Autor Thema: Der Hang zu "negativen" Settings  (Gelesen 13511 mal)

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Offline Harry Du Bois

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #75 am: 24.07.2022 | 18:07 »
In dystopischen Settings sind die Konflikte an denen sich die Spieler abarbeiten können, aus denen das Spiel hervorgeht, quasi schon an allen Ecken und Enden ausgesät. Ich hätte tatsächlich eher ein Problem eine harmonische Welt zu schaffen und darin irgendwie ein "positives Abenteuer" zu inszenieren, wenn da alles tutti ist.
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Camo

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #76 am: 24.07.2022 | 18:08 »
Fast niemand will ein wirklich realistisches Rollenspiel über das dritte Reich spielen*. Okkulte Magie macht das Setting in meinen Augen erträglicher als düsterer.)



* Ja, gibt es bestimmt. Postet den Link und wir schütteln kollektiv den Kopf bevor wir weiterdiskutieren.  ::)

Tatsächlich gibt und gab es einiges, das im zweiten Weltkrieg spielte... aber man war nie auf der Seite der Achse. Und so wirklich "realistisch" war keines, das sind aber Rollenspiele eher selten bis gar nicht, wenn wir ehrlich sind. Das beginnt beim Indiana Jones-Rollenspiel (es gab 2... einmal das von TSR von 1994, einmal das von WEG in der Masterbook-Serie von 1994) und geht weiter zu Behind Enemy Lines von FASA von 1982. Einziges Abenteuermodul war "Guns of Navarone". Das waren die realistischeren.
Dann gab es noch andere: 1940 - England Invaded von 2003 handelt von der fiktiven geglückten Invasion Englands durch die Nazis (Operation Seelöwe), man spielt die Briten, die sich dagegen wehren. Inspiration war u.A. Dads Army. Wie schon erwähnt gibt es Achtung Cthulhu, aber mit "Underground" gibt es auch mindestens ein nicht-pulpiges Abenteuer für Cthulhu, mit "No Man's Land" auch mindestens eines im ersten Weltkrieg. Für ICONS und ich meine auch andere Superheldensysteme gab es Abstecher in den zweiten Weltkrieg. Luftwaffe 1946 ist aus einer anderen Dimension, Zeitlinie, whatever, im Endeffekt ein etwas anderer Krieg mit Wunderwaffen (ja, auch Haunebus) etc. - und Weird War II sagt schon im Titel sehr deutlich, dass es nicht realistisch ist.

Ansonsten gibt es noch folgende Rollenspiele, die andere Kriege als Hintergrund haben:
* Delta Force (eher Antiterrorismus)
* MERC (1981), eher die Niederschlagung von Aufständen, z.B. in Rhodesien
* Recon (1986), Dschungel- und Guerillakrieg, z.B. Vietnam
* Twilight: 2000 (einen fiktiven dritten Weltkrieg im Jahre 2000, das System spielt in den Nachwehen)


Ich merke in der Diskussion, dass viele hier "negatives Setting" viel weiter definieren als ich. Ich selbst würde beispielsweise den klassischen Wilden Westen oder sowas wie Star Wars nicht als negative Settings sehen, sondern als welche in der Mitte, in denen es sowohl Licht als auch Schatten gibt. Negative Settings sind für mich eher solche, bei denen man den Untergang höchstens ein bisschen verzögern kann (Call of Cthulhu), in denen die Welt von den Bösen beherrscht und geprägt wird (Midnight, Dark Souls, viele Cyberpunk-Sachen) oder in denen so gut wie jeder SC+NSC ein Arsch ist und die Welt das auch so erwartet (Warhammer, Shadowrun, viele Serien- und Computerspiel-RPGs).

Ich sehen den "Wilden Westen" auch nicht als negatives Setting an, wollte nur zu bedenken geben, dass es halt NICHT positiv besetzt und "ein großes Abenteuer" ist, sondern durchaus das Zeug dazu hat, negativ zu werden, je nachdem wie historisch korrekt man es haben möchte und zu welcher Volksgruppe man gehört... was sich durchaus auch ändern konnte, die (weißen) Texaner z.B. wurden nur eine gewisse Zeit nach dem Bürgerkrieg diskriminiert und ausgebeutet, die Asiaten, Ureinwohner und andere nicht-weiße Einwohner eigentlich ständig.


Ich kann mir gut vorstellen dass ein System das in beiden Kategorien (Spielwelt und Regeln) gleichermaßen fies ist, wenig Spaß macht und auch ein System das in beiden gleichermaßen überfreundlich ist, schnell seinen Reiz mangels Herausforderung verliert.

