Autor Thema: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...  (Gelesen 7419 mal)

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Offline flaschengeist

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Systemdesigner stehen irgendwann von der Frage, welche Rolle der Zufall bei der Erstellung (und ggf. Entwicklung) von Charakteren spielen soll. Aber auch sonst ist im Tanelorn zu beobachten, dass sich an dieser Frage häufig die Geister scheiden. Ich vertrete die These, dass es in der Geschichte der Rollenspiele einen Trend von mehr Zufall (z.B. 3d6 in order bei OD&D für Attribute und HP auswürfeln) zu weniger Zufall (z.B. Standard Array & Point Buy für Attribute und fixe HP bei D&D5) gibt. Aus meiner Sicht ist (bzw. wäre) ein solcher Trend begrüßenswert, denn es gibt gute verhaltenswissenschaftliche Argumente gegen solche Zufallsmechaniken.

Eines dieser Argumente liefert die "Equity Theorie", die ursprünglich aus der Sozialpsychologie stammt. Aus ihr lässt sich ableiten, dass faire Bedingungen in Gruppen die Kooperationsbereitschaft und Zufriedenheit fördern. Fair ist hier definiert als: Gleiche Anstrengung führt zu gleicher Belohnung. Daher entsteht Unmut, wenn zwei Kollegen etwa bei VW am Band die gleiche Arbeit machen, aber einer deutlich mehr Gehalt bekommt, weil er fest angestellt ist, während seine Kollege für eine Zeitarbeitsfirma tätig ist.
Bei der Charaktergenerierung mit Zufallssystemen wäre die Anstrengung das Würfeln und die Belohnung das Würfelergebnis in Form von Charakterwerten. Auch hier haben wir also eine Quelle von Unmut, da bessere Charaktere nicht das Ergebnis von mehr Anstrengung sind sondern schlicht aus mehr Glück resultieren.

Dieser Unmut ist laut diverser Experimente stark genug, dass Personen sogar bereit sind, sich selbst zu schaden, um derartige Unfairness zu verhindern. Ein Experiment dazu lief ungefähr so: Einem Angestellten wird eine Gehaltserhöhung von 100 € angeboten. Er erhält außerdem die Information, dass sein Kollege, der die gleiche Tätigkeit ausübt, 200 € Gehaltserhöhung bekommt. Er darf sich nun zwischen zwei Alternativen entscheiden: 1. Er nimmt die Gehaltserhöhung an, gewinnt 100 € aber akzeptiert dafür, dass sein Kollege bevorteilt wird. 2. Er lehnt die Gehaltserhöhung für beide ab. Die allermeisten Personen entscheiden sich in diesem Setup für Alternative zwei. Der Effekt wird allerdings schwächer, je mehr man sich selbst schadet (also je höher der eigene "Verlust"). Dennoch bleibt der Punkt: Menschen sind tendenziell sogar bereit sich selbst zu schaden, um Unfairness abzuwenden.

