Autor Thema: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer  (Gelesen 3597 mal)

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Offline Zed

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #25 am: 26.08.2021 | 13:45 »
Meine "erste Krise" mit Fantasyliteratur ist schon etwas her. Damals lief die erste Fantasywelle im Nachklang von Tolkiens Bucherfolgen, Hohlbein war der bekannteste deutsche Fantasy-Romanautor.

Ich erinnere mich an Orts- und Personennamen, die bei vielen der Taschenbuch-Fantasyromanen kryptisch klingen* aussehen sollten und durch ihre Orthographie eine "Geschichte hinter diesen Namen" vorgaukeln sollten. "Leider" habe ich keine dieser Bücher mehr. Ich erinnere mich an Schreibweisen mit einer Flut von - ' und ` sowie "h" und "y", also meinetwegen "Ahr'G Wyh-Vhành". (Ich meine nicht Wolfgang Hohlbein, sondern die Romane der vielen "namenlosen" Autorinnen und Autoren.) *Die intendierte Aussprache dieser Begriffe blieb ein Rätsel.

Ich habe eben eine Kurzrecherche durchgeführt: Entweder hat sich die Namensfindung heutzutage enorm gebessert, oder die Klappentexte von Fantasyromanen werden aktuell standardmäßig mit wenigen und lesbaren Namen bestückt: https://www.phantastik-autoren.net/januar-juni-2021

Vielleicht durch George Martin inspiriert scheint aktuell ein guter Weg zu sein, bekannte irdische Namen nur ganz leicht abzuwandeln, wie Jon statt John und Ser statt Sir.

Nebenbemerkung: Auf dieser Ausswahlliste (!) stehen nur für Juni 16 (!!!) deutsche Fantasyromane. Scheint zu laufen, das Genre. (Edit dank Rackhir,  :d)
« Letzte Änderung: 26.08.2021 | 14:15 von Zed »

Offline Rackhir

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #26 am: 26.08.2021 | 14:07 »
Nebenbemerkung: Auf dieser Ausswahlliste (!) stehen nur für Januar 56 (!!!) deutsche Fantasyromane. Scheint zu laufen, das Genre.

Ich zähle da für Januar nur 8. Sind die 56 eventuell für Januar-Juni?

Tatsächlich gibt es immer noch / wieder reichlich Lesestoff. Die Wahrnehmung eines Niedergangs oder einer Krise des Genres bezieht sich eher auf dessen Präsenz bei großen Verlagen, im Buchhandel, in Bestsellerlisten und der öffentlichen Wahrnehmung. Man müsste das jetzt genauer und über längere Zeiträume auswerten, aber bei den Büchern auf der verlinkten Seite ist der Großteil in Kleinverlagen oder im Selbstverlag. Das sagt nichts über deren Qualität, allerdings haben es diese Publikationen natürlich schwerer aufzufallen.

Offline Alex

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #27 am: 26.08.2021 | 15:56 »
Tatsächlich gibt es immer noch / wieder reichlich Lesestoff. Die Wahrnehmung eines Niedergangs oder einer Krise des Genres bezieht sich eher auf dessen Präsenz bei großen Verlagen, im Buchhandel, in Bestsellerlisten und der öffentlichen Wahrnehmung. Man müsste das jetzt genauer und über längere Zeiträume auswerten, aber bei den Büchern auf der verlinkten Seite ist der Großteil in Kleinverlagen oder im Selbstverlag. Das sagt nichts über deren Qualität, allerdings haben es diese Publikationen natürlich schwerer aufzufallen.
Sehe ich genauso. Es gibt zu wenig Fantasy-Autoren in Deutschland, die gut davon leben können (da sind wieder die Handvoll, die ich im anderen Thread erwähnt habe).