Ich mag es wenn die Regeln fies sind, die Spielwelt aber eher freundlich ist. Dann versucht man Konflikte eben eher nicht durch Kämpfe zu lösen, weil die NSCs meist rational oder gut sind und ein Kampf ECHT gefährlich ist.

Ich mag aber auch Rollenspiele in denen alles und jeder böse ist, die Regeln aber erlauben mit Gummipunkten oder ähnlichem da nochmal rauszukommen. Da riskiert man gerne mal zu kämpfen (es trifft ja eh keinen Falschen) und hat trotzdem brauchbare Chancen zu überleben.

Warhammer zum Beispiel ist fies im Setting und die Regeln sind recht tödlich und macht durchaus Laune... man muss halt schauen, ob man tatsächlich kämpfen will, weil zumindest in den alten Regeln der zweite Treffer einen ein Körperteil kosten kann. Generell mag ich "fiese" Systeme, weil es durch das Wegfallen der (viel zu oft) gewählten Option 1 (Wir kloppen das einfach weg) die Spieler nachdenken müssen, was sie tun. Da ist es dann egal, wie fies der Hintergrund ist, wenn man erst nachdenkt und dann (eventuell) haut, kommt man auch nicht unbedingt oft in Bedrängnis.

Offline nobody@home

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #77 am: 24.07.2022 | 18:24 »
Für ICONS und ich meine auch andere Superheldensysteme gab es Abstecher in den zweiten Weltkrieg.

Für Champions in der 4. Edition gab's ein Quellenbuch "Champions in 3-D" (oder jedenfalls nahe dran), in dem es thematisch um Besuche in anderen Realitäten ging. Eins der ausgearbeiteteren Beispielszenarios handelte von einer Parallelwelt, in der Nazideutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hat und unter anderem die USA der relativen Moderne mit der Bedrohung durch nukleare Interkontinentalraketen kleinhält, während ein mit einem über Leichen gehenden Verjüngungsprozeß am Leben erhaltener Hitler weiterhin das Oberkommando hat...über den "Realismus" eines solchen Szenarios kann man sicher streiten, aber die Autoren haben sich zumindest bemüht, das Leben in einem "nazifizierten" Amerika recht ernst und bedrückend darzustellen, und eigentlich können die SC da auch nicht allzu viel mehr tun als vielleicht Adolf auszuschalten und dann zu entkommen.

Camo

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #78 am: 24.07.2022 | 18:31 »
Jupp.

Ich wollte jetzt nicht die komplette Sammlung durchforsten, hab das eher aus dem Gedächtnis kurz hingeschrieben. Wobei ich die Abenteuer von "Lamentations of the Flame Princess", die im 30jährigen Krieg oder im englischen Bürgerkrieg spielen vergessen habe bei den "anderen Kriegen"... oder Pendragon, das ja mitten im Sachseneinfall spielt. Kriege spielen ja gerne mal größere Rollen.

Offline Issi

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #79 am: 24.07.2022 | 18:55 »
Diverse sehr harte Settings kommen komplett ohne Das Böse aus. Was Menschen in der Lage sind, anderen Menschen anzutun, reicht da völlig aus.
Das "Böse" muss doch nichts vom Menschen Entkoppeltes sein.
Es kann sich genauso gut in menschlicher Grausamkeit zeigen.
Oder auch nur in einem feindlichen Klima, einer bedrohlichen Umgebung/ Umwelt etc..
Kurz - das Böse ist etwas was den Protagonisten Schadet.

Hätte es geholfen, wenn ich das in Anführungszeichen gesetzt hätte?
Denn ich habe das weitaus umfassender gemeint, als es womöglich verstanden wurde.

In vielen düsteren Settings geht die Hauptbedrohung sogar häufig von einer gefährlichen Umwelt aus (verseucht, verstrahlt whatever).
Denn das bekommst du als Held so schnell nicht weg.

Die Bedrohung ist mehr oder weniger permanent.( Ein mMn. nicht ganz unwichtiges Kriterium für düstere Settings)

Oben drauf kommen dann erst die anderen Probleme - bzw. Konflikte mit irgendwelchen   Wichten. Die natürlich auch Menschen sein können.


Oder anders: In klassischer Fantasy wird, wenn die "Bedrohung/das Böse etc." am Ende besiegt wurde, häufig wieder ein besseres Leben möglich. Die Dinge können sich danach wieder zum Guten wenden.
(Auch wenn es vorher natürlich Verluste und Opfer gab)

In nem düsteren Setting, hat man, wenn es hoch kommt, nur eine Schlacht gewonnen, nicht den Krieg. Meistens kann man aber dankbar sein, dass man überhaupt überlebt hat. Und wirklich besser oder gar gut, wird deshalb so schnell noch lange nix.
« Letzte Änderung: 24.07.2022 | 19:14 von Issi »

Offline Quaint

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #80 am: 24.07.2022 | 18:56 »
Welt dunkel, SC hell oder grau mag ich ganz gerne.

