Autor Thema: [AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea  (Gelesen 50119 mal)

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Offline Jenseher

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Sitzung 149 - Der Tempel der Spinnengöttin III
« Antwort #175 am: 27.07.2025 | 20:28 »
Die Gemächer, die Bargh, Zussa und Neire durchsucht hatten, waren voll von Prunk gewesen. Je höher sie gekommen waren, desto kostbarer war die Einrichtung gewesen. Die Tempelhallen aus schimmerndem schwarzem Marmor waren mit alter, über Jahrhunderte angereicherter Kriegsbeute geschmückt gewesen. Kostbare Teppiche und Felle, goldener Schmuck und Geschirr, Truhen aus seltenen Hölzern, Vorhänge aus Samt und Seide, juwelenverzierte Kerzenleuchter, samtweiche Polster- und Ledermöbel sowie Statuen aus feinstem Marmor, hatten sie gesehen. Alles war in dem schwachen Licht der rötlich glühenden, spinnennetzartigen Riefen erhellt worden. Nur an vereinzelten Stellen hatten immerbrennende Kandelaber, die düsteren Hallen mit verlorenem Kerzenschimmer angereichert. Neire hatte keine Geräusche mehr von den Priesterinnen gehört und so hatten sie sich an die Plünderung begeben. Sie waren an einer kleinen Kammer voller chaotisch verteilter Papyrusfetzen vorbeigekommen, auf die kurze, krakelige Notizen in der Dunkelelfischen Sprache notiert worden waren. Die Zettel waren mit dunkelelfischen Namen versehen gewesen. Auf einem hatte: „Lird – Hat sich bewährt, hat keine Angst gezeigt bei den Wächtern,“ gestanden. Auf einem anderen Fetzen hatten sie gelesen: „Ryldia – Ist faul und lässt sich gerne bedienen von den anderen. Vielleicht kann sie noch als Opfer dienen.“ Sie hatten die anderen Notizen nicht weiter beachtet und waren schließlich in das höchste Gemach gelangt. Die Ebene war von einer opulenten Einrichtung gewesen. Sie hatten auf Teppichen und Wandgemälden die Abbildungen von nackten Dunkelelfen gesehen. Männer und Frauen hatten sich perversen Liebesspielen hingegeben, die mit Szenen des Aufschneidens und des Verstümmelns versehen worden waren. Statuen von lebensgroßen schwarzen Spinnen hingen an adamantenen Ketten hinab und verdeckten die Fenster. Sie hatten die obere Ebene durchsucht und waren zuletzt in das fürstlich eingerichtete Gemach Charinidas gelangt. Vielfältige Gerüche, wie diffuses Licht waren ihnen entgegengekommen. Alles hatte den morbiden Charm unermesslichen Reichtums gehabt und dunkelelfische Runen sowie Spinnenverzierungen getragen. Sie hatten den Raum durchsucht und nichts gefunden. Dann hatte Bargh die Spuren Charinidas zu einer Wand gehen sehen, die von einem seidenen Spinnenteppich bedeckt war. Neire hatte die Wand abgesucht und eine Falle entdeckt. Vorsichtig hatte der Jüngling die geheime Tür geöffnet. Dahinter hatten sie eine Folterkammer entdeckt. Der Geruch von Blut, Urin und Fäkalien war ihnen entgegengeströmt, der von einem süßlichen Parfüm überdeckt wurde. Es hatte sich jedoch niemand im Gemach gefunden und die Spuren waren bereits einige Wochen alt gewesen. Zwischen den Peitschen, Zangen und Ketten hatte Bargh dann eine weitere Spur Charinidas gefunden, die sich zur gegenüberliegenden Wand bewegt hatte. Auch hier hatten sie die Geheimtür geöffnet, die sie in ein weiteres kleines Gemach geführt hatte. Neire lugte jetzt vorsichtig durch den geöffneten Schlitz und blickte in die Kammer. Schimmernd lag dort auf einer weißen Marmorsäule die Skulptur einer handgroßen Spinne. Der Gegenstand war aus goldsilbern schimmerndem, purem Mithril gearbeitet und musste einen unermesslichen Reichtum darstellen. Hinter der Säule ruhten vier geschlossene große Truhen. Vorsichtig bewegte sich Neire auf den Gegenstand zu und begann die Säule nach Fallen zu untersuchen. Er fand nichts, doch sein Instinkt warnte ihn vor dem Fluch, der in dem Gegenstand innewohnte. Kurz malte er sich das Bild aus, wie eine Berührung der Spinne zum Verschwinden des Diebes führte. Neire rätselte nicht lange über den Ort, an den die verfluchte Person gebracht werden würde und flüsterte: „Bargh, Zussa… fasst die Spinne nicht an. Es wohnt ein Fluch in ihr, der jenen Dieb befallen soll, der sie unbedacht aufnimmt.“ Kaum waren die Worte im Raum verhallt, da hörten Bargh, Zussa und Neire die Stimme, die in ihren Köpfen widerhallte. Die Worte wurden von einem Kichern begleitet und klangen lieblich, aber gehässig zugleich. Das Mädchen, das hin und her stolpert… von einem Ort zum anderen. Für einen Augenblick bewegte sich Zussa nicht, hielt ihren Atem und raunte. „Habt ihr das gehört? Bin damit…“ Bargh unterbrach sie grummelnd. „Ihr könnt nicht gemeint sein, Zussa. Ihr seid kein Mädchen mehr.“ Kaum war Barghs Stimme verhallt, war da wieder das Lachen in ihren Köpfen. Der Krieger, der aus den Schatten kam. Dabei ist es nur der Schatten eines Anderen, dem er hinterherläuft. Nachdem die Worte verklungen waren, schwiegen die drei Streiter Jiarliraes. Sie blickten sich für eine Zeit in die Augen, nickten sich dann zu und begannen mit der Plünderung der Truhen.

~

„Charinida, die Hohepriesterin ist tot.“ Neires kindlich-zischende Stimme drang durch den Raum in der Sprache der Unterreiche. Es folgte ein dumpfes Geräusch, als der abgetrennte Kopf der Hohepriesterin auf den Boden schlug. Die Kreaturen, deren Augenpaare in der Dunkelheit aufblitzten, duckten sich hinweg und drängten zurück. Sie gingen gebeugt, als ob sie ihre Meister erwarteten. Auf ihren Körpern waren die Spuren von verheilten Peitschenhieben zu sehen. Neire betrachtete das Gemach der Sklaven, aus dem ein fast unerträglicher Gestank von Blut, Schweiß und Fäkalien drang. Nur das rötliche Licht des marmornen Flures hinter ihm erhellte den Eingang. Nachdem sie die Schatzkammer von Charinida geplündert hatten, waren die anderen Gemächer von ihnen durchsucht worden. Sie hatten keine lebenden Priesterinnen mehr angetroffen. So waren sie schließlich hinabgestiegen und hatten sich den beiden verriegelten Räumen gewidmet, aus denen Neire zuvor die Geräusche der Sklaven gehört hatte. Neire blickte in die Dunkelheit des Gemachs. Dennoch konnten seine geübten Augen erkennen, dass sich dort fünf Grottenschrate, drei Orks, sechs Tiefengnome und ein männlicher Mensch versammelt hatten. Nach einer Zeit der Stille trat einer der Grottenschrate hervor und erhob seine Stimme. „Wer seid ihr und was wollt ihr?“ Einer der abgemagerten Orks begann sich neben ihn nach vorn zu bewegen. Die abgemagerte Kreatur wurde jedoch mit einem Schlag ins Gesicht, den der Grottenschrat mit seiner Rückhand ausführte, in seine Schranken gewiesen. „Ihr könnt mit uns kommen, doch eine Frage müsst ihr alle uns beantworten.“ Mit einem Knurren, bellte der Grottenschrat unterwürfig. „Wenn ihr uns umbringen wollt, dann redet nicht. Tut es einfach!“ Neire lächelte durch die Maske der Goldschlange, die er über seinem Gesicht trug. „Jeder, der der Spinnengöttin dient, erhebt jetzt seinen Arm.“ Für einen Moment herrschte Stille, bis ein anderer, sich vorwagender Ork mit einem stärkeren Schlag des Grottenschrates zurückgewiesen wurde. Unter dem Jaulen des Orks knurrte die Kreatur, deren Kopf eine Mischung zwischen einem Humanoiden und einem Bären darstellte. „Was haben wir für eine Wahl. Sie haben uns hier eingekerkert.“ Die anderen Grottenschrate knurrten zustimmend. Dann sprach ein Tiefengnom mit zitternder Stimme. „Wir sind Sklaven, Herr. Was erwartet ihr… wir dienen demjenigen, der uns nicht der Peitsche ausliefert.“ Neire nickte und lächelte freudig. „Ihr habt die Wahl. Ihr könnt mir uns kommen. Wir gehen nach unten, denn dort gibt es einen Tunnel, der uns zum Schwarzwasser führt. Von dort aus werden wir Erelhei-Cinlu verlassen.“ Ein hektisches Raunen ging durch die Menge, als Neire den Weg nach unten erwähnte. Nur der Mensch blickte mit glasigen Augen ins Leere und aus seinem Mund rann Sabber. Dann antwortete der Grottenschrat mit ängstlichen Grunz- und Schmatzlauten. „Wir gehen nicht hinunter. Dort lauert nur der Tod.“ Hinter sich hörte Neire die ungeduldige Stimme Barghs. „Der Tod lauert dort unten wie hier. Ihr kommt entweder mit uns oder ihr bleibt hier im Raum. Keine Spiele mehr Neire!“ Neire nickte und forderte sie ein letztes Mal auf. Hervor traten ein Ork und vier Tiefengnome. Als Neire fragte: „Und was ist mit euch, Menschlein?“ Zeigte der Ork auf seinen Kopf und grunzte. „Der dort tot, hier oben.“ Dabei zeigte er sich auf seinen vernarbten Schädel. Neire nickte und Bargh begann die Tür zu schließen. Wie in einem Sturmlauf versuchten die fünf Grottenschrate in diesem Augenblick die Flucht zu ergreifen. Doch Bargh und Neire waren schneller und verschossen die Tür. Sie hörten aus dem Inneren die verzweifelten Schreie und das Kratzen von Klauen auf dem Holz. Danach wendeten sie sich dem anderen Sklavengemach zu und forderten die ausgemergelten Kreaturen auf ihnen zu folgen, falls sie sich es trauten. Aus dem anderen Raum waren es ein weiterer Ork, drei Grottenschrate und ein Kobold, die ihnen folgten. So schritten sie auf die Treppe zu, die hinab in die Tiefe führte. Beim Anblick des spinnenwebenverhangenen Schachtes duckte sich der Kobold zitternd hinfort und versuchte zu fliehen. Neires Degen zuckte in seinen Rücken und er stach die kleine Kreatur nieder. Barghs Stimme klang dröhnend durch die Halle. Die Dunkelheit des heiligen Kriegers der Chaosgöttin umhüllte sie alle. „Ich habe es euch gesagt. Feigheit wird mit dem Tode bestraft.“ Sie drückten die Schar von Gestalten vor sich in die Tiefe. Einige schlotterten nun vor Angst. Dann hörten Bargh, Zussa und Neire wieder die Stimme, die anscheinend nur in ihren Köpfen war. Der Jüngling, der sich nach dem längst Vergangenen sehnt. Neire schüttelte seine Furcht ab. Es musste sich um eine Lüge handeln, denn Nebelheim war ewig. Sie gingen tiefer und tiefer. Die Einwebung des Tunnels nahm zu. Von unten war ein schwaches violettes Licht zu sehen. Auch einer der beiden Orks bekam es mit der Angst zu tun und versuchte zu fliehen. Doch Neire stach auch diesen Flüchtenden nieder. So waren es drei Grottenschrate, ein Ork und vier Tiefengnome, die schließlich die untere Halle betraten, die sich ihnen offenbarte. Dort herrschte ein schummriges gräuliches Licht, das von überall zu kommen schien und nur von dem schwachen violetten Feuer von Kerzenhaltern angereichert wurde. Ein breiter Gang führte zu einer Sarkophag-ähnlichen Opferstelle. Dort war der Boden von getrocknetem Blut bedeckt und ein orangenes Feuer brannte in einem Kohlebecken. Metallene Käfige hingen dort an Ketten. In einem dieser Gefängnisse konnten sie die humanoiden Konturen einer eingesponnenen Kreatur erkennen. Neire spürte das Unwohlsein, das dieser Bereich in ihm hervorrief. Auch Bargh und Zussa schien es ähnlich zu ergehen. Sie trieben die Sklaven weiter vor sich her, bis sie zu dem Altar kamen. Zur rechten Seite ging der Tunnel ab, der jedoch gänzlich von Spinnenweben ausgefüllt war. Die dicken Fäden sahen so aus, als ob dunkle Tropfen einer öligen Substanz von ihnen herabliefen. Gerade wollte er auf den Sarkophag hinzuschreiten, da hörte er das Murmeln aus dem entfernten rechten Tunnel. Durch das Gewirr von Netzen konnte er schemenhaft eine große Kreatur erkennen, die in einer entfernten Halle aufgetaucht war. Bewegung ging durch das Spinnennetz und die violetten Kerzenflammen fingen an zu flackern. Neire rief in seinem Schreck: „Dort!“ Zwischen den Fäden konnte er die Gestalt erkennen. Auf einem gewaltigen Spinnenleib ruhte ein menschlicher Oberkörper einer halbnackten Dunkelelfin. Vier menschliche lange, dürre Arme an jeder Seite trugen die Kreatur, die sich auf den Strängen des Netzes zu bewegen schien. Sie besaß eine Vielzahl von glühenden roten Augen und ein von Beißzangen versehenes monströses Maul. Bargh hielt sein Schild vor sich und gemeinsam begannen sie die Gebete ihrer Göttin zu rezitieren. Die Kreatur lachte diabolisch und wendete ihnen ihren Unterleib zu. Fäden schossen heran und begannen sie zu umwickeln. Neire und Zussa konnten zur Seite springen, doch Bargh wurde gefesselt. Dann beschworen Neire und Zussa ihre Magie. Ein Regen von dunklen Magmageschossen und eine gewaltige Explosion aus Feuer erfasste die Halbspinne. Sie alle hörten den Todesschrei, der durch die Kerkerhallen ging. Doch da war mehr. Es war, als ob zwei Stimmen schreien würde und eine nur in ihren Köpfen war. Sie betrachten den Untergang der monströsen Spinne, die sich im Feuer erst zusammenrollte sich und anschließend in schwarze glühende Asche auflöste. Erst dann stürmten Neire und Zussa zurück und wendeten sich den Grottenschraten zu, die furchterfüllt geflüchtet waren. Hinterrücks schlugen sie die großen Kreaturen nieder. Keiner sollte dem Geschehen entfliehen. Wie Bargh es gesagt hatte, sollte Feigheit mit dem Tode bestraft werden.