Ich will keinem SP'ler zu nahe treten, aber mit einem Verlag ist vieles leichter. Ich bekomme einen Lektor, ein Korrektorat, eine Werbeagentur (o.ä.), die mein Cover macht, jemanden der den Satz erledigt, Leute die sich um Werbung kümmern ... Die Zusammenarbeit mit einem Profi-Lektor gibt einem Roman noch mal einen ziemlichen Zusatzkick (ich kenne beide Seiten, daher wage ich hier ein Urteil). Privat bezahlt reden wir hier von hohen vierstelligen Summen nur für den Lektor.
Würde sich deutschsprachige Fantasy mehr verkaufen und rentieren (wie in den USA), wäre der Markt auch größer und somit auch die Chancen generell sich zu professionalisieren. Verallgemeinert gesagt hat jemand der Hauptberuflich schreibt natürlich mehr Möglichkeiten entsprechende Werke zu veröffentlichen, als jemand der das am Wochenende in der freien Zeit machen muss und nach 2 Jahren Arbeit vielleicht 500 Bücher verkauft.

Offline Issi

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #28 am: 26.08.2021 | 16:42 »
Zitat
Ich erinnere mich an Schreibweisen mit einer Flut von - ' und ` sowie "h" und "y", also meinetwegen "Ahr'G Wyh-Vhành".
;D  :d
Danke, ich habe herzhaft gelacht.
(Wobei ich finde, dass "Hennen" jetzt auch  Bissle umständliche Namen drin hat:z.B. 
Zitat
"Alathaias "
für die Hauptfigur)

Zitat
Vielleicht durch George Martin inspiriert scheint aktuell ein guter Weg zu sein, bekannte irdische Namen nur ganz leicht abzuwandeln, wie Jon statt John und Ser statt Sir.
Jepp
 
Wobei ich (Neue) Namen bauen jetzt nicht so schwierig finde. - Sie dürfen halt nicht zu lang, und zu umständlich sein,- Und man sollte sie auf einen Blick lesen können- (Statt sie zu entziffern)
Städtenamen sollten sich anhören wie Orte , die es tatsächlich geben könnte.
(Wenn man beim Lesen oder Aussprechen das Gefühl hat: Das passt nicht! (Dann passt es auch meistens nicht)

« Letzte Änderung: 26.08.2021 | 16:50 von Issi »

Offline Zed

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #29 am: 26.08.2021 | 17:37 »
(Wenn man beim Lesen oder Aussprechen das Gefühl hat: Das passt nicht! (Dann passt es auch meistens nicht)
Ja, die Finnen zB können sich für mein Gefühl nicht kurz genug fassen:



Aber irische und schwedische Namen könnte ich gut übernehmen.


« Letzte Änderung: 26.08.2021 | 17:40 von Zed »

Offline Issi

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #30 am: 26.08.2021 | 18:02 »
Zitat
Ja, die Finnen zB können sich für mein Gefühl nicht kurz genug fassen:
Em..ja Ok...die Finnen können das vermutlich ab... ~;D

Man kann es auch mal mit Endungen "klauen" bzw übernehmen versuchen:
Klassische Fantasy Endungen:
Mondor (ir, ar, ur ) Avalon (un, an, en), Camelot (et, it, ut), Fornost (ast, ust, ist, est), Rohan (in, on, un),Barovia (io, iu),  Ravenna (no, ni),
SyraKus (is, os, as, es), Burgund (and, ond, ind, end),  (ing, ung, ong)- aber auch - -tor, -land, -weil, -stätt,- hold, -hall, -tal, -wald, , (-ea, -ia, -io, -ei) (-ru, ra, ri, ro, re)
(-al, il, ul, ol, el),   (-ild, ald old, uld, eld)
( -ak, ik, uk, ok, ek), (-am, um, om, im, em)  (-ma, mu, mi, mo)
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Offline Weltengeist

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #31 am: 26.08.2021 | 18:12 »
Aber irische (...) Namen könnte ich gut übernehmen.


Wenn du die jetzt auch noch richtig aussprechen kannst... ~;D
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Offline Zed

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #32 am: 26.08.2021 | 18:44 »
Wenn du die jetzt auch noch richtig aussprechen kannst... ~;D
Nicht, dass ich nicht neugierig wäre, wie man "Deirbhile" richtig ausspricht, aber wenn man einen Realnamen als Inspiration für einen Fantasynamen nimmt, ist man bei der Aussprache ja wieder frei, bzw. man spricht den Namen einfach so aus, wie er "vielleicht im späten 13. Jahrhundert von den wenigen Norrmannen vor Ort" ausgesprochen wurde  ;D.