Schlimm finde ich es, wenn sich SC quasi von der Welt mitreißen lassen und dann auch verachtenswürdig agieren.

Und ich finde auch: in der richtigen Utopie ist es schwer, gute Abenteuer aufzumachen. Es brauch halt Mißstände die man beheben kann und Gefahren, denen man mutig entgegen treten kann.

Dabei kann man aber auch Welten hernehmen die nicht extrem finster sind, aber wenn halt alles Licht und tutti ist wird es etwas schwierig.
Ich finde es hat halt Gründe warum es bei Star Trek etwa neben der utopischen Föderation durchaus auch andere Reiche gibt, die nicht so eitel Sonnenschein sind, und selbst innerhalb der Föderation hat man dann ja zunehmend auch dunkle Seiten etabliert. Eben als Aufhänger für Konflikt und Abenteuer.
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Offline Radulf St. Germain

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #81 am: 24.07.2022 | 18:57 »
Da hier auch die Frage kam, was ein nicht-düsteres Setting "besser" macht - hier meine 2 Cent:

Erstmal gar nichts. Wer düstere Settings mag ist damit eindeutig besser bedient. Mir geht es nur so, dass ich davon einerseits übersättigt bin und andererseits aktuell genug grimdark habe, wenn ich die Zeitung aufmache. Da ist dann eine düstere Zukunft nicht mehr Eskapismus für mich. Ich habe trotzdem noch MörkBörk (oder wie immer man das schreibt ;-)) gespielt und das ist schon cool aber ich hätte auch mal Bock was fröhlicheres zu spielen.

Irgendwas, wo Fallen eher lustig sind als Blutbäder auszulösen, Goblins zwar Babies klauen aber danach mit dem kleinen Schreihals überfordert sind, die Helden einen Fastfoodimbiss aufmachen und seltsame Kunden haben...

Das muss nicht "heile Welt" sein, aber die Probleme sind halt anders oder Details werden überbügelt. Und wenn man gerade in so einer Phase ist, dann wundert man sich halt, dass alle GoT cool finden und denkt sich "naja, ohne Vergewaltigungen hätte das jetzt für mioch besser funktioniert". Ich glaube so geht es dem OP. Hier muss niemand bekehrt werden wir wollen nur, dass ihr uns ein Nischenspiel aufzeigt und wir sind still.  ;D

Das eine ist nicht besser als das andere - Chips sind nicht besser als Schokolade, es ist halt was anderes.

Offline Isegrim

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #82 am: 24.07.2022 | 19:18 »
Es schlägt ja auch niemand vor, in einer utopischen, problemfreien Welt zu spielen, oder? Als ob es zwischen Dystopie und Utopie nichts gäbe. Ich bin verwirrt...

Schlimm finde ich es, wenn sich SC quasi von der Welt mitreißen lassen und dann auch verachtenswürdig agieren.

Nun, manche Settings zwingen die SCs geradezu dazu; bzw die einzige Alternative ist letztendlich, im aussichtslosen Kampf gegen all das Schlechte in der Welt zu scheitern.

In gewisser Weise tuen das die Elben im Herr der Ringe: Gegen Sauron zu kämpfen, obwohl sie wissen, dass dessen Ende auch ihres sein wird. Dennoch streiten sie darum, dass das Böse nicht den Sieg in Mittelerde davon trägt, auch wenn sie nichts mehr davon haben werden.

Ich hab vor kurzem eine Fantasy-Kampagne begonnen, bei dem der bespielte Landstrich in Chaos und Anarchie abgerutscht ist. Vorbild ist das BRandenburg des 14. Jh.:

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Brandenburgs#Unter_den_Wittelsbachern_und_Luxemburgern_(1319%E2%80%931415)

Dennoch ist das nicht als düsteres grim-dark-Setting geplant. Chaos kann überwunden, Monster können erschlagen und Gerechtigkeit kann (wieder) hergestellt werden. Das ist die Aufgabe der SCs.

