben blieb, um die Umgebung im Auge zu behalten.
Im Keller stießen die Helden auf eine beunruhigende Szene: in einer Ecke lagen die Leichen von fünf Zivilisten. Jemand hatte sie gefesselt und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Daneben war mit Blut und Kreide ein Kreis gezogen worden. In dessen Mitte stand ein Tisch, auf dem die gestohlenen Mondstahlbarren ruhten. Auf dem Kreidekreis und den Barren lagen Papiertalismane und -siegel mit den Namen von Tiergeistern und seltsamerweise auch dem der lebenden Göttin Myuriko. Eine Untersuchung veranlasste Ren zu der Analyse, dass hier offensichtlich ein Schicksalsmagie-Ritual gewirkt worden war. Der Mondstahl war verflucht worden. Der Fluch richtete sich gegen die Diener Myurikos und sollte die üblichen Eigenschaften von Mondstahl unterdrücken oder verändern.

Während die Helden rätselten, was das bedeuten mochte, erschallte der Warnruf Takurs. Er hatte drei Gestalten entdeckt, die sich zielstrebig dem verfallenen Haus näherten. Der Jaguarkrieger postierte sich hinter der Tür, während die anderen Helden zu ihm hasteten. Die Fremden – ein Zwerg sowie ein menschlicher Mann und eine Frau – griffen sofort an.
Takur schlug den Mann mit zwei heftigen Treffern in die Flucht. Die beiden verbleibenden Angreifer konnten den Jaguarkrieger jedoch durch eine Lichtbarriere von den anderen Helden isolieren, die zudem dadurch gehandicapt wurden, dass ein Zauber den Boden mit spiegelglattem Eis überzog.
Statt die blendende Barriere anzugreifen, überkletterten Luo und Akira die halb eingefallenen Wände des Hauses und stießen zu ihrem Gefährten, der inzwischen bereits verletzt und durch die Lichtzauber der Gegner halb geblendet war. Der zwergische Anführer der Gegner erwies sich als harter Gegner. Obwohl bereits verwundet, schickte er Luo und Takur mit einem wuchtigen Rundumschlag zu Boden. Luo war allerdings rasch wieder auf den Beinen. Inzwischen zerstörte Ren die Lichtbarriere mit einem Flammenzauber. Mit vereinten Waffen und Zaubern konnten die Helden die Gegner zum Rückzug zwingen. Schwer verwundet und durch den geschickten Zaubereinsatz der Diebe verlangsamt, waren sie jedoch nicht in der Lage, die Gegner zu töten oder gefangen zu nehmen. So blieb ihnen nur übrig, den Mondstahl einzusammeln und hastig die „Gärten der Asche“ zu verlassen, bevor sie auf einen weiteren feindlichen Geist stießen oder die Diebe mit Verstärkung zurückkehrten.   

Zurück beim Ka-Anwesen versorgten die Helden ihre Wunden und berieten über das weitere Vorgehen. Sie hatten nur einen halben Sieg erzielt: die Diebe waren entkommen. Und durch den Fluch, der vermutlich auf dem gestohlenen Mondstahl lastete, war die Angelegenheit deutlich heikler geworden. Besonders Akira war alarmiert, richtete sich der Fluch doch gegen die Diener Myurikos, der Herrin und Göttin seiner Heimat. Luo und Ren waren hingegen – Fluch hin oder her – sehr in Versuchung, etwas von dem Mondstahl zu unterschlagen. Letztendlich aber entschieden sie sich dagegen.
Die Helden informierten Ayanokoji über das Ergebnis ihrer Recherchen und übergaben ihm den verfluchten Mondstahl, auch wenn Akira ihm nicht völlig vertraute.
So entlasteten sie zwar Wuselbach von den Verdächtigungen, aber Ayanokoji wirkte durch die Informationen der Helden sehr beunruhigt. Er verriet den Helden, wofür er den Mondstahl benötigte: Seine Kobe war damit betraut worden, eine mächtige Waffe zu schmieden. Diese war für den Kampf gegen ein Ungeheuer gedacht, welches einer Weissagung zufolge in einigen Jahren das Reich des Eisernen Kranichs bedrohen könne. Aufgrund der Kosten und Seltenheit des benötigten Mondstahls hatte Ayanokoji auf seine halblegalen Kontakte in Palitan zurückgegriffen. Dass jemand dies mitbekommen und derart heimtückisch zu sabotieren versucht hatte, warf beunruhigende Fragen auf. Vermutlich war der Plan der Diebe gewesen, den verfluchten Mondstahl bei Gelegenheit „wiederauftauchen“ zu lassen. Falls dieser dann ungeprüft für die Waffe verwendet worden wäre, hätte sie sich im Einsatz vermutlich als nutzlos oder sogar für den Träger gefährlich erwiesen. Aber wer steckte hinter dem heimtückischen Plan – und warum? Dienten die Saboteure einem der Feinde Kintais oder hatten sie eigene Pläne mit dem Ungeheuer? Zumindest Akira fragte sich, ob dieser Vorfall im Zusammenhang mit den Ereignissen beim „Tempel der tausend Tore“ in Verbindung stehen mochte. Dort hatte die Spinnenfrau Kuraiko versucht, ein Monster freizusetzen, das im Falle seines Freikommens eine ganze Region Kintais hätte verheeren können. Und sie hatte nicht alleine gehandelt, sondern anscheinend Verbündete gehabt.
Ähnelte nicht das heimtückische und skrupellose Vorgehen in Palitan den Intrigen der Spinnenfrau? Was, wenn beides zusammenhing?

Ayanokoji war auf jeden Fall dankbar: Immerhin wisse man jetzt um die Gefahr und könne den zurückgewonnenen Mondstahl reinigen oder notfalls Ersatz beschaffen. Er belohnte die Helden großzügig. Außerdem bot er Akira an, dessen Namen an die Auftraggeber der Waffe weiterzugeben. Sollte der Tag kommen, sich dem Untier in den Weg zu stellen, könne er einer der Kandidaten dafür werden. Das lag zwar noch einige Jahre in der Zukunft, war aber eine große Ehre, die Akira bereitwillig annahm. Luo hielt das für ein wenig verrückt und für eine bestenfalls fragwürdige „Belohnung“, sagte aber nichts zu den in seinen Augen seltsamen Bräuchen der Schwertalben. Die Roten Karpfen begannen eine Fahndung nach den Dieben, doch schien der Erfolg zweifelhaft. Zudem wurde die Bergung der ermordeten Ritualopfer in die Wege geleitet.

***

Inzwischen begannen die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv erste Früchte zu tragen. Doch alleine die Recherchen zum „Tempel der tausend Tore“ kosten die Gelehrte Hira fast zwei Wochen. Die lesekundigen Abenteurer unterstützten sie so gut sie konnten, indem sie Notizen und Sekundärtexte sichteten, auch wenn sie selber keinen Zugang zum Kaiserlichen Archiv hatten. Die Gelehrte erwies sich als recht umgänglich, außer wenn man ihre Notizen durcheinanderbrachte. Gerne nahm sie die Einladungen Rens zum Teetrinken an, die sich mit Hira gut stellen wollte.

Mit tatkräftiger Unterstützung von Hao und Ren förderte Hira eine bunte Palette an Informationen zum Tempel der tausend Tore zutage. Tatsächlich war – wie bereits vermutet – der Tempel um die 2.000 Jahre alt und von den Drachlingen errichtet worden. Diese hatten sich auch an seiner Erhaltung beteiligt, sogar noch lange nach dem Mondfall. Der letzte im Tempel dienende Drachling war vor gerade einmal 500 Jahren gestorben, kurz nach der Gründung Kintais. Angeblich war er einen Meuchelmord zum Opfer gefallen. Die Drachlinge erachteten den Tempel wohl als sehr wichtig. Es schien, als ob sie neben der Gefahr, die der dort eingesperrte Dämon Kokumo darstellte, noch mehr befürchteten – so als wäre der Dämon Teil von etwas Größerem. Angeblich hing er mit der Aufstachelung oder Verführung der „Dienerrassen“ und einer „Bedrohung der göttlichen Ordnung“ zusammen. So vage dies blieb, wenn die fast allmächtigen reptiloiden Magierdespoten die Gefahr so ernst nahmen, musste sie gravierend gewesen sein.
Der Tempel war ursprünglich durch die Priesterschaften der drei Tiergottheiten Drache (für den Schutz und militärische Aspekte der Wache), Fangschrecke (zur Bewahrung der Rituale) und Krebs (Schutz der Tore) bewacht worden. Dabei hatte der Drachen-Kult offenbar eine zentrale Rolle gespielt.
Jedoch war um die Zeit des Mondfalls die Unterstützung durch die Krebs-Priesterschaft beendet worden, weil einige Abtrünnige in ihren Reihen es in einem „großen Verrat“ um ein Haar geschafft hätten, Kokumo zu befreien. Hinter diesen Umtrieben steckte offenbar bereits zu dieser Zeit der ominöse „Kult des Strahlenden Schattens“.
Der in Zhoujiang schon lange entmachtete Drachenkult hielt in der Gestalt der wenigen im Tempel verbleibenden Drachlinge und ihrer Gefolgsleute noch etwa 500 Jahre die Stellung, was freilich zu Konflikten mit den reformierten Angehörigen der Kirche der Tiergeister führte. Nach dem Tod des letzten Drachlings wurde der Drachenkult schließlich durch Priester der Geflügelten Schlange ersetzt, die jedoch ihren Dienst mit im Laufe der Jahre schwindendem Enthusiasmus und Einsatz versahen. Die Priesterschaft des Kranich-Reiches bzw. der Clan der Uome hatte offenkundig in den Jahren nach der Reichsgründung Kintais um die Existenz des Tempels gewusst und diesen unterstützt. Dies endete jedoch vor 350 Jahren, als ein Angehöriger der Fürstenfamilie „in den Schatten fiel“. Es blieb unklar, ob er ermordet wurde, im Wald der 10 Millionen Kami oder in der Geisterwelt verschwand, Verrat beging oder ihn ein anderes düsteres Schicksal ereilte.
Kurz nach der Aufnahme Gagambas in den Kreis der 13 Großen Tiergeister hatte zudem die Priesterschaft Gagambas für einige Jahrzehnte beim Erhalt des Tempels geholfen. Auf Befehl Kintais musste der Kult aber bald ihre Tätigkeit einstellen. Ihren Mitgliedern wurde unter Todesstrafe untersagt, den Tempel aufzusuchen. Die Gründe dafür blieben vage.
Ebenso unklar blieb, wie es dazu gekommen war, dass in den letzten Jahren nur noch ausgewählte Vertreter der Uome um den Tempel wussten, die nicht einmal der Kernfamilie angehörten.

Die Abenteurer informierten die Botschaft Kintais über ihre Erkenntnisse. Zum einen hofften sie auf Unterstützung, vor allem aber war es in ihrem Interesse, dass das Kaiserreich die Unterstützung der Tempelwacht intensivierte. Suguri Jun nahm die Informationen dankbar entgegen und versprach, sie weiterzuleiten.
Die Botschafterin hatte die Helden bisher noch nicht um die angedeutete „Gefälligkeit“ gebeten, ersuchte aber Hao und Ren, bei der Fürsorge für Arme und Kranke zu helfen, die die Botschaft außerhalb des Viertels der Schwertalben finanzierte.
Bei dieser Aufgabe konnte besonders Hao glänzen, während Ren ein Missgeschick unterlief, weshalb sie erst einmal in eine Hilfsrolle verwiesen wurde. Das kränkte den Stolz der jungen Magierin, aber sie schluckte ihren Ärger herunter. Während die Unggoy-Priesterin vor allem die Vorteile der Fürsorgearbeit sah, durchschaute die misstrauische Ren, dass es der Botschaft auch um subtile Propaganda zugunsten Kintais und des Myuriko-Glaubens ging. Zudem hielt man so die Armen (auch solche mit kintarischen Wurzeln) außerhalb des wohlgeordneten und „perfekten“ Schwertalben-Viertels. Zudem schien die Botschaft ihre Wohlfahrtseinrichtungen auch zur Informationsgewinnung nutzte. Luo hatte Gelegenheit, einige Male mit jungen Schwertalbenkriegern und den Wachen der Botschaft zu trainieren.
Alles in allem schienen die Recherchen auf dem richtigen Weg, wenngleich die letzten Ereignisse den Argwohn der Abenteurer weiter schürten, dass hinter dem dramatischen Geschehen beim „Tempel der tausend Tore“ dunklere Dinge steckten, als anfangs anzunehmen war: Geheimnisse, die bis in die Gegenwart nachwirkten. Die erhaltenen Hinweise würden die Recherchen zum „Kult des Strahlenden Schattens“ und zum Drachenkult erleichtern.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #31 am: 23.06.2024 | 16:06 »
In eigenem Auftrag
Palitan, Zhoujiang (Hao, Akira, Takur)

Nach ihrem Abenteuer mit dem gestohlenen Mondstahl wollten sich die Helden ihren Recherchen und persönlichen Anliegen widmen. Zuvor nahmen sie an der Beisetzung der Unglücklichen teil, die von den Mondstahldieben geopfert worden waren, um das kostbare Metall zu verfluchen. Die Rote Karpfen-Triade als „Eigentümer“ des Metalls finanzierte die Beisetzung der Opfer. Die grausamen Details ihres Todes wurden verschwiegen. Da die Getöteten aus der Unterschicht stammten, hätten sich ihre Angehörigen niemals eine so würdige Totenfeier leisten können. Hao tat ihr Bestes, den Trauernden Trost zuzusprechen, während die Toten feierlich dem Fluss übergeben wurden. Im sumpfigen Palitan waren Feuer- und Wasserbestattungen üblicher als Erdbestattungen.

In den nächsten Tagen gingen die Helden getrennte Wege. Die Magierin Ren unterstützte die von den Helden beauftragten Recherchen im Kaiserlichen Archiv und pflegte ihre Kontakte zur Familie Ka. Ihr Cousin Luo half den Roten Karpfen bei der – vorerst vergeblichen – Fahndung nach den geflohenen Mondstahldieben.
Der Jaguarkrieger Takur setzte die wenig aussichtsreiche Suche nach seinen verschollenen Gefährten fort, mit denen er einst die Heimat verlassen hatte. Doch hörte er zwar Gerüchte von der Sichtung eines tigergestaltigens Wesens, konnte aber nichts Genaues erfahren. Vielleicht hatte jemand die Begegnung mit einem Ma’Ua falsch interpretiert – wahrscheinlicher handelte es sich um ein Feen- oder Geisterwesen oder um einen jenseitigen Diener des zhoujiangischen Tigergeistes Lao.

***

Im Gegensatz dazu folgte Akira bei der Suche nach dem Schwert seines vor einigen Jahren ermordeten Vaters einer konkreten Spur. In Timog hatte er dank Luos Kontakten die Fährte einer albischen Kämpferin aufgenommen, die im Besitz des Schwertes gewesen war und es in Palitan verkaufen wollte. Akiras Nachforschungen führten ihn zu der gnomischen Händlerin Sang Nan. Sie bestätigte, dass eine albische Kriegerin namens Zhan Ke die Waffe angeboten hatte. Aufgrund des exorbitanten Preises hatte Sang Nan die Fremde an den zwergischen Waffenhändler Zai Mou verwiesen, der seltene Waffen sammelte. Zai Mou gehörte zu denen, die von der Machtergreifung der Triaden profitiert hatten: er betrieb eine florierende Waffenmanufaktur im Drachenbauch-Viertel und hatte kürzlich eine eigene Villa bezogen. Angeblich stand er kurz davor, in den mächtigen Handelsrat Palitans aufzusteigen. Seinen wachsenden Reichtum präsentierte Zai Mou mit Abendgesellschaften, bei denen er Kämpfer auftreten ließ, sowie durch das Sponsoring von Wettkampfteilnehmenden an den berüchtigten Winterspielen Palitans, bei denen jedes Jahr zahlreiche Verletzte und Tote gab.
Recherchen in der „besseren Gesellschaft“ Palitans brachten zutage, dass der Waffenhändler gut vernetzt war, auch wenn er persönlich als nicht immer angenehm galt. Zai Mou hatte sich durch seinen Aufstieg Feinde gemacht. Man munkelte, dass er seine Ehefrau, die von den für ihre Schmiedearbeiten berühmten zwergischen Nungmae-Nomaden Kungaitans abstammte, für eine politisch vorteilhafte Ehe mit einer Triadenfamilie loswerden wolle. Dank Akiras gesellschaftlichen Kontakten und den kämpferischen Qualitäten der Helden war es einfach, für ihn und Takur eine Einladung zu einer von Zai Mous Abendgesellschaften zu erlangen.

***

Hao verfolgte währenddessen ein eigenes Anliegen. Vor einigen Jahren war ihr in der Tigerprovinz das Eichhörnchen Hozhou zugelaufen, mit dem die Affenpriesterin ein magisches Band geknüpft hatte. Angesichts von Hozhous Zauberkräften war sich Hao sicher, dass die Begegnung Schicksal und Hozhou ein Geschenk Unggoys gewesen war. Um mehr darüber zu erfahren, suchte sie Palitans größten Unggoy-Tempel auf. Dieser bildete mit seinen Nebengebäuden und angegliederten Straßen ein eigenes Viertel, das von der Priesterschaft und deren oft zahlreichen Familien dominiert wurde. Der Tempel bot einen beeindruckenden Anblick – wie auch der neben dem Tor wachende, fast fünf Schritt große Goldaffe in prunkvoller Rüstung, der mit einer schwere Hellebarde bewaffnet war.
Die Tempelhalle erstreckte sich über mehrere Stockwerke, wobei der obere Teil teilweise nur über schmale Emporen und Seilbrücken zu erreichen war – eine Herausforderung für die wenig klettergeübte Hao. Mit einigen Anstrengungen erreichte sie den sie offenbar erwartenden Tempelvorsteher Ping Wa. Dieser verhielt sich freundlich und zuvorkommend, befragte Hao aber eingehend über ihre bisherigen Reisen, Erfahrungen und ihre Ziele. Offenbar war er der Meinung, dass Hao sich und ihre Rolle in der Welt besser kennenlernen müsse, bevor sie darüber nachdenken sollte, wie sie das spirituelle Band mit ihrem Tiergefährten stärken und dessen Unggoy-gegebenen Kräfte aktivieren könne. Unter anderem thematisierte er die schwierige Situation im vom Bürgerkrieg geplagten Zhoujiang, und wie dies die Unggoy-Kirche beeinflusste. Haos Bestreben, sich aus den politischen Wirren herauszuhalten, sei nicht immer umsetzbar. Ping Wa schien keiner der drei Bürgerkriegsparteien zugeneigt zu sein, problematisierte allerdings die Schwierigkeit, den richtigen Weg zu finden und den Geboten der Unggoy-Kirche gerecht zu werden. Hao sollte am nächsten Tag wiederkommen.