Offline Isegrim

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #33 am: 26.08.2021 | 18:47 »
Wenn du die jetzt auch noch richtig aussprechen kannst... ~;D

Da bei irischen Worten Schreibung und Aussprache weitgehend unabhängig voneinander zu sein scheint: Elfriede. Immer. Ist zumindest eine ebenso gute Vermutung wie alles andere...
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline Aedin Madasohn

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #34 am: 27.08.2021 | 08:59 »
Da bei irischen Worten Schreibung und Aussprache weitgehend unabhängig voneinander zu sein scheint: Elfriede. Immer. Ist zumindest eine ebenso gute Vermutung wie alles andere...

 :d

walisisch ist dafür auch so ein Kanidat.
der wichtige Punkt jedoch ist:

- sollen die Chars eines Historienromans lupenreine walisische Sprach/Schrift Clone sein? Würde es einen Mehrwert für den Leser bringen, wenn auf die konservierte Schrift-Form der Namen von 7.Jahrhundert aber aussprachliche Evolution für 12.Jahrhundert jeweils nebeneinander stehen für die Hyperkorrektheit?

meine starke Meinung dazu: NEIN

- wenn es jetzt nur um organische Namen für einen Fäntelroman geht? erst recht nicht! Namen sollen den Chars einen Wiedererkennungswert bringen. Ellenlange Namengedönselleien stören.
Oder soll der König mit mehr als nur "der König öffnete den Mund und sagte..." adressiert werden oder soll jedesmal "der ersten Menschen und Andalen, größter Raffzahn unter Praios Sonne, Bezwinger des Drachen Arkantor...." heruntergesambelt werden?
Klar, wenn 1000 Seiten Ziel sind, dann ist das ein Anfang, aber Lesegenuss ist anders.

also: auch hier nicht zu viel Ballast aufnehmen. Lieber bündige Namen "Jon" "Arya" "Leomar" als ein "Llevely`jin`ja da´i Schw´A´ffel´ya"


richtig problematisch wird der Gegensatz von Schrift/Silbenwert der Zeichen zu (angenommener) Aussprache wenn man seine "fäntel-Mysterien aus vergessenen Zeiten" mit Versatzstücken aus sumerisch und mit sumerischer Keilschrift geschriebenen akkadisch zusammenzimmert.

auch hier der Tipp: man schreibt ja nicht Universitäts-sumerisch, sondern eine Fäntelsprache, die sich daran nur orientiert (etwa wenn man die Tempelnamen recycelt)
und wenn die "Orientierung" sich nur an den Schriftwerten orientiert, nicht aber an der erschlossenen Aussprache, so ist das doch ein Achselzucken für Fäntel.

für das DSA Setting gilt ja auch: Bosparaner sprechen kein Latein, auch wenn es manchmal so scheint und wütende Latein-Lehrer mit Forke und Fackel angebliche Sprachpanscher lynchen wollen.

außerdem gilt gerade bei solchen "Fremdsprachen", dass weniger mehr ist. Es liefert gut organische Eigennamen.   

   

Offline Issi

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #35 am: 27.08.2021 | 11:58 »
Lustig wird es auf jeden Fall, wenn Figuren in fremder Sprache sprechen.
Also Ganze Sätze.
Auch hier würde ich im Zweifel einfach auf "klingt gut" setzen.
Eine funktionierende Grammatik ist zwar toll, aber solange es keine Langenscheidt Ausgabe gibt, ist nicht davon auszugehen, dass jmd vorhat, das zu sprechen oder zu lernen.

Zu Latein und Griechisch.
Das kann auch ne Namen Fundgrube sein.
Oder eine für Zaubersprüche.
Als gesprochene Fantasy Sprache eher nicht.

« Letzte Änderung: 27.08.2021 | 12:16 von Issi »

Offline Bink

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #36 am: 1.11.2021 | 13:25 »
Ausgehend von der Diskussion in "Meine 2. Krise des Fantasy-Lesens", dient dieser thread der Diskussion von Fantasy-Welten und wie man sie in Erzählungen umsetzen kann, ohne dass man den Lesern mit zu vielen Informationen überfordert.
Auch stellt sich die Frage, ob man überhaupt eine Fantasy-Welt vollständig ausarbeiten sollte und sie nicht organisch mit der Erzählung (und den daraus entstehenden Bedürfnissen) wachsen lassen sollte.
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass viele Autorinnen und Autoren zu viel Wert auf Wordbuilding legen.