In einem grim-dark-Setting können SCs besten falls darauf hoffen, zu überleben, wenn sie sich nicht anpassen. Erfolgreich werden sie nur sein, wenn sie selber genau so abscheulich werden wie der Rest des Settings.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline nobody@home

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #83 am: 24.07.2022 | 19:27 »
Ein Beispiel für eine "helle" Welt wäre wahrscheinlich ein klassisches, nicht irgendwie ach so clever "dekonstruiertes" Superheldensetting. Klar: auch da gibt's Fieslinge und außerirdische Invasionen und andere kleine Problemchen genug, um regelmäßig Comichefte/Zeichentrickserienfolgen/Rollenspielabenteuer abzuwerfen. Aber auf der anderen Seite sind diese Herausforderungen prinzipiell immer meisterbar (nicht unbedingt immer gleich mit der Hulk-haut-wech-Methode, aber doch mit grundsätzlich vorhandenen oder erreichbaren Mitteln) und die Protagonisten, vulgo Spielercharaktere, stehen an vorderster Front genau der Leute, die für dieses Meistern zuständig sind, und kriegen eigens für diesen Zweck sogar noch ein paar übermenschliche Kräfte extra verpaßt, damit sie sich auch kompetent genug für den Job (an)fühlen sollen.

"Langweilig" würde ich so eine Spielwelt deswegen aber noch lange nicht nennen. :)

Offline tartex

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #84 am: 24.07.2022 | 19:29 »
@ Tartex: Das macht sie aber nicht zu "düsteren Settings" im Sinne des Thread-Themas. Ist ja schön, dass du offensichtlich solche "schwarz-weiß"-Settings ablehnst, und mag sein, dass bei dir gritty-grim-dark-Kram besser ankommt als geschnitten Brot. Aber muss dieser Thread, wie so oft im Forum, daher in eine sinnlose Definitionsdebatte verwandelt werden?

Ich sehe das ganz anders: ich bevorzuge keine düsteren Settings, aber ich denke bei vielen scheinbar hellen Settings wird viel fragwürdiges und sehr Dunkles sichtbar, wenn man sie konsequent zu Ende denkt. Ich empfinde das irgendwie als Scheinheiligkeit da an der Oberfläche zu bleiben. Mir fällt es auf jeden Fall schwer. Das berühmte Beispiel aus den 1980igern ist wohl die Diskussion bei AD&D, ob es moralisch verwerflich wäre Orkbabys zu töten.

Und folgt man der Definiton einiger Poster hier, wäre Schindlers Liste ja auch nicht düster, weil am Ende steht ja der Sieg über das Böse und der Einsatz des Einzelnen für das Gute hat sich auf jeden Fall und objektiv belegbar gelohnt. Ich kann dem emotional halt nicht folgen.
« Letzte Änderung: 24.07.2022 | 19:32 von tartex »
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Offline Issi

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #85 am: 24.07.2022 | 19:51 »
Selbst klassische Fantasy kann an einem Punkt starten, an dem die Dinge bereits sehr schlecht stehen. Entscheidend ist, dass sie dennoch überwunden werden können.

Häufig starten klassische Geschichten jedoch mit 1.alles ist scheinbar gut,2. Ne doch nicht. 3. Verdammt es wird eng! 4..Es ist fünf vor Zwölf. 5. Zum Glück noch abgewendet, jetzt kann es wieder gut werden.

In düsteren/dystopischen Settings schaut keiner mehr auf die Uhr. Denn die Welt wird nie wieder so werden, wie sie Mal war. Und wenn sie doch irgendwann wieder lebenswert sein sollte, dann in einer sehr fernen Zukunft, die die Helden vermutlich nicht mehr erleben werden.

@
tartex
Hier geht's doch um Fantasy Geschichten und Settings, dachte ich zumindest.
 :think:

Schindlers Liste ist dann doch eher Realwelt Horror. - 




« Letzte Änderung: 24.07.2022 | 19:56 von Issi »

Offline tartex

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #86 am: 24.07.2022 | 19:54 »
@
tartex
Hier geht's doch um Fantasy Geschichten und Settings, dachte ich zumindest.
 :think:

War ja auch nur als eine Analogie gemeint, um meinen Gedankengang verständlich zu machen.
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Offline Issi

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #87 am: 24.07.2022 | 20:12 »
War ja auch nur als eine Analogie gemeint, um meinen Gedankengang verständlich zu machen.

Naja - der Bereich "Horror" kann durchaus "düster" sein, und am Schluss damit enden, dass das "Böse" besiegt wird. (One Shot, Film)
 Aber die Erlebnisse werden die Protagonisten häufig für immer (seelisch)zeichnen.
Sie werden vielleicht nie wieder die Selben sein, auch wenn das Böse längst verschwunden/überwunden ist.

Wobei "Horror" nur dann als solcher empfunden wird, wenn er nicht "normal" ist. (Wenn zum Beispiel alle Vampire als SC spielen, oder diese mit Vampiren befreundet sind, verliert das Monster im Spiel seinen Schrecken)
Nur in vielen düsteren, dystopischen Fantasy Settings gibt's die heile Welt ja schon lange nicht mehr.
Der "Horror" ist dort alltäglich geworden.
Die Protagonisten einigermaßen abgestumpft.