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Sitzung 150 - Rückkehr zum Hause Eilserv
« Antwort #176 am: 1.08.2025 | 21:35 »
Gierig stürzten sich die Sklaven auf das Essen, das Bargh ihnen hingeworfen hatte. Grunzend und schmatzend begann der Ork das Trockenfleisch zu schlingen. Auch die vier Svirfneblin legten ihre Furcht für einen Augenblick ab und widmeten sich ihren Rationen. Bargh blickte durch seine Maske und betrachtete das Geschehen. Sie hatten sich nach dem Kampf gegen die Spinnenmonstrosität beraten. Danach hatten sie die noch verbleibenden Sklaven einen Weg durch die Spinnennetze schneiden lassen. Sie hatten ihnen dazu einige der Foltermesser gegeben, die sie auf den Tischen um den blutverschmierten Altar gefunden hatten. Während die Sklaven gearbeitet hatten, hatten sie die unterirdischen Hallen des Tempels weiter untersucht. Bargh hatte schließlich alte Spuren gefunden, die einige Monde alt waren und die auf eine unscheinbare Wand hinzugeführt waren. Sie hatten die Stelle untersucht und Zussa war fündig geworfen. Gemeinsam hatten sie eine geheime Tür geöffnet, hinter der sie einen Tunnel in die Tiefe hatten hinabführen sehen. Neire hatte gesagt, dass er in weiter Entfernung rauschendes Wasser hörte. Sie waren sich sicher gewesen, dass der geheime Abstieg zum Schwarzwasser führen würde. Sie hatten sich aber entschieden in der Kerkerhalle auszuharren, die durch ein diffuses graues Licht erhellt worden war. Es wirkte auf Bargh, als ob die Steine oder vielleicht sogar die Luft den Schimmer erzeugen würde. Die in violetten Flammen brennenden Kerzen der Kandelaber brannten so schwach, dass sie kaum etwas beitrugen. Barghs Blick ging von den Sklaven auf seine beiden Mitstreiter über. Zussa trug ihre Maske aus der grauen Haut des toten Riesenkindes. Rubinsplitter, die eine Hand formten, waren dort aufgebracht und endeten in Klauen. Die Ränder hatten Neire und Zussa mit den grünlich schimmernden Haaren der Riesin verziert, deren Augen Zussa herausgeschnitten hatte. Die Feuerhexe war in eine schattenhafte Robe und knöchelhohe Stiefel gekleidet. Sie kratzte sich immer wieder unter der Maske und legte dabei ihr feuerrotes, gelocktes Haar über ihre Schultern. Auch Neire hatte die Maske der juwelenverzierten goldenen Feuerschlange nicht abgelegt. Der Jüngling mit den gold-blonden Locken betrachtete das platinerne Ei, das sie aus der Halle geborgen hatten, in welche die Sklaven den Tunnel durch die Netze geschnitten hatten. Neire betrachtete schon längere Zeit den Gegenstand. Dann erhob er den Kopf und sprach zu Zussa. „Ihr sagtet, es wäre die Magie der Veränderung und die von Raum und Zeit, die diesem Gegenstand innewohnt?“ Es dauerte einige Zeit bis Zussa antwortete. Bargh vermutete, dass das Mädchen träumte. „Magie? … Ja, ich sagte es doch bereits Neire. Versucht die Magie zu bannen. Unsere Macht ist bestimmt stärker, als die der Spinnenanbeter.“ Neire nickte und legte das Ei behutsam zu Boden. Dann kniete er sich nieder und sagte. „Tretet zurück. Ich weiß nicht, was passieren wird.“ Bargh und Zussa traten zurück. Nur die Sklaven schlangen weiter schmatzend und rülpsend das Essen hinab. Dann wirkte Neire seine Magie. Ein kurzes Leuchten ging über die Oberfläche aus Platin. Dann wurde die Hälfte der Schale durchsichtig. Eingeschlossen, wie in einer viskosen, durchsichtigen Flüssigkeit, konnte Bargh vier Gegenstände sehen, die dort schwammen. Bargh beobachtete, wie der Jüngling seine Hand ausstreckt und durch die Schale in das Ei hineingriff. Täuschte er sich oder wurde Neires Hand im Inneren der Flüssigkeit kleiner?

Neire hielt die Kugel aus dem schwarzen Bergkristall in seinen Händen, die ihm Zussa und Bargh einst aus Urrungfaust mitgebracht hatten. Er hatte sich in einen Kniesitz begeben. Der Gegenstand fühlte sich kalt und glatt an. Im Inneren des dunklen Glasballs waren Konturen, wie schwarze, in sich verflossene Tropfen. Je länger er sich auf die Düsternis konzentrierte, desto mehr verschwand die Umgebung um ihn herum. Es war als ob die Schwärze begann, die freien Sichtbereiche zu schlucken. Dann starrte er in die Leere, er blickte in eine sternenlose Nacht. Auch die Geräusche der Sklaven waren verschwunden. Die Worte von Zussa und Bargh, die sich gerade unterhalten hatten, hörte er nicht mehr. Er versuchte die Dunkelheit zu navigieren und ein Name lag auf seinen Lippen. Er flüsterte ihn immer wieder, erinnerte sich das, was einst war. Da waren glühende Funken, die sich wie im Wind zu bewegen begannen. Sie formten einen Tunnel, durch den sich sein Blick fortzog. Dann sah Neire Bautha da’Eilserv, deren Namen er in die Schattenseite der Nacht geflüstert hatte. Die jugendliche Dunkelelfin lächelte zu sich selbst, als sie durch einen verzierten Türbogen schritt. Goldene Strähnen waren in ihre silbernen Haare geflochten, die ihr schlankes, fast übernatürlich hübsches Gesicht umspielten. Sie war in eine enganliegende Lederhose und ein Lederoberteil gekleidet, das mit grünen gestickten Runen verziert war. Neire hörte ihre Schritte, aber auch ein Hämmern und ein Meißeln von außerhalb. Sein Blick verfolgte Bautha, die jetzt in eine Kammer trat. Dort war das Funkeln von Gold, Silber und Edelsteinen. Geöffnete Schatztruhen offenbarten unermesslichen Reichtum. Auf seidenbehangenen Podesten lagen verzierte Waffen, Rüstungen und Schilde. Ein anderer Bereich der Kammer war von einem Bücherregal wertvoller Einbände ausgefüllt. Bautha ging zum Bücherregal und begann einen der Folianten hervorzuziehen. Sie strich sich dabei ihr Haar zurück und Neire konnte die Narbe erkennen, die der falsche Stallmeister ihr zugefügt hatte. Neire hatte genug gesehen. Er zog sich zurück in die Dunkelheit. Sein Geist kehrte zurück in den Tempel der Spinnengöttin. Erst als er sich erhob spürte er den Schwindel, den die Änderung der Wahrnehmung bei ihm bewirkte. „Zussa, wir werden Bautha da’Eilserv besuchen. Bargh, ihr werdet hierbleiben und auf die Sklaven aufpassen. Es wird nicht lange dauern, bis wir zurückkehren werden.“ Zussa, die wie Bargh und er selbst, ihre Maske ausgezogen hatte, grinste freudig, während Bargh eisern nickte. Dann reichte er Zussa das Amulett von Aunrae da’Eilserv. Er selbst zog sich das Amulett ihrer Schwester, Faeza da’Eilserv, an. Neire nahm Zussa an der Hand, legte einen Finger auf die Lippen und sprach die arkanen Worte der Macht. Augenblicklich begannen sie sich in glühende Schatten aufzulösen. Wieder überkam ihn das Gefühl von Schwindel. Dann erblickte er die glitzernde Kammer, in die er sich mit Zussa begeben hatte. Bautha stand noch immer vor dem Bücherregal. Leise flüsterte Neire. „Bautha, erschreckt euch nicht. Ich bin es, Neire von Nebelheim.“ Bautha zuckte herum, als wolle sie um Hilfe rufen. Dann legte sie einen Finger auf ihre Lippen und zeigte auf die Stahltür, die offen stand. Sie bewegte sich dorthin und begann die Pforte zuzudrücken. Erst dann fuhr sie herum und zischte arrogant. „Ich habe nicht so früh mit eurer Rückkehr gerechnet, Prophet. In meinen Kreisen kündigt man derartige Besuche an.“ Neire überhörte den Ton und antwortete. „Wir sind um eure Sicherheit interessiert und wir bringen wichtige Neuigkeiten. Doch sagt, konntet ihr eure Macht festigen? Hat man euch geglaubt?“ Jetzt lächelte Bautha boshaft. „Natürlich hat man mir geglaubt.“ Sie strich sich über die einst tiefen, jetzt vernarbten Wunden an Bauch und Arm. „Meine Wunden sind geheilt und die beiden Männlein wurden für diesen Frevel getötet. Doch meine Herrschaft hat gerade erst begonnen.“ Neire nickte beipflichtend und sagte dann. „Wir kommen aus dem Tempel der Spinnengöttin. Wir haben sie getötet. Alle Priesterinnen und ihre Krieger. Und wir waren in den Kerkern des Tempels und haben dort eine Abscheulichkeit getötet. Eine Mischung aus einer Frau und einer Spinne. Sie hatte…“ Bauthas Gesicht hatte sich in ein Grauen verwandelt und sie hatte ihm an den Lippen gehangen. Dann unterbrach die Herrin des Hauses Eilserv ihn. „Ihr habt was… wie kann es nur sein. Charinida war mächtig. Sie war die größte Priesterin von ganz Erelhei-Cinlu. Und sie hatte Pellanistra, ihre Leibwächterin. Aber die Spinne, die ihr getötet habt… kann es sein? Wenn die Gerüchte wahr sind?“ Neire schüttelte mit dem Kopf. „Jetzt sind sie tot. Pellanistra, Charinida, die Priesterinnen sowie Kriegerinnen und die Spinnenfrau. Wir sind gekommen um euch das mitzuteilen. Vielleicht könnt ihr es zu eurem Vorteil nutzen. Vielleicht wart ihr ja auf eurer Reise in den Tempel und habt diesen Frevel zuerst gesehen. Vielleicht nutzt ihr die Gunst der Stunde.“ Zuerst schüttelte Bautha den Kopf, doch dann zeigte sie ein diabolisches Lächeln. „Ja, so könnte es sein. Als neue Herrin vom größten Haus Erelhei-Cinlus, als Herrscherin vom edlen Haus Eilserv wurde ich von Charinida eingeladen, mein Opfer zu vollbringen. Ich reiste zum Tempel und fand das Massaker. Vielleicht sprach die Spinnengöttin dort selbst zu mir. Nun muss ich für Recht und Ordnung sorgen in Erelhei-Cinlu und das werde ich tun.“ Bautha begann zu lachen und dann verrückt zu kichern. Sie musste fast ihre Fassung verloren haben, denn sie sprach in ihr wieherndes Lachen hinein. „Ich werde die Kriegerinnen der Zunft schicken. Sie dienen noch immer unserem, nein, meinem Haus. Sie werden den Tempel besetzen und dafür sorgen, dass es erst einmal keine Spinnengöttin mehr gibt in Erelhei-Cinlu.“ Dann schaute sie unschuldig Neire an. „Natürlich wird es die Spinnengöttin im Tempel geben und die Opfergaben werden gerne entgegengenommen werden. Wir werden sie gerne entgegennehmen.“ Jetzt war ihr verrücktes Lachen noch stärker geworden und sie fuhr fort. „Ich werde Erelhei-Cinlu beherrschen, wie es noch nie eine Herrin zuvor getan hat. Sie werden alle ihr Knie beugen. Jene die sich widersetzen, werde ich ausrotten, vernichten… ihre Namen aus der Geschichte tilgen.“ Neire nickte und lächelte Bautha an. Als die junge Herrin aufhörte zu lachen blickte sie sich um und zeigte auf einige Gegenstände. „Neire von Nebelheim, ihr habt mir zur Macht verholfen und ich habe euch nicht vergessen. Sucht euch das, nach dem euer Herz begehrt. Es liegen so viele Dinge seit Jahrhunderten hier herum. Doch wisset, einige Gegenstände liegen mir am Herzen. Bereits die große Aunrae, gelobt möge sie sein, hat diese Kammer wie ihr eigenes Kind beschützt, das sie nie hatte.“ Wieder kicherte Bautha. Dann schritten sie gemeinsam durch Halle und begutachtenden die Kostbarkeiten. Zussa und Neire griffen nach Schwertern, Ringen und Büchern. Einige wenige Male schüttelte Bautha mit dem Kopf und sie ließen die Artefakte unberührt. Danach verabschiedeten sie sich. Sie sagten Bautha, wie sie sie erreichen konnte und kehrten zurück zu Bargh, in den Tempel der Spinnengöttin.