***

Akira und Takur besuchten währenddessen Zai Mous Abendgesellschaft. Die prachtvolle Villa lag mitten in dem ansonsten recht schäbigen, überfüllten und zum Gutteil von Nezumi (Rattlingen) bewohnten Drachenbauch-Viertel. Das Anwesen stach zwischen den Manufakturen, Baracken, Hütten, fragwürdigen Garküchen und Vergnügungsstätten der unteren Preisklasse deutlich heraus und war durch eine hohe Mauer gesichert.
Dass Akira am richtigen Ort war, zeigte sich schon am Eingang: die Kommandantin der Wachleute war keine andere als die von ihm gesuchte Zhan Ke. Die junge Albin musterte den aus Kintai stammenden Akira misstrauisch. Wie er vermutet hatte, sprach sie mit sadischem Akzent, was angesichts der blutigen Vergangenheit Sadus und Kintais ihr Misstrauen erklären mochte. Zhan Ke schien angespannt – und nicht nur wegen dem schwertalbischen Gast.
Bei dem folgenden Empfang Zai Mous konnte Akira mit seinen gesellschaftlichen Fähigkeiten punkten. Allerdings erregte sein Gefährte Takur größeres Aufsehen. Selbst im multikulturellen Palitan war ein Jaguarkrieger ein ungewöhnlicher Anblick. Unter den Gästen fielen mehrere höherrangige Mitglieder teilweise konkurrierender Triaden auf, aber auch einige erfahren wirkende Kämpfer, die als Gäste oder als „Unterhaltungsprogramm“ zugegen waren.
Es war kein Problem, Einblick in die in einem separaten Gebäude befindliche Ausstellung des Waffenhändlers zu erhalten, die dutzende hochwertige Waffen beinhaltete. Neben einheimischen Stücken wurden auch eine prachtvolle farukanische Pfauenfeder und ein exzellent gefertigtes selenisches Flamberge präsentiert – sowie ein Akira nur zu vertrautes Katana aus Jadeeisen. Er hatte tatsächlich die Waffe seines gefallenen Vaters gefunden. Der junge Schwertalb riss sich zusammen, um nichts Überhastetes zu tun. Zai Mou hatte die Waffe von Zhan Ke für eine stattliche Summe und die Anstellung als Wachkommandantin erworben.
Im Verlauf des Abends konnten sowohl Akira als auch Takur in ein paar kurzen Schaukämpfen ihr Können zeigen, was ihnen die Möglichkeit verschaffte, bei Gelegenheit wiederkommen zu dürfen.

***

Haos zweiter Besuch im Unggoy-Tempel verlief überraschend: mit Tempelvorsteher Ping Wa ging es in das noble Porzellanviertel Palitans, das von den Anwesen der Oberschicht und dem (momentan verlassenen) kaiserlichen Palast Palitans dominiert wurde. Allerdings war ihr Ziel weniger prachtvoll – das örtliche Gefängnis. Ping Wa war offenbar nicht zum ersten Mal hier, denn die wenig enthusiastisch wirkende Gefängnisvorsteherin Tsa Lin begleitete die Besuchenden persönlich zu einer Zelle. In dieser erwartete sie ein hünenhafter Varg. Bua Kunji, ein Priester des Affengottes, war zum Tode verurteilt worden, weil er zwei Leibwächter eines Steuereintreibers erschlagen hatte.
Der Gefangene war in keinem guten Zustand und vermutlich mehr als einmal mit den Wachen aneinandergeraten. Er wirkte wenig erfreut von dem Besuch und geriet schnell mit Ping Wa aneinander. Kunji warf dem Tempelvorsteher Feigheit und Untätigkeit im Angesicht von Ungerechtigkeit und Korruption vor, während Ping Wa vergeblich versuchte, dem Varg ins Gewissen zu reden. Kunjis fehlende Reue war auch der Grund dafür, dass ihm von der Gefängnisverwaltung jeder Kontakt mit seiner Familie verweigert wurde.
Im Anschluss an den fruchtlosen Besuch bat Ping Wa Hao, dass sie dem Verurteilten und seiner Familie beistehen möge – ließ aber offen, wie dieser Beistand aussehen sollte. Hao willigte sofort ein.

Zuerst besuchte sie Bua Kunjis Familie, die in der Nähe des Unggoy-Tempels wohnte. Bua La, die Ehefrau des Verurteilten, empfing Hao reserviert. Sie machte dem Tempel Vorwürfe, ihren Ehemann nicht von seinem verderblichen Pfad abgehalten zu haben und ihm jetzt nicht helfen zu können (oder wollen?). Dass weder sie noch ihr kleiner Sohn und ihre Tochter den Todgeweihten besuchen oder schreiben durften, belastete sie sehr. Hao versprach, einen Besuch oder wenigstens Briefkontakt zu erwirken, sowie Bua Kunji seine Priesterkette und eine Spielzeugfigur seines Sohnes zukommen zu lassen, die ihm ein wenig Trost spenden sollten.
Von La erfuhr Hao Einzelheiten zu Kunjis Verbrechen. Verbittert durch die wuchernde Korruption, hatte Kunji einen Ein-Varg-Feldzug gegen bestechliche Beamte und rücksichtslose Steuereintreiber begonnen. Dabei war er – auch wegen der ausbleibenden Unterstützung seiner Glaubensgeschwister – immer radikaler geworden. Letztendlich hatte das in Blutvergießen und dann in zwei Toten resultiert. La behauptete, sein Verhalten missbilligt zu haben, aber Hao fragte sich, ob das nicht eine Schutzbehauptung war. Sie beschloss, auch bei den Justizbehörden zu dem Fall nachzufragen.

Dank ihrer sozialen Fertigkeiten konnte sie rasch weitere Details zusammentragen. Der Steuereintreiber, den Kunji angegriffen hatte, war für sein korruptes und rücksichtsloses Vorgehen bekannt gewesen. Hao erfuhr zudem Einzelheiten zu den getöteten Wachleuten: einem jungen Rekruten und einem altgedienten Veteranen, der eine Familie mit mehreren Kindern hinterließ.
Dieses Wissen nutzte sie, um Bua Kunji ins Gewissen zu reden. Auch wenn sie seine Beweggründe verstand, wollte sie ihm klar machen, dass er den falschen Weg gewählt hatte – und dass seine Starrsinnigkeit ihm die Möglichkeit nahm, sich von seiner Familie zu verabschieden. Doch drang sie nicht durch den Panzer der selbstgerechten Entschlossenheit, mit dem Kunji sich gerüstet hatte. Der Verurteilte klammerte sich an die Vorstellung, das Richtige getan zu haben und bekam einen regelrechten Tobsuchtanfall. Frustriert brach Hao den Besuch ab, war aber entschlossen, ihre Bemühungen fortzusetzen. Zumindest wollte sie dem verstockten Gefangenen die Geschenke seiner Familie zukommen lassen. Da sich keine Gelegenheit ergeben hatte, die Priesterkette und die Figur bei dem Besuch zu Kunji zu schmuggeln, würde sie auf die Hilfe ihres Tiergefährten Hozhou zurückgreifen. Das magische Eichhörnchen sollte die Gaben nachts in die Zelle schmuggeln.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #32 am: 23.06.2024 | 16:07 »
Akiras Bestrebungen verliefen währenddessen auch nicht reibungslos. Es gelang ihm, sich und Takur als Sparringpartner und Trainer der von Zai Mou gesponserten Kämpfer regelmäßigen Zutritt zu dem Anwesen des Waffenhändlers zu verschaffen. Beide nutzten die Gelegenheit, um die Lage zu sondieren. Das Anwesen wurde gut bewacht. Zu jedem Zeitpunkt schienen wenigstens vier Bewaffnete auf Posten zu sein. Zhan Ke hielt ihre Untergebenen auf Trab und duldete keine Nachlässigkeit. Vergeblich versuchte Akira, die sadische Kämpferin auszuhorchen. Sie traute dem Schwertalben nicht. 
Immerhin konnte er einige allgemeine Informationen sammeln. Zhan Ke nahm sich neben ihren Kommandopflichten offenbar die Zeit, einige der in der Manufaktur Zai Mous Angestellten in einer Bürgerwehr zu trainieren. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass sich ihr Auftraggeber bei seinem Aufstieg einige lokale Banden zum Feind gemacht hatte. Solange er noch nicht Mitglied im Handelsrat war, blieb er angreifbar.

***

Als sich die Helden über ihre jeweiligen Erlebnisse austauschten, hatten weder Hao noch Akira Grund, völlig zufrieden zu sein. Hao war über die Uneinsichtigkeit Bua Kunjis frustriert und stand unter zeitlichem Druck. Der Tag der Hinrichtung rückte näher und ihre Möglichkeiten, zu Kunji durchzudringen, schienen begrenzt. Akira bot an, sie zu unterstützen. Allerdings zweifelte Hao, dass Kunji den Worten eines adligen Fremden viel Gewicht beimessen würde.

Akira seinerseits war über sein weiteres Vorgehen unsicher. Er wollte das Schwert seines Vaters zurückgewinnen. Doch ein Einbruch wäre riskant und hätte seinem Ehrgefühl widersprochen. Andererseits widerstrebte es ihm, für eine Waffe Geld zu bieten, die rechtmäßig seiner Familie gehörte – abgesehen von der Frage, ob er die nötigen Mittel besaß. Ließ sich ein anderer Weg finden, vielleicht mithilfe seiner Kontakte oder in Form eines Wettkampfes oder einer Herausforderung? Und wie sollte er sich gegenüber Zhan Ke verhalten, die eventuell mehr über den Tod von Akiras Vater wusste? Eine direkte Konfrontation würde möglicherweise in einem Blutvergießen enden, oder Zhan Ke zu Flucht veranlassen. Akira beschloss, dass er noch mehr herausfinden musste, bevor er zur Tat schritt.

***

Hao sah die Gelegenheit gekommen, dem zum Tode verurteilten Priester die Gaben seiner Familie in die Zelle zu schmuggeln, damit er etwas Trost schöpfen konnte. Außerdem würde er dann vielleicht offener gegenüber Haos Worten sein. Sie wartete bis zur Nacht und schickte dann ihren Tiergefährten Hozhou los, beladen mit der Kette des Priesters und dem Spielzeugkrieger seines Sohnes. Leider verlief die Aktion nicht ganz nach Plan: die im Innenhof patrouillierenden Hunde wurden aufmerksam. Aber dank eines magischen Ablenkungsmanövers Haos konnte ihr Tiergefährte zu dem Verurteilten vordringen, seine Gaben abliefern und zu der Priesterin zurückkehren. Dann musste sie freilich schleunigst das Weite suchen, weil die Wachen unruhig wurden.

Am nächsten Tag unternahm Hao einen erneuten Besuch im Gefängnis. Ihr Tiergefährte Hozhou begleitete sie und auch Akira war mit von der Partie. Kurz wurde es kritisch, als einer der patrouillierenden Hunde unruhig wurde – vermutlich erkannte er den Geruch von Haos Tiergefährten wieder. Gefängniskommandantin Tsa Lin war ein wenig genervt von der Aufmerksamkeit, die ihr Gefangener erfuhr.
Vermutlich dank der nächtlichen Schmuggelaktion war Bua Kunji diesmal weniger konfrontativ als bei den letzten Besuchen. Eingedenk seines verbalen Ausbruchs bei ihrem letzten Besuch überließ Hao diesmal zum Gutteil Akira das Wort. Dieser versuchte ebenfalls, dem zum Tode Verurteilten ins Gewissen zu reden. Allerdings waren seine Argumente und Ansichten durch die für Außenstehende manchmal recht…eigenwillig wirkende Pflicht- und Ehrvorstellung der Schwertalben geprägt. Ob seine Geschichte von der Rache der 55 Ronin wirklich geeignet war, zu Bua Kunji durchzudringen…
Doch dank Haos Unterstützung schienen die Worte des jungen Samurai bei dem Verurteilten etwas zu bewegen. Zumindest versprach er, seine Einstellung zu überdenken – und sei es nur, um sich von seiner Familie verabschieden zu können.

Nach diesem Besuch tauschten sich Hao und Akira über ihre unterschiedlichen Moral- und Ehrvorstellungen aus, über Fragen wie Verantwortung und die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Auch wenn sie nicht in jedem Punkt einer Meinung waren, waren sie sich einig, dass Bua Kunjis Verurteilung wohl rechtens und sein Tod leider unvermeidbar war. Eine Begnadigung stand außer Frage: dazu hatten die Helden weder den Einfluss, noch wäre es vermutlich angemessen gewesen. Immerhin HATTE er getötet. Beide waren entschlossen, bei Bua Kunjis Hinrichtung anwesend zu sein, um ihm den letzten Gang vielleicht ein wenig zu erleichtern. Wenigstens würde er einen schnellen Tod sterben, denn die Hinrichtung würde durch Enthauptung erfolgen. Es gab sehr viel würdelosere und langsamere Hinrichtungsarten…

*** 

Akira hörte sich inzwischen nach weiteren Informationen zu Zai Mou um und versuchte seine Möglichkeiten auszuloten, diesen zu beeinflussen. Dazu fragte er sowohl bei der Adelsfamilie Ka nach, der die Helden in Timog und jetzt in Palitan einige Gefallen getan hatten, als auch bei der Kintari-Botschaft. Beide schätzten Akiras Chancen, juristisch die Herausgabe des Schwertes seines Vaters zu erzwingen, für gering ein. Prinzipiell waren sowohl die Kas als auch die Botschaft bereit, Akira zu unterstützen, doch reichte Ihr Einfluss in den Kreisen des Waffenhändlers nicht allzu weit.
Luo, der eine kurze Pause bei seiner frustrierend erfolglosen Suche nach den Mondstahldieben einlegte, konnte ein paar weitere Informationen über den Waffenhändler ausgraben: Es hieß, dass das Schwert von Akiras Vater nicht die einzige Waffe war, die Zai Mou aus undurchsichtigen Quellen erhalten hatte. Und die Rivalitäten, in die sich der Waffenhändler bei seinem Aufstieg verwickelt hatte, betrafen vor allem auch die „Glutratten“ – eine Nezumi-Bande, die im Drachenbauch-Viertel unter anderem einen Schutzgeldring betrieb. Die Gruppe wurde von einem Anführer namens Taka Sun kommandiert und bestand nicht nur aus Nezumi (takasadischen Rattlingen), sondern auch aus rattlingischen Einwanderern aus Dragorea. Angeblich gehörten mehrere Magiebegabte zu ihnen.
Auf Nachfrage bestätigte Zhan Ke – trotzdem sie Akira weiterhin misstraute – dass die „Glutratten“ die Manufakturarbeiter von Zai Mou schikanierten. Deshalb hatte sie mit überschaubarem Erfolg versucht, einen „Selbstschutz“ unter den Arbeitenden auf die Beine zu stellen.

Nach einigem Zögern entschloss sich Akira, mit offenen Karten zu spielen. Er sprach bei Zai Mou vor und erklärte seinen Anspruch auf das Schwert seines Vaters. Dabei blieb der junge Samurai höflich und drückte die Hoffnung aus, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Es war keine Überraschung, dass der Waffenhändler nicht gewillt war, die Klinge einfach herauszugeben. Hingegen zeigte er sich bereit, sie gegen eine gleichwertige Waffe oder für 200 Lunaren herzugeben. Beides lag momentan außerhalb von Akiras Möglichkeiten. Allerdings stellte Zai Mou in Aussicht, den Kaufpreis zu reduzieren, falls Akira ihm bei seinen Problemen mit den „Glutratten“ half. Akira erklärte sich einverstanden und versprach, auch seine Kontakte und Verbindungen einzubringen.
Anschließend schenkte er auch Zhan Ke reinen Wein ein. Immerhin hatte sie das Schwert von Akiras Vater an Zai Mou verkauft und Akira hoffte von der jungen Kriegerin etwas über die Mörder seines Vaters zu erfahren. Auch wenn er keine Beschuldigungen gegen Zhan Ke erhob – er war sich sicher, sie nicht bei den Angreifern gesehen zu haben, die seinen Vater töteten – war diese Eröffnung nicht dazu angetan, Zhan Kes Misstrauen zu zerstreuen.

Akira gelang es, die Triade der „Roten Karpfen“ mit Verweis auf die geleistete Hilfe bei der Suche nach dem gestohlenen Mondstahl zu überzeugen, einige Männer abzustellen, um Zai Mous Anwesen und Manufaktur zu beschützen. Er argumentierte zudem mit dem Selbstinteresse der Triaden, dadurch ihren Einfluss im Drachenbauch-Viertel und (mit dem anstehenden sozialen Aufstieg des Waffenhändlers) im Handelsrat von Palitan stärken zu können. Allerdings waren die Triaden zurückhaltend, was ihr Agieren im Drachenbauch anging. Zwar waren die dortigen Rattlingsbanden untereinander verfeindet, schlossen sich aber gegen jede externe Gefahr zusammen.
Hao versuchte ihrem Kameraden zu helfen, indem sie sich nach besonderen Waffen umhörte, die Akira vielleicht Zai Mou als Auslöse für das Schwert würde anbieten können. Zwar konnte sie einige interessante Geschichten von berühmten Klingen aufschnappen – aber diese waren entweder verschollen oder ruhten in den Grabmälern ihrer Träger. Weder Hao noch Akira wollten die Ruhe der Toten stören.
Allerdings gab es noch eine weitere potentielle Möglichkeit, an hochwertige Waffen zu kommen. In wenigen Monaten würden in Palitan die jährlichen Winterspiele beginnen, bei denen hunderte Teilnehmende in blutigen Wettkämpfen gegeneinander antraten. Im Vergleich zu den in Inani stattfindenden Sommerspielen waren die Wettkämpfe in Palitan berüchtigt für ihre Brutalität und ihre hohe Todesrate. Bei diesen Spielen anzutreten, würde Akira jedoch die Möglichkeit bieten, Geld zu gewinnen und hochwertige Waffen zu erbeuten. Allerdings wäre dies ein gefährliches Wagnis mit hohem persönlichem Risiko…

***

Inzwischen erhielt Hao die gute Nachricht, dass der auf Abwege geratene Affenpriester Bua Kunji Reue gezeigt hatte. Auch dank Haos Fürsprache gestattete die Gefängnisverwaltung ihm deshalb den Kontakt mit seiner Familie. Vermutlich war den Behörden ein geständiger Sünder lieber, als wenn der Priester unbeirrt in den Tod gegangen wäre und dadurch andere Unzufriedene inspiriert hätte.
Auf Akiras Vorschlag veranstalteten er und Hao für Bua Kunji nach Kintari-Brauch ein „Höllenmahl“: ein letztes Festessen im Angesicht des sicheren Untergangs.

Die Hinrichtung von Bua Kunji fand im Gefängnishof unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zu Haos Befremden hatte Akira für dieses Ereignis seine Festkleidung angelegt – manche Kintari-Gebräuche erschienen der Affenpriesterin eigenartig.
Auch wenn die Familie von Bua Kunji nicht anwesend war, hatte er sich wenigstens von ihr verabschieden können. Außer den Helden, Tempelvorsteher Ping Wa und der Gefängniskommandantin war auch die oberste Richterin Maifeng anwesend.
Die Priesterkette, die Hao ihm in die Zelle geschmuggelt hatte, wickelte der Priester auf seinem letzten Gang um seinen Arm und in der Hand hielt er den Spielzeugsoldaten seines Sohnes. Er ging aufrecht und entschlossen die letzten Schritte zum Schafott, bekannte seine Schuld und kniete ohne zu zögern nieder. Zum Glück verstand der Henker sein Handwerk und trennte Bua Kunjis Kopf mit einem Hieb sauber von seinem Hals. Der Leichnam wurde dem Tempel übergeben, um beigesetzt zu werden. Sowohl Hao als auch Akira waren der Meinung, dass dies das beste Ergebnis war, welches sie in dieser verfahrenen Situation hatten erreichen können.