Edit.
Im Bereich Horror sind die Helden auch idR. Menschen ohne besondere/übernatürliche Fähigkeiten. Und die Welt ist idR. die Reale Welt.

Das ist bei Fantasy anders.

Wenn ein ganzes Setting düster sein soll, also dauerhaft, dann darf das  dafür (extra gebastelte) Übel natürlich nicht durch die Helden aus der Welt geschafft werden können. Nicht beim ersten Abenteuer und auch nicht im Verlauf des Bespielens, es sei denn, man möchte dem Setting, in dieser düsteren Form, für immer den Rücken kehren.
« Letzte Änderung: 24.07.2022 | 21:07 von Issi »

Offline Doc-Byte

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #88 am: 25.07.2022 | 00:33 »
Im Gegenzug wäre es vielleicht spannend mal herauszuarbeiten, was an grundsätzlich positiven Settings denn so viel besser/interessanter/spaßiger sein soll.

Ich glaube, es hat niemand behauptet, "helle" Settings wären besser als düstere. Aber vielleicht wurde etwas mißverständlich ausgedrück. Generell ist das schlicht eine Geschmacksfrage. Der Punkt ist eigentlich vielmehr, das gefühlt viele neue Systeme einfach auf einem "düsteren Ausgangspunkt" das Setting aufbauen. Dabei spielt es für mich persönlich sogar eine untergeordnete Rolle, ob das Setting noch immer "düster" ist oder sich bspw. in einer Wiederaufbauphase befindet. Ich finde es einfach schade, dass vielfach erstmal alles vorherige im Setting kaputt gegangen ist, um zur aktuellen Situation zu gelegen, obwohl man diesen Kniff mMn nicht zwingend benötigt, um trotzdem spannende Geschichten zu erzeugen.

In dystopischen Settings sind die Konflikte an denen sich die Spieler abarbeiten können, aus denen das Spiel hervorgeht, quasi schon an allen Ecken und Enden ausgesät. Ich hätte tatsächlich eher ein Problem eine harmonische Welt zu schaffen und darin irgendwie ein "positives Abenteuer" zu inszenieren, wenn da alles tutti ist.

Muss ich dir tatsächlich recht geben. Wenn alles "perfekt" wäre, gäbe es wenige Ausgangspunkte für interessante Geschichten. Von dem Gedanke habe ich mich auch relativ schnell wieder verabschiedet. Aber man muss deshalb ja nicht gleich die komplette Zivilsation platt machen. Ich meine, ja, der Staat sorgt für seine Bürger. Es gibt genug Nahrung für alle, Seuchen sind zurückgedrängt und man führt keine Kriege bzw. keine Angriffskriege und jeder Bürger hat das Recht auf freie Bildung, bekommt im Bedarfsfall ein Dach über dem Kopf und ausreichend Kleidung gestellt... Aber es wird immer Personen geben, denen das nicht genug ist, die Macht, Einfluss oder schlicht nur Reichtum und Luxus anstreben. Die meisten arbeiten hart dafür, denn der Staat nimmt den Bürgen ihr Einkommen oberhalb der festen Abgabengrenze nicht ab, um genau dieses Bestreben zu unterstüzen, weil man sich bewusst ist, dass die Gesellschaft sonst träge wird und die Inovation leidet. Aber es gibt immer diesen einen Prozentsatz an Personen, die den leichten Weg wählen und die Abkürzung über die kriminelle Laufbahn einschlage. Und dann sind da ja noch die Nachbarn, die sich entweder wie Kinder untereinander zanken, so dass man ständig ein Auge auf sie werfen muss oder gar gleich zum Angriff übergehen, wo man sich bei der Expansion der Siedlungen in die Quere kommt. - Das Setting ist noch immer positiv, wenn man davon ausgehen, die Spielercharaktere leben im skizzierten Staat und auch für alle anderen ist es prinzipiell jetzt nicht furchbar schlecht, aber es bietet dennoch Konfiktpotenial und somit Ausgangspunkte für interessante Geschichten. - Das würde ich dann mit dem erwähnten "Hellgrau" bezeichnen.

Und ich finde auch: in der richtigen Utopie ist es schwer, gute Abenteuer aufzumachen. Es brauch halt Mißstände die man beheben kann und Gefahren, denen man mutig entgegen treten kann.

Dabei kann man aber auch Welten hernehmen die nicht extrem finster sind, aber wenn halt alles Licht und tutti ist wird es etwas schwierig.
Ich finde es hat halt Gründe warum es bei Star Trek etwa neben der utopischen Föderation durchaus auch andere Reiche gibt, die nicht so eitel Sonnenschein sind, und selbst innerhalb der Föderation hat man dann ja zunehmend auch dunkle Seiten etabliert. Eben als Aufhänger für Konflikt und Abenteuer.