Dieser Befund fügt sich in Erkenntnissen aus der Evolutionspsychologie, der Moralpsychologie und der Ethologie ein. Laut Evolutionspsychologie bringen wir aus unserer Artgeschichte "Evolvierte Psychologische Mechanismen" mit. Hierbei handelt es sich um angeborene Verhaltenstendenzen, die Überlebensvorteile bieten bzw. boten. Ein solcher Überlebensvorteil ist z.B. die Tendenz zur Kooperation. Gut kooperierende Gruppen haben Überlebensvorteile. Nach Erkenntnissen der Moralpsychologie wiederum, ist "Fairness" in allen Kulturen dieser Erde ein grundlegendes moralisches Prinzip ist. Zusammen binden lässt sich das nun so: Gut kooperierende Gruppen sind nur stabil, wenn es hinreichend fair zugeht. Folglich ist die Tendenz, Unfairness abzulehnen, eine angeborene Verhaltenstendenz. Dies wird weiter untermauert durch Experimente mit Kapuzineraffen. Für Kapuzineraffen haben Trauben einen hohen Belohnungswert, Gurken hingegen einen niedrigen. Im Experiment wurden zwei Gruppen von Affen gebildet, die für "Arbeit" belohnt wurden und sich gegenseitig beobachten konnten. Am Anfang wurden beide Gruppen mal mit Gurken, mal mit Trauben belohnt. Nach einer Weile wurde Gruppe A nur noch mit Trauben und Gruppe B nur noch mit Gurken belohnt. Ergebnis: Gruppe B reagiert mit Arbeitsverweigerung - sie schadet sich also wie im Beispiel oben lieber selbst als Ungleichbehandlung hinzunehmen. Es existieren somit starke Belege, dass Zufallsmechaniken bei der Charaktergenerierung Unmutspotential haben. Unter der Prämisse, dass die Maximierung des Spielspaßes aller Beteiligten wesentliches Ziel gemeinsamen (Rollen)Spielens ist, sind Zufallsmechaniken bei der Charaktergenerierung somit problematisch (das gilt natürlich nicht, wenn Zufallsgenerierung benutzt wird, um Wertereihen zu bilden, die jeder Spieler verwenden darf).

Aber wieso ist der Zufall nur bei der Charaktergenerierung ein Problem, wo doch in Rollenspielen auch an vielen anderen Stellen mit dem Zufall gearbeitet wird (etwa bei Fertigkeitsproben). Zunächst sind auch Spieler, die in einer Sitzung häufig schlecht würfeln, frustriert (Menschen, die Affekte & Emotionen kaum wahrnehmen, lasse ich mal außen vor). So ging es mir z.B. erst gestern, ich habe massiv unterdurchschnittlich gewürfelt und das war meinem Spielspaß definitiv abträglich. Kurzum, schlechtes Würfeln schadet auch hier aber ich bekomme etwas dafür, dass diesen Schaden überkompensiert: Es ist spannend, wenn unklar ist, ob die Handlung meines Charakters gelingt oder scheitert. Und für diese Spannung, die den Spielspaß erhöht, kann man auf Zufallsmechanismen nicht verzichten. Zudem weiß ich, dass sich über viele Würfe aus statischen Gründen Glück & Unglück letztlich die Waage halten. Mal hat mein Mitspieler mehr Würfelglück, mal ich aber im Mittel gleicht es sich aus. Dieser ausgleichende und damit Fairness (wieder)herstellende Effekt kann jedoch nicht eintreten, wenn die Erfolgschancen der Charaktere sich schon vor dem Würfeln unterscheiden, weil mein Charakter wegen zufallsgenerierter Eigenschaften besser ist als der Charakter meines Mitspielers. Wenn an einem Spieltisch Charaktere ständig sterben und neu generiert werden müssen (ich habe mir sagen lassen, in manchen Ecken der OSR sei dies der Fall ;)), wirkt natürlich auch hier das Gesetz der Großen Zahl und zufallsgenerierte Eigenschaften kreieren kaum Unfairness.