Einige Tage später ließ Tempelvorsteher Ping Wa die junge Priesterin zu sich rufen und befragte sie, was sie aus der Geschichte gelernt hatte. Hao war sich sicher, nicht dazu berufen zu sein, über Leben und Tod zu entscheiden. Die Angelegenheit hatte sie sehr belastet und ihre Zweifel an der Todesstrafe verstärkt. Sie bekräftigte ihre Absicht, sich für das Wohl der einfachen Leute einzusetzen, dabei aber auf Bua Kunjis Methoden zu verzichten. Ob diese Antwort den Tempelvorsteher zufriedenstellte, blieb unklar – aber er wünschte Hao viel Glück auf ihrem weiteren Weg. Und da sich das Fell ihres Tiergefährten dabei teilweise golden färbte, schien Unggoy nicht unzufrieden mit ihr zu sein…

***

Akira verbrachte seine Zeit hingegen nun vor allem damit, die Wachen Zai Mous zu unterstützen. Auch wenn er seine Sache nicht schlecht machte, war er nicht glücklich darüber, für jemanden arbeiten zu müssen, den er wenig achtete. Auch das Verhältnis zu Zhan Ke blieb angespannt.

Trotz zusätzlicher Wachen erfolgte der befürchtete Angriff der „Glutratten“ dann überraschend und ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem keiner der Helden in der Nähe war. Von einem Boten der „Roten Karpfen“ alarmiert, holte Akira Hao und Takur zu Hilfe und eilte in das Drachenbauch-Viertel. Ihr erstes Ziel war Zai Mous Manufaktur, deren Mannschaft jedoch den – offenbar nicht sehr heftigen – Angriff hatten zurückschlagen können. Es hatte einige Verletzte und nur leichte Schäden gegeben. Anders sah es mit dem Anwesen von Zai Mou aus, aus dessen Richtung dunkle Rauchschwaden zur Manufaktur herüberwehten…

Als die Helden das Anwesen erreichten, war es beinahe zu spät: mehrere Wachen und Bediensteten lagen reglos am Boden, das Gebäude brannte und vor den Augen der Helden wurde Zhan Ke niedergestreckt. Akira und Takur warfen sich in den Kampf mit den Rattlingen. Beide mussten schwere Treffer einstecken, teilten aber gleichzeitig umso heftiger aus: Takur metzelte mit wenigen Hieben seiner schweren Glefe zwei Angreifer nieder, während Akira die feindliche Anführerin schwer verletzte und zum Rückzug zwang. Auch die verbliebenen Wachen schöpften neuen Mut und so mussten die Angreifer weichen. Haos magische Fähigkeiten retteten mehreren der verwundeten Wächter und Bediensteten das Leben. Auch Zhan Ke würde überleben.
Dennoch waren die Schäden beträchtlich. Dazu kamen zwei tote und mehrere schwerverletzte Wachleute und Bedienstete. Die Ambitionen des Waffenhändlers auf einen Sitz im Handelsrat hatten einen bösen Dämpfer erhalten.
Deshalb drückte der Zai Mou zwar seine Dankbarkeit aus, doch zu mehr als einen Preisnachlass für die Klinge von Akiras Vater war er nicht bereit. Er würde das Geld brauchen…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #33 am: 20.07.2024 | 18:03 »
Im Sumpf der 32.000 Lichter
Palitan, Zhoujiang (Hao, Ren, Luo)

Während ihre Mitstreiter ihren eigenen Zielen nachgingen, waren auch Luo und Ren nicht müßig geblieben. Ren vertiefte ihre Kontakte zu den Kas und unterstützte die Recherchen im Kaiserlichen Archiv, Luo half mit leider geringem Erfolg bei der Suche nach den Mondstahldieben, mit denen die Helden aneinandergeraten waren. Zudem knüpfte er nach längerer Abwesenheit wieder Kontakt zu seinen Verwandten in der Stadt an. Er freundete sich mit Gastwirtin Altani an, bei der die Abenteurer untergekommen waren. Die dunkelhäutige Albin stammte aus dem Dämmerwald, was erklärte, warum sie leichte Vorbehalte gegen Takur hegte, gerieten doch die Jaguarkrieger und die Dschungelalben Arakeas immer wieder aneinander. Der Ma‘Ua fühlte sich in der Stadt nicht recht wohl. Ihre enorme Größe und das Durcheinander aus Lebewesen, Geräuschen und Gerüchen war mitunter etwas zu viel für ihn. So nahm er sporadisch Aufträge im Umland an. Zudem bat er Luo, nach guten Holzhandwerkern zu suchen – sowohl er als auch Hao hatten sich Wandelndes Holz beschaffen können und wollten dies nun in eine Speerschleuder respektive einen Kampfstab verarbeiten lassen. Akira war häufig im Schwertalbenviertel zu finden, wo er sich mit den Belangen der örtlichen Gemeinde befasste. Er hatte allerdings immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er bei seinem letzten Abenteuer beim Schutz des Waffenmanufakturbesitzers und Sammlers Zai Mou nur partiell erfolgreich gewesen war. Er verbrachte einige Zeit damit, dessen Wachen auf Vordermann zu bringen. Dass Kintai Interesse an den Ereignissen in Palitan hatte, merkten aber auch Ren und Luo, die sporadisch von der Botschafterin Suguri Jun eingeladen wurden. Sie war offenbar an den Informationen und Kontakten interessiert, die die aus einer weitverzweigten Sippe stammende Ren und der in der kriminellen Unterwelt eingebundene Luo besaßen.
Hao ihrerseits hielt mit dem Haupttempel Unggoys Kontakt. Es entging ihr nicht, dass die kürzliche Hinrichtung des Priesters Bua Kunji weiterhin für Kontroversen sorgte.

Die Abenteurer erfuhren im Verlauf ihres Aufenthaltes einiges über das dicht neben dem Archivviertel liegende Porzellanviertel. Mit seinen Porzellanbäumen, dem (verlassenen) kaiserlichen Palast und den prachtvollen Anwesen angesehener Familien war es ein beeindruckender Anblick. Nachts war ein Betreten freilich mit Risiken verbunden. Die geisterhaften Elitewachen, die das Viertel patrouillierten, neigten dazu „unpassendes Volk“ aus dem Viertel zu treiben, wobei ihre „Qualitätsmaßstäbe“ nicht immer nachzuvollziehen waren. Während sie die alteingesessene Familien und deren Bedienstete tolerierten, hatte so mancher Neubewohner schon die Vermittlung des Geisterministeriums in Anspruch nehmen müssen. Alles in allem aber war die Innenstadt vergleichsweise sicher. Kriminalität zeigte sich eher in der Form von Taschendieben und Betrügern, die unter anderem angebliche Kaiserinnenplast-Artefakte oder „Setzlinge der Porzellanbäume“ feilboten.

Es war wieder die Familie Ka die sich mit einem Anliegen an Hao, Ren und Luo wandten. Sie hatten die Hilfe der Abenteurer für ihren selenischen Kontaktmann nicht vergessen, und es gab in ihrem Bekanntenkreis offenbar weiteren Bedarf für versierte Helfer. Viel Geld war dabei nicht zu verdienen, aber die Ka waren bereit, im Ausgleich die Archivrecherchen der Abenteurer zu unterstützen. Die Kas baten die Helden, sich mit Inspektor Yaogun Tran in Verbindung zu setzen, der aus einer alteingesessenen Beamtenfamilie stammte. Die Yaogun stellten unter anderem die Mandarin für den zu den Außenbezirken Palitans gehörenden Sumpf der 32.000 Lichter. Auch sonst war die Familie gut vernetzt, wenngleich sie nicht zum inneren Zirkel der neuen Machthaber gehörte. Das reichte, um Ren und Luo zu interessieren, die immer auf der Suche nach neuen Kontakten waren, während Hao hoffte, ihre Recherchen zum Kult des Drachen-Tiergeistes mit Hilfe der Kas finanzieren zu können.

Vor dem Treffen mit Yaogun Tran holte Luo Auskünfte über den Beamten ein. Tran war ein Inspektor der Stadtverwaltung. Er galt als kompetent, und versah seinen Dienst ohne die ausufernde Korruption, die sich in den letzten Jahren im Triadengebiet breit gemacht hatte. Sein Arbeitsfeld, der Sumpf der 32.000 Lichter, war nicht das beste Viertel Palitans. Die Triaden hatten dort nie wirklich Fuß gefasst, denn die Einwohner blieben für sich und hielten zusammen. Angeblich tauchten aus dem Sumpf immer wieder Monster, Geister und Krankheiten auf. Auch „unorganisierte“ Banditenbanden machten mitunter Probleme.
Das Teehaus, in der die Helden den Beamten trafen, bediente eindeutig eher die Mittelschicht und hatte ein recht begrenztes Angebot. Tran, ein streng wirkender Mensch in mittleren Jahren in nüchtern und schmucklos wirkender Kleidung, nahm sich die Zeit für Smalltalk, eher er zum Kern seines Anliegens kam.
Der Sumpf der 32.000 Lichter war das Ergebnis der Expansion Palitans. Viele Neuzugänge landeten zuerst hier. Allerdings erhielt das Viertel von der Stadtverwaltung nur sehr begrenzte Mittel zugeteilt. Das lag wohl auch daran, dass nur vergleichswenig wenige Einwohner Triadenkontakte hatten. Besonders in letzter Zeit hatte es verstärkt Probleme mit feindseligen Geistern gegeben. Dies betraf vor allem die zum Gutteil aus Nezumi (Rattlingen) bestehenden Arbeitstrupps, die den Sumpf urbar machten. Unter den Rattenmenschen waren nicht wenige Exilanten aus Dragorea, die hierzulande sogar von ihren Artgenossen von oben herab behandelt wurden. Das Geisterministerium hingegen agierte eher in der Innenstadt, und selbst wenn es sich hier blicken ließ, war das Verhältnis mit der Bevölkerung wegen den Triadenverbindungen der Palitaner Stadtbehörden nicht immer harmonisch.

Kürzlich sei ein Geistlicher im Viertel aktiv gewesen, ein gewisser Meister Kong, der mit einer Handvoll Begleiter aufgetreten war. Er hatte nach den Gründen für die verstärkten Geisteraktivitäten gesucht, dabei aber nicht mit den örtlichen Behörden kooperiert. Sein Vorgehen war nicht immer diplomatisch gewesen, was viele Einwohner verärgert hatte. Angeblich war Kong in der bekannten Exorzistenschule von Laohuangdan ausgebildet worden, ansonsten wusste Tran aber wenig über ihn. Seit einigen Tagen sei der Priester unauffindbar. Tran glaubte nicht, dass die Einwohner etwas mit dem Verschwinden Kongs zu tun hatten (ein Punkt, bei dem Ren und Luo sich nicht so sicher waren). Er bat darum, dass sie nach dem Exorzisten suchen und herausfinden sollten, was bei seinen Nachforschungen herausgekommen war.
Die Abenteurer nahmen den Auftrag an. Mehr als ein Handgeld konnte der Beamte nicht anbieten, aber er gab den Abenteurern Hinweise, an welche der örtlichen Beamten sie sich wenden konnten und stattete sie mit einem Empfehlungsschreiben aus.

Zuerst kontaktierten die Abenteurer die örtlichen Beamten. Das bedeutete eine Menge Fußarbeit, denn das „Viertel“ verteilte sich über das gesamte nördliche Umland von Palitan. Die Wegesituation war durch das Sumpfland und die Seitenarme des das Viertel durchschneidenden Flusses nicht einfach. Die meisten Gebäude wirkten einfach und wiesen zumeist nur ein oder zwei Stockwerke auf. Die Verwaltung schien an der Peripherie der Stadt eher dünn gesät. Sekretäre verwalteten Gebiete, die ansonsten einem Inspektor unterstanden hätten. Es stellte sich als schwierig heraus, die Beamten zum Reden zu bringen – vermutlich, weil die Abenteurer darauf verzichteten, Schmiergelder zu zahlen. Die Beamten hatten Meister Kong ebenfalls als aufdringlich und ungehobelt empfunden. Er hatte seine Nachforschungen auf den westlichen Teil des Sumpfes konzentriert, wo sich besonders viele Geisterzwischenfälle ereignet hatten. Dabei hatte er nach früheren Vorfällen gefragt und ein Muster gesucht und Kontakt mit den örtlichen Medizin- und Antiquitätenhändler aufgenommen. Hao vermutete, dass er erfahren wollte, ob Artefakte gefunden worden waren, die auf ein Grabmal hindeuteten, dessen Plünderung den Zorn der Geister verursacht hatte.

Ausgehend von diesen Informationen beschlossen die Abenteuer, selber bei den örtlichen Händlern herumzufragen. Vielleicht ließ sich herausfinden, was Meister Kong gesucht hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er irgendwelchen krummen Geschäften auf die Spur gekommen war und einer der Händler hinter seinem Verschwinden steckte.
Luo konnte ermitteln, dass in letzter Zeit einige alte Waffen und Rüstungen aus dem Sumpf geborgen worden waren – allem Anschein nach aus der Zeit der kurzzeitigen Besetzung Palitans durch die Kintari vor fast 500 Jahren, bevor deren Vormarsch auf Befehl Myurikos plötzlich abgeblasen wurde und die Schwertalben auf das Südufer des Jadebandes zurückgewichen. Die Fundstücke kamen angeblich von Angehörigen der Nezumi-Arbeitskommandos, die sie beim Trockenlegen des Sumpfes gefunden hatten.
Die Abenteurer konnten mithilfe einiger Silberstücke herausfinden, dass Kong nach Kontakten zu den Nezumi gesucht hatte. Man hatte ihn an „die große Yia“ im Bauch des Drachen vermittelt. Allerdings ließ es der Händler nicht an ominösen Warnungen fehlen, man solle ihre Suppe besser nicht probieren, denn wenn man nicht vorsichtig sei, lande man selber im Topf.
Die Abenteurer schauten sich auch einige der gefundenen Artefakte an, doch war der größte Teil eher Plunder. Nur wenige schienen einen echten Wert zu haben. Immerhin entdeckte Ren, dass ein alter, lädierter Lamellenhelm tatsächlich verzaubert worden war. Sie erstand ihn zu einem günstigen Preis, auch wenn das gute Stück einiger Reparaturen bedurfte.

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #34 am: 20.07.2024 | 18:04 »
In den nächsten drei Tagen teilten sich die Abenteurer auf. Luo spürte im Bauch des Drachen Informationen zu Kong und Yia nach. Er merkte rasch, dass die Einwohner des Viertels Fremden gegenüber zurückhaltend waren. Selbst sein sonst so verlässliches Kontaktnetzwerk war von geringem Nutzen. Doch mit viel Zeit, Mühe und kleinen Geschenken fand er doch noch einiges heraus. Offenbar fanden tatsächlich nicht wenige der hier lebenden Rattlinge einen kärglichen und auch gefährlichen Verdienst im Sumpf der 32.000 Lichter. Sie suchten nach wertvollen Pflanzen und Tieren, stöberten nach verschollenen Siedlungen und Wagenzügen oder arbeiteten bei der Urbarmachung. Es hieß sogar, dass manche von ihnen Sumpfleichen bargen, obwohl sich niemand sicher war, was ihre mysteriösen Abnehmer damit anfangen konnten. Auch hier hörte Luo, dass in letzterer Zeit einige wertvollere Fundstücke aufgetaucht sein sollten. Allerdings hatte es kürzlich bei Geistangriffen Verletzte und sogar einige Tote oder Vermisste gegeben.
Kong hatte sich offenbar ebenfalls im Bauch des Drachen umgehört. Sollte er tatsächlich mit Yia Kontakt aufgenommen haben, dann trieb er ein gefährliches Spiel, denn diese war angeblich eine (ehemalige?) Bandenführerin und Piratin mit guten Triadenkontakten. Neben ihren eher fragwürdigen Geschäften betrieb sie einen Imbiss, der für seine Nudelsuppe berühmt war. Allerdings hieß es, man solle sich lieber an die vegetarische Variante halten, denn welches Fleisch im Topf landete…
Die Spur, die Luos Mitstreiterinnen gefunden hatten, war sogar noch vielversprechender. Mit Hilfe von Ren war es Hao gelungen, viele Hinweise in der einfachen Bevölkerung aufzuschnappen. Kong und eine Handvoll Söldlinge – ein Varg und einige Menschen –  hatte sich angeblich bei einem eher eigenbrötlerischen Fischer namens Ma eingemietet, der auf sich allein gestellt im Sumpf lebte. Die drei beschlossen Abenteurer, Mas Hütte aufzusuchen.

Angesichts der Geschichten über den Sumpf waren die Helden auf mögliche Konfrontationen vorbereitet. Mas Hütte und der nahe Bootsschuppen boten einen ärmlichen Anblick. Auf das Rufen der Abenteurer reagierte niemand. Luo knackte das simple Schloss und sie durchsuchten die Wohnung. Es schien, dass im Inneren ein Kampf stattgefunden hatte. Möbelstücke waren umgestürzt, und es fanden sich Blutspuren. Luo entdeckte einen gut versteckten Lederbeutel mit einigen Lunaren. Die meisten Münzen waren neu, sehr wahrscheinlich Mas Lohn für seine Dienste. Das ließ vermuten, dass ihm etwas zugestoßen war - er hätte sein Geld sicher nicht zurückgelassen. Zudem fanden sich Schleifspuren, die zum Bootsschuppen führten. Bei Näherkommen erfüllte alle ein unbestimmtes Gefühl des Unheils und der Bedrohung, was Hao und Luo beinahe am Betreten des Gebäudes gehindert hätte.
Die vagen Befürchtungen erwiesen sich als gerechtfertigt, fand sich doch im Innern eine aufgedunsene, kaum noch identifizierbare Leiche. Die Wände waren mit rotbraunen Schriftzeichen übersäht. Rens „Magie erkennen“ enthüllte, dass hier Zauber gewirkt worden waren und noch immer nachwirkten. Hao erkannte die Schriftzeichen wieder – sie ähnelten denen auf dem „Geisterhorn“, dass die Abenteurer im Sumpf außerhalb von Timog erbeutet und an das Fürstenhaus der Kranichprovinz abgegeben hatten. Alle drei meinten am Rande des Hörbaren ein Wispern und Raunen zu hören. Während Hao den Schuppen lieber verließ und Luo die Waffe bereithielt, konnte die Magierin durch einfache Ja-Nein-Fragen so etwas wie eine Verständigung mit dem Geist des Toten herstellen. Sie bereute sehr, dass sie sich nicht die passenden Zauber für eine Kommunikation mit den Geistern gelernt hatte. Aber sie erfuhr dennoch, dass es sich beim Toten um Ma handelte – und dass er von Kong und seinen Schergen getötet worden war. Der Grund blieb unklar. Das war ein erschreckende Wendung, denn bisher hatten die drei den (angeblichen?) Diener des Geisterministeriums nicht für einen Schwerverbrecher gehalten. Auf Haos Drängen bastelte man notdürftig eine Trage, um die Leiche in die nächste Siedlung mitzunehmen.