Besonders bei Self-Publishern aus der Rollenspielerecke, die viel Wert auf Details und Namen und Welt-Brimborium legen, aber am Schluss oftmals nur eine Heldentruppe aus dem Würfelarsenal der Rollenspielerbaukasten zusammenstellen – aus all den bekannten Klisches, die sich da so tummeln. Nimm einen Magier, einen Dieb, einen Söldner und schick sie auf eine Reise– am besten von Mykonoia, weil das so schön griechisch klingt, über War'al'Bashra, weil sich das "irgendwie" nach Wüste anhört nach Frøstheim in die Eishölle des Nordens.

Und weil sich diese Neuautorinnen und -autoren so viel Mühe mit dem Worldbuilding gegeben haben, bekommt man neben allerlei apostrophierten und vor Sønderzeichen strotzenden Namen am besten noch gleich neu erfundene Maß und Gewichtsangaben, Münzstückelungen und neue Zeitangaben.
Das liest sich dann ungefähr so:

"Es war am Mondtag der dritten Wucke im Monat des Bären im  2.145 Weltenumlauf altustianischer Zeitrechnung des vierten goldenen Zeitalters, als Jin'm' Chastitpupi, eine lodornische Würfelkämpferin aus dem Clan der Knobelbecher, einen Dunkelork vor ihren Doppelbogen bekam. "Oha", sagte sie pfiffig und stieß die Luft durch die grünschimmernden spitzen Zähne. "Dich werde ich mit meinen Farunpfeilen spicken, wie einen Whisk-Braten!", wisperte sie erregt, während sie spürte, wie sich bereit im ihrem Inneren die Mächte des M'rak in ihr breitmachten ...

Als Leser interessiert mich diese Details aber nur am Rande, und wenn, dann nicht so geballt.  Infodump in Reinstform, von Dosierung keine Spur. Viel wichtiger als das Worldbuilding (Setting) sind aber die Charaktere, die leider viel zu oft vernachlässigt werden. Aber diese sind es, die die Leser bei der Stange halten. Das, was sie tun, wie sie Schwierigkeiten überwinden.
Ob ich nun Sickel verwende, wie Rothfuss, oder Knuts, wie Rowling, ist nebensächlich. Bells & Whistles, mehr nicht. Die Welt kann noch so toll ausgearbeitet sein: Für gute Geschichten ist das nicht das Wichtigste. Erst kommen die Charaktere, dann der Plot und erst am Schluss das Setting.



 

Offline Weltengeist

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #37 am: 1.11.2021 | 13:31 »
Leider erinnert mich das, was du da so am Beispiel beschreibst, vor allem an den Auftakt von so manchem Science-Fiction-Roman. Da habe ich immer mal den Eindruck, dass sich gewisse "anspruchsvolle" Autoren als Versager fühlen, wenn der Leser auf den ersten 50 Seiten irgendwas versteht...
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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #38 am: 1.11.2021 | 13:45 »
"Es war am Mondtag der dritten Wucke im Monat des Bären im  2.145 Weltenumlauf altustianischer Zeitrechnung des vierten goldenen Zeitalters, als Jin'm' Chastitpupi, eine lodornische Würfelkämpferin aus dem Clan der Knobelbecher, einen Dunkelork vor ihren Doppelbogen bekam. "Oha", sagte sie pfiffig und stieß die Luft durch die grünschimmernden spitzen Zähne. "Dich werde ich mit meinen Farunpfeilen spicken, wie einen Whisk-Braten!", wisperte sie erregt, während sie spürte, wie sich bereit im ihrem Inneren die Mächte des M'rak in ihr breitmachten ...

... womit es origineller und unterhaltender ist als 90% meiner sonstigen Fantasyliteratur der letzten 10 Jahre. Chapeau!
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

Offline Zed

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #39 am: 1.11.2021 | 13:57 »
Nimm einen Magier, einen Dieb, einen Söldner und schick sie auf eine Reise– am besten von Mykonoia, weil das so schön griechisch klingt, über War'al'Bashra, weil sich das "irgendwie" nach Wüste anhört nach Frøstheim in die Eishölle des Nordens.