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Sitzung 151 - Durch den Tunnel im Sternenhimmel
« Antwort #177 am: 9.08.2025 | 14:15 »
Ächzend zog sich Bargh durch den Tunnel. Die schleimige, bernsteinfarbene Flüssigkeit war mittlerweile durch seine Rüstung gedrungen. Dort, wo die seltsame Substanz mit seiner Haut in Kontakt gekommen war, fühle er ein kaltes Prickeln. Die transparenten Wände der Röhre schienen sich seinen Bewegungen anzupassen – so als ob sie bei der Berührung mit dem Bernsteinschleim nachgeben würden. Der heilige Ritter Jiarliraes zog sich unermüdlich vorwärts. Sein Blick war nach vorn gerichtet. Hinter den Wänden waren nur silbern schimmernde Nebel zu sehen. Bargh hörte Neires Gebete hinter sich und er stimmte in den zischelnden Gesang ein. Das Lied zu Ehren Jiarliraes gab ihm Kraft und half ihm das Gefühl von Hohn und Spott zu vergessen, das er gespürt hatte, seit sie die Spinnenkreatur der Frau getötet hatten. Bargh hatte eine Zeit in den Katakomben des Tempels gewartet, bis Neire mit Zussa von Haus Eilserv zurückgekehrt war. Neire hatte kurz berichtet, sich dann aber an die weitere Erkundung der unteren Ebene gemacht. Nach einer Zeit war er zurückgekommen und hatte von Lagerräumen und verschlossenen Türen erzählt. In dem Tunnel hatte er zudem einige untote Kreaturen gesehen, die dort willenlos auf und abschritten. Neire, Zussa und er selbst hatten dann beraten, ob sie die Kreaturen töten und den Bereich durchsuchen oder in den oberen Raum mit der Statue der Spinnengöttin zurückkehren wollten. Sie hatten sich dann dafür entschieden, nach oben zu gehen, um das Abbild von Lolth zu zerstören. Die Durchsuchung der unteren Hallen hatten sie aufgeschoben. Zurück im oberen Geschoss, hatten sie zu ihrer Überraschung gesehen, dass das Relief des schwarzen Nachthimmels sich bewegt hatte. Der Tunnel, den sie schon zuvor gesehen hatten, tanzte zwischen den glitzernden Sternen. Der Weihrauch der Kohlebecken wurde durch einen Luftzug in die Wand gezogen. Sie hatte voller Staunen die magische Wandkarte untersucht, deren Sternzeichen Zussa als ein getreues Abbild des euboräischen Himmels erkannt hatte. Neire war sich sicher gewesen, dass der Tunnel eine Art Portal darstellte, das in ein Jenseits hinter den Sternen führte. Er hatte ihnen zudem gesagt, dass er keine direkte Gefahr auf der anderen Seite des Portals spüren könne. Sie hatten zuerst versucht die vier Gegenstände als Portalschlüssel einzusetzen, die sie eingeschlossen im platinernen Ei gefunden hatten – die eiserne Pyramide, die silberne Kugel, den blauen kristallenen Würfel und den bronzenen achtzackigen Stern. Nachdem die Versuche erfolglos geblieben waren, hatte Neire die Idee gehabt seine Hand in die bernsteinfarbene Flüssigkeit der Säule einzutauchen. Der Tunnel hatte bei der Berührung des jungen Propheten nachgegeben und wild angefangen zu zucken. So hatten sie gemeinsam zu Jiarlirae gebetet und sich dann in die Flüssigkeit begeben. Bargh war zuerst in den Tunnel gestiegen. Je weiter sich Bargh vorzog, desto mehr konnte er die Kraft seiner Göttin fühlen. Er hörte den Singsang von brennenden Feuern, die Brise eines schattigen Nachtwindes. Aber da war immer noch der Spott, der tief in ihm nagte. Nur durch die Konzentration auf seine hohe Herrin von Flamme und Düsternis, konnte er die Selbstzweifel abschütteln. Bargh wusste nicht, wie lange sie sich schon durch den Tunnel zogen. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. Dann sah er es unter sich. Zuerst war es wie eine Kontur im Nebel. Schließlich konnte er den polierten glatten Stein erkennen. Ein Pfad, wie eine schlanke Straße, von Nebel umschlungen. Der transparente Schlauch führte dort hin. Bargh spürte jetzt die Öffnung und ließ sich hinab. Langsam richtete er sich auf und ein Schaudern durchfuhr ihn. Hier waren keine Geräusche. Alles fühlte sich anders an – auch die Klinge Glimringshert in seiner rechten Hand. Ihm war, als wolle dieser Ort seinen Untergang hervorrufen und ihm ewige Qualen bescheren. Bargh half zuerst Neire hinab, dann entschlüpfte Zussa dem Schlauch zwischen den Welten. „Achtet auf den eure Schritte. Wir wissen nicht, was sich dort im Nebel befindet,“ flüsterte Bargh und zeigte in die Schwaden, die kaum heller als Mondlicht waren. Dieser Ort war falsch. Es war kein Geruch hier, keine Geräusche. „Unsere Göttin ist nah. Ich spüre sie und sie spürt uns. Zu dritt sind wir an diesen Ort gelangt und zu dritt werden wir ihn wieder verlassen.“ Bargh nickte bei Neires Worten, dann zeigte der Jüngling mit den goldblonden Locken in eine Richtung. Sie schritten über den schimmernden Stein des Wegs im Nichts. Sie begannen durch die silbernen Nebel, denen Flamme und Düsternis so nah, doch auch so unglaublich fern schienen.

~

„Dort,“ zischelte Neire. „Eine geheime Tür… Wartet, ich werde sie öffnen.“ Der Jüngling drehte sich zu der nackten Wand des kargen Gemaches, in das sie getreten waren. Zuvor waren sie Stunde um Stunde durch die matten Nebel gewandelt. Ab und an hatten sie eine Tür aus altem, teils verschimmeltem Holz samt Rahmen gesehen, die am Rande des steinernen Steges stand. Dahinter war nichts gewesen, doch als sie das mysteriöse Portal geöffnet hatten, war dort ein Gang aufgetaucht. Sie waren dem Gang und auch anderen Gängen gefolgt, aber oft waren sie im Kreis gegangen. Bargh hatte ihre eigenen Spuren auf dem marmornen Steg entdeckt. Nachdem sie hinter einer weiten Türe einen Raum mit vier steinernen Trollen entdeckt und diese getötet hatten, waren sie schließlich auf den leeren Raum gestoßen, den sie dann abgesucht hatten. Jetzt begann Neire vorsichtig einen Teil der Wand hervorzuziehen, der sich mit einem Knirschen öffnete. Dahinter sahen sie eine von Fackellicht erhellte Kammer, in deren Mitte eine Reihe von Gitterstäben zwei Bereiche trennten. Gefangen hinter den Stäben sahen sie vier verweste Körper, mit langen blonden Haaren und den Kleidern von Frauen. Auf ihrer Seite saß ein alter Mann, der in noble Gewänder gehüllt war und noch langsam atmete. Er war knochendürr und langes weißes Haar hing offen über seine Schultern hinab. Mit dem Geräusch der sich öffnenden Tür erhob sich der Mann ächzend. Es war, als ob er unter Schmerzen leiden würde. Er drehte sich zu ihnen um und fing an zu grinsen. Im flackernden Licht waren vergilbte Augen, eingefallene Wangen und ein Stoppelbart zu sehen. Sabber und Geifer rannen aus seinem Mund, in dem fast keine Zähne mehr zu erkennen waren. Mit einem Unglauben in den Augen fing der Alte an zu Kichern, was sich schnell in ein verrücktes Gackern veränderte und unter Schmerzen erstarb. „Ihr seid zu meiner Hochzeit gekommen, Fremde? Wo sind meine Brautgeschenke für meine vier Prachtstücke?“ Der Mann sprach mit gebrechlicher Stimme und wies dabei auf die vier Leichname. Neire trat hervor und verbeugte sich in höfischer Geste. „Wessen Hochzeit ist dies und wieso findet sie an diesem Ort statt?“ Für einen Augenblick starrte der Alte wirr in das Licht der Fackeln, dann antwortete er. „Ich bin der Herr von Trahks und das ist meine Hochzeit. Wo sonst, wenn nicht hier mein Herr, sollte sie stattfinden. Und meine vier Bräute können es gar nicht erwarten, mir zu dienen.“ Dabei zeigte er grinsend seine wenigen fauligen Zähne. „Es ist die Hochzeitsnacht, ihr wisst was ich meine…“ Wieder war da das verrückte Lachen, das in einem Hustenanfall endete. Neire ging einen Schritt auf die Gestalt zu und sagte. „Wir kommen wohl etwas spät zu eurem Spiel oder wieso bewegen sie sich nicht. Wieso sind sie auf der anderen Seite des Gitters. Wer hat sie dort hingebracht?“ Für einen Augenblick zogen sich die Augen des Alten zusammen und es war, als ob eine alte Erinnerung in seinem Verstand auftauchen würde. Dann lachte er wieder. „Damit sie mir nicht stiften gehen… Prachtweiber sind es, das sage ich euch. Sehr begehrt in diesen Zeiten. Ihr wollt sie mir doch nicht wegnehmen, ihr und euer großer Leibwächter.“ Dabei zeigte der Alte auf Bargh, der sich hinabgebeugt hatte, um durch die Tür zu blicken. Jetzt lächelte Neire ihn an und antwortete. „Wir wollen sie euch nicht wegnehmen, nein. Ich selbst habe mich bereits versprochen und auf ewig gebunden. Meine Frau kann leider nicht an euer Feier teilnehmen.“ Bei Neires Worten versteinerte sich das Gesicht des Adeligen. „Ha, wieso nur einer versprochen? Könnt ihr euch nicht mehrere leisten? Sie sind ihren Preis wert, das sage ich euch… eine reicht mir nicht. Sie können zwar anstrengend sein, aber manchmal hat das Eheleben auch seine Vorzüge.“ Wieder lachte der Alte wirr, dann fuhr er fort. „Woher kommt ihr Fremder. In welchen Landen könnt ihr euch nur eine Braut leisten?“ Jetzt nickte Neire und blickte sich zu Bargh und Zussa um. „Wir kommen von weit her, aus den Schneebergen. Doch wir haben unseren Weg in dieses Reich gefunden, in dem ihr euren leblosen, schmerzerfüllten Reigen zu Ehren der Spinnengöttin tanzt. Wir haben Flamme und Dunkelheit mitgebracht und wir könnten eine Kerze für euch anzünden. Ein Licht, das euch IHRE Schatten bringt. Ihr könnt das Geheimnis der Dualität von Flamme und Düsternis bestaunen, bevor die Spinnenanbeter eure Seele zermalmen.“ Während Neires Worten hatte der Alte zuerst zugehört, doch dann wirr angefangen ein Kinderlied zu summen. Jetzt rief er. „Eine Kerze, mehr Licht für meine Hochzeit… ein guter Einfall. Erlhart, kommt herbei! Wo sind sie nur, meine Diener?“ Neire versuchte es ein weiteres Mal. „Hört, alter Mann… Herr von Trahks! Wir waren in Aschwind und haben die Dunkelheit gesehen, die sich über die Stadt gelegt hat. Niemand kam herein oder heraus. Wir sprachen mit Randos damals, doch das ist nun fast fünf Winter her.“ Der Alte schaute zu Boden, dann in das Licht der Fackeln. Er murmelte. „Randos, dieser… er ist ein Jungspund… niemand kommt herein und oder heraus?“ Da war wieder das wirre, hässliche Lachen. „Wenn ihr die Schenkel meiner Bräute meint, junger Freund, so ist es. Nachdem ich sie geehelicht habe, wird dort niemand anderes als ich selbst herein oder heraus kommen. Hehehe!“ Neire wendete sich ab und sprach zu Bargh und Zussa. „Er wurde von den Spinnenanbetern verflucht. Ich fühle es. Sie ergötzen sich an seinem Siechtum. Sie zehren von solch niederen Kreaturen. Armselige Menschlein reichern ihre Macht so an, wie eine Spinne ihre Beute in einem Netz zappeln lässt.“ Neire blickte zu Zussa. „Es ist an euch, Hand der Flamme, dem Spiel ein Ende zu bereiten.“ Zussa strich sich ihre roten Locken zurück und antwortete betont gelangweilt. „Er ist doch schon tot Neire. Soll er doch hier weiter tot bleiben.“ Als Neire schwieg, fügte sie an. „Na gut, ein bisschen mehr tot kann ja auch nicht schaden.“ Als Zussa sich auf den Alten zubewegte grinste er und sagte. „Eine fünfte Braut… kommt her mein Schätzchen, der Herr von Trahks wird sich schon gut um euch kümmern.“ Zussa blickte ihn gelangweilt an, dann stieß sie ihren Säbel durch sein Herz. Mit einem Seufzer hauchte der Alte sein Leben aus. Als der Leichnam zu Boden fiel, drehte sich Zussa um, wischte das Blut von ihrer Waffe und fragte. „Und was machen wir jetzt, können wir nun weiter?“

~

Der Strahl, den Neire entfesselte war dünn und glühte in magischen Magmatönen. Es war, als strömten kleine Glühwürmchen durch das Portal. Als sie den schwarzen Spiegel berührten, begann das Feuer in den Stein einzudringen. Die glatte Oberfläche wurde von rötlich schimmernden Furchen durchzogen. Dann brach der matte Glanz und glühende Stahlstücke fielen zu Boden. Nur Augenblickte später hörte Neire die grunzenden Schreie, die aus den anliegenden Türen kamen. Er dachte zurück an ihren Kampf und machte sich angriffsbereit. Nachdem sie zuvor das Gefängnis des Herren von Trahks verlassen hatten, waren sie weiter durch das Labyrinth der im Nebel schwebenden Steinwege geirrt. Schließlich hatten sie hinter einem Portal eine große Halle entdeckt. Dort waren sie von unsichtbaren Kreaturen angegriffen worden. Als sie die Affendämonen schließlich besiegt hatten, hatte Neire die Pyramide hervorgeholt. Der Gegenstand war warm geworden und hatte vibriert. So hatten sie Halle durchschritten und ein schwarzes Loch in der Wand war wie aus Geisterhand durchsichtig geworden. Dahinter waren sie wieder auf einen steinernen Weg gelangt, der sie durch die Nebel geführt hatte. Sie hatten aber, anders als zuvor, über und unter ihnen weitere Pfade entdecken können, die dort verborgen gelegen hatten. So waren sie schließlich zu der Tür gelangt, hinter der Neire den Spiegel entdeckt hatte. Von dem Spiegel war eine große Anziehungskraft gegenüber metallischen Gegenständen ausgegangen und so hatte Neire sich dazu entschieden seine schwarze Kunst zu entfesseln. Gerade als Neire begann einen weiteren Zauber vorzubereiten, wurden die beiden Türen aufgeworfen und große, fellige Humanoide strömten in steinernen Raum. Sie trugen lederne Lumpen und knöcherne Knüppel. Ihr rostbraunes Fell war an einigen Stellen ausgefallen und offenbarte bleiche Haut. Ihre bärenartigen Gesichter und spitzen Ohren waren durch Brandnarben entstellt. Ihre Zähne angespitzt und Lippen und Zahnfleisch offenbarten grausame Narben. Kränklich gelbliche Augen blickten sich hasserfüllt im Zwielicht um. Dann warf Neire das Magmafeuer seiner Göttin. Nach der ohrenbetäubenden Explosion waren sterbende Grunzschreie zu hören. Einige Kreaturen hauchten ihr Leben aus, als sie wie lebende Fackeln durch die Kammer torkelten. Anderen fehlten Finger, Hände oder Arme, die durch die Wucht der Explosion abgerissen worden waren. In diesem Chaos von Feuer und Düsternis drangen Bargh, Neire und Zussa vor und töteten die letzten Überlebenden. Erst dann blickten sie sich an und sprachen Gebete zu ihrer Göttin. Sie waren bis hierhin gekommen, doch sie durften nicht den Hohn und den Spott an ihren Geistern nagen lassen. Sie mussten einig und stark sein im Glauben, denn es konnte nur eine Göttin des aufsteigenden Chaos des Abgrundes geben. Jiarlirae würde ihnen den vollkommenen Sieg geben, der den Schlüssel zu neuen Geheimnissen bedeutete.