Das alles hatte Zeit gekostet, und da sowohl Ren als auch Hao weder kräftig noch gut trainiert waren, kam man nur langsam voran. In den länger werdenden Schatten zeichneten am Rande des Sichtfeldes schemenhaften Bewegungen ab.
Dann stellte sich den Abenteurern eine Gestalt in den Weg. Im Zwielicht zeichnete sich eine halb durchscheinende Silhouette ab: ein Mann oder Frau in einem altertümlichen roten Oyoroi-Panzer – doch unter dem einst prunkvoll geschmückten Helm war nur noch ein Totenschädel mit leeren Augenhöhlen. Ren, die sich der Gunst der Geister sicher glaubte, trat vor und redete den Geist respektvoll in Kintial an. Die Antwort verstand sie nicht, doch hielt sie in respektvoller Pose stand, als die Gestalt näher floss. Schließlich schwebte der Schemen direkt vor ihr und streckte die Hand nach der jungen Frau aus. Immer noch verhielt Ren sich ruhig, auch als er ihre Stirn berührte. Ein Schmerz wie ein heftiger Fausthieb durchfuhr sie, und vor ihrem inneren Auge tauchte eine Folge rasch wechselnder Visionen auf: ein erbitterter Kampf zwischen Soldaten Myurikos und des Kaiserreiches Zhoujiang, der Sturz ins brackige Wasser, das sich wie ein Sargdeckel über den Sterbenden schloss. Ein Schlaf, der Jahrhunderte währte und doch nur Augenblicke zu dauern schien, und schließlich Klauen, welche die Schlafenden aus ihrer Ruhe rissen. Ein Gefühl von Wut und Verlust war zu spüren, und ein Zerren, als würde sie zugleich aus mehreren Richtungen angezogen und abgestoßen. Einer der „Zugpunkte“ schien der Schuppen Mas zu sein, der andere lag weiter im Osten. Und schließlich sah sie einen Ort im Sumpf. Sie war sich sicher, dass die Geister gezielt aufgehetzt worden waren. Dann verschwand der Geist.

Erschüttert erreichten die drei mitten in der Nacht die nächste Ansiedlung, mit Schlamm bespritzt und mit einer bereits deutlich verwesten Leiche im Schlepptau. Es war Haos diplomatischen Geschick (und ihrer Position als Priesterin) zu verdanken, dass die Einwohner nicht feindselig reagierten, sondern sich des Leichnams annahmen. Luo gab einige der in Mas Hütte gefundenen Münzen ab, damit ein Begräbnis organisiert werden konnte. Dann säuberten sich die drei und ruhten sich erst einmal aus. Besonders Ren schlief schlecht, verfolgten sie doch die Visionen des Geistes. Am nächsten Tag kontaktierten die drei ihren Auftraggeber. Yaogun Tran sah sich jedoch außerstande, schnelle Hilfe zu versprechen. Selbst in Zhoujiang war die „Aussage“ eines Geistes nicht ausreichend, um einen Beamten des Geisterministeriums festzusetzen.
Mehr und mehr kristallisierte sich der Verdacht heraus, dass Kong nicht versucht hatte, etwas gegen die Geister zu unternehmen, sondern eher an der jüngsten Zunahme der Geisterzwischenfälle Schuld trug. Zwar hatte es im Sumpf der 32.000 Lichter schon immer sporadisch Probleme gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Helden kamen überein, die in der Vision erschienen Orte aufzusuchen. Zuerst wollten sie die Schriftzeichen in Mas Schuppen unschädlich machen.
Deshalb eilten die Abenteurer am nächsten Tag zurück in den Sumpf – darauf bedacht, ihr Vorhaben vor Einbruch der Dunkelheit zu beenden. Während Ren und Hao die Schriftzeichen für spätere Recherchen kopierten, durchsuchte Luo noch einmal gründlich die Hütte. Er suchte Dinge, die Ma etwas bedeutet hatten, um sie ihm ins Jenseits nachzusenden. Er fand eine bessere Teeschale und einen Anhänger des Flussdelphins Iruka. Allerdings brauchten die Abenteurer mehr Zeit als sie gehofft hatten, so dass der Abend nicht mehr fern war.

Es war gut, dass Luo die Umgebung im Auge behielt, denn so bemerkte er rechtzeitig, dass sich mehrere Gestalten der Hütte näherten. Während er sich draußen versteckte, verbargen sich Hao und Ren im Schuppen. Beim Näherkommen entdeckten die Abenteurer, dass es sich bei einem der Näherkommenden um einen alten Feind handelte: Tang, den Räuberhauptmann, dem sie das Geisterhorn abgenommen hatten.
Während Hao einer Begegnung lieber aus dem Weg gegangen wäre, waren Luo und Ren auf Konfrontation aus – und so kam es zum Kampf. Die vier Bewaffneten erkannten im letzten Moment den drohenden Hinterhalt, doch Luo stieß dennoch in ihre Mitte vor und konnte Tang bereits zum Auftakt des Gefechts schwer treffen. Binnen kurzem eskalierte der Kampf – die meisten der Gegner konzentrierten sich auf Luo, der nur dank seines Waffengeschicks von schwereren Verletzungen verschont blieb, während Ren ihren „Höllenhund“ beschwor und in den Kampf hetzte. Hao und Ren jagten einen Feind schwer verletzt in die Flucht, während der Hund nacheinander zwei weitere schwer verwundete, die panisch um Gnade flehten. Inzwischen blutete auch Tang aus zahlreichen Wunden. Sowohl Ren als auch Luo versuchten vergeblich, ihn gefangen zu nehmen. Schließlich riss der Feuerhund Tang die Kehle heraus. Ren versuchte ihn zu stabilisieren, aber es war zu spät. Die Helden entwaffneten und fesselten die überlebenden Gegner. Es schien so, als ob Tang seit dem letzten Mal an Macht und Reichtum eingebüßt hatte, denn seine Ausrüstung war diesmal recht einfach, und verriet leider nichts über seinen Auftrag.
War dies ein Ausgang, den die Abenteurer etwas bedauerten, weil sie Tang gerne verhört hätten, so bekam der Kampf binnen kurzem eine beunruhigende Note. In der hereinbrechenden Dunkelheit zeichnete sich erneut der Schemen des rotgepanzerten Geistes ab, dem die drei in der Nacht zuvor begegnet waren. Bei Tangs Leichnam angelangt, tauchte er die geisterhafte Hand in das frische Blut des Toten, und schien mit einmal an Substanz zu gewinnen. Mit einem blitzschnellen Hieb seines Katanas enthauptete er den Varg und verschwand dann spurlos – mitsamt Tangs Schädels. Hao fragte sich beunruhigt, ob die Gefahr bestand, dass die aufgestörten Geister ihren uralten Krieg gegen Zhoujiang fortsetzen könnten.

Niemand wollte durch die Dunkelheit zurückmarschieren, und so verbrachten die Abenteurer und die Gefangenen die Nacht in der Hütte. Zuvor verbrannten die Abenteurer den Schuppen mit den Schriftzeichen, Tangs Leiche und Mas persönlichen Gegenständen.
Ein Gutes hatten die unheimlichen Ereignisse – die Gefangenen redeten überaus bereitwillig. Sie schoben alle Schuld auf Tang und Kong, vor denen sie beide Angst hatten. Von den Plänen ihrer Auftraggeber wussten sie indes nichts Genaues. Sie hatten als Muskeln fungiert und Kongs Forderungen Nachdruck verliehen. Tang und Kong waren vor gut anderthalb Wochen mit drei Rattlingen in den Sumpf gegangen, aber alleine zurückgekehrt. Die Abenteurer ahnten, dass es für die Nezumi kein gutes Ende genommen hatte. Die Handlanger hatten ihrerseits einen Kontaktmann der Rattlinge im Osten des Viertels getötet, wo Kang an dem Leichnam irgendein Ritual durchgeführt hatte. Sehr wahrscheinlich war dies der zweite Ort, zu dem die Vision des Geistes Ren rief. Tang hatte seinen Handlangern gedroht, dass „der Meister“ ihnen die Seele herausreißen und sie zu ewiger Knechtschaft verdammen würde, falls sie versagten oder redeten. Es blieb unklar, ob dieser ominöse „Meister“ Kong oder jemand anderes war. Die Abenteurer erinnerten sich, dass Tang schon bei ihrem letzten Zusammentreffen seinen Unterlingen mit einem mysteriösen Auftraggeber, dem „Bleichen“, gedroht hatte.
Kong war inzwischen seit gut 10 Tage nicht mehr aufgetaucht. Es stand zu befürchten, dass er sich aus Palitan abgesetzt hatte. Tang und seine Handlanger waren zurückgeblieben, um die Situation zu beobachten. Sie hatten erfahren, dass jemand herumschnüffelte, und als der Varg die Beschreibung der Suchenden hörte, war er außer sich geraten – zweifellos hatte er die Abenteurer wiedererkannt. Er hatte wohl geplant, sich mit seinen Handlangern bei Mas Hütte auf die Lauer zu legen und war dabei spektakulär gescheitert.

Am nächsten Morgen traten die Abenteurer mit ihren Gefangenen den Rückmarsch an. Sie übergaben die Handlanger an Yaogun Tran. Als nächstes planten sie, den Ort aufzusuchen, an dem der Nezumi-Kontaktmann ermordet worden war. Tran riet, unbedingt auch dem Geisterministerium zu berichten. Allerdings würde das eventuell zu Problemen führen, war Kong doch als Ministeriums-Angehöriger aufgetreten. Hatte er das Siegel und seine Papiere gefälscht? Ren war zudem entschlossen, auch den Schwertalben Bescheid zu geben. Luo musste seine vom Kampf lädierte Klinge reparieren. Alle drei blickten mit Sorge auf den morgigen Tag.

***

Während Hao mit einem Zauber Luos beschädigte Klinge ausbesserte, beschaffte sich Ren eine Schriftrolle, die ihr die Fähigkeit verleihen würde, mit Geistern zu kommunizieren. Dann machten sich die drei auf den Weg. Ihr Ziel am äußersten Rand der bewohnten Gebiete. Schlimmer noch – die Herbstregen der letzten Tage hatten den Wasserpegel steigen lassen. Die Abenteurer erkannten rasch, dass sie zu ihrem Ziel, einer maroden, auf hohen Stelzen stehende Hütte, nur schwimmenderreichen konnten. Bei dem Gedanken an mögliche Untiere oder die angeblich im Sumpf umgehenden Untoten sank allen dreien der Mut, aber sie sahen keine Alternative. So durchschwammen sie – im Falle Luos mit einigen Problemen – den Wasserlauf. In der Nähe der Hütte überkam sie wieder ein Gefühl der Bedrohung und Gefahr. Hao und Luo meinten zudem, in dem Gebäude Bewegungen zu hören. Sich Zugang zu verschaffen war schwierig, da die Leiter zu der Bodenluke entfernt worden war. Luo kletterte an den Stelzen empor. Als er durch ein Loch im Dach das Gebäude betrat, wurde er von einem grässlich aussehenden Untoten attackiert. Seine schnellen Reflexe und Klinge garantieren ihm jedoch einen raschen Sieg. Bei dem Wiedergänger handelte es sich wohl um den Kontaktmann der Nezumi. Wieder waren mit seinem Blut zahlreiche Schriftzeichen an die Wände gemalt worden, fast identisch mit jenen am anderen Ritualplatz. Wie dort wirkten sie klobiger als jene auf dem „Totenhorn“, das die Abenteurer einige Monate zuvor erbeutet hatten, was freilich auch an der Eile und dem wenig geeigneten „Schreibmaterial“ liegen mochte. Luo fand in einer Ecke einen Fetzen Papier, der wohl zu einer Vorlage für die Inschriften gehört hatte. Da es sich als sehr schwierig erweisen würde, die Leiche zu bergen, beschlossen die Abenteurer, die Leiche mit der Hütte (und den Inschriften) zu verbrennen. Durchnässt und verschmutzt, aber weitestgehend unversehrt erreichten die drei am Abend ihre Quartiere, entschlossen, am nächsten Tag den letzten, zentralen Ritualplatz zu finden.

 Diesmal nahmen die Abenteurer sicherheitshalber Proviant mit. Es wirkte grotesk, dass wenige Meilen außerhalb der zweitgrößten Metropole von ganz Lorakis eine Wildnis aus sich im Winde wiegenden Sumpfgräsern, Schilfhalmen und morastigem Wasser begann, durch die nur wenige befestigte Pfade führten. So manche Geschichte über Geister, aber auxh Monster aus grauer Vorzeit (oder Ausbrecher aus der Straße der Wunder oder der kaiserlichen Menagerien) und über mundane Gefahren wie Krokodile, Sumpflöcher und Krankheiten waren im Umlauf. Obgleich sich die Atmosphäre von dem „erwachten“, fremdartigen Kamioku-Wald bei Miari unterschied, war sie beunruhigend genug.
Es gelang Hao, die kleine Gruppe ohne unliebsamen Zwischenfall zu führen. Es fanden sich sogar Spuren von anderen Reisenden - vielleicht von Kong und seinen Begleitern? Gegen Mittag verstärkte sich bei Ren das Gefühl, dass sie dem Ort nahe war, den sie in der Geistervision gesehen hatte.
Das Ziel entpuppte sich als kleine Insel, mit einem Ring aus provisorischen Pfählen umgeben, an denen verwitterte Papierfetzen hingen – Schutzzeichen gegen Untote. Der Boden der Insel war aufgewühlt worden. Im Boden fanden sich Spuren alter Rüstungen, Knochenteile und ähnliches. Mehr als beunruhigend war, dass etliche der Knochen Bissspuren aufwiesen. Auch den erwarteten Ritualplatz fanden die Abenteurer rasch. Von den sehr wahrscheinlich dort ermordeten Nezumi waren nur noch Reste geblieben. Die Abenteurer mutmaßten, dass der Schutzring im Sumpf umgehende Ghule abhalten sollte, die sich an den Sumpfleichen vergriffen, und nach dem Nachlassen der Schutzzeichen die Nezumi-Kadaver weggeschleift oder an Ort und Stelle verschlungen hatten. Dies ließ es ratsam erscheinen, nicht zu lange vor Ort zu verweilen. Kong hatte den Ritualplatz mit hölzernen Tafeln versehen, deren Schriftzeichen denen in den Hütten ähnelten. Ren und Hao fertigten Abschriften an, und übergaben die Holztafeln anschließend den Flammen. In der Hoffnung, durch die Zerstörung der Ritualplätze die Geistergefahr gemindert zu haben, machten sich die drei eilig auf den Rückweg. Sie wollten keineswegs die Nacht an einem Ort verbringen, der von Leichenfressern als Futterplatz aufgesucht wurde. Tatsächlich schafften sie es unbehelligt zurück.

Nach ihrer Rückkehr erstatten die Abenteurer ihrem Auftraggeber Bericht, der sie für ihren Einsatz lobte. Auch die Familie Ka war zufrieden. Yaogun Tran verfasste zudem eine Nachricht an das Geisterministerium und lieferte die Kopien der Ritualschriften ab. Ren schickte zudem eigene Abschriften mit einer genauen Beschreibung der Ereignisse zu den Kaiserlichen nach Sentatau. Allerdings erschien fraglich, ob man dort an den fernen Ereignissen Interesse zeigen würde.
Ihre Erlebnisse waren für die Magierin ein Ansporn, sich mit Todesmagie zu beschäftigen, um bei künftigen Begegnungen mit Geistern besser vorbereitet zu sein.
Die Reaktion des Geisterministeriums wurde etwa eine Woche darauf von Tran übermittelt: bei Kong habe es sich keinesfalls um einen Angehörigen des Ministeriums gehandelt. Man vermutete, dass die gesteigerte Zahl an Geistern darauf zurückging, dass ein Ritual missglückt sei, oder er versucht habe die Neulandgewinnung zu stören – sprich, man verneinte jede Möglichkeit dass er weitreichende Ziele hatte. Die Abenteurer hatten da ihre Zweifel…
Ren ließ es sich nicht nehmen, auch Akira und die Kintai-Botschaft zu informieren, wo man die Nachricht höflich, aber zurückhaltend aufnahm. In den nächsten Tagen schickten auch die Kintari Leute aus, um die Toten beizusetzen. Dies ging freilich nicht ohne Meinungsverschiedenheiten mit dem Geisterministerium ab. Beide Seiten trauten sich offenbar nicht und unterstellten einander, unbequeme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren. Diese Rivalität heizte die Gerüchteküche an.
Die Zurückhaltung der Kintari lag vermutlich daran, dass die Toten gefallen waren, als sie Myurikos Willen zuwider handelten, was das Andenken mit einem gewissen Makel behaftete. Wie es hieß, hatten damals etliche Schwertalben Selbstmord begangen, um die Schande des Rückzugs oder ihr Handeln gegen Myurikos Willen zu sühnen. Die meisten Toten hatte man in die Heimat gebracht, doch offenkundig nicht alle. Diese alten Geschichten aufzuwärmen, rührte auf beiden Seiten der Grenze an alten Wunden, zumal Gerüchte nicht verstummen wollten, dass manche Schwertalben eine erneute Expansion gen Norden herbeisehnten. Wie die anderen Helden erfuhren, hatte auch Akiras Ahnin an früheren Vorstoß gen Palitan teilgenommen, ihn allerdings überlebt.
Dank der Warnung der Abenteurer gab bei den Untersuchungen und der Bergung der Leichenreste zwar einige Zusammenstöße mit den Guhlen, doch keine Toten.

Hao hingegen entschloss sich, auch „die große Yia“ zu informieren. Sie hoffte, dass diese die Familien der ermordeten Nezumi vom Schicksal ihrer Angehörigen in Kenntnis setzen würde. Luo begleitete sie als Rückendeckung. Mit etwas Mühe konnte die gnomische Unggoy-Priesterin in der Nudelküche Yias eine „Audienz“ mit der Geschäftsinhaberin erhalten. Yia, eine recht großgewachsene Nezumi mit braunem Fell und gelben Augen, angetan mit einer bestickten Seidenweste und einem Dschiahn, nahm die Informationen entgegen, ohne ihrerseits viel zu verraten. Wahrscheinlich wollte die Rattlingsfrau nicht verraten, inwieweit sie Kong geholfen hatte. Sie sagte aber zu, die Familien der Ermordeten zu informieren. Es blieb zu hoffen, dass sie ihre Augen aufhielt, sollte der Nekromant noch einmal in Palitan auftauchen.
Leider hatten die Abenteurer weder ermitteln können, was Kongs Motive waren, noch den mörderischen Geisterbeschwörer unschädlich machen können. Wie sich in den folgenden Tagen erwies, schien die Zerstörung der Ritualplätze zumindest die Angriffe der wütenden Geister beendet zu haben – doch wer wusste schon, welche Ränke der mysteriöse „Meister“ noch aushecken mochte…

***

Währenddessen waren die Recherchen im kaiserlichen Archiv weitergelaufen, nun zum „Kult des Strahlenden Schattens“. Sporadisch unterstützt von Ren und Hao konnte die Gelehrte Hira viele Informationen zusammentragen:
Der apokalyptische Kult war  schon vor dem Mondfall zerstört worden. Sein Credo hatte gelautet, dass Zerstörung nötig sei, um eine bessere Welt aufzubauen. Dies hatte den Sturz der Drachlinge und ihrer Götter beinhaltet, weshalb die Gruppierung ihre Anhängerschaft vor allem unter den „Sklavenrassen“ gefunden hatte. Sie war aber von den Dracuriern zerschlagen und ihre Artefakte zerstört oder versteckt worden. Die Kultisten hatten eine Gottheit oder ein Wesen namens Kari verehrt, die sie die „Wandelbare“, „Vielgesichtige“ oder „Verborgene“ nannten, und deren Zeichen ein achtzackiger schwarzer Stern war. Erst die Zerstörung der sie „bindenden Ketten“ könne eine bessere Welt erschaffen. Der Kult hatte auf irgendeinen Magnus Opus hingearbeitet, bei dem das Wüten von Dämonen wie Kokumo nur ein Aspekt gewesen wäre.
Sehr apokryphe Hinweise ließen es als möglich erscheinen, dass der Kult nicht vollkommen vernichtet worden war, doch jede Erwähnung lag dennoch viele Jahrhunderte zurück. Für das Endziel des Kultes hatte wohl ein Zeitrahmen bestanden, der mit „Sharzeris Passage“ zusammenhing – doch weder Hira noch die Abenteurer konnten mit dieser Bezeichnung etwas anfangen.
Die Helden entschlossen sich, die Informationen weiterzuleiten – Akira etwa an die Uome in Miari. Freilich war nicht auszuschließen, dass diese weit zurückliegenden Geschichten wenig dazu beitragen würde, um die Unterstützung für den „Tempel der tausend Tore“ zu verstärken. Die Helden begannen darüber nachzusinnen, ob sie nach Abschluss der Recherchen ihr Glück im „Gebirgskloster der eisernen Lotosblüte“ in den Türmen der Tengu, nordwestlich des Maishi-Sees versuchen sollten, auf den sie Akira hingewiesen hatte.
Zunächst aber wollten sie noch einigen eigenen Projekten nachgehen.
Als nächstes würde Hira in Haos Auftrag nach Informationen zur Kirche des Drachen und diesem inzwischen kaum noch verehrten Großen Tiergeist forschen, der einst für den „Tempel des tausend Tore“ eine zentrale Rolle gespielt hatte…

