Autor Thema: [AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea  (Gelesen 43850 mal)

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Offline Jenseher

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Sitzung 149 - Der Tempel der Spinnengöttin III
« Antwort #175 am: Gestern um 20:28 »
Die Gemächer, die Bargh, Zussa und Neire durchsucht hatten, waren voll von Prunk gewesen. Je höher sie gekommen waren, desto kostbarer war die Einrichtung gewesen. Die Tempelhallen aus schimmerndem schwarzem Marmor waren mit alter, über Jahrhunderte angereicherter Kriegsbeute geschmückt gewesen. Kostbare Teppiche und Felle, goldener Schmuck und Geschirr, Truhen aus seltenen Hölzern, Vorhänge aus Samt und Seide, juwelenverzierte Kerzenleuchter, samtweiche Polster- und Ledermöbel sowie Statuen aus feinstem Marmor, hatten sie gesehen. Alles war in dem schwachen Licht der rötlich glühenden, spinnennetzartigen Riefen erhellt worden. Nur an vereinzelten Stellen hatten immerbrennende Kandelaber, die düsteren Hallen mit verlorenem Kerzenschimmer angereichert. Neire hatte keine Geräusche mehr von den Priesterinnen gehört und so hatten sie sich an die Plünderung begeben. Sie waren an einer kleinen Kammer voller chaotisch verteilter Papyrusfetzen vorbeigekommen, auf die kurze, krakelige Notizen in der Dunkelelfischen Sprache notiert worden waren. Die Zettel waren mit dunkelelfischen Namen versehen gewesen. Auf einem hatte: „Lird – Hat sich bewährt, hat keine Angst gezeigt bei den Wächtern,“ gestanden. Auf einem anderen Fetzen hatten sie gelesen: „Ryldia – Ist faul und lässt sich gerne bedienen von den anderen. Vielleicht kann sie noch als Opfer dienen.“ Sie hatten die anderen Notizen nicht weiter beachtet und waren schließlich in das höchste Gemach gelangt. Die Ebene war von einer opulenten Einrichtung gewesen. Sie hatten auf Teppichen und Wandgemälden die Abbildungen von nackten Dunkelelfen gesehen. Männer und Frauen hatten sich perversen Liebesspielen hingegeben, die mit Szenen des Aufschneidens und des Verstümmelns versehen worden waren. Statuen von lebensgroßen schwarzen Spinnen hingen an adamantenen Ketten hinab und verdeckten die Fenster. Sie hatten die obere Ebene durchsucht und waren zuletzt in das fürstlich eingerichtete Gemach Charinidas gelangt. Vielfältige Gerüche, wie diffuses Licht waren ihnen entgegengekommen. Alles hatte den morbiden Charm unermesslichen Reichtums gehabt und dunkelelfische Runen sowie Spinnenverzierungen getragen. Sie hatten den Raum durchsucht und nichts gefunden. Dann hatte Bargh die Spuren Charinidas zu einer Wand gehen sehen, die von einem seidenen Spinnenteppich bedeckt war. Neire hatte die Wand abgesucht und eine Falle entdeckt. Vorsichtig hatte der Jüngling die geheime Tür geöffnet. Dahinter hatten sie eine Folterkammer entdeckt. Der Geruch von Blut, Urin und Fäkalien war ihnen entgegengeströmt, der von einem süßlichen Parfüm überdeckt wurde. Es hatte sich jedoch niemand im Gemach gefunden und die Spuren waren bereits einige Wochen alt gewesen. Zwischen den Peitschen, Zangen und Ketten hatte Bargh dann eine weitere Spur Charinidas gefunden, die sich zur gegenüberliegenden Wand bewegt hatte. Auch hier hatten sie die Geheimtür geöffnet, die sie in ein weiteres kleines Gemach geführt hatte. Neire lugte jetzt vorsichtig durch den geöffneten Schlitz und blickte in die Kammer. Schimmernd lag dort auf einer weißen Marmorsäule die Skulptur einer handgroßen Spinne. Der Gegenstand war aus goldsilbern schimmerndem, purem Mithril gearbeitet und musste einen unermesslichen Reichtum darstellen. Hinter der Säule ruhten vier geschlossene große Truhen. Vorsichtig bewegte sich Neire auf den Gegenstand zu und begann die Säule nach Fallen zu untersuchen. Er fand nichts, doch sein Instinkt warnte ihn vor dem Fluch, der in dem Gegenstand innewohnte. Kurz malte er sich das Bild aus, wie eine Berührung der Spinne zum Verschwinden des Diebes führte. Neire rätselte nicht lange über den Ort, an den die verfluchte Person gebracht werden würde und flüsterte: „Bargh, Zussa… fasst die Spinne nicht an. Es wohnt ein Fluch in ihr, der jenen Dieb befallen soll, der sie unbedacht aufnimmt.“ Kaum waren die Worte im Raum verhallt, da hörten Bargh, Zussa und Neire die Stimme, die in ihren Köpfen widerhallte. Die Worte wurden von einem Kichern begleitet und klangen lieblich, aber gehässig zugleich. Das Mädchen, das hin und her stolpert… von einem Ort zum anderen. Für einen Augenblick bewegte sich Zussa nicht, hielt ihren Atem und raunte. „Habt ihr das gehört? Bin damit…“ Bargh unterbrach sie grummelnd. „Ihr könnt nicht gemeint sein, Zussa. Ihr seid kein Mädchen mehr.“ Kaum war Barghs Stimme verhallt, war da wieder das Lachen in ihren Köpfen. Der Krieger, der aus den Schatten kam. Dabei ist es nur der Schatten eines Anderen, dem er hinterherläuft. Nachdem die Worte verklungen waren, schwiegen die drei Streiter Jiarliraes. Sie blickten sich für eine Zeit in die Augen, nickten sich dann zu und begannen mit der Plünderung der Truhen.