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Sitzung 152 - In fremde Welten
« Antwort #178 am: 18.08.2025 | 10:46 »
Nachdem sie die Gemächer der getöteten Grottenschrate durchsucht hatten, schritten Zussa, Bargh und Neire wieder durch das Labyrinth von Stegen aus glattem Stein. Sie ließen den grausamen Gestank von verbrannten Körpern hinter sich und wurden umgeben von der unbehaglichen geräuschschluckenden Stille der schimmernden Nebel. Manchmal kam es ihnen so vor, als ob sie die Schatten von schmerzverzerrten Gesichtern im glatten Marmorstein dahingleiten sehen würden. Neire schlich sich wieder voran. So kamen sie nach einiger Zeit an eine weitere Tür, die am Rand des Steges verlassen im Nebel stand. Das morsche Holzportal hatte keinen Rahmen und dahinter war nur Nebel. Nachdem Bargh und Zussa zu Neire aufgeschlossen hatten, tauchte das hübsche Gesicht des Jünglings aus den Schatten auf. Sternenblaue Augen glitzerten im silbrigen Licht der Schwaden und gold-blonde Locken umschmiegten sein Haupt. Der walnussgroße Diamant des silbernen Reifs schimmerte auf seiner Stirn. „Ich konnte keine Fallen oder Flüche finden,“ flüsterte Neire und zeigte auf die Tür. „Macht euch bereit, wir werden sie öffnen.“ Bargh nickte grimmig, während Zussa eine Schnute zog. „Wieso öffnen wir alle Türen hier? Wieso gehen wir nicht einfach weiter auf dem Steg?“ Neire drehte sich zu Zussa um und schien nachzudenken. Dann antwortete er ihr. „Hinter einer solchen Tür lag ein Portal, das sich für uns durch einen der Gegenstände des silbernen Eies geöffnet hat. Vielleicht finden wir weitere solcher Begebenheiten.“ Zussa schien nicht überzeugt worden sein von Neires Worten. Sie zog eine gelangweilte Grimasse. Dennoch öffnete Neire vorsichtig die Tür. Augenblicklich strömte blaues Licht hervor und sie konnten den Geruch von fauligem Wasser vernehmen. Sie sahen einen quadratischen Raum, in den dunklen Felsen geschlagen. Schwarzes, undurchsichtiges Wasser ließ die Tiefe nicht erahnen. Von der Tür führte ein steinerner Steg auf eine runde Plattform inmitten der Halle. Vorsichtig begann Neire über den Steg zu schleichen. Bargh folgte ihm. Als sie die Mitte der Halle erreicht hatten, begannen sich plötzlich Wellen auf dem Wasser zu bilden. Schwarze, schleimige Tentakel, überwuchert mit Saugnäpfen, schossen empor und näherten sich bedrohlich. Drei von ihnen trugen Waffen: Einen Flegel, ein Langschwert und einen Degen. Hinter ihnen schrie Zussa auf, doch Neire reagierte zuerst. Aus den Schatten heraus stieß er seinen grünlich glitzernden Degen in die ledrige Haut. Wieder und wieder. Tiefe Schnitte fügte er dem Wesen zu, dessen massiver Körper erst nach dem Tode aus den Fluten aufstieg. Ein bestialischer Gestank erfüllte die Halle. Eine fleischige, tentakelbesetzte Kugel wurde sichtbar. Stiele mit Augäpfeln wuchsen an einigen Stellen aus dem Körper. Neire bückte sich gerade zu dem Degen hinab, der auf die Plattform gefallen war, da spürte er das Vibrieren des Gegenstandes, den er bei sich trug. Schon während er die jetzt warme Kugel hervorbrachte, sahen sie, dass sich in der Mitte des Steins ein weiteres Portal formte. Sie konnten hinabblicken durch silberne Nebel. Unter sich sahen sie einen weiteren Steg durch die Schwaden führen.

~

Neire wusste nicht, wie lange sie nun schon durch den Wald geschritten waren. Es musste vielleicht ein ganzer Nachmittag gewesen sein. Die warmen Strahlen der Sonne wurden weniger, als der glühende Ball begann hinter den Hügeln zu versinken. Neire sog die Waldesluft ein und ging über das weiche Moos. Hinter sich hörte er die schweren Schritte von Bargh und die helle Stimme von Zussa. Für einen Augenblick schloss er seine Augen und ließ seine Gedanken schweifen. Vor einiger Zeit hatten sie sich durch das Portal des modrigen Wasserraumes auf den marmornen Pfad hinabgelassen. Danach waren sie weiter durch das Labyrinth von Stegen geschritten. Irgendwann hatten sie dann eine in der Leere stehende Türe und einen dahinterliegenden Raum gefunden. Die kleine steinerne Halle war von glühenden Kohlebecken erhellt worden. Vier dämonenhafte Statuen waren in Wandnischen eingelassen worden und schauten sich gegenseitig an. Ein Runenband war in Form eines Vierecks auf dem Boden eingelassen worden. Neire hatte den Raum zuerst auf Fallen und Flüche untersucht, war aber nicht fündig geworden. Dann hatten sie versucht auf die Spur des Rätsels zu kommen. In der Mitte des Runenbandes hatten sie einige lederne Schnüre gefunden, an denen Neire nichts Besonderes hatte feststellen können. Schließlich war es Neire gelungen, eine geheime Sprache im Runenband zu entdecken. Er hatte die folgenden Worte entschlüsseln können: „Gebunden in dem was ich sehe, geleitet von dem was verborgen ist.“ Es hatte eine Zeit gedauert, in der Zussa ungeduldig gewartet hatte. Sie hatte gesagt, dass sie weitergehen und diesen langweiligen Raum verlassen sollten. Neire hatte darauf geantwortet, dass die Spinnenanbeter hier ein Spiel spielten und sie selbst es für Jiarlirae gewinnen müssten. Zussa war aber immer noch nicht zufrieden gewesen und hatte angemerkt, dass sie keine Lust hätte, das Spiel nach den Regeln der Spinnenanbeter zu spielen. Erst als Neire gesagt hatte, dass sie den Spieß schon bald umdrehen würden und die Spinnenanbeter nach ihren Regeln spielen lassen würden, war Zussa verstummt. So war Neire schließlich auf die Idee gekommen, die Augen der Statuen mit den Lederlappen zu verbinden. Nachdem er alle Augenpaare bedeckt hatte, war Leben in den Stein gekommen. Die Statuen hatten sich auf die Mitte des Raumes zubewegt und sich gegenseitig zerfleischt. Stein, Splitter und Staub waren zu sehen gewesen. Als sich schließlich die Dämpfe gelegt hatten, war ein Vibrieren des achtzackigen Sternes aus dem platinenen Ei zu spüren gewesen. Neire hatte es hervorgeholt und ein weiteres Portal war erschienen. So waren sie schließlich in eine andere Ebene des Labyrinthes gelangt. Dort hatten sie die seltsame Membran im Nebel gefunden. Wie durch eine transparente Haut aus lebenden Spinnenfäden waren sie schließlich in diese fremde Welt geschritten, auf der sie jetzt wandelten. Irgendetwas war jedoch merkwürdig hier. Sie hatten nur eine geringe Anzahl kleinerer Tiere im Wald gefunden. Sie waren der Ruine eines alten Burgturmes, den sie über den Wipfeln aufragen hatten sehen können, zwar nähergekommen. Aber es hatte sie eine unsichtbare Barriere aufgehalten. Sie hatten weitersehen können durch die durchsichtige Wand, die dahinterliegenden Bäume waren jedoch wie auf einem realistischen Gemälde abgebildet gewesen. So hatten sie sich schließlich entschieden den Wald weiter abzusuchen. Bargh hatte seine Armbrust in den Anschlag genommen und hielt nach Tieren Ausschau. Und tatsächlich wurde Neire durch das Sirren des Bolzens aus den Gedanken gerissen. Er hörte noch den dumpfen Einschlag, als Barghs Geschoss in das Tier drang. Der größere Hase war sofort tot. Einige Augenblicke später kam der große Krieger mit dem vernarbten Schädel zurück. Der rote Rubin, der die Höhle seines rechten Auges vollständig ausgefüllt hatte, glühte übernatürlich im farbigen Abendlicht. Bargh lächelte Zussa an. „Viel mehr werden wir hier nicht finden. Wir sollten ein Feuer machen und uns das frische Fleisch schmecken lassen.“ Zussa lachte und gähnte gleichzeitig. Dann sprach sie nuschelnd. „Ja Neire, meine Füße tun weh. Ich kann nicht mehr weitergehen.“ So ließen sie sich unter einer alten Buche nieder und schon bald entzündete Bargh ein Feuer. Der Geruch von gebratenem Fleisch durchzog die abkühlende Frühlingsnacht dieser fremden Welt. Neire, Bargh und Zussa starrten in die Flammen. Dann aßen sie wortlos und tranken Wein. Schließlich blickte Neire nach oben und fragte. „Ihr habt euch mit Sternen beschäftigt Zussa. Kennt ihr einige dieser Bilder?“ Die junge Feuerhexe hatte sich bereits in ihre Winterdecke gewickelt und rieb sich ihre Augen. Dann schauten sie alle durch die Baumwipfel, in denen die ersten Blätter grünten. „Nein, die Sterne sind hier anders. Sie sind fremd.“ Neire nickte und zischelte dann in seinem fremden Singsang. „Wir sind weit weg von Zuhause, weit weg vom Tempel des Jensehers. Doch unsere hohe Herrin ist bei uns. Sie spricht zu durch die Flamme und Düsternis.“ Dabei zeigte Neire auf das Feuer, dessen Licht ihre Gesichter erhellte. Bargh nickte und trank an seinem Becher. Von Zussa war nur ein leises Seufzen zu hören, als sie in tiefen Schlaf fiel. So ruhten sie in dieser fremden Welt. Neire übernahm die erste Nachtwache und begann seine Fackeln aufzustellen. Im flackernden Licht betete zu Nebelheim. Auch hier, an diesem fernen Ort, fühlte er die heilige Macht des Inneren Auges. Nach all dieser Zeit war er immer noch ein Kind der Flamme.

~

„Schaut, es wird durchsichtig!“ Flüsterte Neire und deutete auf die Membran aus einer weißlichen Haut. Hinter ihm hatten sich Bargh und Zussa postiert. Um sie herum war die fast unerträgliche Stille der weißen Nebel. Sie waren am Morgen aufgebrochen und hatten die fremde Welt wieder verlassen. Nur die Schattenaura des dunklen Ritters hatte sie beim Durchschreiten des Portals der Spinnenmembran vor den knisternden Funken elektrischer Magie bewahrt, die ihr Vordringen hervorgerufen hatte. Danach waren sie weiter durch das Labyrinth der Spinnenanbeter geschritten. Sie hatten eine weitere Welt erkundet, die unter frostiger Kälte erstarrt lag. Sie waren über gefrorene Seen und über alte Findlinge schritten, doch sie hatten kein Leben entdeckt. So waren sie schließlich zurückgekehrt in die silbern schimmernden Nebel. Schon nach kurzer Zeit hatten sie ein weiteres der Membran-artigen Portale entdeckt. Neire hatte es untersucht, doch keine Fallen gefunden. Jetzt starrten sie gebannt auf die Seidenhaut, die langsam durchsichtig wurde. Sie fragten sich, welche Art von Welt wohl auf sie wartete.

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Sitzung 153 - Die Spinnenbrut der abscheulichen Göttin
« Antwort #179 am: 23.08.2025 | 14:28 »
Aus der drückenden Stille des Labyrinthes der silbernen Nebel drangen die Streiter Jiarliraes vor, in ein endloses Surren und Summen von Insekten. Neire, Bargh und Zussa blickten über eine trostlose Landschaft, die von einem düsteren Wolkenhimmel bedeckt war. Um sie herum war der Gestank von erdiger Fäule und verschimmelten Pflanzen. Stränge von laublosen Schlingpflanzen ragten aus einem Gestrüpp von Rankengewächsen hervor. Luftblasen stiegen aus schwarzen Tümpeln – Faulgase, welche den schwül-warmen Dunst über dem Sumpf kaum atembar machten. Neire schwebte, Kraft seines Ringes, geschickt durch das Gestrüpp nach oben. Hinter sich hörte er das Knacken von Holz und sah, wie der dunkle Krieger Bargh sich in die Lüfte erhob. Der Antipaladin stieß sich mit kräftigen Flügelschlägen hinauf. Er trug Zussa, die sich auf den Rucksack Barghs gesetzt hatte und seinen Hals umschlungen hatte. Je höher sie kamen, desto unerträglicher wurde die Luft. Ströme von Schweiß rannen schon bald über die Gesichter von Bargh und Zussa. „Dort sehe ich eine Anhöhe. Folgt mir, vielleicht befindet sich dort etwas.“ Neires Gesicht mit dem gold-blonden Locken war für einen Augenblick erschienen, doch seine geflüsterten Worte waren durch den stoßhaften Atem Barghs kaum zu hören. Bargh nickte und setzte sich mit Flügelschlägen in Bewegung. So schwebten sie über verrottete Ranken und Gestrüpp hinweg und kamen schon bald zu der zu der kleinen Anhöhe, die von kahlen, laublosen Gerippen längst abgestorbener Birken bedeckt war. Auf dem Holz der Bäume waren hier und dort Beulen eines grauen Aufwuchses zu sehen. Neire untersuchte die Stellen vorsichtig. Der Jüngling erkannte schnell, dass dem grauen Gewebe eine atemähnliche Bewegung innewohnte, die sich vergrößerte, je näher er kann. Der Jüngling erinnerte sich an die alten Bücher von Nebelheim, in denen die Nester gefährlicher Kreaturen des Unterreichs beschrieben wurden. So beschlossen sie die Beulen nicht weiter zu untersuchen. Stattdessen schwebten sie weiter über die Anhöhe hinweg. Von unter sich vernahmen sie ein Surren, das immer lauter wurde. Tausende von hässlich anzusehenden, handgroßen Libellen begannen sich dort zu sammeln. Eine kamen ihnen näher und flogen erste Angriffsmanöver. Als schließlich eines der Wesen Bargh attackierte und versuchte seine Zangen durch die Stahlrüstung zu schlagen, wurden die Kreaturen nach und nach mutiger. So zog Neire zwei Fackeln hervor. Schon bald brannte der Schein von Feuer in dieser schattenhaften Welt. Die Insekten begannen sich zurückzuziehen, doch die Schwärme unter ihnen folgten weiter. Sie kamen an eine weitere Tiefebene, deren Weiten sie modriges Wasser in Tümpeln stehen sehen konnten. „Zussa, Bargh… horcht her,“ flüsterte Neire. „Ich höre ein Knacken aus verschiedenen Richtungen und es kommt näher. Seid auf der Hut.“ Durch den Fackelschein erhellt, nickten Bargh und Zussa grimmig. Dann brach plötzlich der Boden unter ihnen auf. Mit einem Bersten von totem Holz wurden Schlamm- und Schlickmassen zur Seite geworfen. Hervor kam eine wurmartige Kreatur eines glatten, schwarzen Körpers. Die Luft begann sich augenblicklich abzukühlen, als das fremde Wesen sein gewaltiges Maul voll scharfer Zähne aufriss. Neire schnellte herum und griff das Wesen an. Im tanzenden Licht der Fackeln entbrannte ein Kampf über dem Sumpf. Sie konnten das Monster mit dem vier Schritt breiten Körper zwar töten, doch ein weiterer Wurm sowie eine geisterhafte Hand waren erschienen. Die schwarze Klinge Glimringshert bannte Kraft ihrer Schatten die tödliche Sumpfmagie der spektralen Erscheinung. Dann kämpften Bargh, Zussa und Neire die Wesen nieder. Sie hatten allerdings die monströsen Libellen missachtet von denen sich nun tausende auf sie stürzten.