Offline Takur

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #35 am: 23.08.2024 | 07:15 »
Fremdeinwirkung
(Spoiler für Abenteueridee zur „Triade des Fließenden Steins“ aus dem Hintergrundband „Banden und Orden“)
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Akira, Takur)

Nach ihren jüngsten Abenteuern waren die Helden für eine kurze Verschnaufpause dankbar. Hao und Takur suchten und fanden einen Handwerker, der aus dem Wandelnden Holz, welches sie bei früheren Abenteuern erhalten hatten, einen Kampfstab (Hao) und eine Speerschleuder (Takur) herstellen sollte. Der Mann verstand sein Fach, war allerdings nicht billig, auch wenn Hao den Preis herunterhandeln konnte. Ren widmete sich nach ihren jüngsten Geisterbegegnungen dem Studium der Todesmagie. Luo suchte nach Trainingsmöglichkeiten für die anstehenden Palitaner Winterspiele. Auch Hao wollte mehr über die ebenso blutigen wie gewinnträchtigen Schaukämpfe erfahren, obwohl sie nicht plante, daran teilzunehmen. Akira war ebenfalls interessiert, hoffte er doch Geld oder wertvolle Waffen zu gewinnen, um seines Vaters Schwert aus dem Besitz des Waffenhändlers Zai Mou auslösen zu können. Zudem erfuhr er von einer weiteren Alternative, ein Austauschobjekt für das Schwert zu finden: Irgendwo im Unterlauf des Flusses Rauchende Seide, der bei Palitan ins Jadeband mündete, sollte die wertvolle Armbrust „Stürzender Stern“ liegen, die bei einer gescheiterten Jagd auf eine Drachenschildkröte verschollen war. Die Waffe zu finden und zu bergen, ohne die gigantische Bestie zu verärgern, klang freilich schwierig und riskant. Vielleicht waren die Winterspiele die bessere Alternative? Die Spiele zogen teilweise sehr zwielichtige Teilnehmende und Zuschauende und fanden traditionell in den Pfeilern Lun Kaos statt, einem aus Hausbooten und Gassen bestehenden, labyrinthartigen Viertel Palitans. Organisator der Spiele und Namensgeber des Viertels war der seit mehreren Jahrzehnten tote Geisteralb und Schmugglerkönig Lun Kao. Die Zweikämpfe waren für ihre Brutalität und Regellosigkeit berüchtigt. Manche aussichtsreiche Kandidaten wurden von Konkurrenten und deren Geldgebern angeblich schon vor den Wettkämpfen „aus dem Spiel genommen“. Andererseits winkten hohe Geldsummen und die Ausrüstung der Besiegten.

Zu denen, die bei den Winterspielen antreten wollten, gehörte sogar die angehende Fürstin Palitans, deren Amtseinführung vom Händlerrat verschleppt wurde. Die kaum 16 Jahre zählende Zo Zo, deren Mutter vor nicht allzu langer Zeit unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war, hatte bereits im letzten Jahr an den Kämpfen teilgenommen. Die junge Noch-nicht-Fürstin hatte allerdings zahlreiche Feinde. Da bei den Winterspielen allzu leicht „Unfälle“ passierten, ging sie allerdings ein sehr hohes Risiko ein.
Akiras Begegnung mit der angehenden Herrscherin der Spinnenprovinz verlief recht peinlich, da der Samurai sie beim Besuch einer Kampfschule ungewollt anrempelte. Zum Glück entwickelte sich daraus keine diplomatische Krise. Zo Zo schien vor allem daran interessiert, ihr Können zu verbessern und potentielle Gegner einzuschätzen. Ren und Luo gaben sich dieweil große Mühe, mithilfe ihrer Connections Kontakt zum Fürstenhof zu knüpfen.

Akira und Takur hatten allerdings neben der Vorbereitung auf die Winterspiele auch andere Verpflichtungen. Beide waren immer noch für den Waffenhändler Zai Mou tätig, in dessen Besitz sich das Schwert von Akiras Vater befand. Unterstützt von Hao halfen sie bei der Beseitigung der durch den Angriff der mit Zai Mou verfeindeten „Glutratten“ entstandenen Schäden und beim Schutz von Zai Mous Anwesen.   
Weniger erfolgreich war Akiras Versuch, das Vertrauen der Söldnerin Zhan Ke zu gewinnen. Er erhoffte sich immer noch Informationen über die Mörder seines Vaters, hatte Zhan Ke doch dessen Schwert an Zai Mou weiterverkauft. Vermutlich auch wegen den politischen, sozialen und kulturellen Differenzen schaffte es der junge Samurai, die sadische Kriegerin gründlich zu verärgern.

Dann machte die Nachricht von dem bevorstehenden Eintreffen einer kungaitanischen Gesandtschaft die Runde. Während Hao und Takur vor allem mit Neugier reagierten, witterte Akira politische Winkelzüge. Es war ein offenes Geheimnis, dass Kungaitan gegen Kintai und die Gottkönigin Myuriko intrigierte. Unter anderem waren die Helden auf ihrem Weg nach Palitan auf kungaitanische „Söldner“ und „Berater“ der neuen Triadenmachthaber gestoßen. Hao hielt Akira für paranoid, nahm sein Angebot einer Wette bezüglich der Intentionen der Gesandtschaft aber lieber nicht an. Um die Neuankömmlinge im Auge behalten zu können, investierte Akira Geld und Zeit, um an dem geplanten Empfang der High Society teilzunehmen.
Das am nächsten Tag einlaufende Schiff, war ein beeindruckender Anblick. Neben einer Reihe Geschützen führte es einen Mörser und einem Raketenwerfer, aus denen beim Einlaufen Salut geschossen wurde. Dass die über das Jadeband in Richtung Kintari-Grenze abgefeuerten Geschütze beim salutschießen nicht nur mit Pulver sondern auch mit Kugeln bestückt wurden, war wohl kaum ein Zufall…
Bei dem anschließenden Umzug wurden die die Gesandtschaft anführende Agomai-Priesterin Mon Wa-Tan und der Formgeber-Magier Bak Ho-Wen von einer Leibwache, einer Ehrengarde der hiesigen Garnison sowie einer ganzen Reihe der berühmten kungaitanischen Golems begleitet.
Bei dem folgenden Empfang versammelten sich die Spitzen der Gesellschaft Palitans, einschließlich der angehenden Fürstin. Akira konnte einen erneuten Fauxpas vermeiden, erfuhr allerdings nur wenig über die Motive der Kungaitanis. Er war sich aber weiterhin sicher, dass sie sich gegen seine Heimat richteten.
In den nächsten Tagen waren die Neuankömmlinge und ihre Kampfkonstrukte DAS Stadtgespräch. Die Formgeber und die Hohen Schwestern der Agomai wurden in der besseren Gesellschaft regelrecht herumgereicht. Offenbar machten besonders die Formgeber um Ho-Wen Werbung für den Kauf kungaitanischer Golems. Allerdings war die Idee nicht unumstritten: im Händlerrat von Palitan war man wegen den enormen Kosten uneins, die Söldneranführer der Triaden fürchteten um ihre lukrativen Verträge und manchem mochte ob der politischen Implikationen zögern, sich an die Handelsrepublik zu binden. Andererseits erschienen die Golems als eine Antwort auf Bedrohungen wie die Terrakottakrieger von General Wu.
Zai Mou als Kampfenthusiast wollte unbedingt einen Schaukampf arrangieren, und die Kungaitanis hofften wohl, auf diese Weise zögernde Käufer überzeugen. Das war eine Gelegenheit, die sich Akira nicht entgehen lassen konnte. Zutiefst misstrauisch gegenüber den Intentionen Kungaitans, hoffte er dessen Bestrebungen zu untergraben und gleichzeitig Ansehen zu gewinnen. Tatsächlich gelang es ihm, sich für den Schaukampf aufstellen zu lassen – vermutlich hofften die Kungaitani ihrerseits, mit einem Sieg gegen einen Schwertalben zu punkten.

Dementsprechend groß war das Interesse an dem Schaukampf – größer, als es Akira lieb war, der seine Chancen insgeheim eher skeptisch einschätzte. Unter den Zuschauenden fanden sich zahlreiche höherrangige Triadenmitglieder. Dank einiger Zauber Haos und Akiras ging der Samurai gut vorbereitet in den Kampf.
Akiras Gegner, ein Konstrukt in der Gestalt eines löwenähnlichen Ruishi-Wesens, wirkte sehr beeindruckend und wurde von Ho Wen als unermüdliche Kampfmaschine und tödlicher Kämpfer angepriesen.
Akira setzte bei dem Schlagabtausch auf seine überlegene Gewandtheit. Er eröffnete mit einem Sturmangriff. Dem schwerfälligeren Konstrukt gelang es nicht, den schnelleren Gegner zu fassen, während der Samurai den Golem mit einem Wirbel aus gut gezielten Treffern eindeckte. In weniger als einer Minute war alles vorbei: der Golem sackte in sich zusammen, sehr zur Frustration und Verärgerung seines Schöpfers.
Die Blamage der Kungaitani wurde gemildert, als die Hohe Schwester das Kampfrund betrat und den gefällten Golem mit einem simplen Handauflegen „wiederbelebte“. Dennoch hatten die Ambitionen der Kungaitani einen Dämpfer erfahren. Umso zufriedener war die Kintari-Botschafterin Suguri Jun. Auch Takur freute sich, hatte er doch einen satten Wettgewinn erzielt, den er an Akira und Hao weitergab. Akiras Ruf hatte sich weiter verbessert und falls er an den Winterspielen teilzunehmen beabsichtigte, würde man ihm vermutlich Chancen auf eine gute Platzierung einräumen. Angesichts der Tatsache, dass der Wettkampf nicht immer auf die Kampfplätze begrenzt blieb, war dies allerdings eine etwas zweifelhafte Ehre…

Einige Tage später erhielten die Helden eine Einladung von Tako Kun, einem höherrangigen Mitglied der Triade der „Roten Karpfen“. Akira hatte ihn bei einer der Abendgesellschaften des Waffenhändlers Zai Mou kennengelernt. Trotz des nicht ganz unkomplizierten Verhältnisses der Helden mit den Triaden im Allgemeinen und den „Roten Karpfen“ im Speziellen, hatten sie der Organisation bereits einige Dienst erwiesen. Zudem hatte Tako Kun bei dem Golem-Schaukampf auf Akira gesetzt und war ob seines Wettgewinnes recht positiv gestimmt. 
Bei einem guten Essen kam der jovial wirkende Tako Kun rasch zum Kern seines Ansinnens, das allerdings ernster Natur war und die Triadenpolitik berührte. Vor kurzem war Yong Wu, ein „Weiser“ der „Fließender Stein“-Triade gestorben. Dessen Sohn Yong Kwan (selbst kein Triadenmitglied) glaubte, dass bei dem Tod seines Vaters etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war und hatte sich an seinen Bekannten Tako Kun gewandt. Da dieser sich nicht persönlich in die Angelegenheit einer anderen Triade einmischen wollte, setzte er auf die Helden, zumal sie bei einigen Ermittlungen ihr Können bewiesen hatten. Die Abenteurer stimmten zu.

Am nächsten Tag suchten sie das Anwesen der Familie Yong auf. Es lag im Drachenmaul, dem Händler- und Hafenviertel von Palitan. Das Anwesen war recht groß und wirkte wohlhabend. Neben den Familienräumen beherbergte es den Kräuterladen des Verstorbenen und einen Kaligraphie-Laden, den Yong Kwan betrieb.
Yong Kwan wirkte überfordert und erschöpft. Der plötzliche Tod seines Vaters nahm ihn sichtlich mit, auch wenn ihr Verhältnis anscheinend nicht unkompliziert gewesen war. Beim Gespräch mit den Helden wurde klar, dass sein Vater aufgrund seines schwierigen Charakters viele Feinde gehabt hatte – sowohl innerhalb seiner Triade als auch außerhalb. Er hatte mit der Entscheidung der Triadenführerin My-Mei gehadert, verstärkt auf legale Geschäfte zu setzen. Doch abgesehen davon und der Tatsache, dass sein Vater sehr plötzlich verstorben war, hatte Jong Kwan nichts Handfestes vorzuweisen, um seinen Verdacht zu untermauern. Ein Heiler hatte bei einer Untersuchung des Verstorbenen kein Anzeichen für Fremdeinwirkung feststellen können. Yong Kwan hatte den Toten magisch konservieren lassen, um eine erneute Untersuchung zu ermöglichen.
Eine eingehende Untersuchung des Leichnams durch Hao bestätigte Yong Kwans Verdacht. Hao fand Hinweise auf ein – allerdings ihr unbekanntes – Atemgift. Daraufhin durchsuchten die Helden den Fundort der Leiche. Tatsächlich wurden sie in der Bibliothek des Hauses fündig: Sie entdeckten Reste einer Pflanze, die Hao mithilfe der Bücher des Toten als Rote Sumpfrose identifizierte. Aus dieser seltenen Pflanze wurde ein unauffällig wirkendes und tödliches Atemgift gewonnen.
Jemand hatte das Gift ungesehen in der Bibliothek appliziert und nach vollbrachter Tat den größten Teil wieder entfernt. Es war pures Glück, dass ein paar Blütenblätter zurückgeblieben und Takur aufgefallen waren. Das ließ vermuten, dass jemand im Haushalt der Täter war – oder zumindest relativ ungehinderten Zugang zum Anwesen hatte.
Leider war eine Suche der Helden nach Einbruchspuren nicht erfolgreich, denn die Helden stellten sich ungeschickt an und zerstörten ungewollt alle möglichen Spuren.
Yong Kwan war von der Nachricht, dass sich sein Verdacht bestätigt hatte, sichtlich getroffen. Eine eingehendere Befragung Kwans zu den übrigen Hausbewohnern ergab nicht viel: weder seinen Angehörigen noch den Bediensteten traute Yong Kwan einen Mord zu, auch wenn es Streit im Haushalt gegeben hatte. So hatte der Ermordete keine hohe Meinung von seinem Schwiegersohn gehabt (der nun die Geschäftsführung des Kräuterladens übernehmen würde) und die jüngere Tochter des Verstorbenen hatte gegen den von ihrem Vater für sie ausgewählten Ehemann-in-spe protestiert.
Takur und Hao machten sich daran, die für das Gift verwendete Rote Sumpfrose zu finden, in der Hoffnung, damit bei den anstehenden Befragungen potentielle Verdächtige zu verunsichern.

Am nächsten Tag begannen die Helden mit ihren Befragungen und konzentrierten sich dabei erst einmal auf die Bediensteten des Haushaltes. Sie wechselten sich ab: Akira kam zum Einsatz, wenn Druck gemacht werden sollte, während Hao eher die Verständnisvolle gab. Das Zusammenspiel funktionierte gut. Allerdings ergab die Befragung der Bediensteten keine Verdächtigen oder Mordmotive innerhalb des Haushaltes. Niemand reagierte auf die auffällig unauffällig platzierten Blätter der Roten Sumpfrose. Dafür stießen die Helden darauf, dass kurz vor der Tat ein Handwerker im Haus gewesen war, um einen Schaden am Dach zu reparieren. Weiteres Nachhaken enthüllte, dass dieser die Möglichkeit gehabt haben könnte, das Gift zu platzieren. Leider hatte war der Mann über einen Suchaufruf angeheuert worden, was wenig Anknüpfungspunkte zum Aufspüren bot.
Interessanterweise hatte nur wenige Tage zuvor die Zofe von Yong Kwans Schwester gegenüber einem freundlichen Lieferanten für das Kaligraphiegeschäft über die Abläufe im Haus geplaudert. Der Lieferant und der Handwerker hatten zwar unterschiedliche Gesichter gehabt, waren sich aber körperlich relativ ähnlich gewesen: Hatte da jemand mithilfe eines Tarnzaubers das Anwesen infiltriert?
Nachfragen bei dem Geschäft, aus dem das Papier gekommen war, bestärkten den Verdacht der Helden: der Anlieferer war eine Hilfskraft gewesen, die kurzfristig für einen erkrankten Angestellten eingesprungen war. Weiteres Herumfragen brachte die Helden zu dem „Erkrankten“, der nach mehr oder weniger freundlichem Zureden (und einem kleinen Handgeld) mit der Wahrheit herausrückte: Der angebliche „Bekannte“ hatte den Angestellten gezwungen, ihn bei dem Liefergang zum Yong-Anwesen einspringen zu lassen. Der Angestellte schlotterte immer noch vor dem Mann, der sehr schnell mit einer Klinge zur Hand gewesen war. Er lieferte eine (hoffentlich diesmal authentische) Beschreibung des vermutlichen Attentäters. Die Helden waren sich jetzt sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Bei dem Liefergang hatte der Mörder vermutlich die Yongs ausgekundschaftet und als „Handwerker“ dann entweder das Gift platziert oder einen späteren Einbruch zu diesem Zweck vorbereitet.

Allerdings waren die Nachforschungen der Helden nicht unbemerkt geblieben, denn Hao fielen etliche zwielichtige Gestalten mit Triaden-Tatoos auf, die ihnen folgten. Zur Rede gestellt, entpuppten sie sich als Handlanger der “Fließender Stein“-Triade. Die Männer traten konfrontativ auf und signalisierten, dass die Angelegenheit Sache der Triade sei. Gleichzeitig äußerten sie sich verächtlich über den Verstorbenen, obwohl dieser ein hohes Mitglied ihrer Organisation gewesen war. Dies bestärkte die Helden in dem Verdacht, dass das Motiv für den Mord an Yong Wu innerhalb der Reihen des „Fließenden Steins“ zu finden war, wenn auch der Täter vermutlich eine „externe Fachkraft“ gewesen sein dürfte.

Die Helden berieten sich mit Yong Kwan und dem Hausdiener (und altgedienten Triadenmitglied) Man Bo über das weitere Vorgehen. Sich in die Triadenpolitik einzumischen war heikel. Wer wusste schon, wie weit die Mordintrige gegen Yong Wu reichte? Akira und Takur waren als Ortsfremde unvertraut mit dem komplexen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen Palitans. Und Hao wollte weder sich, noch ihre Gefährten oder die Familie Yong in einen Triaden-Bandenkrieg verwickeln. Sie plädierte deshalb dafür, mit den Ergebnissen der Ermittlungen zu My-Mei zu gehen, der Anführerin des „Fließenden Steins“, Vorsitzenden des Handelsrat Palitans und Herrin des Kaiserlichen Archivs. Hao glaubte nicht, dass My-Mei hinter dem Mordkomplott steckte und wollte es ihr anheimstellen, wie die Sache geregelt werden sollte. Der Familie Yong würde es nichts helfen, wenn sie zwar Vergeltung für den Tod des Hausherren erfuhr, sich aber die mächtigste Person Palitans zum Feinde machte. Takur hatte zu der Sache keine besonders leidenschaftliche Haltung. Und Akira hatte zwar Bedenken, schloss sich aber Hao an. Gemeinsam konnten sie auch Yong Kwan überzeugen, der der Herrin des „Fließenden Steins“ nicht so recht traute.
Dank ihrer Triadenkontakte, ihres Rufs und der Verbindungen der Familie Yong konnten die Helden rasch eine Audienz erhalten. Die zierliche My-Mei mit ihren vier unheimlichen, praktisch identisch wirkenden Leibwächtern war eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie versprach, sich um die Angelegenheit zu kümmern und legte den Helden nahe, vorerst Schweigen zu bewahren, bei der Familie Yong zu bleiben und deren Schutz zu gewährleisten. Zumindest Takur hatte den Eindruck, dass sie mehr wusste, als sie preisgab.