Zu guter Letzt möchte ich kurz die Frage beleuchten, warum zufallsbasierte Generierung zwar seltener als früher aber beileibe keine Nischenerscheinung ist: Evolvierte Psychologische Mechanismen determinieren kein Verhalten sondern legen es nur nahe. Wenn mich jemand sehr ärgert, kann der Impuls entstehen, der Person "eins in die Fresse zu hauen". Meine Sozialisation sorgt aber glücklicherweise zuverlässig dafür, dass ich diesem (wie ich hoffe primär evolutionär bedingtem ;)) Impuls widerstehe. Wenn Menschen gelernt haben, Dinge auf eine bestimmte Art zu tun, ist das ebenfalls Sozialisation. Wenn ich mit Zufallsgenerierung sozialisiert bin, kann dieser Effekt daher den evolutionären Mechanismus leicht "überschreiben". Er muss ihn aber nicht überschreiben (die Randbedingungen hierfür zu vertiefen, führt aber jetzt definitiv zu weit) und wenn keine spezielle Sozialisation vorliegt, wird der evolutionäre Mechanismus certeris paribus verhaltenswirksam werden. Sprich: Wenn ich einer Gruppe Erst-Rollenspieler anbiete, ihre Charaktere entweder jeweils einzeln auszuwürfeln oder sie per Kaufsystem o.Ä. zu erstellen, werden die meisten Gruppen sich für die zweite Variante entscheiden. Damit entsteht dann über die Zeit natürlich auch eine sozialisierte Gewohnheit, die diesmal jedoch mit der evolvierten Verhaltenstendenz in Einklang ist. Aus diesen Gründen erwarte ich, dass über die Jahre die Zahl der Gruppen, die eine klassisch zufallsgenerierte Charaktergenerierung verwenden, immer weiter abnimmt.
« Letzte Änderung: 11.09.2022 | 12:29 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline YY

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #1 am: 11.09.2022 | 12:54 »
Wenn an einem Spieltisch Charaktere ständig sterben und neu generiert werden müssen (ich habe mir sagen lassen, in manchen Ecken der OSR sei dies der Fall ;)), wirkt natürlich auch hier das Gesetz der Großen Zahl und zufallsgenerierte Eigenschaften kreieren kaum Unfairness.

Einmal das und zum anderen gibt es einige Systeme - insbesondere D&D - die zwar je nach Edition recht großen Aufwand in Sachen Charaktererschaffung betreiben, bei denen aber die Attribute gar nicht mal so wichtig sind. Da ist der entstehende "Schaden" also vergleichsweise gering und wird oft genug durch andere im Spiel entstehende Unterschiede ausgeglichen.

Den Spannungsfaktor beim Würfeln wollen einige Spieler aber auch in der Charaktererschaffung; daher bieten gar nicht mal so wenige Systeme kurzerhand beides an und jeder Spieler kann sich die bevorzugte Methode aussuchen - da kann man sich jetzt immer noch Gedanken machen, ob das eine wirklich stringente Lösung ist: schließlich entsteht ja dann trotzdem der angedachte "Schaden", wenn ein Spieler brav seine mittelgute Kaufvariante nimmt und ein anderer unverschämt gut würfelt.
Allerdings scheinen viele dann so weit auch nicht wieder zu denken (oder zu fühlen) und in der Breite ist das augenscheinlich eine recht zufriedenstellende Variante. 


Ansonsten sei noch gesagt, dass eine weit über die Attribute hinaus zufällige Charaktererschaffung (also über das gesamte Fähigkeitsspektrum bis hinein in die Persönlichkeit und den Lebenslauf) und das folgende Spiel mit einem derart "aufgedrückten" Charakter einen ganz eigenen Reiz entfalten kann. Hier gibt es schlicht keine Möglichkeit, das über faire Kaufsysteme nachzustellen.
Und etwas banaler kann insbesondere ein flotte zufällige Erstellung einem auch mal langwierige Entscheidungen abnehmen, mit denen man sich ggf. gar nicht abgeben will, etwa bei One-Shots und ähnlichem.



Meiner Wahrnehmung nach haben wir den Höhepunkt der Kaufmethodenwelle bereits überschritten und viele Designer haben sich daran erinnert, warum Zufallselemente in der Charaktererschaffung sich so lange gehalten haben.
Diese haben wieder einen signifikanten Anteil und der wird sich mMn nicht mehr wesentlich reduzieren.



Und ganz zuletzt kurz zur Equity-Theorie:
Die hat noch viel mehr als bei der zufälligen Charaktererschaffung ihren Platz da, wo Kaufsysteme derart undurchsichtig und mit Fallstricken versehen sind, dass zwei nach der präsentierten Kaufmethode erstellte Charaktere einen größeren Fähigkeitsunterschied (in XP umgerechnet) haben als Fähigkeitszuwachs über die gesamte durchschnittliche "Lebensdauer" der Spielfigur.
Will heißen: Da kommt es vor, dass ein Charakter so viel höher anfängt, dass ein anderer noch nicht mal dann gleichziehen könnte, wenn ersterer gar keine XP bekäme.