~

Neire schlich leise vorwärts. Er duckte sich unter Spinnenweben hinweg und verdrängte die Erinnerungen an den Sumpf. Er hatte nach dem Kampf einen Stecken aus verdrehtem Kupfer hervorgeholt, an dessen Ende ein glühender Rubin eingelassen war. Dann hatte er eine Feuerwand um sie beschworen, die die Libellenschwärme getötet hatte. Erst als die Insekten vernichtet worden waren, hatten sie sich den Würmen gewidmet und deren gigantische Leiber aufgeschnitten. Im Inneren der Kreaturen hatten sie einige Schätze entdeckt. Darunter waren Waffen und Rüstungen, die Bargh als Schmiedekunst fremder Welten identifiziert hatte. Sie waren danach zum Portal zurückgekehrt. Die Insekten hatten sie zwar nicht wieder angegriffen, jedoch war ein dritter schwarzer Wurm erschienen, den sie mit vereinten Kräften getötet hatten. Am Portal hatte Neire zu Bargh und Zussa gesprochen und ihnen gesagt, dass, wenn hier jemals etwas lebte, es jetzt nicht mehr so wäre. Sie waren dann wieder durch das Portal geschritten und Bargh hatte die von Schweiß durchnässte Zussa gefragt, ob ihr die Stille gefalle oder sie sich die blökenden Schafe ihres Dorfes zurückwünschte. Zussa hatte bockig aufgelacht und eine trotzige Antwort gegeben, sich dann aber gequält und unsicher in den weißen Nebeln umgeschaut. Neire hatte mit Bargh und Zussa gebetet und ihnen gesagt, dass sie bessere Zeiten erwarten würden und dass sie zum Tempel des Jensehers zurückkehren würden. Im Glauben an die Göttin und eine glorreiche Zukunft gestärkt, waren sie dann durch das Labyrinth geschritten und hatten ein weiteres Portal gefunden. Neire hatte es untersucht und festgestellt, dass es zwar anderswohin, aber nicht in eine andere Welt führte. So hatten sie vorsichtig die Spinnenhaut geöffnet. Dahinter hatten sie Höhlen erwartet, in denen kniehohe Pilze bläulich, fluoreszierendes Licht abgesondert hatten. Spinnenweben waren in mehreren Gängen zu sehen gewesen, die von der Höhle weggeführt hatten. Bargh hatte Spuren von Spinnen sowie von Humanoiden entdeckt. Neire hatte zur Vorsicht gemahnt, denn er hatte klackende Geräusche auf dem Steinboden ferner Hallen gehört. So war er schließlich alleine vorausgeschlichen und hatte die Dunkelheit erkundet. Das Klacken war immer stärker geworden. Er hatte sich in den Schatten versteckt und wartete nun ab. Aus einem Seitentunnel drangen die Konturen drei gewaltiger Spinnenleiber. Die beiden vorderen waren schwarz und haarig. Die hintere war größer und ihre Beine endeten in knöchernen Schwert-artigen Extremitäten. Neire wähnte Bargh und Zussa in der Dunkelheit und obwohl die monströsen, fetten Leiber sich gemächlich bewegten, zuckten sie nun auf. Es kam Neire vor, als hätten sie eine Witterung aufgenommen; als könnten sie es kaum abwarten, sich auf ihr Opfer zu stürzen. Ihre Bewegungen wurden hektischer, je näher sie kamen. Neire drückte sich an den Felsen und hoffte zitternd, dass ihre Beine ihn nicht berühren würden. Dann schnellte er hervor und stieß seinen Degen in eine ungeschützte Stelle des Unterleibs. Die abscheuliche Kreatur brachte zischende Schmerzschreie hervor und schwarzes, stinkendes Blut ergoss sich über ihn. Zuckend brach die Kreatur in sich zusammen und vollführte ihren arachnoidischen Totentanz. Die beiden haarigen Kreaturen schnellten geifernd herum, doch Neire, Bargh und Zussa hatten sie bereits in die Zange genommen. Von beiden Seiten stürmten sie heran und machten die monströsen Geschöpfe nieder. Erst dann blickten sie sich hastig um und horchten. Hatte sie die Spinnenbrut der abscheulichen Göttin entdeckt?

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Sitzung 154 - Die Spinnenbrut der abscheulichen Göttin II
« Antwort #180 am: 5.09.2025 | 21:38 »
Zussa, Bargh und Neire gingen weiter durch die steinernen Gänge dieser fremden Welt. Sie spürten die Nähe ihrer Göttin, die gleichzeitig fern schien. Der fluoreszierende Glanz der Pilze, die auch die Wände der Tunnel bewuchsen, führte sie durch die Dunkelheit. Überall hingen weißlich schimmernde Fäden und Netze hinab. Neire hatte ab und an innegehalten und einige der Spinnweben untersucht. Bis jetzt hatte er aber keine Signalfäden entdecken können, die die Brut alarmieren konnte, deren knackenden Geräusche er aus weiter Ferne hören konnte. Auch waren die Laute der Kreaturen nicht nähergekommen. Neire wendete sich Zussa und Bargh zu, die hinter ihm gingen. Die Feuerhexe mit dem jetzt wild abstehenden rot gelockten Haar und den Sommersprossen ging hinter dem dunklen Ritter. Nur Neires geübte Augen konnten die beiden in der Düsternis sehen, die Bargh umgab und die das unheilige Schwert Glimringshert anreicherte. Neire zog den Schattenmantel zurück und zeigte Zussa und Bargh sein Gesicht. Dann flüsterte er: „Die Geräusche der Kreaturen… sie kommen nicht näher. Sie haben uns noch nicht entdeckt.“ Zussa seufzte, während Bargh sich räusperte, dann aber seinen Atem kontrollierte. Zussa trat hinter Bargh hervor und verzog ihr Gesicht. „Glaubt ihr sie werden das Fehlen der drei Spinnen bemerken? Sie sind dumme Kreaturen und können keine Armeen befehligen, wie unserer Meister Halbohr.“ Dabei lächelte Zussa hämisch. Bargh schüttelte mit dem Kopf und musterte das Mädchen. „Er hat Recht Zussa, wir sind in ihrer Welt hier und sie würden uns jagen, wüssten sie, dass wir hier sind. Nun sind wir es, die sie jagen und töten.“ Zussa rollte mit ihren grünen Augen. Bevor sie eine bockige Antwort geben konnte, zischelte Neire Worte seines fremden Nebelheimer Akzentes. „Verzagt nicht Zussa und Bargh. Wir sind hier und haben den Segen unserer Göttin. Sie hat uns hierhin geführt. Schon bald werden wir glorreich in den Tempel des Jensehers zurückkehren und die Gaben dieser Welt mitbringen.“ Die Worte schienen Zussa zu beruhigen und sie begann von Dingen zu sprechen, die sie tun wollte, wenn sie wieder zurückkehrten. Auch Bargh dachte an die Zukunft in Nebelgard und sagte leise. „Vielleicht werde ich mich der Arbeit an der Schmiede widmen, vielleicht aber auch der Stadtwache oder dem Aufbau der Armee. Jiarlirae wird schon wissen wo mein Platz ist.“ Zussa schaute Bargh verstohlen an und begann zu grübeln. Abermals war das Zischeln von Neires gespaltener Zunge zu hören, als er sprach. „Ich spüre, dass unsere Rückkehr nicht mehr fern ist. Doch jetzt sind wir hier und werden Seite an Seite kämpfen. Seid wachsam und stark im Glauben. Flamme und Düsternis begleiten uns.“ Neire hüllte sich wieder in die Schatten seines Mantels und schlich durch das Netz von Tunneln. Irgendwann gelangte er an einen Gang, aus dem er deutlich die Geräusche von Kreaturen vernahm. Da war ein Glanz von Spinnennetzen, der aus einer größeren Halle kam. Neire tastete vorsichtig den Boden ab und bemerkte dicke Fäden, die mit weiteren Strukturen verbunden waren. Er befürchtete, dass die Kreaturen der Höhle Bewegungen dieser Fäden spüren konnten. So mied er die Gebilde und balancierte durch den Tunnel. Er gelangte in eine große Kaverne, deren Boden, Wände und Decke von dicken Netzen bedeckt waren. Am Eingang der Höhle verharrte der Jüngling im Schatten und betrachtete die Spinnweben. Die Geräusche der Kreaturen kamen von über ihm. Dort konnte er sieben Monstrositäten erkennen, die in den Netzen der Decke der Höhle hockten. Drei der Riesenspinnen hatten ein bräunliches Fell und gewaltige Hinterleiber. Die anderen vier waren haarlos. Ihre Extremitäten endeten in scharfen Knochenfortsätzen. Neires Herz pulsierte. Er wagte es nicht sich zu bewegen und betrachtete die Fäden in seiner Nähe. Aus einem Seitengang konnte er das Plätschern von Wasser hören. Dann vernahm er die Schritte von Bargh und Zussa aus dem Tunnel. Plötzlich vollführten die Netzhocker zuckende Bewegungen. Wie durch eine tierische Intelligenz getrieben, bewegten sich die drei fettleibigen Spinnen hinab, während sich die vier Schwertspinnen über dem Eingang des Tunnels positionierten. Eine der fellbewachsenen Kreaturen offenbarte sich mitten im Gang. Neire konnte ihren modrigen Gestank vernehmen. Die gierige Hast auf Beute verlangsamte sich und ihre Bewegungen kamen zum Erliegen. Alle Kreaturen befanden sich in gespannter Lauerstellung. Neire musste reagieren, bevor Bargh und Zussa in die Falle tappten. Er begann augenblicklich zu murmeln. Dann schleuderte er einen glühenden Magmaball in Richtung der Decke über ihm. Das gleißende Licht der Explosion zuckte durch die Halle. Das grollende Bersten betäubte seine Ohren. Um ihn herum regnete es Körperteile, die die Explosion den Kreaturen abgerissen hatte. Als er hinaufblickte, sah er, dass die Decke in Flammen stand und drei der Kreaturen sich in ihrem Tode zusammengezogen hatte. Auch die beiden seitlichen fellbehaarten Spinnen hatte das Feuer getötet. In dem Chaos sah Neire Bargh nach vorne stürzen. Er schrie in die Höhle. „Bargh, ein Hinterhalt. Sie sind über euch.“ Dann drang das schwarze Schwert des Antipaladins in das Monster, das den Eingang blockierte. Die Klinge gebar das Feuer ihrer Göttin und spaltete den Schädel. Die letzte Kreatur ließ sich auf Bargh hinabfallen und versuchte ihn mit ihren knöchernen Extremitäten aufzuspießen. Bargh riss im letzten Moment sein Schild hoch und wehrte den Schlag ab. Dann schlitzte er den Hinterleib des Wesens auf. Zuckend zog sich die letzte Kreatur zusammen und presste in ihrem Todkrampf ihre gelblich-stinkenden Gedärme hervor. Bis auf die Flammen der brennenden Netze herrschte für einen Augenblick Stille. Dann hörten sie alle die Geräusche. Es war ein Schaben und Klacken. Wie von einer Vielzahl chitinerner Körper, die durch die Tunnel und Hallen drangen.

Bargh stürmte nach vorn. Er hörte ein Fiepen auf seinen Ohren. Das Feuer der Explosion hatte ihn geblendet, doch die Flammen brannten jetzt hernieder. Zuvor hatte er einen der Tunnel bewacht, der von dieser Halle hinfort geführt hatte. Neire hatte ihm gesagt, dass er von dort den Großteil der Geräusche gehört hatte. Dann hatte er die schwarze Brut gesehen. Riesenhafte Kreaturen waren an Boden, Decke und Wänden entlanggekrochen. Geifernd und lechzend hatten sie versucht sich gegenseitig hinfort zustoßen. Als ob sie ihre Beute vernehmen konnten und jede die erste sein wollte. Die Kreaturen waren von verschiedenen Arten gewesen. Fettleibige behaarte, aber auch Schwertspinnen hatte er gesehen. Bargh hatte sie nicht gezählt, doch es mussten Dutzende gewesen sein. Dann hatte der Schimmer der Magmaexplosion den Gang in gleißendes Licht gehüllt. In dieser fremden Welt schien Neires Magie stärker und gefährlicher zu sein. Die Wirkung war verheerend gewesen, doch durch die brennenden und zerfetzten Körper drangen furchtlos Wellen neuer Kreaturen. Einige waren kleiner und von einem silbernen matten Schimmer. Die anderen Spinnen schienen einen großen Abstand zu dieser Art einzunehmen. So als ob sie ihnen nicht zu nahekommen wollten. Bargh stellte sich den ersten Kreaturen entgegen und tötete das Wesen mit einem Hieb auf dem Schädel. Doch schon kroch die nächste Kreatur näher. Er hieb und stach. Schwarzes Blut spritzte auf und mehrere Kreaturen hauchten ihr Leben aus. Doch schon kamen weitere nach. Dann war plötzlich Zussa an seiner Seite und kämpfte die Kreaturen nieder. Bargh zog sich zurück und ließ der Feuerhexe den Vortritt. Erst nachdem die Wucht der Angriffe über die Kreaturen gegangen war, löste er Zussa wieder ab. Bargh hörte eine weitere Explosion hinter sich. Es musste Neire sein, der sein Feuer in den Tunnel auf der gegenüberliegen Seite geschleudert hatte. Ein kurzer Blick bestätigte seine Vermutung. Bargh rief zu Zussa: „Zurück… wir lassen uns zum Eingang zurückfallen. Sie kommen von beiden Seiten.“ Er hoffte, dass Neire die Spinnen auf der anderen Seite für wenigsten eine Zeit aufhalten konnte. Sie kämpften grimmig und verbissen. Das Schwert in seiner Hand wurde schwerer. Mehrfach rammte er sein Schild gegen lange schwarze Fangzähne, die nach ihm schnappten und auf denen dunkles Gift klebte. Zussa und er wechselten sich immer wieder ab im Kampf. So konnten sie schließlich die letzte Kreatur des schier nicht endenden Stromes töten. Bargh blickte sich rasch um und rief nach Neire. Im gegenüberliegenden Tunnel standen Netze in Flammen und es brannten zerfetzte Leiber. Bargh sah keine Bewegung, hörte kein Krabbeln mehr. Wo aber war der Jüngling, das Kind der Flamme? Wo war Neire?