Drei Tage später tauchte einer der hünenhaften Leibwächter My-Meis auf und forderte die Helden auf, mitzukommen – falls sie den Mörder von Yong Wu stellen wollten. Trotz einer gewissen Skepsis folgten die Helden der Aufforderung.
Ihr Weg führte sie in die Pfeiler Lu-Kaos, ein Labyrinth aus Gassen und Kanälen. Als Ziel erwies sich ein kleines Hausboot, in dem sich angeblich der Mörder Yong Wus versteckt hielt, ein Auftragsmörder namens Lo Gai. Zusammen mit dem Leibwächter und einem seiner Kollegen warteten die Helden bis es zur Dämmerung, dann näherten sie sich vorsichtig. Allerdings nicht vorsichtig genug, denn sie wurden bemerkt und der Bootbesitzer – ein Mann auf den die Beschreibung des Attentäters passte – griff sofort zur Waffe. Lo Gai erwies sich als fähiger und geschickter Kämpfer mit Wurfstern und Dschianh. Er konnte Akira eine heftige Wunde zufügen – zum Glück war der junge Schwertalb zu zäh für das Gift, mit dem Lo Gai seine Wurfsterne präpariert hatte. Gegen die zahlenmäßige Überlegenheit hatte der Attentäter letztlich keine Chance und ging schwer getroffen zu Boden. Haos Versuch, ihn zu stabilisieren, wurde von My-Meis Leibwächtern verhindert. Man bedeutete ihr, dass darauf keine Mühen verschwendet werden sollte. Die Helden fragten sich, ob My-Mei ein persönliches Interesse daran hatte, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren.
Eine Durchsuchung des Hausbootes bestätigte, dass die Helden an der richtigen Adresse waren: neben Waffen und etwas Geld fanden sie auch Reste des Atemgiftes, das Yong Wu das Leben gekostet hatte. Hao entdeckte zudem Aufzeichnungen des Mörders, die sie vor My-Meis Leibwächter verborgen hielt. Sie wollte die Schriftstücke erst einmal sichten, bevor sie über das weitere Vorgehen entschied.
Die Beute teilten die Helden untereinander auf, wobei ein Gutteil an ihre Gefährten Luo und Ren ging, die zwar bei dem Abenteuer nicht dabei gewesen waren, aber mit den Waffen und Einbruchswerkzeugen mehr anfangen konnten.

Die verschlüsselten Aufzeichnungen des Meuchelmörders zu entziffern, dauerte eine Weile. Dann jedoch enthüllten sie Informationen über frühere Aufträge des Meuchelmörders sowie die Tatsache, dass er gelegentlich auf Auftragsbasis für die „Fließender Stein“-Triade gearbeitet hatte. Auch der Mord an Yong Wu war ein solcher Auftrag gewesen – bezahlt von einer höheren Triaden-Offizierin namens Tong Mi.
Die Helden diskutierten, wie sie mit dieser Information verfahren sollten. Sie an My-Mei weiterzugeben, würde vermutlich bedeuten, dass die Sache unter der Hand geregelt werden würde. My-Mei würde derart schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen wollen. Yong Kwan in Kenntnis zu setzen, könnte ihn leicht zu einem Ziel machen. Andererseits fehlten den Helden die Interna (und der Wille) sich selber in die Triadenpolitik einzumischen oder die Konkurrenz von My-Mei einzuspannen. Letztendlich entschieden die Helden, die Sache My-Mei zu überlassen. Das mochte Yon Kwan nicht den Abschluss bringen, den er erhofft hatte, verhinderte aber, dass seine Familie in einen Triaden-Bürgerkrieg verwickelt wurde, der sicherlich viele Unbeteiligte verletzen oder töten würde. Eine weitere Audienz bei My-Mei und deren „höfliches Drängen“, die Angelegenheit unter Verschluss zu halten, überzeugten die Helden. So hatten sie zwar jetzt einen Gefallen bei My-Mei offen, aber besonders Akira verspürte Gewissensbisse. Einmal mehr haderte er mit den Intrigen und undurchsichtigen Machtstrukturen im vom Bürgerkrieg zerrütteten Zhoujiangs, die so gar nicht den Kintari-Idealen von Ehre, Hierarchie und Gesetz entsprachen. Zugleich behielt er jedoch auch andere Dinge im Blick – etwa die Aktivitäten der kürzlich eingetroffenen Kungaitani. Deren Bemühungen, Golems an die Triaden zu verkaufen, hatten dank Akira zwar einen  Dämpfer erlitten, aber letztlich arrangierte sich der Händlerrat mit der fernen Republik – wenn auch (noch) nicht in dem Ausmaß wie es die Gesandtschaft vermutlich erhofft hatte. Es blieb abzuwarten, wie sich das Verhältnis in den kommenden Monaten entwickeln würde.

***

Nach einigem Zögern entschloss sich Akira, die Söldnerin Zhan Ke direkt zu konfrontieren, um endlich herauszufinden, wie sie das Schwert von Akiras Vater erworben hatte und was sie über seinen Tod durch die Hände sadischer Rebellen wusste. Er bot ihr 30 Lunare für ihre Auskünfte. Ob nun seine Worte oder das Geld Zhan Ke überzeugten, die junge Kriegerin war endlich bereit Auskunft zu geben – nachdem sie Akira gehörig die Meinung gesagt hatte. Für Zhan Ke verkörperte der junge Schwertalb die Arroganz, Rücksichtslosigkeit und Überheblichkeit der Kintari-Oberschicht.
Wie Akira erfuhr, gehörte Zhan Ke dem albischen Adel der sadischen Nebelküste an. Ihre Vorfahren waren einst vor den Heerscharen Myurikos nach Sadu geflohen. Die Familie hatte in der Kleinstadt Hango gelebt, die einem brutalen Angriff der berüchtigten Wokou-Piraten zum Opfer gefallen war. Mehrere von Zhan Kes Angehörigen hatten den Angriff nicht überlebt. Zhan Ke war sich sicher (ohne freilich Beweise zu haben), dass die Piraten von kintarischen Hintermännern bezahlt worden waren.
Rachesuchend hatte Zhan Ke sich der Guerillabande von Mang Pok, einem albischen Kampfkunstmeister angeschlossen. Die Bande operierte die entlang des Kabila und unternahm Angriffe auf das Gebiet von Kintai. Angeblich hatte die etwa 20 Köpfe zählende Gruppe Kontakte zu den geheimnisvollen Gojoshu, einem der Gagamba-Kirche nahestehenden Kult von Attentätern und Spionen. Dank deren Informationen waren die Guerillas unter anderem in der Lage gewesen, den von Akiras Vater geführten Streiftrupp in einen Hinterhalt zu locken. Ob Zhan Ke selber bei dem Angriff dabei gewesen war, der Akira schwer verwundete und seinem Vater das Leben kostete, wollte sie nicht sagen. Akira bohrte lieber nicht nach, hätte er sich doch in dem Fall genötigt gefühlt, die junge Kriegerin zum Zweikampf zu fordern.
Zunehmend an der Sinnhaftigkeit des Kampfes gegen das übermächtige Kintai und an den brutalen Methoden ihrer Kameraden zweifelnd, war Zhan Ke eines Tages desertiert. Als „Startkapital“ für ihr neues Leben hatte sie ihrem Anführer das kostbare Schwert gestohlen, welches dieser als Andenken an seinen Sieg über Akiras Vater behalten hatte. Zha Ke war sich sicher, dass sie nur der Tod erwartete, sollte sie jemals wieder ihren alten Kameraden gegenübertreten.
Mehr als ein paar eher allgemeine Angaben über das Operationsgebiet ihrer alten Bande konnte oder wollte sie nicht preisgeben. Und von den schattenhaften Hintermännern der Bande, den Gojoshu, wusste Zhan Ke noch weniger. Was sie wusste war, dass niemand, der sich in feindseliger Absicht dem „Berg der 77.000 Augen“ näherte, dem kultischen Zentrum der rätselhaften Organisation, je zurückgekehrt war.
Akira zahlte Zhan Ke die versprochene Belohnung und beide schieden nicht gerade in Freundschaft voneinander. Vermutlich hofften sie, einander nicht noch einmal über den Weg zu laufen…
« Letzte Änderung: 23.08.2024 | 07:31 von Takur »

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #36 am: 19.09.2024 | 11:07 »
Der Schatten von Palitan (Spoiler für „Der Schatten von Palitan“ aus Anthologie „Zwischen den Welten“)
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Akira, Takur, Luo, Ren)

Die Abenteurer – jene, die Lesen und Schreiben konnten – unterstützten weiterhin die Recherchen in den kaiserlichen Archiven. Hao nutzte eine zeitweilige Unterbrechung der Nachforschungen für einen Ausflug jenseits der Stadtgrenzen. Der lange Aufenthalt an einem Ort und die mühseligen Recherchen zehrten an der unsteten Unggoy-Priesterin, und sie wollte ihrem Zhu-Schreiter etwas Auslauf gönnen. Akira, Takur und Luo trainierten derweil für die nahenden Winterspiele.

Es war der aufmerksame Jaguarkrieger, der eines Tages das untrügliche, wenn auch vage Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Er konnte jedoch nicht herausfinden, wer ihn beobachtete. Auch im Gasthaus hatte er immer wieder das Gefühl angestarrt zu werden. Er begann sich zu fragen, ob er unter Verfolgungswahn leiden würde, doch am nächsten Tag fand er die Tür seines Zimmers offen. Glücklicherweise war nichts gestohlen worden.
Der Jaguarkrieger benachrichtigte seine Gefährten. Ren und Luo begleiteten Takur bei seinem nächsten Gang zu seinem Waffentraining, konnten den Verfolger jedoch nicht ausmachen, obwohl sie ebenfalls das gefühl hatten, beobachtet zu werden. Überzeugt, dass der oder die Unbekannte sich magisch tarnten, besorgte Ren zwei Schriftrollen „Wahrer Blick“ – doch auch dieser Versuch scheiterte. Die drei beschlossen, in ihren Zimmern Fallen aufzustellen: Stolperdrähte mit Glöckchen, Mehl auf dem Fußboden bzw. in Luos Zimmer eine Tasse mit Mehl auf dem Türsturz. Letztere weckte des Nachts den Schlafenden, doch wieder gelang es dem Unbekannten zu entwischen. Als sich die drei frustrierten Abenteurer austauschten, stellten Ren und Takur fest, dass sie denselben Traum geteilt hatten: Ein Schatten hatte eindringlich auf sie eingeredet, doch was er gesagt hatte, entzog sich auf rätselhafte Art und Weise ihren Erinnerungen. Nur ein Name war ihnen im Gedächtnis geblieben: Ying Wa. Ren erinnerte sich, dass sie den Namen schon einmal gehört hatte. Es war der Straßenname eines Meisterdiebes, der vor 80 Jahren eine kurze aber eindrucksvolle Reihe von Diebstählen durchgeführt hatte. Dieser „Schatten von Palitan“ war niemals gefasst worden, wiewohl es einen Verdächtigen gegeben hatte.

Verstärkt um Akira, setzten die Abenteurer ihre Nachforschungen fort. Dank Luos Informantennetz fanden sie heraus, dass der „Schatten“ keiner Triade zugeordnet worden war. Nur ein Teil seiner Beute war über Hehler veräußert worden – hatte er eventuell für geheime Auftraggeber gearbeitet? Zudem wandten sich die Helden an das Kaiserliche Archiv. Es erwies sich als glücklicher Umstand, dass die Gruppe mit dem Archiv bereits gut vertraut war. Gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ erhielten sie die Erlaubnis, die Akten zu den Diebstählen einzusehen – die allerdings vor einigen Wochen von einem Fremden eingesehen und beschädigt worden war. Glücklicherweise konnte Ren ihren Status und Charme nutzen und dem Restaurator über die Schulter schauen. So erfuhr sie den Namen und Wohnsitz des Verdächtigen – eines Menschen namens Tanju Zhuang – was wohl ausschloss, dass es sich bei der schemenhaften Traumgestalt um den ursprünglichen „Schatten“ handelte. Dieser war damals von seinem Nachbar Tao Meng angezeigt worden. Allerdings hatte man keinerlei Spur von der Beute gefunden. Zhuangs Familie hatte nie wieder etwas von ihm gehört.

Die Abenteurer stöberten den alten Wohnsitz von Tanju Zhuang auf. Das Haus schien seit Jahren verlassen. Allerdings hatte kürzlich jemand die Tür aufgebrochen. Die Abenteurer nutzen die günstige Gelegenheit, um sich drinnen umzusehen. Das Haus war nahezu leer, allerdings zeichneten sich im Staub Spuren eines Menschen oder Alben ab.
Im Ersten Stock fand sich ein Sessel mit einem gruseligen Inhalt: ein Skelett, dessen Kleidung schon lange zerfallen war. Wie der natur- und heilkundige Takur feststellte, war der Leichnam Jahrzehnte alt, und befand sich etwa seit der Zeit des Verschwindens des „Schatten“ hier. Die Abenteurer durchsuchten noch einmal das ganze Haus, fanden aber nur ein angelaufenes Silbermesser. Zudem konnten sie auch Spuren eines Kindes ausfindig machen, das sehr wahrscheinlich durch ein Fenster eingebrochen war. Fragen auf der Straße lösten dieses Rätsel. Es handelte sich um eine Mutprobe, bei der das „schuldige“ Mädchen einen Mordsschrecken erlebt hatte, als sie das Skelett fand. Zu seinen Füßen hatte sie einen Mantel aus schwarzen Rabenfedern gesehen, der nun nicht mehr da war. Die Abenteurer vermuteten, dass es sich um ein magisches Artefakt handelte, welches dem „Schatten“ seine Raubzüge ermöglicht und inzwischen einen neuen Besitzer gefunden hatte.

Ren wollte nach Einbruch der Dunkelheit eine Geisterbeschwörung durchführen. Sie war begierig, ihre neu erworbenen Fähigkeiten und Zaubersprüche im Bereich der Todesmagie auszuprobieren. Bis zur Dunkelheit wollten die Helden noch etwas herumfragen. Sie fanden heraus, dass die Familie Tao immer noch direkt neben dem verlassenen Haus wohnte. Es handelte sich um Gnome, und so war es nicht unwahrscheinlich, dass der Denunziant Meng noch lebte. Die Abenteurer sprachen bei der Familie vor, doch war Meng momentan nicht anwesend.
Rens Geisterbeschwörung verlief erfolglos, obwohl die Abenteurer erneut die Gegenwart des ungesehenen Beobachters spürten. Sie versuchten ihn zu verstehen, doch waren seine schemenhaften Hilferufe unverständlich. Schließlich gelang eine Kommunikation mithilfe von in den Staub geschriebenen Botschaften: der Unbekannte wollte, dass sie ihm folgten. Es fiel schwer, sich auf die Spuren des Unsichtbaren zu fokussieren, aber die Abenteurer konnten ihm ins Haus der Taos folgen. Dort entdeckten sie einen älteren, der leblos am Boden liegenden Gnom. Ren konnte ihn stabilisieren und mit Takurs Unterstützung diagnostizieren und behandeln. Offenbar wäre er beinahe einem Herzanfall zum Opfer gefallen. Die Abenteurer beruhigten die ob ihres Eindringens und mehr noch über den Zustand des Alten bestürzte Familie. Bei dem Geretteten handelte es sich tatsächlich um den Denunzianten Tao Meng. Sobald es ihm besser ging, war er bereit, mit der Gruppe zu reden.
Er erinnerte sich noch gut an Tanju Zhuang. Dieser war ein junger Landarbeiter gewesen, bevor er in die Stadt zog und sich dort in einer Brauerei versuchte. Sie lernten sich kennen, weil Zhuang sich für Magie interessierte, und Meng einige Bücher zu dem Thema besaß. Doch nachdem Mengs Bekannter angelegentlich Karawanen begleitet hatte, die über die Seidenstraße nach Sarnburg und zurück reisten, hatte er sich verändert. Er gab seine Arbeit auf und zog sich zurück. Er wurde blasser, begann zu husten, lief nachts ruhelos in seinem Haus hin und her, ungeachtet des Wetters immer in einen schwarzen Mantel gehüllt. Eines Tages kam er verstohlen zu seinem Nachbarn und bestürmte diesen mit der Frage, ob er ihn sehen könne. Er sagte, ein gewisser Sho habe ihn in die Enge getrieben. Meng verließ kurz das Zimmer, doch als er zurückkehrte, was sein Bekannter spurlos verschwunden. Dies war kurz vor dem Zeitpunkt gewesen, als er ihn als möglichen „Schatten“ bei der Stadtgarde gemeldet hatte. Die Abenteurer vermuteten, dass Sho ein Feenwesen war, das einen der doppelzüngigen Pakte mit Tanju Zhuang abgeschlossen hatte.
Meng hatte lange Zeit nichts mehr von dem Verschwundenen gehört, doch letzte Nacht hatte er gemeint, ihn wieder gehüllt in seinen unheimlichen Federmantel vor sich zu sehen, was ihm einen beinahe tödlichen Schrecken einjagte. Die Abenteurer beruhigten Meng, dass dies nicht der Fall sein dürfte, verschwiegen aber, dass vielleicht ein anderer die Nachfolge von Tanju Zhuang angetreten hatte. Zudem erzählte Meng, dass vor einem Monat ein ausländischer Alb namens Gerion Fragen zu dem Verschwundenen gestellt hatte. Der Ausländer war im „Haus des Sommers“ untergekommen. Damit war der nächste Schritt der Abenteurer klar.

Es war nicht schwer, das Gasthaus „Haus des Sommers“ zu finden. Auffällig war, dass es einen recht neuen Schrein aufwies, der einen „Geist“ besänftigen sollte, der seit einigen Wochen umging. Die Abenteurer dachten sich ihren Teil dabei. Gerion war natürlich nicht zu finden, aber er hatte sein Zimmer einige Zeit im Voraus bezahlt. Der Wirt ließ sich überzeugen, den Abenteurern Zutritt zu gewähren. Die Suche förderte ein in Selenisch verfasstes Notizbuch zutage. Da die Abenteurer etliche Wochen zuvor einem selenischen Händler aus der Patsche geholfen hatten, war es nicht schwer, eine Übersetzung zu erhalten. Die Aufzeichnungen berichteten von der Suche Gerions – einem Magier des Zirkels der Zinne – nach dem „Rabenmantel“. Gerion hatte auf der Seidenstraße die Spur des Artefakts aufgenommen, als er mit Okanami sprach, einem alten Tengu, der gute Beziehungen zu der Wirtsfamilie im Kirschblütenhaus hatte. Dieses auf dem Feenpfad errichtete Gasthaus lag einen Tagesmarsch vom Drachentor in Palitan entfernt. Das Notizbuch gab Okanamis Bericht von der grausigen Herkunft des Mantels wider. Ein mächtiges Feenwesen namens Sho hatte einst Freundschaft mit den Tengu gepflegt. Doch Sho war voller Falschheit und ermordet eines Tages einen Tengu, der ihn für einen Freund gehalten hatte, und fertigte aus seinem Federn den Tarnmantel. Laut dem Tagebuch war Sho auch in jüngerer Zeit sporadisch auf beim Kirschblütenhaus aufgetaucht.
Gerion hatte den Rabenmantel in Palitan gefunden, törichterweise ausprobiert und konnte sich nicht mehr von ihm befreien. Die letzten Eintragungen waren voller Panik. Die Abenteurer nahmen wahr, dass Gerion anwesend war, doch mit ihm zu kommunizieren blieb schwierig.