Das ist die viel größere Designsünde, die es zu vermeiden gilt - die hat nämlich anders als die zufällige Charaktererschaffung keine nennenswerten Vorteile.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Colgrevance

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #2 am: 11.09.2022 | 13:00 »
Eine historische Anmerkung: Ich hatte immer den Eindruck, dass es in den Anfangstagen des Rollenspiels durchaus üblich war, mehrere Charaktere gleichzeitig oder in schnellerer Folge hintereinander zu erstellen, so dass dann erstens tatsächlich eher das Gesetz der Großen Zahl greift und zweitens das ganze ein bisschen ein Belohnungsschema wie eine Lotterie hat: Die Aussicht, vielleicht schon beim nächsten Charakter den Jackpot zu knacken, hält die Spieler bei der Stange. Als Charaktertode/-wechsel seltener wurden und Spieler eine Figur möglichst lange behalten wollten/konnten, griffen dann stärker die von dir genannten Mechanismen. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob meine Vermutung den tatsächlichen, historischen Spielgepflogenheiten in der Gesamtpopulation entspricht oder nicht - vielleicht kann dazu jemand was sagen, der/die sich mehr mit der Entstehung des Hobbys beschäftigt hat.  :think:

Pyromancer

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #3 am: 11.09.2022 | 13:08 »
Und ganz zuletzt kurz zur Equity-Theorie:
Die hat noch viel mehr als bei der zufälligen Charaktererschaffung ihren Platz da, wo Kaufsysteme derart undurchsichtig und mit Fallstricken versehen sind, dass zwei nach der präsentierten Kaufmethode erstellte Charaktere einen größeren Fähigkeitsunterschied (in XP umgerechnet) haben als Fähigkeitszuwachs über die gesamte durchschnittliche "Lebensdauer" der Spielfigur.
Will heißen: Da kommt es vor, dass ein Charakter so viel höher anfängt, dass ein anderer noch nicht mal dann gleichziehen könnte, wenn ersterer gar keine XP bekäme.

Das ist die viel größere Designsünde, die es zu vermeiden gilt - die hat nämlich anders als die zufällige Charaktererschaffung keine nennenswerten Vorteile.

Ich mag das auch nicht, aber es ist eben in sofern "fair", dass ja jeder ein paar Tage mit Regelexegese und mit dem Lesen der einschlägigen Internet-Charaktererschaffungsforen verbringen kann, um auch so einen guten Charakter zu erstellen. Nicht mein Geschmack, aber "Rollenspiel-Charaktere erstellen (und Steigerungen von Level 1 bis N durchplanen)" ist ja auch ein Hobby.

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #4 am: 11.09.2022 | 13:25 »
Eine historische Anmerkung: Ich hatte immer den Eindruck, dass es in den Anfangstagen des Rollenspiels durchaus üblich war, mehrere Charaktere gleichzeitig oder in schnellerer Folge hintereinander zu erstellen, so dass dann erstens tatsächlich eher das Gesetz der Großen Zahl greift und zweitens das ganze ein bisschen ein Belohnungsschema wie eine Lotterie hat: Die Aussicht, vielleicht schon beim nächsten Charakter den Jackpot zu knacken, hält die Spieler bei der Stange. Als Charaktertode/-wechsel seltener wurden und Spieler eine Figur möglichst lange behalten wollten/konnten, griffen dann stärker die von dir genannten Mechanismen. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob meine Vermutung den tatsächlichen, historischen Spielgepflogenheiten in der Gesamtpopulation entspricht oder nicht - vielleicht kann dazu jemand was sagen, der/die sich mehr mit der Entstehung des Hobbys beschäftigt hat.  :think:

Gaaanz am Anfang soll ja Rollenspiel in der Tat auch noch mehr Vereins- als Heimtischgruppensache gewesen sein. Also mit mehr Leuten, die kommen und gehen, wie sie können, und dabei unter Umständen auch je nach Stimmung zwischen verschiedenen "eigenen" Charakteren wechseln, anstatt über N+1 Sitzungen wieder und wieder ein und denselben auszugraben. In dem Kontext ist dann "einmal schlecht gewürfelt" natürlich gleich nicht mehr ganz so drastisch, denn wenn ein Charakter mal wirklich Sch... ist, dann spielt man ihn halt ein- oder zweimal anstandshalber, um zu sehen, ob man mit ihm vielleicht doch irgendwie warm wird, und bastelt sich danach ggf. den nächsten.

(Außerdem soll ja selbst The Great Gygax (tm) laut Überlieferung beim Auswürfeln der Startwerte längst nicht so knauserig gewesen sein, wie's die Regelbücher vielleicht andeuten mögen. ;))

Offline YY

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #5 am: 11.09.2022 | 13:34 »
Als Charaktertode/-wechsel seltener wurden und Spieler eine Figur möglichst lange behalten wollten/konnten, griffen dann stärker die von dir genannten Mechanismen.

Das hat sich meiner Wahrnehmung nach gegenseitig hochgeschaukelt - wo man mehr Aufwand für einen Charakter treiben muss und eben nicht mal eben eine ganze Handvoll erstellen kann (oder nach einem Exitus innerhalb von 15 Minuten wieder auf dem Startblock steht), ist natürlich ein größerer Anreiz da, den Charaktertod oder sonstige Unspielbarkeit zu vermeiden.

Generell ist das Ganze Ausdruck dreier grundverschiedener Ansätze:
Mit dem Kaufsystem soll genau der "Wunschcharakter" erstellt werden, mit zufälliger Erschaffung wird entweder a) einem nur ein Grundgerüst hingestellt und das eigentlich Relevante ergibt sich dann erst im Spiel* oder b) ein fertiger Charakter präsentiert, mit dessen ungeplanten Eigenschaften man sich dann arrangieren muss.

*Man bedenke: auch bei der zufälligsten Charaktererschaffung liegt die Steigerung dann doch in den allermeisten Fällen komplett in Spielerhand ;)


@Pyromancer:

Sollte man dann nicht zumindest erwähnen, dass das System einen gewissen Einblick erfodert?
Schließlich suggeriert ein Kaufsystem doch eher, dass es fair zugeht in dem Sinne, auch ohne große Vorsicht vergleichbar kompetente Charaktere zu erhalten.

Aber gut, der harte Kern dieser Sparte wird wohl sagen: Diesen Umstand überhaupt zu erkennen, gehört schon zum Reiz.



Grundsätzlich macht es mir auch Spaß, mich durch Optionen zu wühlen, sei das nun bei der Charaktererschaffung/-steigerung oder bei Ausrüstung u.Ä.

Aber die ggf. enthaltene Spreu an Optionen und Vorgehensweisen auszusortieren macht mir dabei genau einmal Spaß und danach müllen mir die "toten" Optionen nur noch für alle Zeit das Regelwerk voll.
Da will ich dann doch lieber ausschließlich eine Auswahl unter zumindest situativ sinnvollen Optionen - dabei kann man immer noch genug falsch machen.

Klar, auch das ist immer noch Geschmackssache; aber wenn ich mir überlege, wie oft ich Spieler auf Optionen habe reinfallen sehen (und das natürlich mit dem naiven Gedanken "so schlecht kann das ja gar nicht sein, sonst stünde es nicht hier drin"), die der Autor mit voller Absicht als "Falle" angelegt hat, komme ich trotzdem zu dem Ergebnis, dass zumindest Präsentation und Kommunikation dieses Designansatzes anders sein sollten.