Vollste Zustimmung! :d

Und jetzt denken wir das etwas weiter: Star Trek hat doch eigentlich immer ganz gut funktioniert. Warum also musste es jetzt mit ST:Discovery auch den Weg gehen und erstmal alles kaputt machen? Die Föderation liegt in Scherben, der "große Kanall" ist (quasi sogar wortwörtlich) eingetreten. - Ja, ich kann nachvollziehen, dass man so Geschichten von (Wieder)Entdeckungen und Neuaufbau schreiben kann, aber hat Star Trek diesen Weg wirklich gebraucht?

Das eine ist nicht besser als das andere - Chips sind nicht besser als Schokolade, es ist halt was anderes.

Word! Problematisch wird es erst wenn (selbst gefühlt) plötzlich nur noch Chips oder nur noch Schokolade in den Supermarktregalen steht. ;)

Es schlägt ja auch niemand vor, in einer utopischen, problemfreien Welt zu spielen, oder?

Ich glaube nicht, aber vielleicht hab ich mich irgendwo in diesem Thread missverständlich ausgedrückt. (Oder auch jemand anders.)

Ich sehe das ganz anders: ich bevorzuge keine düsteren Settings, aber ich denke bei vielen scheinbar hellen Settings wird viel fragwürdiges und sehr Dunkles sichtbar, wenn man sie konsequent zu Ende denkt.

Aber der Umgang innerhalb des Settings damit macht den Unterschied: Ist man sich als Gesellschaft der Unzulänglichkeiten bewusst und ist man bestrebt, diese gemeinsam zu überwinden? Oder sagt man sich, ja das ist halt so und wenn wir das miese Spiel mitspielen können wir doch egentlich ganz gut davon profitieren?
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Offline bobibob bobsen

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #89 am: 25.07.2022 | 08:34 »
Meine besten Spielergebnisse habe ich mit positiven Settings gemacht in denen es ein größeres Problem gibt. Dieses ist dann auch das Thema der SC.

Offline Loduanor

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #90 am: 25.07.2022 | 08:42 »
Und jetzt denken wir das etwas weiter: Star Trek hat doch eigentlich immer ganz gut funktioniert. Warum also musste es jetzt mit ST:Discovery auch den Weg gehen und erstmal alles kaputt machen? Die Föderation liegt in Scherben, der "große Kanall" ist (quasi sogar wortwörtlich) eingetreten. - Ja, ich kann nachvollziehen, dass man so Geschichten von (Wieder)Entdeckungen und Neuaufbau schreiben kann, aber hat Star Trek diesen Weg wirklich gebraucht?

Ich glaube da hat sich in den letzten Jahren eine Standard Checkliste in Hollywood etabliert, nachdem es einige sehr erfolgreiche Serien/Filme gab die eher düster waren. Und das sickert versetzt dann auch in unser Hobby. Gefühlt hat das mit Game of Thrones so richtig angefangen, aber ich könnte mich da irren.
Das ist aber auch nur eine Phase, die gefühlt langsam auch schon wieder abebbt.

Es gibt inzwischen auch eine neue ST Serie, die da wieder stärker zu den Wurzeln zurückkehrt: Star Trek - Strange new Worlds.

Offline Waldviech

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #91 am: 25.07.2022 | 08:57 »
Lower Decks hat den "alten Star-Trek-Geist" IMHO auch ganz gut drauf - trotz allen Klamauks.

Zitat
Welt dunkel, SC hell oder grau mag ich ganz gerne.

Dem kann ich mich anschließen :). Was ich tatsächlich nicht so sehr mag, sind Sachen, in denen wirklich alles nur fies und hoffnungslos sind und jeder, aber auch wirklich jeder ein boshaft-zynischer Edge-Lord ist.
Barbaren ! Dekadente Stadtstaaten ! Finstere Hexenmeister ! Helden (oder sowas Ähnliches)!

MALMSTURM !

Offline OldSam

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #92 am: 25.07.2022 | 09:54 »
Lower Decks hat den "alten Star-Trek-Geist" IMHO auch ganz gut drauf - trotz allen Klamauks.

Finde ich auch!  :d  :)

Offline OldSam

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #93 am: 25.07.2022 | 09:57 »
Mir fällt zum Topic grad das folgende Zitat ein, das auf eine der zentralen Motivationsquellen hinweist - trifft wohl auf sehr viele typische Abenteueraufhänger zu:

Wir verehren das Chaos, weil wir es lieben, Ordnung zu schaffen.