Nachforschungen bei der Portalgilde erbrachten keine Neuigkeiten zu Sho, während Okanami als verlässlich bekannt war. Seit vielen Jahren besuchte er das Kirschblütenhaus und belieferte es mit Wasser und anderem Bedarfsgut.
Die Abenteurer wollten Gerion gerne helfen, doch das hieß, dass sie den Mondpfad betreten mussten. Die Seidenstraße galt als sicher, weil ihr Hüter ein Freund der Sterblichen war.
Die Helden wagten allerdings nicht, auf die nächste reguläre Öffnung zu warten, denn es war denkbar, dass Gerion bald gänzlich dahinschwinden würde. Sie luden den Unsichtbaren dazu ein, sie zu begleiten, heuerten einen Wegbegleiter der Portalgilde an und betraten den Pfad. Sie konnten den Wegepreis etwas reduzieren, indem sie sich als Lastenträger für eine Lieferung von Lebensmitteln in das Kirschblütenhaus anboten.
Die Landschaft unterschied sich zunächst nicht sehr von Zhoujiang, doch hatten Jahreszeiten in der Feenwelt keine Bedeutung. Schemenhaft waren in der scheinbar idyllischen Szenerie verschiedene Wesen zu sehen, doch die Abenteurer hielten sich an die Warnung, den Weg nicht zu verlassen. So erreichten sie ohne Zwischenfälle das Kirschblütenhaus, das im Moment – zwischen den Öffnungsphasen – nur spärlich bevölkert war. Neben einem älteren Zwergen waren da ein Tengu, ein Hobgoblin, ein Trio selenischer Söldner (ein Alb, ein Mensch und ein Zwerg) sowie ein beunruhigend aussehendes Feenwesen, dessen Gesicht wie der blanke Schädel eines großen Vogels wirkte (den er offenbar wie eine Maske oder Helm trug). Dazu kam die gnomische Wirtsfamilie. Der Wirtshauskomplex bestand aus dem Haupthaus und einem kleine Teehaus.

Es stellte sich rasch heraus, dass die Abenteurer Glück hatten. Bei dem Tengu handelte es sich um Okanami. Er war freilich nicht in der Lage, Gerion vom Mantel und dessen „Nebenwirkungen“ zu befreien. Wie der Tengu erzählte, hatte Sho den Mantel geschaffen, um ungesehen vom Hüter des Pfades Jagd auf Sterbliche zu machen. Seinen Opfern raubte er Erinnerungen, Lebenskraft und Bewusstsein. War das schon beunruhigend genug, wies der Tengu darauf hin, dass das Feenwesen mit dem Vogelschädel tatsächlich Sho sei. Er trug offenbar immer noch den Schädel seines Opfers. Okanami wagte nicht, den angeblich unsterblichen Gegner anzugreifen, auch wenn er ihn abgrundtief verabscheute.
Die Abenteurer hörten sich vorsichtig unter den Gästen und bei den Wirten um. Stück für Stück konnte Ren mithilfe ihrer arkanen Kenntnisse und einigen Andeutungen Okanamis schlussfolgern, dass Sho ein Ritual vorbereitete, um wieder ungestört Sterbliche jagen zu können. Dass er dafür vermutlich seine Unverwundbarkeit aufgeben musste, schien selbst für eine so niederträchtige Kreatur wie Sho ein extremer Schritt. Die Abenteurer sondierten nach Unterstützung, und sowohl ihr Mondpfadkundiger als auch Leto, der zwergische Teeliebhaber, waren bereit sie zu unterstützen. Der Zwerg stammte aus dem kintaiischen Atasato, hatte beim Ausbruch des zhoujiangischen Bürgerkriegs in den Diensten der Kaiserlichen gestanden und bei der Schlacht von Inani gegen Wus Meuterer gefochten. Die Söldner hingegen waren an einer Neuanstellung nicht interessiert. Sie planten, nach Selenia zurückzukehren. Der Hobgoblin Brux machte keinen vertrauenswürdigen Eindruck und war wegen seiner schlechten Manieren auch den Gastwirten suspekt. Die Abenteurer entsannen sich allerdings, dass man Hobgoblins zum Dienst zwingen konnte, wenn man ihnen etwas Persönliches stahl…
Alle vier waren sich unsicher, ob sie selbst mit Verbündeten Sho besiegen konnten. Zunächst blieb ihnen nur, ihren Feind zu beobachten – doch würde dieser nicht misstrauisch werden? Konnte er sehen, dass Gerion in seinem alten Mantel anwesend war, ahnte er, dass die Abenteurer ihm Übles wollten? Und wie weit konnten sie Okanami vertrauen?

Die Abenteurer entschlossen sich, den Hobgoblin Brux zu zwangsrekrutieren (wenn auch mit schlechtem Gewissen). Dies gelang, indem Luo sich in dessen Zimmer stahl und sein Messer und Trinkgefäß entwendete. Brux konnte ihnen einige Hinweise geben und versprach sie zu unterstützen, wenn sie ihn dafür nach einem Kampf mit Sho freigaben. Versuche, Okanami als Mitstreiter zu gewinnen, scheiterten.
Um den Herren des Rabenmantels aus der Reserve zu locken, brachen die Abenteurer scheinbar gemeinsam mit den selenischen Söldner gen Sarnburg auf. Brux blieb zurück mit der Anweisung, Sho im Auge zu behalten. Sie hofften, er würde tätig werden, sobald die potentiellen Störenfriede aus dem Weg waren. Ein gutes Stück jenseits des Kirschblütenhaus trennten sie sich von den Söldnern und verbargen sich in der Wildnis neben dem Pfad. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass Sho beschattet von Brux in großer Eile den Söldnern folgte, und nach einem kurzen Gespräch mit den Seleniern mit der Suche nach den Abenteurern begann. Sie entgingen ihm jedoch und folgten ihm heimlich zum Kirschblütenhaus zurück. Dort traf noch am selben Tag eine weitere Reisegesellschaft ein: zwei Kutschen und insgesamt zehn Personen (einschließlich Leibwächtern, Kutschern und Bediensteten). Wie sich später herausstellte, handelte es sich um eine Hochzeitgesellschaft. Die Abenteurer blieben dem Gebäude fern, nur Luo schlich sich magisch getarnt vor, um zu lauschen. Viel erfuhr er jedoch nicht.

Die Nacht war schon fortgeschritten, als Geschrei laut wurde. Kurz darauf verließ Sho in großer Eile das Gasthaus, in geringem Abstand gefolgt von einer Frau. Die Abenteurer schlossen zu dem „Paar“ auf, als die Lage eskalierte. In sicherer Entfernung vom Pfad und damit nicht an den Wegfrieden gebunden, stellte sich Sho seiner Verfolgerin und zeigte seine wahre Gestalt: ein geflügeltes, doppelt mannsgroßes Monstrum mit gefährlichen Klauen. Die Abenteurer brachten es nicht über sich, die Frau ihrem Schicksal zu überlassen und griffen wider besseres Wissen ein. Bis auf Brux gelang es ihnen sogar, ihre Herzen gegen den schreckenerregenden Anblick zu stählen.
Rasch stellte sich heraus, welch ein gefährlicher Gegner das Feenwesen war. Mörderische Treffer von Akira und Takur richteten keinen Schaden an. Er war jedoch verwundbar gegen Magie, so dass Ren und der von ihr beschworene „Höllenhund“ Schaden anrichteten. Auch ein Stoßgebet Akiras an den Himmlischen Kranich wurde mit einem Blitzschlag belohnt, der das Feenwesen verletzte. Vor allem aber gelang es Luos vor Jahrhunderten in einer mysteriösen Meisterschmiede geschaffenen Klinge, Sho zu verletzen. So musste Sho, auch noch von mehreren Feuerzaubern Rens in Brand gesetzt, schwer verletzt fliehen.

Die Niederlage schwächte Sho, sodass kurzzeitig die Macht des Mantels gebrochen wurde –Gerion konnte den verfluchten Mantel von sich schleudern. Die Abenteurer und ihre Begleiter zerstörten den Rabenmantel und traten eiligst den Rückzug zum Gasthaus an. Dort erfuhren sie, dass Sho den Eindruck erweckt hatte, die Hochzeitsgesellschaft bestohlen zu haben. Verfolgt von einer Leibwächterin war er geflohen – offenbar in der Absicht, sie vom Schutz des Pfades wegzulocken. Es war anzunehmen, dass er sie als Opfer verschleppen wollte. Da es den Abenteurern nicht gelungen war, Sho dauerhaft zu besiegen, brachen sie so schnell wie möglich nach Palitan auf.
In den folgenden Wochen erfuhren sie von der Portalgilde, dass Sho in den Tiefen der Feenwelten verschwunden war. Der Verlust des Feenmantels und seine Niederlage hatten die Tengu ermutigt, ihm die Rechnung für seinen Verrat zu präsentieren. Es blieb zu hoffen, dass er zumindest für den Moment keine Gefahr darstellte. Dennoch wussten die Abenteurer, dass sie sich einen neuen Feind gemacht hatten.
Für den Moment freilich hatten die Gefährten gesiegt. Sie erhielten von Gerion eine Belohnung. Die kurz darauf von ihrem Ausflug ins Umland zurückgekehrte Hao bedauerte es sehr, die Reise auf dem Mondpfad verpasst zu haben.
Luo durchsuchte noch einmal das Haus des „Schattens von Palitan“. Er hoffte, dass die Beute des Diebs noch irgendwo verborgen war. Zu seiner großen Enttäuschung fand er jedoch nichts.
Alles in allem konnten die Abenteurer zufrieden sein, denn die Geschichte hätte viel schlimmer ausgehen können. Gerion gerettet und Sho zumindest geschwächt zu haben, war ein stolzes Ergebnis.

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Re: [Splittermond] Abenteuer in Takasadu
« Antwort #37 am: 18.10.2024 | 19:06 »
Ungewollt
Palitan, Spinnenprovinz, Zhoujiang (Hao, Luo, Ren)

Nach den Ereignissen um den Rabenmantel und den „Schatten von Palitan“ blieb der selenische Magier Gerion noch einige Zeit in der Stadt, um sich zu erholen. Ren nutzte die Gelegenheit, um sich mit dem Artefaktspezialisten auszutauschen. Sie informierte die Stadtgarde und das Kaiserliche Archiv über die Aufklärung des Mysteriums um den legendären Meisterdieb. Nach so langer Zeit brachte ihr dies aber nur ein paar lobende Worte ein.
Hao bedauerte, den Ausflug auf der Seidenstraße verpasst zu haben. Akira war in den nächsten Tagen häufig in der Botschaft seines Landes zu finden. Botschafterin Suguri hatte etliche Aufgaben für ihn. Der Jaguarkrieger Takur trainierte für die Winterspiele, wobei er sich mit einigen anderen Kämpfern zusammengetan hatte, die gemeinsam übten.

Natürlich blieb auch die große Politik nicht stehen. So dauerten die Streitigkeiten wegen der Lieferung der bei Privatleuten und Beamten beliebten, nur in der Spinnenprovinz gefertigten Geisterseide an: General Wu und Prinzessin Yi weigerten sich, die von den Triaden geforderten Preise zu zahlen, und beharrten auf den ihnen angeblich zustehenden Lieferungen. Die Triaden ihrerseits wollten sich weder mit Versprechen abspeisen lassen, noch einem der Rivalen den Vorzug geben.
Es war Wu, der in der verfahrenen Situation eine Entscheidung traf: Gegen Jahresende begannen Flugschriften mit seinem Namen in Palitan zu zirkulieren. Der Erlass verkündete, nicht hinnehmen zu wollen, dass „Verbrecher und Rebellen“ die Traditionen und Bräuche des Reiches in eine Waffe verwandelten, und ihr Treiben aus der Arbeit aufrechter Untertanen finanzierten. Fürderhin sollte die Kleiderordnung der Beamten deshalb neu geregelt werden. Das Tragen von Dienstgewändern aus Geisterseide wurde untersagt, außer wenn diese als besondere Belohnung vergeben würden. Magistrate und Mandarine sollten Gewänder aus normaler Seide tragen, Inspektoren und Sekretäre hingegen solche aus Baumwolle, Wolle und Leinen. Privatleute durften weiterhin Geisterseide tragen, mussten aber eine Erlaubnis erwerben. Vor allem aber würden auf Geisterseide bei der Einfuhr in Wus Machtbereich skandalöse Zölle erhoben werden. Zwecks Förderung der Seidenproduktion in den Provinzen des Generals sollte zudem auch die Einfuhr anderer Seiden hoch verzollt werden. Gold, Ehre und Ansehen winkten dem, der die Eier des Geisterfalters und das Geheimnis der Herstellung von Geisterseide an den General ausliefere. In Erkenntnis der düsteren und opferreichen Zeiten würden der General und seine Minister zudem alle ihre Seidengewänder der Verteidigung des Reiches spenden.

Angesichts dieser Neuigkeit fiel der Preis für Geisterseide drastisch. Bei den Händlern machte sich Unruhe breit. Vielfach vermutete man, dass der Schmuggel sowie das Fälschen von Transportdokumenten und Sondergenehmigungen rapide zunehmen würden. Manche glaubten, die Anordnung käme nicht von Wu, sondern sei eine Intrige, um seiner Wirtschaft zu schaden und die Beamtenschaft gegen ihn aufzubringen.
Luo hörte über seine Unterweltkontakte, dass weiterhin Flüchtlinge aus Zhoujiang ihr Glück im Ausland suchten, namentlich südlich des Jadebandes. Ihre Aufnahme in Kintai variierte, da einige Traditionalisten meinten, es kämen zu viele und die falschen Exilanten. In Atasato nahm man die Flüchtlinge bereitwilliger auf, doch beuteten die örtlichen „Ringe“ sie angeblich rücksichtslos aus – bis hin zur zwangsweisen Rekrutierung von Jungen und Mädchen für die Bordelle der Vergnügungsviertel. Die Flüchtlinge kamen besonders aus den umstrittenen Provinzen Zhoujiangs, aber manche flohen auch vor Wus rigider Politik oder aus den Triadengebieten.
Die Triaden sahen dies ungern, denn sie verloren so billige Arbeitskräfte und potentielle Soldaten. Einige Flüchtlinge hinterließen zudem Schulden in ihrer alten Heimat. Die verbreitete Korruption der Triaden erschwerte allerdings Gegenmaßnahmen. Zudem waren einzelne Triaden wie die 13 Blätter selbst im Flüchtlingsschmuggel tätig, wobei sie die Flüchtlinge allerdings ebenfalls  ausnutzten, beraubten und in die Unfreiheit verkauften.
Die Gerüchte, dass die Kämpfe am Maishi-See bald wieder aufflammen könnten, schürten die Sorge vor weiteren Flüchtlingsströmen. Besonders die neutrale Flußdelphin-Provinz drohte zwischen die Fronten geraten: Würde Wu einrücken im seinen Einfluss nach Osten auszuweiten, die Anhänger der Prinzessin den Vormarsch des Generals stoppen wollen oder die Triaden ihre Positionen in der Kranichprovinz abzusichern versuchen? Besonders die befestigte Brücke über den Goldsandwasser-Fluss mochte leicht zum Streitobjekt werden…

Die langwierigen Recherchen der Helden im Kaiserlichen Archiv näherten sich inzwischen dem Abschluss. Im Moment versuchten sie, mehr zu Luos Schwert herauszufinden. Er hatte das Dschiahn „Vipernzahn“ vor einigen Jahren erbeutet, ahnte aber seit geraumer Zeit, dass mehr hinter der Waffe steckte.
Nach einem Tag im Archiv beziehungsweise auf den Straßen der Stadt trafen sich Hao, Ren und Luo wie so oft zum Essen in ihrem Gasthaus. Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als die Abenteurer von einem Gefühl der Bedrohung und Dringlichkeit ergriffen wurden. Ren warf einen Blick in die Geisterwelt, konnte aber nichts entdecken. Alle drei fühlten sich gen Westen gezogen. Luo und die Priesterin meinten, Seewasser zu riechen, aber auch einen stechend-modrigen Geruch. Beide vermuteten, es könne sich um eine Botschaft von Aonami handeln, der Seenymphe, die sie vor einem halben Jahr auf dem Maishi-See getroffen hatten. Die Helden rafften etwas Ausrüstung zusammen und machten sich auf den Weg.

Der wortlose Ruf zog sie zum Rand der Stadt, in das Schilf des Deltas. Die Gedankenbotschaft klang zunehmend dringlich. Bald zeigte sich, dass andere Wesen vor den Helden unterwegs waren, denn mehrere Pfade schienen durch das Schilf gebrochen zu sein. Zum Glück registrierten die Abenteurer rechtzeitig, dass sie bemerkt worden waren, bevor zwei dürre, froschartige Wesen aus dem Schilf brachen. Ren erkannte die Kreaturen als Sumpfkriecher, abscheuliche Feenwesen, sterbliche Wesen entführten und ertränkten, um ihre Eier in den Leichnamen heranreifen zu lassen.
Der Kampf war kurz aber erbittert, zumal ein dritter Sumpfkriecher hinzustieß. Luo wurde ernsthaft verletzt, doch gemeinsam gelang es den Abenteurern, die Untiere zu erschlagen.
Nach dem Ende des Kampfes trat eine weitere Gestalt aus dem Dunkel – doch diesmal war es kein Ungeheuer: Es handelte sich tatsächlich um Aonami. Die Nymphe wirkte angeschlagen und bewegte sich unsicher, ihre Schwangerschaft war deutlich fortgeschritten. Allerdings wäre ein menschliches Kind inzwischen längst zur Welt gekommen, war Aonami doch schon vor einem reichlichen halben Jahr deutlich schwanger gewesen.

Die Nymphe bat die Abenteurer um Hilfe. Sie hatte während ihrer Knechtschaft Dinge getan und Informationen weitergegeben, die sie in Konflikt mit mächtigen Feenwesen gebracht hatten. Auch ihr halbmenschliches Kind war in den Augen einiger Feen eine Abscheulichkeit, in denen anderer eine Rarität, die man sich zunutze machen konnte. Deshalb hatte sie den See verlassen müssen, doch waren ihr die Probleme gefolgt. Zudem war ihre Magie zunehmend instabil geworden. Dies mochte an ihrer Schwangerschaft liegen, oder an der Trennung von ihrem See. In ihrer Not hatte sie sich wieder an die Abenteurer gewandt. Wiewohl sie nur einige Perlen und schwarz angelaufene Silbermünzen als Lohn anzubieten hatte, waren die drei bereit zu helfen.
Zunächst einmal benötigte Aonami ein Versteck. Die Abenteurer wagten nicht, sie in die Stadt zu schmuggeln. Allzu leicht könnten sich Gerüchte ausbreiten. So beschlossen sie, die Schwangere fürs erste in die verlassene Hütte eines Fischers zu bringen, der wenige Wochen zuvor ermordet worden war und dessen Tod die Helden aufgeklärt hatten. Das Gebäude lag abgelegen, direkt am Wasser und mochte zumindest als Notbehelf dienen. Gestützt auf die Abenteurer machte sich die Seenymphe auf den Weg.