~

„Charinida, die Hohepriesterin ist tot.“ Neires kindlich-zischende Stimme drang durch den Raum in der Sprache der Unterreiche. Es folgte ein dumpfes Geräusch, als der abgetrennte Kopf der Hohepriesterin auf den Boden schlug. Die Kreaturen, deren Augenpaare in der Dunkelheit aufblitzten, duckten sich hinweg und drängten zurück. Sie gingen gebeugt, als ob sie ihre Meister erwarteten. Auf ihren Körpern waren die Spuren von verheilten Peitschenhieben zu sehen. Neire betrachtete das Gemach der Sklaven, aus dem ein fast unerträglicher Gestank von Blut, Schweiß und Fäkalien drang. Nur das rötliche Licht des marmornen Flures hinter ihm erhellte den Eingang. Nachdem sie die Schatzkammer von Charinida geplündert hatten, waren die anderen Gemächer von ihnen durchsucht worden. Sie hatten keine lebenden Priesterinnen mehr angetroffen. So waren sie schließlich hinabgestiegen und hatten sich den beiden verriegelten Räumen gewidmet, aus denen Neire zuvor die Geräusche der Sklaven gehört hatte. Neire blickte in die Dunkelheit des Gemachs. Dennoch konnten seine geübten Augen erkennen, dass sich dort fünf Grottenschrate, drei Orks, sechs Tiefengnome und ein männlicher Mensch versammelt hatten. Nach einer Zeit der Stille trat einer der Grottenschrate hervor und erhob seine Stimme. „Wer seid ihr und was wollt ihr?“ Einer der abgemagerten Orks begann sich neben ihn nach vorn zu bewegen. Die abgemagerte Kreatur wurde jedoch mit einem Schlag ins Gesicht, den der Grottenschrat mit seiner Rückhand ausführte, in seine Schranken gewiesen. „Ihr könnt mit uns kommen, doch eine Frage müsst ihr alle uns beantworten.“ Mit einem Knurren, bellte der Grottenschrat unterwürfig. „Wenn ihr uns umbringen wollt, dann redet nicht. Tut es einfach!“ Neire lächelte durch die Maske der Goldschlange, die er über seinem Gesicht trug. „Jeder, der der Spinnengöttin dient, erhebt jetzt seinen Arm.“ Für einen Moment herrschte Stille, bis ein anderer, sich vorwagender Ork mit einem stärkeren Schlag des Grottenschrates zurückgewiesen wurde. Unter dem Jaulen des Orks knurrte die Kreatur, deren Kopf eine Mischung zwischen einem Humanoiden und einem Bären darstellte. „Was haben wir für eine Wahl. Sie haben uns hier eingekerkert.“ Die anderen Grottenschrate knurrten zustimmend. Dann sprach ein Tiefengnom mit zitternder Stimme. „Wir sind Sklaven, Herr. Was erwartet ihr… wir dienen demjenigen, der uns nicht der Peitsche ausliefert.“ Neire nickte und lächelte freudig. „Ihr habt die Wahl. Ihr könnt mir uns kommen. Wir gehen nach unten, denn dort gibt es einen Tunnel, der uns zum Schwarzwasser führt. Von dort aus werden wir Erelhei-Cinlu verlassen.“ Ein hektisches Raunen ging durch die Menge, als Neire den Weg nach unten erwähnte. Nur der Mensch blickte mit glasigen Augen ins Leere und aus seinem Mund rann Sabber. Dann antwortete der Grottenschrat mit ängstlichen Grunz- und Schmatzlauten. „Wir gehen nicht hinunter. Dort lauert nur der Tod.“ Hinter sich hörte Neire die ungeduldige Stimme Barghs. „Der Tod lauert dort unten wie hier. Ihr kommt entweder mit uns oder ihr bleibt hier im Raum. Keine Spiele mehr Neire!“ Neire nickte und forderte sie ein letztes Mal auf. Hervor traten ein Ork und vier Tiefengnome. Als Neire fragte: „Und was ist mit euch, Menschlein?“ Zeigte der Ork auf seinen Kopf und grunzte. „Der dort tot, hier oben.“ Dabei zeigte er sich auf seinen vernarbten Schädel. Neire nickte und Bargh begann die Tür zu schließen. Wie in einem Sturmlauf versuchten die fünf Grottenschrate in diesem Augenblick die Flucht zu ergreifen. Doch Bargh und Neire waren schneller und verschossen die Tür. Sie hörten aus dem Inneren die verzweifelten Schreie und das Kratzen von Klauen auf dem Holz. Danach wendeten sie sich dem anderen Sklavengemach zu und forderten die ausgemergelten Kreaturen auf ihnen zu folgen, falls sie sich es trauten. Aus dem anderen Raum waren es ein weiterer Ork, drei Grottenschrate und ein Kobold, die ihnen folgten. So schritten sie auf die Treppe zu, die hinab in die Tiefe führte. Beim Anblick des spinnenwebenverhangenen Schachtes duckte sich der Kobold zitternd hinfort und versuchte zu fliehen. Neires Degen zuckte in seinen Rücken und er stach die kleine Kreatur nieder. Barghs Stimme klang dröhnend durch die Halle. Die Dunkelheit des heiligen Kriegers der Chaosgöttin umhüllte sie alle. „Ich habe es euch gesagt. Feigheit wird mit dem Tode bestraft.