~

Mit einem Prusten richtete sich Bargh auf und schnappte nach Luft. Er hatte den Geschmack von Salz auf den Lippen. Das Wasser strömte von seiner Rüstung hinab. Noch bevor er sich umschaute, warf er den feinen seidenen Umhang in die Luft. Wie durch Geisterhand schwebte der filigrane schwarze Stoff und offenbarte das Tor zu Ortnors extradimensionalem Gemach. Nach dem Kampf in der Spinnenhöhle war der zitternde Neire aufgetaucht. Der Jüngling hatte ihnen gesagt, dass er keine Geräusche mehr hörte. So hatten sie sich eine Zeit ausgeruht und dann die Höhle untersucht. Sie hatten ein grauenvolles Blutbad angerichtet und unzählige aufgeschlitzte oder von Explosionen zerfetzte Leiber lagen in den Tunneln. In der Höhle hatten sie einige Wertgegenstände gefunden, die unter den Spinnennetzen lagen. Dann hatten sie die Halle verlassen und waren den Tropfgeräuschen gefolgt, die Neire in einem der Tunnel gehört hatte. So waren sie schließlich in eine Grotte gelangt, die von einem blau-grünen Schimmer erhellt wurde. Die Höhle hatte mehrere Ausgänge gehabt und in der Mitte war ein großes Wasserbecken gewesen, dessen Rand von einer Salzkruste bedeckt gewesen war. Nach einer kurzen Beratung waren Zussa und Neire in Ortnors Labor geklettert. Bargh hatte den Eingang verschlossen und war durch das fluoreszierende Wasser hinabgetaucht, in dessen klarer Tiefe sie einen unterirdischen Gang entdeckt hatten. Auch unter der Wasseroberfläche waren Pilze gewachsen. So war er schließlich in die Höhle gelangt, in der er sich jetzt umblickte. Etwa ein Drittel der Grotte war von Wasser bedeckt. Im anderen Teil waren große Spinnennetze und rundliche, dunkle Gebilde zu sehen, die ihn an riesenhafte Eier erinnerten. Nur unweit von ihm bewegten sich drei riesenhafte Kreaturen auf ihn zu. Die Spinnen hatten dicke Beine und rotglühende Augen. Sie hatten die Größe kleinerer Häuser. Graue Streifen zogen sich über ihre fetten Hinterleiber. Als Zussa und Neire aus der Öffnung des Portals kamen, rief Bargh ihnen zu. „Neire, Zussa, hinter euch!“ Gerade noch rechtzeitig konnten sich die beiden umdrehen, als die Riesenspinnen nach ihnen schnappten. Bargh rammte sein Schild in Richtung der Augen, doch er traf nur die riesigen Hauer. Neben ihm ging Zussa bereits in den Gegenangriff über und führte mehrere Säbelhiebe auf den Schädel eines der Wesen. Ein Zischen war zu hören und der erste Leib begann sich zusammenzurollen. Neire entfesselte einen Strahl von Magmaschatten, der den Kopf einer weiteren Kreatur zum Platzen brachte. Dann schlug Bargh zu und trennte ein Vorderbein ab. Er stach mit Glimringshert tief in den Schädel des Wesens, das wiederum zu zucken und sich im Tode zusammenzurollen begann. So standen sie ein weiteres Mal triumphierend über den Leibern der grotesken Geschöpfe. Bargh untersuchte die Höhle mit Neire und Zussa. Neben einigen Gegenständen in den Netzen, konnten sie ein leises Kratzen und Krabbeln in den Eiern feststellen. Es war, als ob in jeder der Strukturen eine Vielzahl von Spinnen heranwuchs. Neire sagte, dass er in den riesigen Leibern der Kreaturen Fortpflanzungsorgane hatte finden können. Eine genauere Untersuchung der Drüsen zeigte offenbarte zudem die Fähigkeit, sehr feine Netze zu spinnen. Sie berieten sich darüber, wie die Spinnen es geschafft haben mochten die Höhlen über den Wassertunnel zu betreten oder zu verlassen. Eine Möglichkeit war die Einwebung der Brut in luftdicht verschlossenen Netzen, die ihnen Luft zum Atmen gab und sie vor dem Wasser schütze. Nur Zussa schüttelte ungläubig mit ihrem Kopf. Die junge Feuerhexe behauptete, dass Spinnen nicht schwimmen könnten. Sie sagte Bargh, dass in ihrem Dorf jedes Kind das wisse.

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Sitzung 155 - Die Spinnenbrut der abscheulichen Göttin III
« Antwort #181 am: 20.09.2025 | 23:32 »
Ein beruhigendes Plätschern hatte die Kampfgeräusche und das Knacken von chitinernen Leibern ersetzt. Der Salzgeruch war kaum mehr vernehmbar und schwarze Rauchschwaden verbrannter Spinnennester erfüllten die Luft. Die letzten Flammen der Feuerwand brannten nieder. Mit der einsetzenden Dunkelheit verbreitete sich wieder das bläulich fluoreszierende Licht der Pilze, die selbst unter der Wasseroberfläche der Salzgrotte wuchsen. Neire und Zussa hatten die Höhle abgesucht, während Bargh sein Schattenschwert Glimringshert weiter gegen die aufgedunsenen Leiber der Riesenspinnen gerichtet hatte. Die Zuckungen der Kreaturen, die sich in ihrem Tode zusammengezogen hatten, waren schließlich zum Erliegen gekommen. Zussa stolzierte auf ihren dürren Beinen zwischen den toten Monstrositäten. Sie warf Gold, Geschmeide und den ein oder anderen glitzernden Gegenstand auf den kleinen Haufen, den sie vor dem seidenen Vorhang zu Ortnors Labor errichtet hatten. Wie von Geisterhand schwebte das Portal dort, aus dem sie Bargh hervorgeholt hatte, nachdem er durch die unterirdischen Grotten getaucht war. Zussa strich sich ihre roten, ungekämmten Locken zurück, gähnte und begann an ihren Fingerkuppen zu kauen. Das Gewebe war verbrannt dort und sie riss kleine Stücke dieser Haut mit ihren Zähnen ab. „Wir haben alles abgesucht Neire. Hier ist nichts mehr. Die Brut ist tot und ich kann kaum atmen. Die Luft ist so stickig.“ Die knapp 17 Winter alte Feuerhexe schaute Bargh und Neire mit rollenden Augen an. Bargh grummelte, während Neire zu Zussa trat. Das Kind der Flamme zitterte leicht und sprach in seinem zischelnden Nebelheimer Dialekt. „Ihr habt Recht Zussa, doch dies ist kein Spiel. Wir sind hier für unsere Göttin und führen ihren heiligen Willen aus. Wir sollten nicht müde werden, noch jemals ablassen von unserer Aufgabe, ihren ewigen Ruhm zu mehren. Wir sollten für einander da sein – wie Geschwister. Wie Flamme und Düsternis niemals allein sein werden.“ Bargh nickte zustimmend und grunzte grimmig. Er senkte seinen kahlen, von Brandnarben überdeckten Kopf und betrachtete Zussa. Ein schwaches Licht schien in dem roten Rubin zu pulsieren, der die Höhle seines rechten Auges ausfüllte und mit dem Fleisch verwachsen war. „Der Prophet hat Recht Zussa. Wir sollten niemals unsere Deckung hinablassen.“ Dabei hob der zweieinhalb Schritt große Krieger das neue Stahlschild, das er in dieser fremden Welt gefunden hatte. Zussa zögerte einen Augenblick, dann flüsterte sie sanft. „Ja ihr habt ja Recht Neire. Ich werde mich ändern und unserer Aufgabe mit der notwendigen Ernsthaftigkeit begegnen.“ Wartend blickte Zussa ihre Mitstreiter an. Als Bargh nickte, fing sie schallend an zu lachen. „Haha, ihr lasst euch so einfach an der Nase herumführen Bargh… so einfach.“ Der dunkle Antipaladin wollte gerade etwas erwidern, da war die Stimme von Neire zu hören. „Helft mir Zussa… wir bringen die Schätze in Ortnors Labor und dann kann uns Bargh auf die andere Seite der Wasserhöhlen bringen.“ Zussa schüttelte jedoch mit dem Kopf. „Ich will selbst hinübertauchen. Es war doch nicht weit Bargh oder?“ Zussa schaute Bargh eindringlich an und wippte mit ihren Beinen. Als Bargh mit dem Kopf schüttelte, roch sie an einer ihrer Achseln und verzog ihr Gesicht. „Ich stinke bereits wie einer dieser wandelnden Fische.“ Als Bargh dem zustimmte lachten sie alle. Dann entschloss sich auch Neire durch das Salzwasser zu tauchen. So verließen sie gemeinsam die Brutstätte der abscheulichen Kreaturen.

~

Leise schlich sich Neire durch den Tunnel. Immer wieder achtete er auf Ansammlungen von größeren Fäden, die in weitere Netze führten. Er hatte Geräusche aus einer Höhle gehört und war vorgeschlichen. Zuvor waren sie alle aus dem Wasser aufgetaucht, hatten sich gesäubert und hatten dann die verbleibenden Tunnel auskundschaftet. Bargh hatte immer wieder nach Spuren gesucht und sie in eine bestimmte Richtung geführt. Als Neire schließlich aus der Ferne das Kratzen von Chitin vernommen hatte, war er allein vorangeschlichen. Er näherte sich gerade vorsichtig dem Eingang, da sah er, wie sich die Silhouette einer Monstrosität am Eingang vorbeibewegte. Der Körper der Kreatur war riesig und auf dem gewaltigen Hinterleib konnte er hellbraune Streifen erkennen. Hinter dem Eingang tat sich eine dunkle Höhle auf, die von dicken Spinnenweben bedeckt war. In den Strukturen konnte Neire Geschwülste Konkon-artiger Einwebungen erkennen. Je näher er kam, desto mehr Kreaturen konnte er erkennen. Sie hockten an Wänden, Decke und Boden. Sie alle schienen beständig zu krabbeln und wimmeln. Als ob sie von einer unstillbaren Gier nach Jagd und Beute erfasst worden wären. Doch auf wundersame Weise bewegten sie sich nicht aus der Höhle hinaus. Neire konnte neben den haarlosen Riesenspinnen auch wieder jene Kreaturen erkennen, deren Vorderläufe in scharfen Schwert-ähnlichen Extremitäten aus Knochen endeten. Zudem bemerkte er zwei kleinere Spinnen, deren Hinterleiber rötlich glimmende Gehirnmassen darstellten. Eine Kreatur bannte jedoch seinen Blick. Die Riesenspinne hatte einen Leib, der von bräunlich-gelben Streifen gemustert war. Aus ihrem Vorderleib wuchs jedoch der Hals und Schädel eines boshaften Wolfes. Die langgezogene Schnauze war von seitlichen Beißzangen geziert und die Augen leuchteten, beseelt von einer höheren Intelligenz. Knöcherne Kämme führten über den Hinterleib hinfort und zwei menschliche, muskulöse Arme wuchsen aus dem Vorderkörper. In der Rechten hielt die Kreatur ein Schwert aus schwarzem Stahl, in dessen Klinge Haifisch-artige Zacken geschmiedet waren. In der anderen Hand trug sie eine Armbrust. Ihre Augen glitten beständig über die Höhle. Für einen Moment hatte Neire das grauenvolle Bild vor Augen, wie die Kreatur über ihm war und seine Eingeweide aus seinem Körper riss. Wie aus einer Starre schüttelte er den Zustand ab und begann zitternd die Energie des Chaos zu beschwören, die immer noch durch seinen Körper floss. Aus seinen Händen drang ein Strahl von rot-glühendem Magmaschimmer. Augenblicklich traf die Welle aus gleißender Energie die Kreatur. Wie durch ein Wunder aber floss die Magie über den Körper hinweg. Die roten Augen der Kreatur blickten in Richtung des Eingangs und dann zu den Riesenspinnen. Alle Angespanntheit wandelte sich in einen wilden Angriffstaumel, als die Geschöpfe sich durch die Netze bewegten. Sie bewegten sich aber nicht auf den Eingang zu. Als ob sie von einer höheren Intelligenz gesteuert würden, versammelten sie sich lauernd über der Öffnung. Hinter sich hörte Neire die Schritte von Bargh und Zussa. Er schrie in den Tunnel. „Eine Falle… sie sind im Netz über uns.“ Bargh und Zussa verlangsamten ihre Schritte und blieben im Tunnel während Neire seine Magie beschwor. Die Wolfsspinne hatte gerade ihre Armbrust fallengelassen und von ihrem Rücken ein dunkles Kokon-Ei hervorgezogen, mit dem sie zu einem Wurf ausholte. Neire schwarze Kunst war aber schneller. Ein weiterer magischer Strahl rötlichen Schimmers fuhr in den Hals des Wesens. Diesmal begann die Haut zu brennen und eine Explosion erschütterte die Höhle. Spinnennetze fingen Feuer und ein gutturales Brüllen war zu hören. Bargh und Zussa zögerten. Die Wolfsspinne beschwor ihre faule Magie und vervielfältigte ihre Gestalt. Plötzlich sahen sie acht Kreaturen, die ihnen gegenüberstanden. Nur Neires geschulte Augen konnten die wahre Gestalt innerhalb der Tarnbilder ausmachen. Zwei weitere Male zuckte Neires Magie durch die Kammer. Der erste Strahl konnte nur die Tarnbilder zerstören und floss wirkungslos durch das Wesen. Der zweite Strahl erfasste den Kopf des Dämons und fraß sich tief in den Leib. Bedeckt von dampfendem Blut, brach die Abnormität zusammen. Kaum einen Augenblick später ließen sich die Spinnen hinabfallen und ein Wimmeln und Wuseln entstand. Leiber drängten auf sie ein. Die Gier der niederen Kreaturen schien überwältigend und nur durch den Geist der Wolfsspinne beherrscht worden zu sein. Bargh und Zussa stellten sich furchtlos den Riesenspinnen. Mehrfach rammte Bargh sein Schild gegen triefende Hauer. Zussa wich den Angriffen geschickt aus. Sie stachen und hackten nach den Augen und weicheren Stellen der chitinernen Giganten. Spinne um Spinne wurde aufgeschlitzt. Schwarzes stinkendes Blut besudelte sie längst und Zussa konnte Barghs schnaufenden Atem hören. Dann rief Neire plötzlich. „Hinter euch die Spinnen aus den Schatten.“ Sie töteten die letzten Angreifer vor sich und wandten sich den Kreaturen zu, die sich aus einem Kokon aus Schatten hervorwebten. Auch die beiden Gehirnspinnen konnten ihren geweihten Chaosklingen nichts entgegensetzen.

~

Bargh, Neire und Zussa hatten sich unweit des Portals niedergelassen, das sie in diese Spinnenhöhlen geführt hatte. Sie hatten die Höhle der Spinnenbrut durchsucht, die Gegenstände an sich genommen und die Eier zerstört, aus denen verschiedenste Arten der Kreaturen gekrochen waren. Dann hatten sie die restlichen Gänge erkundet. Nachdem sie die Höhlen abgesucht hatten, waren sie zurückgekehrt, hatten gegessen und sich dann niedergelassen. Sie hatten geschlafen und abwechselnd Wache gehalten. Jetzt schimmerte das Licht von drei Fackeln, in deren Mitte Neire saß. Das Kind der Flamme hatte seinen Oberkörper entblößt und sich auf einen Kniesitz niedergelassen. Deutlich war der verbrannte linke Arm zu erkennen, in dessen Schulter drei große Rubine eingelassen waren, die mit der Haut verwachsen waren. Neire betete die Verse in der zischelnden, schlangenhaften Nebelheimer Sprache. Bargh und Zussa, angestrahlt von des Feuers Schimmer und verwoben mit rätselhaften Schatten, sprachen die Formeln nach. Sie hielten sich nicht an den Händen, doch sie spürten die Kraft von Jiarlirae. Ihre Göttin war ganz in ihrer Nähe und schenkte ihnen gemeinsame Gedanken:

Sie waren ihre heiligen Krieger in diesem Reich, das falsch war. Sie wussten, dass nur ihre Göttin wahr war und die Schlüssel zu den Geheimnissen trug. Jiarlirae war mehr als alles andere, es gab nur Jiarlirae! Sie würden einst ihre Weisheit kosten. Sie würden durch feuererhellte Nächte reiten, während der Krieg tobte und andere stärben. Sie waren prometheische Fackelträger eines abyssalen Urchaos - tanzende Flammen, geboren und geborgen in IHRER Düsternis.