Geführt von der wildniskundigen Hao und von Luo vor neugierigen Blicken abgeschirmt, erreichte Aonami unbemerkt das Ziel. Sie wirkte unsicher, als sie die Zuflucht in Augenschein nahm. Diese war zwar vom Jadenband entfernt, doch ob jene Wesen, die die naheliegende Rauchende Seide beherrschten, der Nymphe gnädiger gesinnt waren, war unklar. Möglicherweise wegen der blutigen Vergangenheit des Ortes hatte Aonami zudem ein ungutes Gefühl. Auch war der Platz recht beengt. Die Abenteurer beschlossen, die Hütte dennoch erst einmal als Versteck zu nutzen. Sie befragten Aonami über ihre Bedürfnisse aus, wussten sie doch nur wenig über die Lebensweise von Nymphen. Wie sie erfuhren, waren diese vegetarisch und brauchte jeden Tag Zugang zum Wasser.
Eine Untersuchung durch Ren ergab, dass die Nymphe erschöpft und leicht verletzt war, ihr aber nichts Ernstes fehlte. Die Schwangerschaft verlief zwar offenkundig „verlangsamt“, doch alles sprach dafür, dass die Geburt spätestens in wenigen Wochen erfolgen würde. Die Abenteurer erfuhren von Aonami, dass Nymphen – wenn sie nicht einfach entstanden, sondern geboren wurden – im Wasser zur Welt kamen. Sie konnten dann sofort unter Wasser atmen und beherrschten intuitiv die nymphische Magie. Aonami würde zum Gebären ein großes Becken, eine Bucht, Bach oder Teich benötigen. Leider wusste sie selber wenig über Nymphenkinder, geschweige denn Mischlinge. Die Abenteurer kannten immerhin einige Sagen. Es hieß, dass Feenmischlinge meist nach der Mutter kamen. Viele Geschichten endeten tragisch. Oft lehnten beide Welten diese Kinder ab, oder sie weckten das – selten selbstlose – Interesse mächtiger Sterblicher oder Feen. Zumindest besaßen Hao und Ren als Heilerinnen Erfahrung mit Geburtshilfe. Dennoch bereitete ihnen Sorge, was sie in diesem besonderen Fall NICHT wussten.

Am nächsten Tag brachen Luo und Hao auf, um Erkundigungen einzuholen und Vorräte zu beschaffen. Ren blieb als Wache bei Aonami. Sie fragte diese über ihr Leben im Maishi-See und ihre Wassermagie aus, erzählte aber auch aus ihrem eigenen Leben und Abenteuern. Aonami hatte seit Jahren wenig Kontakt zu anderen Feenwesen gehabt – erst als Sklavin eines Sterblichen, dann, weil sie vor Ihresgleichen die Flucht ergreifen musste.
Hao recherchierte im Unggoy-Tempel. Immerhin war der Affengott ein Meister der Heilkunst. Mit Hilfe ihrer Mitpriester, am Folgetag durch Ren unterstützt, konnte Hao einige Informationen zusammentragen – auch wenn selbst die Unggoy-Kirche nur wenige Aufzeichnungen über Feenmischlinge besaß. Immerhin erfuhr Hao, dass kaltes Eisen, Spiegelglas und Salz schädlich waren, und sie las von einigen beruhigenden Kräutern. Diese würde hoffentlich zusammen mit Jiaogulan-Tee, den Ren immer parat hatte, die Geburt erleichtern. In den nächsten Tagen gelang es, die gesuchten Kräuter zu erwerben. Hao besorgte zudem einige Hilfsmittel für die Geburt und die Versorgung eines Kleinkindes. Luo suchte derweil nach einem Ersatzquartier, wobei er sich auf die „Straße der Wunder“ konzentrierte. Das Viertel galt als Sammelpunkt der Sonderlinge und exotischen Wesen. Allerdings hieß es, dass es unter den hier Lebenden auch einige sehr gefährliche Wesen gebe. Und nicht jeder Alchimist oder Forscher ging sorgsam mit seinen Geräten um oder wägte Risiken mit Bedacht ab. Luo fand die eine oder andere potentielle Unterkunft, doch keine bot ungesehen Zugang zu einer großen Menge sauberen Wassers für die Geburt. Den Abenteurern erschien es zu riskant, eine Hochschwangere weit zu transportieren oder sie in einem gemieteten Baderaum gebären zu lassen. Das Flusswasser in der Stadt selber war vermutlich zu schmutzig und zu leicht einzusehen. So entschieden sie, in der Hütte zu bleiben und diese wohnlicher zu gestalten. Luo hatte zugleich sein Kontaktnetzwerk darauf angesetzt, ob jemand Nachforschungen nach Aonami anstellte.

Ren nutzte einen ihrer Besuche in der Stadt, um eine Botschaft in die Kranichprovinz zu schicken, in der sie vor dem Nekromanten „Meister Kong“ warnte. Sie fürchtete, er könne versuchen, an das durch die Abenteurer von seinem Handlanger erbeutete Ritualhorn zu kommen, das inzwischen im Besitz des Fürstenhauses von Timog war. Der Brief ging an ihren Verwandten Ji Dao, der im Justizministerium arbeitete. Er würde hoffentlich in der Lage sein, die Nachricht weiterzuleiten und nach Kong fahnden zu lassen.
 
In den kommenden Tagen blieb immer eine der beiden Heilerinnen bei Aonami. So war es vor allem an Luo, Nachschub heranzuschaffen. Hao erkundete die Umgebung und suchte nach einem sicheren Ort für die Geburt. Sie fand einen von Weidenbäumen umstandenen Teich mit grünlichem Wasser voller Seerosen, der ihr geeignet schien. Die Abenteurer bereiteten den Transport der Schwangeren vor, indem sie eine Trage organisierten, die sie an Haos Zhu-Schreiter befestigen konnten. Ren und Hao rekapitulierten Hinweise für die Kinderpflege, wenngleich sich ihr Wissen natürlich auf sterbliche Kinder bezog.
Die nächsten Tage zogen sich trotz solcher Vorbereitungen hin. Aonami schien bekümmert, dass sie keine Freiheit im Wasser besaß, und auch der Austausch von Geschichten heiterte sie nur zeitweilig auf. Hin und wieder sang sie Lieder in einer fremdartigen Sprache und unterhielt sich mit Ren und Hao über ihr Kind. Ein Mädchen wollte sie Xi nennen (was „Bach“ bedeutete), einen Jungen Bian.
Die Helden richteten das Haus des Fischers etwas wohnlicher her, was den Aufenthalt erleichterte. Als  Bewohner des nächsten Dorfes zufällig vorbeikamen, wimmelten die Helden sie ab, indem sie ihnen weißmachten, sie würden einen Geist austreiben.

Luo erfuhr bei einem seiner Besuche in der Stadt, dass in den Kanälen Palitans mehrmals Undare gesichtet worden waren. Er argwöhnte, dass die tierhaften Elementarwesen auf der Suche nach Aonami waren. Bald sprach sich herum, dass ein Kopfgeld auf die (lebende) Ergreifung der Undare ausgesetzt worden war. Wie Luo erfuhr, hatte ein gewisser Guo Chi das Kopfgeld ausgelobt. Der Privatgelehrte aus der „Straße der Wunder“ hatte einen zweifelhaften Ruf. Er war Experte für jenseitige Wesen, sollte jedoch bei seinen Forschungen sehr rücksichtslos vorgehen. Deshalb hatte er sich auch mit der Portalgilde überworfen, die ihm das Betreten der Seidenstraße verboten hatte. Auch mit dem Geisterministerium war er aneinander geraten. Es blieb zu hoffen, dass er nichts von Aonami erfuhr – eine schwangere Nymphe hätte ihn zweifellos brennend interessiert.

Diese doppelte Gefahr rief den Abenteurern in Erinnerung, dass mit einer geglückten Geburt Aonamis Probleme nicht vorbei sein würden. Sie würde eine Zuflucht brauchen. Eine Möglichkeit wäre, ein „herrenloser“ See oder Teich, der ihr und ihrem Kind Unterschlupf bieten würde, am besten mit einer menschlichen Siedlung in der Nähe, wo sie Hilfe für das Aufziehen eines Mischlingkindes finden konnte. Die Alternative wäre der Schutz eines mächtigeren Feenwesen oder Sterblichen. Ren beschloss, sich bei der Portalgilde umzuhören. Sie hoffte, wegen ihrem letzten Abenteuer auf dem Feenpfad etwas „Kredit“ zu haben. Außerdem war eventuell der Pfadherr der Seidenstraße (der gemeinhin als gütig galt) eine brauchbare Option. Entlang des Pfades gab es so manches Gewässer, wo eine Nymphe Zuflucht finden konnte.
Tatsächlich war die Portalgilde geradezu begierig, mehr zu erfahren – mit einem Feenwesen aus der Position der Stärke heraus zu verhandeln war natürlich verlockend. Die Pfadgelehrte Gia Zou versuchte alle Details aus Ren herauszulocken, die aber verschlossen blieb.

Glücklicherweise konnten Hao und Ren den Zeitpunkt der Geburt mit einiger Gewissheit vorausberechnen, und waren bereit, als die Wehen einsetzten. Von Hao geführt, glückte der Transport Aonamis zu der vorgesehen Geburtsstelle. Die Nymphe ließ sich nackt in das Wasser gleiten, das mit einmal glasklar wurde und von Grün in ein fast unnatürlich wirkendes Blau wechselte. Auch der Sumpfgeruch des Wassers ließ plötzlich nach. Aonami summte eine ihrer fremdartigen Melodien, während zwei Tränen wie Wassertropfen über ihre Wangen liefen. Ren und Hao verbrannten die beruhigenden Kräuter und reichten ihr Heiltee. Die einsetzenden Schmerzen ertrug die Nymphe mit beeindruckender Selbstbeherrschung. Ren und Hao schlossen sich ihr im flachen Wasser an.
Luo, der nach außen sicherte, bemerkte fast zu spät, dass die Geburt nicht ungestört verlaufen würde. Denn mit einmal erschien eine hochgewachsene, muskulöse Frau mit kurzem blauen Haar, kaltblauen Augen am Rande des Teichs, gewandet in einen grünlichen Muschelpanzer, in der Hand eine blauschwarze Klinge. Sie hätte Aonamis Halbschwester sein können, wirkte aber weitaus bedrohlicher. Mit scharfer Stimme verlangte sie von „der Ausgestoßenen“ im Namen der Herrin des Jadebandes einen Preis für das unerlaubte Betreten von deren Reich. Der verlangte Preis war das Kind.
Die Abenteurer waren nicht gewillt, dies ohne Widerstand zuzulassen, und schließlich nahm es Luo auf sich, im Zweikampf um das Kind anzutreten. Nur ein ehrenhafter Sieg würde Sicherheit für Aonami und die Abenteurer bedeuten – wenn sie die Fremde zu dritt angriffen, würde der Zorn ihrer Herrin wohl eher noch zunehmen. Luo schritt keineswegs kampfesfreudig in den Ring, sondern erst, als auch Hao sich bereit erklärte, notfalls zu kämpfen. Luo hatte einen gesunden Respekt vor übernatürlichen Gegnern, doch der Mut seiner Kameradin beschämte ihn. Xuanwo (Strudel) zeigte sich wenig beeindruckt, als Luo ihr seine Klinge und deren Verdienste im Kampf gegen übernatürliche Wesenheiten präsentierte – ihr zufolge stank die Waffe nach Echsenmagie. Ehe Luo sich stellte, rief Aonami ihn zu sich. Eine leichte Berührung der Nymphe erfrischte ihn wie ein tiefer Schluck klares Wasser. So ermutigt stellte er sich zum Duell.

Im Zweikampf erwies sich die Feenkriegerin als beeindruckende Gegnerin. Letztlich war sie jedoch den Fähigkeiten eines Splitterträgers nicht gewachsen, und gestand schwer verletzt ihre Niederlage ein. Auch Luo hatte einiges an Blut verloren. Was ihn zusätzlich beunruhigte war der Umstand, dass er kurzzeitig einige abscheuliche Bilder vor Augen gehabt hatte, was er seiner Gegnerin alles antun könnte. Allerdings waren diese Gedanken ebenso schnell und spurlos verschwunden wie sie gekommen waren.

Während am Ufer Klingen gekreuzt wurden, hatten die drei im Wasser ihren eigenen Kampf zu bestehen, denn die Geburt hatte eingesetzt. Dank Rens und vor allem Haos Hilfe verlief die Geburt glücklich, und bald hielt Aonami ihr Kind – eine Tochter mit den tiefblauen Haaren und Augen ihrer Mutter – in den Armen. Die Fremdartigkeit von Mutter und Kind wurde einmal mehr deutlich, denn es gab weder Nabelschnur noch Nachgeburt, das Fruchtwasser war blau, und das Kind konnte sowohl im Wasser als auch an der Luft atmen.
Ren überließ die weitere Betreuung von Mutter und Kind Hao und verband Luo und seine Gegnerin, der sie auch einen Heilzauber gewährte. Xuanwo nahm diesen erst nach der Versicherung an, dass keine Bedingungen daran geknüpft wären. Immer noch grimmig, Mutter und Kind mit einer Mischung aus Befremden und Abscheu musternd, gab sie Ren und Luo Auskunft über Luos Waffe. Sie wusste nichts Genaues über „Vipernzahn“, doch das „Lied“ der Klinge klang nach ihren Worten angeblich nach Drachlingen und wies nach Südosten, also gen Kintai oder Sadu. Und es war kein gutes Lied. Dies war etwas verwirrend, hatten doch frühere Recherchen nahegelegt, dass die Klinge im Guaiwulinshan-Gebirge geschaffen worden war.
Hao vergewisserte sich, dass die Herrin des Jadebandes weder gegen die Abenteurer noch gegen Aonami einen Groll hegte. Dies bestätigte Xuanwo, warnte aber, dass Sterbliche wie Jenseitige an dem Kind Interesse haben würden. Mit widerwilligem Respekt übergab sie den Abenteurern einen Beutel mit Münzen. Dann verschwand sie mit einem knappen Gruß im Wasser der Rauchenden Seide.

In den folgenden Tagen hörte Hao sich nach einem „unbesetzten“ See oder Teich um. Aonami hatte wegen ihrer  schlechten Erfahrungen mit Sterblichen Bedenken, sich mit der Portalgilde zu treffen. Da die Unggoy-Priesterin aber keine geeignete Zuflucht fand, waren sie und Ren zumindest dabei behilflich, einen guten Pakt zwischen der Nymphe und der Gilde auszuhandeln, damit diese den Kontakt mit dem Pfadwächter Tenkuri vermittelte. Letzten Endes war dies vielleicht die beste Lösung, der Aonami einen Neuanfang weit weg von ihren möglichen Verfolgern bot, und unter dem Schutz eines vergleichsweise milden und gerechten Feenherrschers stellte.

***

Wenige Tage darauf waren die letzten Recherchen in den kaiserlichen Archiven zu einem Ende gekommen. Erstaunlich schnell hatten sich Informationen zu Luos Klinge finden lassen. Offenbar gehörte Vipernzahn zu einer Serie besonderer Waffen, die vor Jahrhunderten für Offiziere, verdiente Kämpfer und Agenten gefertigt worden war. Die Waffen waren in lediglich zwei abgeschiedenen Schmieden gefertigt worden. Die eine hatte wie vermutet im Guaiwulinshan-Gebirge gelegen, die zweite in den Zanshi-Bergen, einem wilden Bergland zwischen dem heutigen Sadu und Kintai. Beide Anlagen waren mindestens so alt wie die Jadekriege und zumindest bis zu Myurikos Aufstieg in Gebrauch gewesen – also insgesamt fast 200 Jahre lang.
Die Waffen waren als „Long Dschiahn“ oder „Xue Dschiahn“ bekannt gewesen, was „Drachen-„ oder „Blutschwerter“ bedeutete. Ihre Herstellung war sehr teuer und umstritten gewesen, basierte wohl auf Drachlings-Magie und hatte Blutopfer beinhaltet. Die nördliche Schmiede hatte man nach der Spaltung des Reiches auf kaiserlichen Befehl versiegelt, zu der im Zanshi-Gebirge war irgendwann der Kontakt abgebrochen. Die Helden fanden auch eine – leider nur sehr vage – Wegbeschreibung zu den Schmieden.
Die Klingen standen in dem Ruf eine Art Bewusstsein zu entwickeln. Ob sie dabei Aspekte ihrer Träger übernahmen oder diesen beeinflussten, war umstritten. Ihre Macht sollte zunehmen, je mehr Blut sie tranken. Die Verbindung mit der Klinge wurde oft durch ein besonderes Ritual gefestigt und gestärkt. Die Recherchen lieferten Bruchstücke des Rituals, es zu vervollständigen würde aber einen erfahrenen Artefaktmagier oder arkanen Schmiedemeister benötigen. Wesentlicher Bestandteil des Rituals war es, die Klinge im Blut eines überwundenen Feindes zu tränken.
In den etwa 200 Jahren der Existenz der Schmieden waren weniger als 100 Drachenklingen geschmiedet worden: Klingen verschiedener Art, aber auch Stangen- und andere Waffen. Die Schmieden hatten auch andere Artefakte und Rüstungen gefertigt, und mit der Herstellung von Metallgolemiden experimentiert. Aus dem Krieg der Zwillingskaiserinnen hatte sich eine Liste von Waffenträgern erhalten, doch nur fünf von ursprünglich um die 20 Namen waren noch lesbar:
•   Odara Song, Hauptmann der Silberschwerter, hatte das Dschiahn „Drachenfang“ erhalten – mit seinem Geist hatte Luo wahrscheinlich nahe von Baoshi in der Kranichprovinz die Klingen gekreuzt.
•   Tran Xue, General der Kaiserlichen Reiterei war als Träger des Huang Dao „Schwarze Flamme“ aufgelistet.
•   Li Tang, Kommandant der Kaiserlichen Garde, hatte das Ju Oshu „Feuerzunge“ erhalten.
•   Su Ji, die „Herrin der Bestien“, hatte das Tigerhakenschwert-Paar „Blitz“ und „Donner“ geführt.
•   Shi Yao (wohl ein Kriegsname, der „Schlangendämon“ bedeutete) hatte „Vipernzahn“ getragen. Vor diesem Namen war Luo in einer Wahrsagung gewarnt worden.

Dies waren aufschlussreiche Informationen, doch das Bindungsritual zu vervollständigen überschritt vorerst die Möglichkeiten der Abenteurer. Luo überlegte, ob er die fünf Klingenträgernamen auf die Liste einer neuen Recherche setzen sollte. Doch gegenwärtig war er ziemlich mittellos, da er sich kürzlich eine hochwertige Schuppenrüstung hatte fertigen lassen. Weitere Recherchen mussten warten. Luo fragte sich, ob einige der grausamen Gedankenbilder, die ihm in letzter Zeit gelegentlich durch den Kopf geschossen waren, wenn die Klinge Blut vergossen hatte, auf deren besondere Eigenschaften zurückzuführen waren. Vielleicht hatten die ungewöhnlichen und machtvollen Gegner der letzten Monate, etwas in der Klinge geweckt…
Die Abenteurer waren zufrieden mit den erreichten Rechercheergebnissen, auch wenn Luo gerne noch mehr über die Träger der magischen Waffen erfahren hätte. Allerdings fehlte es ihm momentan etwas an Geld.