Und weil sich diese Neuautorinnen und -autoren so viel Mühe mit dem Worldbuilding gegeben haben, bekommt man neben allerlei apostrophierten und vor Sønderzeichen strotzenden Namen am besten noch gleich neu erfundene Maß und Gewichtsangaben, Münzstückelungen und neue Zeitangaben.
Das liest sich dann ungefähr so:

"Es war am Mondtag der dritten Wucke im Monat des Bären im  2.145 Weltenumlauf altustianischer Zeitrechnung des vierten goldenen Zeitalters, als Jin'm' Chastitpupi, eine lodornische Würfelkämpferin aus dem Clan der Knobelbecher, einen Dunkelork vor ihren Doppelbogen bekam. "Oha", sagte sie pfiffig und stieß die Luft durch die grünschimmernden spitzen Zähne. "Dich werde ich mit meinen Farunpfeilen spicken, wie einen Whisk-Braten!", wisperte sie erregt, während sie spürte, wie sich bereit im ihrem Inneren die Mächte des M'rak in ihr breitmachten ...

Toll, jetzt kann ich meine Tastatur vom Kaffee reinigen, den ich darüber geprustet habe.

Aber es hat sich gelohnt, Bink, danke, Dein Text hat meine bRog'has in allerhöchste VwdEm-Hu versetzt  ;D
« Letzte Änderung: 1.11.2021 | 14:14 von Zed »

Offline Tele

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #40 am: 1.11.2021 | 14:12 »
Ich bin da auch voll bei euch. Mir geht übertriebenes Worldbuilding voll auf den Senkel, aber als ich noch jung und knackig war, habe ich das geliebt. So verändern sich Geschmäcker.

Offline Weltengeist

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #41 am: 1.11.2021 | 15:26 »
Ich habe nicht mal grundsätzlich was gegen exzessives Worldbuilding. Ich habe nicht mal was gegen das eine oder andere Settinggeheimnis, das sich erst gegen Ende klärt. Ich hasse es nur, wenn man mich als Leser da nicht mitnimmt. Wenn man mir die Welt eben nicht erklärt, sondern mich stattdessen einfach so lange mit mir unbekannten Begriffen zukippt (jüngstes Beispiel: Das Königreich der Lüfte), bis ich das Buch entnervt weglege. Mag ja sein, dass sich das alles ab Seite 300 (des dritten Bandes) aufklärt, aber sorry - dafür reicht weder mein Gedächtnis noch meine Geduld.

 
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Offline Aedin Madasohn

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #42 am: 1.11.2021 | 16:41 »
einfach so lange mit mir unbekannten Begriffen zukippt

hier vielleicht mal die Frage:

- wollt ihr Wochentags/Monatsnamen?
   ich habe viele Romane gelesen, wo der Autor das komplett ignoriert hatte und die Story hat trotzdem funktioniert.
   Waren halt Jahreszeiten und Feste bei Ploterfordernis genannt und ansonsten war gut. 

- andere Namen für Sonne und den Mond?

- andere Namen für Gewichtseinheiten? Münzen? Entfernungen
  der Schritt als 3/4 Meter und der Doppelschritt als 1,5. Davon Tausend (mille) 1,5 km. Elle, Finger/Zoll...
  ...500g Pfund, 50 kg Zentner - klingt doch schon exotisch genug  ;D
 
   

Offline Alex

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #43 am: 1.11.2021 | 16:42 »
Bei meinem Roman nutze ich maximal 5% des vorhandenen (und für mich beschriebenen) Lands und etwa 10% der vorhandenen Völker & Monster. Den Rest halte ich aber trotzdem für unabdingbar wichtig, um die Verstrickungen der verwendeten Völker zu entwickeln.
Auch ist es mit einer fertigen Welt leichter Szenen zu entwickeln, wenn man eine neue Idee hat, als wenn man sich dann erst um das worlbulding kümmern müsste.