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Sitzung 156 - Endlose Dünen aus Knochenstaub
« Antwort #182 am: 1.10.2025 | 20:23 »
Ein silbernes Glühen ging von dem Kubus aus, den Neire in das doppelflügelige Portal aus Messing geführt hatte. Langsam und wie von Geisterhand zog der Gegenstand sich in die Mulde, die wie gemacht schien für diese Form. Bargh, Zussa und Neire betrachteten gespannt das Schauspiel. Sie standen auf dem marmornen Boden der weißlich und verloren im silbernen Nebel schimmerte. Sie waren nach ihrer Rast aufgebrochen und weiter durch das endlose Labyrinth von Passagen geschritten, die sie durch die totale Stille geführt hatten. Schließlich war der Pfad an diesem Portal geendet, das größer als alle anderen Türen gewesen war. Auch hier hatten sie gesehen, dass beide Flügel in der Leere und ohne jeden Rahmen standen. Jetzt konnten sie ein sanftes Vibrieren spüren. Die Flügel begannen sich mit einem Knirschen zu öffnen. Violettes Licht und warme Luft strömte aus der Öffnung hervor. Als der Spalt groß genug war, erblickten sie dort hinter eine Landschaft von Dünen. Ein violett schimmernder, wolkenloser Himmel erhellte den weißen Sand in einer grellen Farbe. Hitze waberte über der Landschaft und verzerrte die Sicht. Kein Windhauch war zu spüren. Neire schritt als erster durch das Portal. Vorsichtig betastete er den Sand, in dem seine Fellstiefel versanken. Dann lauschte er in die Ferne. Das Messingportal war auch von dieser Welt aus sichtbar. Es schwebte zwei Hand breit über dem Sand. Neire horchte und lugte dann hinter die nach Innen geöffneten Flügel. Doch aus dieser Richtung blickte er wie durch Luft. Auch Bargh und Zussa waren durch die Öffnung geschritten und schauten sich um. Schon nach kurzer Zeit begann die Hitze ihnen Schweiß in die Augen zu treiben. Als Neires gold-blonde Locken aus der Tarnung seines Schattenmantels auftauchte, flüsterte der Jüngling. „Hört ihr dieses Brummen? Es ist sehr leise und…“ Neire wollte den Satz beenden, doch Zussa schrie plötzlich auf. „Was ist Bargh? Irgendetwas griff nach meinem Fuß. Irgendetwas ist dort im Sand.“ Die junge Feuerhexe wischte sich den Schweiß aus ihrem von Sommersprossen bedeckten Gesicht. „Ja, auch ich habe etwas gespürt,“ sagte Neire. „Es war wie ein sanftes Streicheln.“ Neire stülpte sich wieder den Schattenmantel über und beugte sich hinab. Seine linke verbrannte Hand glitt durch den Sand. Die Körner waren fein und weiß. Seine Haut fühlte sich danach trocken an. Dann kam ihm der Gedanke. „Es ist kein Sand Zussa. Es sind gemahlene Knochen.“ Auch Zussa hatte sich hinabgebeugt und ließ eine Hand voll Staub hinabrieseln. Ihre grünen Augen funkelten rötlich im violetten Licht. „Ja, ihr habt Recht Neire. Es fühlt sich so an. Doch woher kommen die ganzen Knochen. Und wer hat sie so fein gemahlen.“ Bargh grummelte und bewegte Schwert und Schild. Er kniff immer wieder sein linkes Auge zusammen, um der Helligkeit zu begegnen. „Der Wind war es jedenfalls nicht. Die Hitze lässt einen kaum atmen hier. Von woher habt ihr das Geräusch gehört Neire?“ Eine verbrannte Hand formte sich dort, wo der Sand sich wie von selbst bewegte. „Dort… das Brummen kommt von dort.“ Bargh nickte und drehte seinen haarlosen, von alten Brandwunden vernarbten Schädel in die Richtung. „Dann folgt mir, wenn ihr es hören könnt, kann es nicht so weit weg sein.“

Sie marschierten nun schon eine Zeit durch die glühende Hitze. Der Knochenstaub war weich und das Gehen schwer. Zudem spürten sie das Brennen der weißen Substanz an ihren Füßen. Einmal hatten sie bereits Pause gemacht und gierig an ihren Wasserschläuchen getrunken. Neire hatte immer wieder gehorcht und ihnen die Richtung gewiesen. Als sie nun die gewaltige Düne erklommen hatten, offenbarte sich ihnen ein Blick über ein schier endloses Meer von wellenartigen Erhebungen. Doch sie alle sahen augenblicklich das große metallene Konstrukt zwischen den Sandbergen aufragen. Da war der Schimmer von Messing. Aus der Ferne konnten sie zwei Sphären erkennen, von denen eine größer war. Beide waren halb im Sand versunken. Über den Gebilden waren kleine kreisende Punkte zu sehen. Wortlos nickten sie sich zu und ging dann weiter auf die Sphären zu. Je näher sie kamen, desto lauter wurde das Brummen und Poltern. Es waren rhythmische, aber auch chaotische Geräusche. Sie konnten auch weitere Details der metallenen Gebilde beobachten. Die Sphären schienen aus vielen kleinen genieteten Metallplatten geschaffen zu sein. Vor einer der Sphären ragten hohe Wände auf, zwischen denen eine Treppe nach oben führte. Auch die kreisenden Objekte konnten sie nun besser sehen. Es waren drei Kreaturen von grauer Haut, schlankem Körper und ledrigen, löchrigen Schwingen. Ihre Arme und Beine endeten in messerscharfen Krallen. Graue Augen starrten aus einem halb menschlichen, halb Fledermaus-artigen Kopf. Bargh, Zussa und Neire gingen näher und hörten ein krächzendes und gackerndes Lachen. Zwei der Kreaturen schienen sich um einen Gegenstand zu streiten. Sie rissen danach, so dass das Objekt der Begierde schließlich zu Boden fiel. Es war der blutige Kopf eines Jungen, dessen eine Seite bereits gänzlich abgefressen war. Das Poltern und Rumoren aus dem Inneren der Sphäre übertönte fast gänzlich die krächzenden Schreie. Beide Gestalten setzten sich auf die Mauern und beobachteten ihre Schritte. Dann rief eine krächzend. „Menschlein… Menschlein… holt uns unser Essen.“ Dabei zeigte die Gestalt auf den Kopf des Kindes, der unweit von ihnen im Sand lag. Bargh blickte nach oben und antwortete mit tiefer, sicherer Stimme. „Sehen wir aus wie eure Diener?“ Als Antwort kam ein gackerndes Lachen, das disharmonisch im Rumpeln von Metall klang. Das violette Licht des konturenlosen Himmels brannte auf sie hinab, als eines der Wesen seine Stimme erhob. „Menschlein kann sprechen. Menschlein holen uns Futter… dort.“ Wieder zeigte die Kreatur auf den blutigen Kopf. „Holt es euch doch selbst!“ Die trotzige Antwort von Bargh brachte die geflügelten Wesen in Rage. Schon stürzten sich zwei hinab, während eine dritte sie anstarrte. Der Blick erzeugte Schmerzen bei Bargh, Neire und Zussa. Es war, als ob tausende kleiner Messer in ihr Fleisch eindringen würden. Doch Barghs Schwert Glrimringshert legte seine schützenden Schatten um sie und die Welle wehte über sie hinweg. Dann waren die Kreaturen bei ihnen und ein wilder Kampf entbrach. Neire beschwor sein Schattenfeuer und warf einen Strahl aus gleißender Magie auf die hockende Kreatur. Das Wesen wurde von Flamme und Düsternis dahingerafft und ein verkohlter Körper stürzte in den Sand. Zussa und Bargh töteten die zweite Kreatur, während Bargh die Dritte mit einem tiefen Schnitt in die Brust lähmte. Der dunkle Krieger baute sich über dem Wesen auf und zielte mit Glrimringshert in Richtung des Herzens. Schwarzes Blut pulsierte aus der Brustwunde des Wesens. „Sprecht! Wem dient ihr?“ Die Worte des Antipaladins Jiarliraes waren donnernd. Die Kreatur krächzte und hustete mehr schwarzes Blut. „Wir dienen ihr. Wir dienen der Göttin.“ Bargh zeigte auf die Stufen, die zwischen den Messingwänden nach oben führten. „Was befindet sich dort?“ Dem Tode nah, lachte die Gestalt. „Ihr Eingang zu allem was ist und allem was einst ihr gehören wird.“

~

Neire torkelte und stach mit seinem Degen in das Rohr aus schwarzem Stahl. Um ihn herum war ein rhythmisches Dröhnen, ein Zischen von Dampf und ein Krachen von Metall. Die Luft war unerträglich warm und roch nach einer Mischung aus verbrannten Haaren, verkohltem Fleisch und kochendem Schwefel. Er erinnerte sich nicht daran zurück, wie er die Stufen in die Sphäre hinaufgeschlichen war. Alles war jetzt wie ein längst vergangener Fiebertraum. Das Hämmern hatte seinen Geist verwirrt und ihn an die grauenvollen Erfahrungen aus Nebelheim erinnert. Er war über die Treppe in ein Gemach gekommen, in dem eine hübsche Dunkelelfin mit silbernem Haar an einem Schreibtisch gesessen hatte. Wie in wilder Besessenheit hatte sie Runen auf Papyrus geschrieben, die Notizen aber zerrissen und durch den Raum geworfen. Der metallene Boden war bereits bedeckt gewesen von vielen zerknüllten Papierstücken. Neire hatte nicht nachgedacht, sondern sich in ihren Rücken geschlichen. Dann hatte er ihr seinen Degen von hinten in den Kopf gerammt. Die Klinge war in den Schädel gedrungen, doch er hatte nicht bemerkt, dass kein Blut, sondern Kristallschleim hervorgetreten war. Die Frau war in sich zusammengesackt. Als Zussa und Bargh in die Halle gekommen waren, hatte Neire sie angebrüllt. Tränen waren aus seinen Augen gerollt und er hatte sich die vernarbte Haut von seinem linken Arm gekratzt. Bargh hatte seinen Forderungen nachgegeben und ihm den Schlauch mit dem dunkelelfischen Schnaps gegeben. Gierig hatte Neire getrunken. Bis er die betäubende Wirkung gespürt hatte. Das Hämmern hatte ihn zwar immer noch gepeinigt, die Geräusche schienen aber viel weiter weg gewesen zu sein. So waren sie in das Innere der Sphäre vorgedrungen und hatten mehrere Gänge und Räume aus Messing erkundet. Über eine Treppe waren sie schließlich hinabgelangt, in eine glühende Halle. In einem riesigen Ofen hatte ein Feuer so heiß gebrannt, dass das Messing glühte. Sie hatten in anliegenden Räumen zusammengepresste Kohle entdeckt. Erst nach einer näheren Untersuchung hatten sie den Geruch von verbrannten Knochen, Fett und Fleisch feststellen können. Bargh und Zussa hatten die Halle wieder verlassen, während Neire zu einem Rohr getorkelt war, das aus dem Ofen herauskam. Dort konnte er das Rauschen und Zischen eines immerwährenden Stromes hören. Schließlich hatte Neire angefangen wie verrückt auf das Rohr einzustechen. Der Degen hatte sich bedrohlich gebogen, doch jetzt brach das Rohr auf. Aus dem Loch strömte ihm heißer Dampf entgegen, der nach Fäule und Verwesung stank. Neire hielt den Atem an und trat in die Hitze. Einen normalen Menschen hätte der glühende Dampf längst getötet. Doch er war kein normaler Mensch. Er war ein Kind der Flamme. Er packte das Rohr und begann zu reißen. Er spürte die Kraft der Runen seines Gürtels. Dann gab das Metall nach und er bog die Rohre auseinander. Der Druck schleuderte ihn fast weg. Die Geräusche waren ohrenbetäubend. Ein Zischen und ein Rauschen. Neire zog sich über die Apparaturen, rannte die Treppe hinauf und stieß die Tür hinter sich zu. Im Licht des Ganges, das durch die Risse in den Messingwänden brach, erblickte er Bargh und Zussa. Beide husteten und verzogen ihre Gesichter, da der Gestank bereits in den Tunnel gedrungen war. Ein Teil des chaotischen Krachens war weniger geworden, gar fast zum Erliegen gekommen. Neire zeigte sein rußverschmiertes Gesicht und lachte. „Rasch… lasset uns beten. Sie wissen jetzt, dass wir kommen.“ Gemeinsam knieten sie nieder und sprachen ihre alten Reime zu Jiarlirae. Um sie herum vibrierte das heiße Metall, getrieben durch die dämonische Magie verbrannter Seelen.

~

Zussa, Neire und Bargh brachen durch das Messingportal. Boden und Wände schimmerten dort in metallenem Glanz, wo keine Patina das Messing bedeckte. Im Halbdunkel der durch glühende Risse im Metall erhellten Halle erkannten sie zwei riesige Kreaturen. Beide hatten pechschwarze Haut, die von silbernen, okkulten Tätowierungen bedeckt war. Ihre Gesichter waren die von nordischen Feuerriesen – von roten Bärten und Haaren bedeckt, doch jetzt in einer Verrücktheit verzerrt. Weißer Schaum lief aus ihren Mäulern und sie knirschen fortwährend mit ihren Zähnen. Als die Kreaturen sie sahen, fingen sie an zu brüllen. Dabei offenbarten sie ihre zerkauten und zersplitterten Hauer. Bargh stürmte den Kreaturen entgegen, die mit Streitkolben aus dunklem Eisen bewaffnet waren. Die Klinge Glimringshert drang tief in den Körper hinein. Neire und Zussa folgten und griffen die Kreaturen an, die keinen Schmerz zu empfinden schienen. Als sie die beiden zu Fall gebracht hatten, öffnete sich eine hohe Türe und zwei weitere Feuerriesen stürmten heran. Sie trugen zwei lange, schwarze Schwerter und auch sie hatten jeglichen Rest ihres Verstandes verloren. Sie traten nach Bargh; der dunkle Antipaladin strauchelte. Zussa und Neire huschten wie zwei flinke Schatten nach vorn und griffen die beiden Kreaturen von den Seiten an. So konnte Bargh zwei Schwertstreiche abwehren und sich wieder erheben. Gemeinsam töteten sie die beiden Riesen. Auf die warnende Stimme Neires begaben sie sich an eine der Türen des dahinterliegenden Tunnels. Neire hatte dort Schritte gehört, die sich näherten. Kaum hatten sie sich in Lauerstellung gebracht, da wurde die Tür aufgerissen. Dahinter erschienen drei Kreaturen, die ähnlich derer waren, die sie am Eingang in die Sphäre angegriffen hatten. Die Gestalten waren menschengroß, besaßen eine dunkle, lederne Haut und Schwingen zerfetzter Spannhaut. Ihre Extremitäten endeten in messerscharfen Krallen. Die Kreaturen starrten sie aus hasserfüllten Fledermausschädeln an, die im Entferntesten an menschliche Konturen erinnerten. Sie waren größer und muskulöser als die Kreaturen im Außenbereich. Bargh eröffnete ihren Angriff. Der Segen der Göttin war stark und er hackte einen Arm ab. Schwarzes stinkendes Blut strömte hervor und mit einem zweiten Streich ging das Wesen gurgelnd zu Boden. Gemeinsam töteten sie auch die beiden verbleibenden Geschöpfe. Hastig blickten sie sich um. Das rhythmische Poltern der Maschine war lauter geworden und erfüllte den Tunnel mit einem Dröhnen. Ihre Göttin Jiarlirae war bei ihnen und hatte sie gesegnet. Sie wussten, dass sie ihre Botschaft bringen würden – bringen müssten. Sie mussten das Tönen des übernatürlichen Uhrwerks beenden, koste es was es wolle.