― M.C. Escher
« Letzte Änderung: 25.07.2022 | 10:03 von OldSam »

Offline tartex

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #94 am: 25.07.2022 | 10:00 »
Bei den beschriebenen hellen Settings wird halt die Gefahr meist exterritorial gemacht.

Wir leben im schönen Märchenland, aber jenseits der Grenzen lauert das gefährliche Andere. Klar, es würde sich nicht zu uns trauen, deshalb schicken wir die weniger stabilen Elemente unserer Gesellschaft zu ihnen, um mal die Steine umzudrehen und schauen was da dann weghuscht.

Bzw. wir leben im Märchenland, aber es gibt verkommene Subjektive, die sich nicht an die Ordnung halten wollen. Anstatt mal bessere Vorschläge zu machen sind sie immer nur dagegen, und vielleicht sogar noch geldgierig oder gar pervers. Aber zum Glück haben wir noch Leute mit Zivilcourage, die für Ordnung in Märchenland sorgen, weil sie denen aufs Maul geben.

 >;D

Das nennen wir dann "positives Setting".
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Offline Loduanor

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #95 am: 25.07.2022 | 10:03 »
Lower Decks hat den "alten Star-Trek-Geist" IMHO auch ganz gut drauf - trotz allen Klamauks.

Stimmt, fand ich auch gut, wollte ich aber nicht als Beispiel anführen, weil es schon ein Sprung von klassischem Star Trek zu Animationsklamauk ist. Aber auf jeden Fall lohnenswert!

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #96 am: 25.07.2022 | 10:05 »
Bei den beschriebenen hellen Settings wird halt die Gefahr meist exterritorial gemacht.

Wir leben im schönen Märchenland, aber jenseits der Grenzen lauert das gefährliche Andere. Klar, es würde sich nicht zu uns trauen, deshalb schicken wir die weniger stabilen Elemente unserer Gesellschaft zu ihnen, um mal die Steine umzudrehen und schauen was da dann weghuscht.

Bzw. wir leben im Märchenland, aber es gibt verkommene Subjektive, die sich nicht an die Ordnung halten wollen. Anstatt mal bessere Vorschläge zu machen sind sie immer nur dagegen, und vielleicht sogar noch geldgierig oder gar pervers. Aber zum Glück haben wir noch Leute mit Zivilcourage, die für Ordnung in Märchenland sorgen, weil sie denen aufs Maul geben.

 >;D

Das nennen wir dann "positives Setting".

Oh, auch die schönen Märchenländer können es ganz schön in sich haben. Wann habt ihr Spottdrosseln überhaupt zuletzt ein Märchen gelesen? ;)

Nachtrag: ein klassisches D&D-Setting, das mMn tatsächlich recht gut in die "Märchentradition" paßt, wäre das Großherzogtum (später Königreich) Karameikos auf Mystara. Da hat man ein Quasi-Osteuropa mit Elementen von einer importierten Oberschicht aus Quasi-Byzanz, Einheimischen und Monstern, die teilweise besser nach Hollywood-Transsylvanien passen, einen tatsächlich recht anständigen und beim Volk beliebten Herrscher und dessen Familie...und dessen fiesen Cousin, der innerhalb seines Lehens unter der Maske des braven Gefolgsmanns nach oben gegenüber seinen eigenen Untertanen den großen schurkischen Schnurrbartzwirbler heraushängen läßt. Da geht schon so einiges. :)
« Letzte Änderung: 25.07.2022 | 10:15 von nobody@home »

Offline Grubentroll

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #97 am: 25.07.2022 | 10:09 »
Oh, auch die schönen Märchenländer können es ganz schön in sich haben. Wann habt ihr Spottdrosseln überhaupt zuletzt ein Märchen gelesen? ;)

Ich trau mich nicht, ich hab jetzt noch Angstzustände weil die alle so brutal und kaputt waren.
Ich kann immer noch nicht glauben dass mich meine Mutter sowas hat anhören lassen.

Das schlimmste war eins wo nem Typen hintereinander beide Augen ausgestochen wurden.

Offline Oberkampf

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #98 am: 25.07.2022 | 10:12 »
Mehrfach wurde hier ja eingeworfen, dass es ein gewisses Ausmaß an Anomie in einem Setting braucht, um für Abenteuer zu funktionieren. Das klingt für mich überzeugend.

In einer Spielwelt besteht eine mehr oder weniger ausgeprägte, harmonische Ordnung, die 1) von äußeren feinden bedroht ist (die Orcs vor den Toren), die 2) von inneren Feinden bedroht ist (die korrupten Verräter im Stadtrat und die gierigen Oligarchen, die sie schmieren) und 3) strukturelle Schwächen hat (selbst unsere großartige Republik hat Lücken im Gesetzestext und erst Recht in der Umsetzung).