Worauf ich bei dem Roman aber verzichte ist name-dropping. Ich lasse alle Völker aus, wenn ich sie nicht beschreiben kann. Dass Volk X mit Volk Y im Konflikt steht, erwähne ich nur, wenn X und Y beschrieben sind. Ansonsten bleibt ich das Element unerwähnt.
« Letzte Änderung: 1.11.2021 | 16:49 von Alex »

Offline Alex

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #44 am: 1.11.2021 | 16:46 »

- wollt ihr Wochentags/Monatsnamen?
- andere Namen für Sonne und den Mond?
- andere Namen für Gewichtseinheiten? Münzen? Entfernungen
Völlig unironisch gefragt: Warum willst du das tun?
Macht es das Buch besser, passt es zu einem Volk oder zur Welt?
Wenn nein, dann macht es das Lesen nur schwerer.
Wenn es in die Atmosphäre passt, dann nehme es hinein.

Ich habe das soweit wie möglich versucht zu unterlassen. Einzig Meter habe ich mit Schritten ersetzt. Angaben wie Kilometer kann man bspw. mit Tagesreisen o.ä. ersetzen. Denn die Frage ist folgende: Ist es wichtig, dass es genau 5 Kilometer sind oder genügt es, dass es einfach weit weg ist?

« Letzte Änderung: 1.11.2021 | 16:49 von Alex »

Offline Weltengeist

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #45 am: 1.11.2021 | 17:23 »
hier vielleicht mal die Frage:

- wollt ihr Wochentags/Monatsnamen?
   ich habe viele Romane gelesen, wo der Autor das komplett ignoriert hatte und die Story hat trotzdem funktioniert.
   Waren halt Jahreszeiten und Feste bei Ploterfordernis genannt und ansonsten war gut. 

- andere Namen für Sonne und den Mond?

- andere Namen für Gewichtseinheiten? Münzen? Entfernungen
  der Schritt als 3/4 Meter und der Doppelschritt als 1,5. Davon Tausend (mille) 1,5 km. Elle, Finger/Zoll...
  ...500g Pfund, 50 kg Zentner - klingt doch schon exotisch genug  ;D

Ich mag sowas grundsätzlich. Allerdings sollte man sich als Autor darüber im Klaren sein, dass der Leser sich nicht daran erinnern wird, dass Chthul der blaue, Vadriu der rote und Alamath der gelbe Mond ist, nur weil das irgendwo mal erwähnt wurde. Speziell wenn das irgendeine Bedeutung für die Handlung hat (oder man gerne hätte, dass der Leser das richtige Bild vor Augen hat), muss man das mehrmals wiederholen, bis es beim Leser irgendwann einsickert.

Bei den Einheiten mag ich tatsächlich den DSA-Ansatz, bei dem man spontan ein Bild vor Augen hat (Fingerbreit statt Zentimeter, Schritt statt Meter usw.). Speziell in der Fantasy hilft es vermutlich auch, sich daran zu erinnern, dass normierte Maßeinheiten den Spezialisten vorbehalten waren (Geometer, Kaufleute etc.) und dass "Otto Normalbürger" eher mit Veranschaulichungen ("zwei Mann hoch", "einen Steinwurf entfernt", "so schwer wie drei Pferde", "ein Faß voll", "zwei Tagreisen entfernt") hantierte.
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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #46 am: 1.11.2021 | 23:33 »
Tja, Worldbuilding und Karten Zeichnen macht halt Spaß. Wieviel man von den Informationen später tatsächlich in die Geischte einfließen lässt, ist die Kunst. Zu viel, und es erschlägt die Leser, zu wenig, und es kommt leider oftmals das (für High-Fantasy) typische Mittelaltersetting heraus, in der Stadt A genau so aussieht wie Stadt B und die gesamte Stadtbevölkerung allem Anschein nach nur Schankwirten, Dirnen, Söldnern, Kaufleuten und ein paar (leicht zu übertölpelnden) Stadtwachen besteht.   


Details können – wenn sie glaubwürdig und anschaulich dargestellt werden, durchaus zur Immersion beitragen. Dem Herrn der Ringe merkt man an, dass Tolkien nur einen Bruchteil von Mittelerde mitgegeben hat, aber gerade darum wirkt er so authentisch. Das Gleiche gilt übrigens für Rowling und Patrick Rothfuss und Autoren wie Jack Vance.