“ Sie drückten die Schar von Gestalten vor sich in die Tiefe. Einige schlotterten nun vor Angst. Dann hörten Bargh, Zussa und Neire wieder die Stimme, die anscheinend nur in ihren Köpfen war. Der Jüngling, der sich nach dem längst Vergangenen sehnt. Neire schüttelte seine Furcht ab. Es musste sich um eine Lüge handeln, denn Nebelheim war ewig. Sie gingen tiefer und tiefer. Die Einwebung des Tunnels nahm zu. Von unten war ein schwaches violettes Licht zu sehen. Auch einer der beiden Orks bekam es mit der Angst zu tun und versuchte zu fliehen. Doch Neire stach auch diesen Flüchtenden nieder. So waren es drei Grottenschrate, ein Ork und vier Tiefengnome, die schließlich die untere Halle betraten, die sich ihnen offenbarte. Dort herrschte ein schummriges gräuliches Licht, das von überall zu kommen schien und nur von dem schwachen violetten Feuer von Kerzenhaltern angereichert wurde. Ein breiter Gang führte zu einer Sarkophag-ähnlichen Opferstelle. Dort war der Boden von getrocknetem Blut bedeckt und ein orangenes Feuer brannte in einem Kohlebecken. Metallene Käfige hingen dort an Ketten. In einem dieser Gefängnisse konnten sie die humanoiden Konturen einer eingesponnenen Kreatur erkennen. Neire spürte das Unwohlsein, das dieser Bereich in ihm hervorrief. Auch Bargh und Zussa schien es ähnlich zu ergehen. Sie trieben die Sklaven weiter vor sich her, bis sie zu dem Altar kamen. Zur rechten Seite ging der Tunnel ab, der jedoch gänzlich von Spinnenweben ausgefüllt war. Die dicken Fäden sahen so aus, als ob dunkle Tropfen einer öligen Substanz von ihnen herabliefen. Gerade wollte er auf den Sarkophag hinzuschreiten, da hörte er das Murmeln aus dem entfernten rechten Tunnel. Durch das Gewirr von Netzen konnte er schemenhaft eine große Kreatur erkennen, die in einer entfernten Halle aufgetaucht war. Bewegung ging durch das Spinnennetz und die violetten Kerzenflammen fingen an zu flackern. Neire rief in seinem Schreck: „Dort!“ Zwischen den Fäden konnte er die Gestalt erkennen. Auf einem gewaltigen Spinnenleib ruhte ein menschlicher Oberkörper einer halbnackten Dunkelelfin. Vier menschliche lange, dürre Arme an jeder Seite trugen die Kreatur, die sich auf den Strängen des Netzes zu bewegen schien. Sie besaß eine Vielzahl von glühenden roten Augen und ein von Beißzangen versehenes monströses Maul. Bargh hielt sein Schild vor sich und gemeinsam begannen sie die Gebete ihrer Göttin zu rezitieren. Die Kreatur lachte diabolisch und wendete ihnen ihren Unterleib zu. Fäden schossen heran und begannen sie zu umwickeln. Neire und Zussa konnten zur Seite springen, doch Bargh wurde gefesselt. Dann beschworen Neire und Zussa ihre Magie. Ein Regen von dunklen Magmageschossen und eine gewaltige Explosion aus Feuer erfasste die Halbspinne. Sie alle hörten den Todesschrei, der durch die Kerkerhallen ging. Doch da war mehr. Es war, als ob zwei Stimmen schreien würde und eine nur in ihren Köpfen war. Sie betrachten den Untergang der monströsen Spinne, die sich im Feuer erst zusammenrollte sich und anschließend in schwarze glühende Asche auflöste. Erst dann stürmten Neire und Zussa zurück und wendeten sich den Grottenschraten zu, die furchterfüllt geflüchtet waren. Hinterrücks schlugen sie die großen Kreaturen nieder. Keiner sollte dem Geschehen entfliehen. Wie Bargh es gesagt hatte, sollte Feigheit mit dem Tode bestraft werden.