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Sitzung 157 - Höllische Maschinen
« Antwort #183 am: 11.10.2025 | 10:29 »
Sie hatten sich nach dem Kampf beraten. Neire Blickes waren jedoch wirr gewesen und er hatte getorkelt. Er hatte Zussa und Bargh angeschrien, dass sie die rhythmischen Geräusche beenden müssten – dass der monotone Krach und Lärm ihn verrückt machten. Tränen waren aus den Augen des Kindes der Flamme gelaufen, dessen Gesicht und Haare von einer öligen Schicht schwarzen Rußes bedeckt gewesen waren. So waren sie dem Geräusch nachgegangen, das Neire hauptsächlich aus dem metallenen Treppenhaus vernommen hatte. Neire war die Treppen vorangeschlichen, die sie in eine infernalisch brütende Dunkelheit geführt hatten. Jetzt verweilte er im Schutz seine Schattenmantels am Ende der Treppe und betrachtete die riesige Maschinenhalle. Flackernder Feuerschein aus kolossalen Metallöfen erhellte Messingwände und -boden spärlich. Überall war der Schmutz von Ruß und Kohle. Ein beißender Gestank von verbranntem Fett, Haaren und Haut erfüllte die Halle. Da waren aber auch Dämpfe von brennendem Schwefel und Pech, die das Atmen erschwerten. Zwischen flackernden Glutöfen und Messingröhren bewegten sich niedere Kreaturen. Sie waren menschenähnlich, jedoch fettleibig und von blasser, kränklich-gelber Haut. Wie in einem schlafwandelnden Taumel trugen sie Schaufeln der geköhlerten menschlichen Überreste in die infernalische Glut. Ihre deformierten Köpfe waren zu Boden gerichtet. Drei Riesen hatten sich in der Halle posiert und beobachteten die Dienerkreaturen mit einer Mischung aus Langeweile, Hass und Verrücktheit. Die nackten Oberkörper der Giganten waren von rituellen Narbenmustern in Spinnenform bedeckt. Ihre roten Haare schimmerten im Kontrast zu ihrer kohlenschwarzen Haut. Neire betrachtete die Szenerie nur kurz. Dann übermannte ihn der pochende Schmerz, den der Lärm in seinem Schädel hervorrief. Er schlich sich in den Rücken eines der Feuerriesen, der sich gerade nach einer der Dienerkreaturen gebückt hatte. Der Riese hatte ein rundliches Gesicht, bernsteinfarbene Augen und einen Pottschnitt von mittellangen roten Haaren. Er grunzte als er das Wesen packte und mit einer Hand hochhob. Der Riese öffnete den Mund und knirschte mit seinen Zähnen, die größtenteils bereits abgesplittert waren. Dann drückte er zu und der Brustkorb der kleineren Kreatur knackte. In dem Rumoren war kein Schmerzensschrei zu hören. Der Riese warf das Wesen durch die Öffnung einer der Öfen in die Brennkammer, wo Neire nur Flammen sehen konnte. In diesem Augenblick griff Neire an. Er stieß seinen Degen in den Rücken des Feuerriesen und ein Brüllen war zu hören. Der Riese begann sich zu drehen und starrte wild um sich. Er blickte nicht zu Neire hinab. Der Jüngling ließ seinen Degen tanzen und schnitt der Kreatur den Unterleib auf. Rückwärts in seinem Tode fallend begrub der Gigant zwei Kohlenschaufler. Dann zog sich Neire in die Schatten zurück. Das Blut und die Gewalt hatten ihn den pochenden Schmerz vergessen lassen.

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„Neire, was tut ihr? Was wird passieren?“ Zussa stand neben Bargh, in den Schatten des Schwertes Glimringshert. Sie schrie gegen das Krachen und Klopfen von Metall, das eine Unterhaltung in gemäßigter Lautstärker unmöglich machte. Sie dachte zurück, an das, was sie in der Halle erlebt hatten. Ja, sie litt mit Neire, doch er musste wohl den Verstand verloren haben. Alleine war er vorgeschlichen und hatte die Riesen angegriffen, die in der Halle Wache gehalten hatten. Sie waren ihm zur Hilfe geeilt und hatten zwei der narbenbedeckten Monster niedergemacht, die in Neires Richtung gestürmt waren. Dann hatte Zussa die grauvolle Kreatur gesehen, die aus einer Tür am Ende einer metallischen Rampe erschienen war. Die Gestalt war vier bis fünf Schritt großgewesen und hatte eine Kreuzung zwischen Mensch und Tier dargestellt. Sie hatte vier muskulöse Arme gehabt, die in Klauen-artigen Scheren geendet waren. In ihrem Wolfsschädel hatten rote, hasserfüllte Augen gebrannt und es waren lange Beißzähne zu sehen gewesen. Die Kreatur hatte ihre faule Magie beschworen und die Körper der toten Feuerriesen und der Dienerkreaturen waren Richtung Decke gefallen. Die Magie hatten auch an ihr selbst gezerrt, doch Zussa hatte die schützende Schattenaura von Glimringshert gespürt. Dann hatte Neire einen Strahl aus Magmafeuer beschworen, der die Kreatur von innen gekocht hatte. Schließlich war das Wesen in einem Regen aus Blut und Körperteilen zerplatzt. Danach hatte Neire in seinem Wutrausch begonnen, die Kohleschaufler zu töten. Sie selbst, aber auch Bargh, hatten dem Jüngling geholfen, bis sie schließlich ein Vibrieren gefühlt hatte, das durch den Messingboden gegangen war. Ihre Haut hatte gekribbelt und sie hatte gespürt, dass das Zittern anders war, als das ständige Rütteln der Maschinen. Bereits dort hatte sie Neire angeschrien und ihm gesagt, dass sie glaube, sie seien in eine andere Welt gelangt. Der Prophet Jiarliraes hatte nur auf die Rampe gezeigt, wo die Überreste der zerfetzen Kreatur lagen. Bargh und sie selbst waren ihm gefolgt und hatten einen rechteckigen Raum gefunden, in dem sich eine Vielzahl von heißen Röhren befunden hatte. In einigen Rohren waren Öffnungen gewesen, die mit einem dunklen Kristall versehen waren. Durch das Glas hatte sie eine rötliche Flüssigkeit schimmern sehen. Auf einer anderen Seite des Raumes hatten sie ein Pult entdeckt, an dem sich zwei eiserne Räder und vier Messinghebel befunden hatten. Bevor sie sich hatten beraten können war Neire zu den Rädern gegangen und hatte begonnen zu drehen. Plötzlich war der Boden in Schwanken gekommen und sie hatte sich leicht gefühlt. Dann war sie mit aller Macht wieder auf den Boden gedrückt worden. Zussa war dann zu Neire getreten und hatte ihn gegen den Lärm angeschrien. Jetzt blickte sie Neire an, doch seine Augen schauten durch sie hindurch. Tränen hatten den Ruß auf seinem Gesicht verschmiert. Der Prophet Jiarliraes sprach zu ihr, doch sie konnte ihn nicht verstehen. Dann begann Neire das zweite Rad zu drehen. Zussa schrie Bargh an, dass er aufhören solle. Der große Krieger verharrte aber in seiner Aura der Dunkelheit. Mehrere metallene Explosionen erschütterten den Boden unter ihren Füßen, als Neire auch an den Hebeln zog. Dann hörte sie, dass die rhythmischen Stöße langsam weniger wurden. Nach einer Zeit trat Stille ein und der Jüngling sprach zu ihr. Neire lächelte sie an. Seine perfekten, weißen Zähne blitzten in seinem ölverschmierten Gesicht. „Endlich Zussa… diese Stille. Jetzt können wir wieder unserer Aufgabe nachgehen. Unsere Gebete an unsere hohe Herrin werden nicht unbeantwortet bleiben.“ Zussas Zorn über Neires Verhalten war nicht weniger geworden und wäre er nicht der Prophet Jiarliraes gewesen, hätte sie ihn hier und jetzt getötet. Sie stampfte mit einem Fuß auf dem Boden und sagte trotzig. „Oh, die Stille… ja, ist sie schön Neire? Wo zur Hölle sind wir? Sagt mir lieber das…“ Kaum einen Augenblick später hörte Zussa die Stimme in ihrem Kopf. Das Kichern war weit entfernt, kam dann aber schnell näher. Dann dachte sie, es wäre direkt hinter ihr. Sie drehte sich um, aber da war nichts. Auch Neire und Bargh schienen die Stimme zu hören, denn sie schauten erschrocken in andere Richtungen. Das Kichern verwandelte sich in eine liebliche Mädchenstimme, die sprach. „Recht hat sie, das Mädchen. Wo seid ihr bloß? Glaubt ihr euer Spiel gewonnen zu haben? Wo wollt ihr nur hin, wollt ihr nicht von mir getragen werden?“ Zussa erkannte die Stimme und fauchte in die brütende Hitze. „Habt ihr das auch gehört? Wer war das? Die gleiche Stimme wie im Tempel von Erelhei-Cinlu.“ Sie blickte erst Bargh, dann Neire an. Der Jüngling wischte sich gerade die Tränen von den Wangen und schien zu lauschen. Dann nickte er ihr zu und wies mit seinem blutverschmierten Degen in Richtung des Ausgangs. „Wir sind nicht allein Zussa, ich höre ihre Geräusche. Ihr höre aber auch IHRE Stimme wieder. Fest und deutlich. Sie sagt mir, dass der Sieg unser sein wird.“

Die Streiter Jiarliraes waren weiter durch Räume und Hallen aus Messing geschritten. Sie hatten stinkende Schlaflager der Riesen gefunden. Andere Kammern enthielten Fässer und Kisten. In einem weiteren Raum hatten drei Bilder gefunden, die eine Ritterburg, eine Vase und ein junges menschliches Mädchen abgebildet hatten. Zwei Bilder waren von Krallenspuren zerfetzt worden, doch das Bild der Vase war intakt gewesen. Aus einer anderen Kammer war ihnen der Gestank von Rindsviechern entgegengekommen. Der Messingboden war von verfaultem Heu und Exkrementen bedeckt gewesen. Augen von kränklichen Rindern hatten sie aus der Dunkelheit angeglotzt. Das Fell der Tiere war an einigen Stellen ausgefallen und die Haut offenbarte dort Geschwülste weißlicher Eiterbeulen. Aus den Nüstern lief gelblicher Schleim und die Tiere zeigten ihre verfaulten Zähne. Nicht wenige der Rindsviecher hatten zwei Schwänze, eines fünf Beine und ein weiteres nur ein einzelnes Auge in der Stirn. Sie hatten den Raum hinter sich gelassen und sich zu den doppelflügeligen Messingtüren begeben, die Neire dann nach Fallen untersucht hatte. Dahinter hatten sie eine große Kammer entdeckt, deren Boden von einer glühenden Metallverzierung in Form eines Spinnennetzes bedeckt war. Auf der gegenüberliegen Seite hatten sie ein weiteres doppelflügeliges Messingportal gesehen. Neire hatte auch dort nach Fallen gesucht. Nachdem der Jüngling Geräusche hinter diesem Portal gehört hatte, hatten sie sich Mut zugesprochen und Neire hatte das Portal geöffnet. Jetzt schauten sie in eine gewaltige Halle quadratischer Form. Boden, Wände und Decke waren aus kostbarstem Marmor, bläulicher und weißer Farben. Eine Vielzahl von Säulen trug die Decke. An den Wänden waren Bilder durch kleine bunte Steine dargestellt. Die Darstellungen zeigten eine Sumpflandschaft, durch die sich monströse Spinnen bewegten. Teils schauten Extremitäten verschlungener Menschen und Elfen aus ihren Mäulern. Die Blicke der Helden erforschte nicht lange die Feinheiten der Wandgemälde. Sie konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die Mitte der Halle. Dort hatten sich eine Reihe von Kreaturen in einem dicken Spinnennetz versammelt. Mehrere Riesenspinnen besaßen behaarte Körper, aus denen Hals und Schädel eines dämonischen Wolfes wuchs. Umringt von diesen Kreaturen befand sich riesige schwarze Spinne, deren acht Extremitäten menschliche Arme darstellten, die in langen Krallen endeten. Mit einem Schmatzen und einem Schnattern, begann sich der deformierte Schädel der Riesenspinne zu öffnen. Unter einem Schwall von Schleim kam der Oberkörper der Frau einer hübschen Dunkelelfin zum Vorschein, die sie mir rötlich glühenden Augen anstarrte. Es war die Gestalt, die sie schon im Tempel in Erelhei-Cinlu gesehen hatten. Das grauenvolle Klappern ihrer Zähne erfüllte die Halle. Das Geräusch wurde von den Wolfsspinnen imitiert. In diesem Augenblick baute sich Bargh zwischen den geöffneten Portalflügeln auf und rief in die Halle: „Wir sind euer Ende. Jiarlirae ist mehr als alles andere, Jiarlirae über alles! Nur JIARLIRAE, nur JIARLIAE, nur JIARLIRAE!“ Wie auf Kommando setzten sich die Wolfsspinnen in Bewegung. Sie krochen geschickt durch die Netze. Neire beschwor seine Magie und glühende Magmakugeln explodierten mit einem Donnern in der weiblichen Spinnengestalt. Wie herabfallender Sand brach die Illusion in sich zusammen. Die Wolfsspinnen heulten und fletschten ihre Zähne, als sie sich in den Kampf stürzten. Es war ein Hauen und ein Stechen, was folgte. Sie hatten den Segen ihrer Herrin. Sie kämpften sich in einen Rausch heiliger Wut. Flamme und Düsternis waren mit Bargh, dem Drachentöter. Zussa, die Hand der Flamme, schwang ihren Säbel alter Chaosgötter. Jaulend gingen die Kreaturen zu Boden. Sie konnten der Macht von Jiarlirae nichts entgegensetzen. Dann trat wieder Stille ein. Keuchend und erschöpft von der Heftigkeit des Kampfes, drangen die Streiter in die Halle vor. Neire flüsterte ihnen aus den Schatten zu. „Hinter den Türen, ich habe ein Geräusch gehört. Doch ich weiß nicht hinter welcher Tür.“ Erst als sie näherkamen, sahen Bargh und Zussa das, was Neires feinen Augen nicht entgangen war. An der gegenüberliegenden Wand waren mehr als ein Dutzend Messingtüren zu erkennen. Sie lagen in der Dunkelheit und waren alle geschlossen. Hinter welchem Eingang nur versteckten sich die Diener der Spinnengöttin?