Ob man unbedingt eigene Bezeichnungen für eigentlich bereits bekannte Sachen einführen muss? Wenn sie eine Rolle spielen, würde ich sagen. Ansonsten bevorzuge ich auch lieber  anschauliche Begriffe, wie 2 Fuß lang, eine Elle, eine Wagenladung usw. Ich muss das Rad nicht neu erfinden. Eigene Begriffe für Wochentage würde ich mir z.B. schenken.

Es stimmt allerdings, dass gerade im SF-Bereich oftmals Leser durch allzuviel Tech-Kauderwelsch verschreckt werden:
"Rok-Ti-Pyon, Kommandant des schweren Subraumkreuzers Patjomkin ziselierte sorgfältig den Zirbelgrutzler am Nullraum-Tiefenradar-Howitzer, der sogleich A-Partikelgranaten in die Schwarzschild-Diskontinuitäts-Plasma-Schirme des Tiefenraumers der Otzikotzer entsandte."

Aber: Manchen Leuten gefällt das. Mir nicht. Ich denke, man sollte sein Worldbuilding schon sorgfältig betreiben, aber nur dann etwas davon in die Welt entlassen, wenn es eine Geschichte glaubwürdiger macht und nötig ist.

Offline Aedin Madasohn

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #47 am: 2.11.2021 | 18:34 »
Völlig unironisch gefragt: Warum willst du das tun?

ich frage hier nur nach euren Geschmäckern, um mir da ein Bild der Vorlieben zu machen. Nicht mehr.

Weltengeist hat es da gut auf den Punkt gebracht: eher hemdsärmlige Vergleiche aus der Sicht des Protagonisten als "genaue" Beschreibung.

Da aber Geschmäcker verschieden, sind halt mal mein Nachfragen.

Persönlich halte ich es da auch eher sparsam mit solchen Eigennamen für "Standards".
Sonne ist Sonne, auch wenn der Sonnengott Sol Invictus heißt.
Ein Schwert ist ein Schwert.
Golddukaten, Silbertaler - selbsterklärend. Denare, Schilling - aus der Geschichte geklaut. Aber eigentlich reichen auch "ließ eine silberene Münze springen und fragte: und du hast wirklich nichts gesehen?" aus, um die Geschichte zügig (info-balastfrei) voranzubringen.

Außer der Plot liegt in Kaiser Neros Münzverschlechterung begraben  ;D
aber das dürfte selten sein...

   

Offline schneeland (N/A)

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Re: Schreiben in Fantasy-Welten und die Ausarbeitung derer
« Antwort #48 am: 2.11.2021 | 19:30 »
Ich tendiere auch zu nein - wiedererkennbare Elemente aus der Geschichte bzw. bekannte Versatzstücke (wie bspw. Credits in SciFi-Universen) sind für Romane deutlich angenehmer, wenn es um Maßeinheiten, Währungen und andere orientierungsrelevante Dinge geht. Und speziell die Aussage
eigentlich reichen auch "ließ eine silberene Münze springen und fragte: und du hast wirklich nichts gesehen?" aus, um die Geschichte zügig (info-balastfrei) voranzubringen.
würde ich eindeutig unterschreiben.
Selbst in Rollenspielregelwerken ist es so, dass z.B. der Zehntag in den Vergessenen Reichen bis heute nervt :)

Etwas unschärfer wird es für mich, wenn es um Gegenstandsbezeichnungen und Speisen und Getränke geht. Auch hier bin ich zwar der Meinung, dass man sich besser an geschichtlich etablierten Dingen orientiert, aber m.E. können da punktuell durchaus Akzente gesetzt werden - es muss halt im Rahmen bleiben und erfordert Fingerspitzengefühl dabei, die notwendigen Erklärungen in den Text einfließen zu lassen, ohne dass es wie ein banaler Infodump rüberkommt - in einer antik angehauchten Welt dürfte also ein Legionär durchaus sein Pilum schleudern, oder sich etwas Garum über seine Speisen kippen, aber bitte keine eigenen Worte für Sandalen, Rüstung, etc.

Im Prinzip gilt ähnliches für Ortsnamen, wobei m.E. erneut auch die Feststellung zu Maßeinheiten zutrifft: vielleicht muss gar nicht so genau wissen, wie der dritte der fünfzehn Berge heißt, von deren Wipfeln sich dräuend Gewitterwolken ins Tal schieben.

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