Ein "helles" Setting wäre eine Spielwelt mit geringer geringer Anomie. Größtenteils verläuft alles in geordneten, harmonischen Bahnen. Institutionen funktionieren so, wie sie sollen und sind überwiegend gerecht bzw. entsprechend unserer Wertvorstellungen, die äußere Bedrohung ist vorhanden, aber überschaubar und gefährdet nicht akut die Ordnung der Dinge. Die innere Verkommenheit lässt sich nicht leugnen, wird aber immer wieder aufgedeckt und korrigiert. Rollenspielerisch bedeutet das: Abenteuer und Regeln sorgen dafür, dass die Charaktere mit ehrlichen, fairen, humanen Methoden erfolgreich gegen die drei Gefährdungen vorgehen können.

In einem fynsteren Setting herrscht hingegen ein großer Zustand der Anomie. Institutionen sind verfallen, ihre Träger korrupt, ihre Ausführungsorgane käuflich, die Barbaren stehen nicht nur direkt vor den Toren, sondern morden, plündern und versklaven überall im Land, es gibt nur wenige, halbwegs stabile Punkte des Lichts, in die sich die Verderbnis unaufhaltsam hineinfrisst. Die Regelmechanik fördert hinterhältige Taktiken (Giftanschläge, rituelle Menschenopfer, Sklavenhandel usw.), damit die Charaktere realistische Erfolgschancen haben, und die Abenteuer sind darauf ausgelegt, die wenigen Punkte des Lichts mit allen Mitteln (!) zu verteidigen (was natürlich in dieser Spiel-Wirklichkeit aussichtslos ist, denn der Zweck heiligt eben nicht die Mittel).

Das sind jetzt zwei Extrempunkte auf der Skala. So, wie ich es einschätze, bewegen sich die meisten Gruppen in einem Mittelfeld. Beispielsweise sind einige korrupte Taktiken für die Spielfiguren erlaubt (z.B. Assassinen verwenden Gift und meucheln sogar schlafende Gegner, auch Paladine dürfen einen Hinterhalt legen), aber andere Taktiken sind verboten (SCs werden nicht reich durch Sklavenhandel und wirken keine Blutmagie, die Menschenopfer erfordert). Die Regeln unterstützen ein tendenziell eher "ehrenhaftes" Vorgehen (Gifte sind teuer, meucheln ist schwierig).

Das Ausmaß der Bedrohungen ist hingegen hoch genug, um Handlungen zur Verteidigung des Status Quo gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Primär sind die äußeren Bedrohungen sichtbar und können bekämpft werden, eben die Orcs, die in Banden durchs Land streifen. Die inneren Bedrohungen sind auch vorhanden, aber klar als Gegner der bestehenden Ordnung erkennbar, wie z.B. umstürzlerische Dämonenkulte, die im Verborgenen agieren. Die Institutionen werden meist als unproblematisch und bewahrenswert angesehen: Sklaverei ist verboten, die Lichtkirchen sind gemäßigt in ihren Regeln, die Gesetze geben jeder Bevölkerungsgruppe eine Chance zur Teilhabe, der allgemeine Wohlstand ist hoch, verdient und einigermaßen gerecht verteilt usw.

Entsprechend sind auch die Abenteuer aufgebaut. Es geht darum, diesen Zustand zu verteidigen. Viel zu verbessern gibt es nicht, denn die SCs leben ja sozusagen in der besten aller Welten.

In einem dysteren Setting wird dagegen oft auch bei den Institutionen die Axt angelegt. Die SCs sind Außenseiter, die nicht in die harmonische Ordnung integriert sind oder die Ordnung ist nicht so harmonisch, wie es auf den ersten Blick scheint.
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Offline Issi

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Re: Der Hang zu "negativen" Settings
« Antwort #99 am: 25.07.2022 | 10:20 »
Ich glaube da hat sich in den letzten Jahren eine Standard Checkliste in Hollywood etabliert, nachdem es einige sehr erfolgreiche Serien/Filme gab die eher düster waren. Und das sickert versetzt dann auch in unser Hobby. Gefühlt hat das mit Game of Thrones so richtig angefangen, aber ich könnte mich da irren.
Das ist aber auch nur eine Phase, die gefühlt langsam auch schon wieder abebbt.
Aber auch jenseits von Fantasy haste viel Sex& Crime, und natürlich Horror.
(Breaking Bad, Walking Dead etc.)
Bedeutet mehr Adrenalin für die Zuschauer.
Stumpft auf Dauer aber auch ab.

Neulich zwei ältere Menschen getroffen, die sich darüber aufgeregt haben, dass es mittlerweile selbst in jedem Tatort um Sex geht." Das war früher Mal anders " bemängelten sie.  :D