Und die andere Variante ist noch ärgerlicher: wenn der Autor der Meinung ist, es wäre ja alles fair und transparent - aber nicht verstanden hat, was er da genau fabriziert hat...
Da sehe ich dann endgültig nicht mehr ein, das so zu akzeptieren; dann wird umgebaut.
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Offline Feuersänger

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #6 am: 11.09.2022 | 13:52 »
Ist jetzt kein neues Thema und keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, aber flaschengeist hat den Stand der Dinge schön zusammengefasst, wie ich finde.

Bei Kaufsystemen sehe ich die Equity prinzipiell gewahrt, denn wie oben schon geschrieben: jeder hat die Möglichkeit, sich das Wissen anzueignen, um einen effektiven SC zu bauen. Niemand zwingt dich, in D&D3 einen Monk mit Run und Endurance als Feats zu bauen. Ja, sich ins System einzuarbeiten ist anstrengend -- aber Equity beinhaltet ja auch, Anstrengung zu belohnen.

Ich habe in der Vergangenheit schon Aussagen von Apologeten der zufälligen Erschaffung gelesen in der Art von "Wieso, ist doch fair, hat doch jeder die gleiche Chance, ne 18 zu würfeln." Das Argument muss aber an der Tragweite dieses einzelnen Zufallsereignisses scheitern. Das ist ungefähr so, als ob bei der Bundesliga am Anfang der Saison jeder Trainer einmal W20 würfeln darf, und wer eine 20 schafft, bekommt die ganze Saison in jedem Spiel 1 Tor Vorsprung und wer eine 1 hat, liegt immer 1 Tor hinten. So einen Schwachsinn würde niemand dulden, obwohl es ansonsten in dem Sport auch nicht fair & balanced zugeht.

Anyway, zurück zu RPG, vergleiche dazu auch einschlägige Threads hier im Forum: Auswürfeln wird spontan gleich viel positiver aufgenommen, wenn man einen Modus ins Spiel bringt, der allen Spielern Zugriff auf die gleichen gewürfelten Werte erlaubt, wie etwa bei der Grid-Methode. Es kann allerdings auch hier passieren, dass man nur Werte erzeugt mit denen man zB einen Wizard gut bauen kann aber keinen Paladin. Das ist aber wieder teilweise vom System abhängig. Zumindest oberflächlich wird hier jedenfalls die Equity gewährleistet. Es kann nicht passieren dass der Kollege mich zum Sidekick degradiert weil er keinen Wert unter 15 hat während ich keinen über 14 habe.
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Pyromancer

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #7 am: 11.09.2022 | 13:58 »
Viele Auswürfelsysteme haben ja auch ein Sicherheitsnetz eingebaut, z.B. in der Form von "wenn kein Attribut über X / wenn die Summe der Attribute unter Y ist, dann darf man nochmal würfeln".

Offline Feuersänger

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #8 am: 11.09.2022 | 14:12 »
Hmmh, die Sicherheitsnetze die ich kenne sind allerdings so knapp über dem Boden montiert, dass die kaum den Aufprall abfedern.
Z.B. in D&D "Wenn kein Wert über 12 liegt oder die Summe der Modifikatoren unter +1 ist".
Das heisst also, ein Array wie 13, 12, 10, 10, 10, 8 gälte damit als spielbar.
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Offline General Kong

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #9 am: 11.09.2022 | 14:17 »
Eine historische Anmerkung: Ich hatte immer den Eindruck, dass es in den Anfangstagen des Rollenspiels durchaus üblich war, mehrere Charaktere gleichzeitig oder in schnellerer Folge hintereinander zu erstellen, so dass dann erstens tatsächlich eher das Gesetz der Großen Zahl greift und zweitens das ganze ein bisschen ein Belohnungsschema wie eine Lotterie hat: Die Aussicht, vielleicht schon beim nächsten Charakter den Jackpot zu knacken, hält die Spieler bei der Stange. Als Charaktertode/-wechsel seltener wurden und Spieler eine Figur möglichst lange behalten wollten/konnten, griffen dann stärker die von dir genannten Mechanismen. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob meine Vermutung den tatsächlichen, historischen Spielgepflogenheiten in der Gesamtpopulation entspricht oder nicht - vielleicht kann dazu jemand was sagen, der/die sich mehr mit der Entstehung des Hobbys beschäftigt hat.  :think:

Das ist so richtig. Zumindest waren frühere D&D-Abenteuer gerne mal für "6 bis 10 Spieler der Stufen X bis Y" gedacht. Ich hatte ind en 80er zwar auch schon mal Runden mit 8 bis 10 Spielern, aber das waren einsame Ausnahmen. Dene Annahme liegt also nahe.

Und gestorbenw urde auch hüufiger - pro Abend! Ein Freund von mir hatte die Kämpfer Gambalm, Gimbalm, Gombalm usw. an einem Abend nacheinander verschlissen. Irgendwann hat er da nur einfach den Namen geändert. Auch ich war schon mal 15 min im Spiel tot.
Und? Schnell einen neuen ausgewürfelt und weiter im Abenteuer!

Was das Auswürfeln betrifft: In OD&D (WeißeBox und Supplements bis 1976) waren Attribute wirklich weniger wichtig: 9-12 gab +0, 8 und drunter gab -1, 13 und mehr +1. Fertig. Ein Kämpfer mit Stärke 4 und Konstitution 8 war also durchaus spielbar, ein Charakter mit allen Werten 18 etwas mächtiger als die anderen.
Die Attrubute waren eher was fürs Spiel an sich und bei der Sl-Bewertung, ob man den Tisch mal eben durch die Dorfschenke werfen kann oder sich verhebt.

Der Charaktertod ist bei Frontladern saudoof: Erst baue ich stundenlang am Charakter, dann denke ich mir einen möglichst verschwurbelten Hintergrund aus mit viel Kampagnenpotential - und dann bin ich im zweiten Raum Goblinfutter oder fall in die Grube? Eher nicht.

Bei Tim und Tom den Kämpfern keine große Sache. Und bei Elf und Zwölf den Elfen auch nicht.
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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #10 am: 11.09.2022 | 14:18 »
jeder hat die Möglichkeit, sich das Wissen anzueignen, um einen effektiven SC zu bauen. Niemand zwingt dich, in D&D3 einen Monk mit Run und Endurance als Feats zu bauen. Ja, sich ins System einzuarbeiten ist anstrengend -- aber Equity beinhaltet ja auch, Anstrengung zu belohnen.

Njoah...meistens ist doch die Stoßrichtung eher, den Spielern zu erzählen, wie einfach das alles ist und wie schnell sie losspielen können (auch wenn es nicht stimmt ;D).

Da fände ich es geradezu erfrischend, wenn ein "normales" Spiel (also keiner von den absurden Detailbrocken aus den mittleren und späten 80ern, die man sich eh nicht versehentlich anfängt) herginge und den Spielern deutlich sagen würde: Hier musst du dich halt mal eine Weile auf den Arsch setzen und dich einarbeiten.

So auf Anhieb fällt mir da nur eins ein, wo das ganz allgemein gesagt bzw. geradezu eingefordert wird, nämlich Millennium's End - witzigerweise hat das dann konkret in Sachen Charaktererschaffung ein umständliches Würfelkaufsystem für die Attribute und damit so ziemlich das schlechteste beider Welten ;D

Ansonsten sagt Deadlands HoE im Psionikerbuch immerhin: Psioniker sind ein Produkt des Militärs, also komm gefälligst nicht auf die Idee, dir hier irgendeine kampfuntaugliche Flitzpiepe zu erstellen. Dies und jenes hat dein Männel zu können, Punkt.


Aber gut, auf dem Punkt mit der Kommunikation der Designgrundgedanken in Richtung der Spieler bin ich letzt lang genug rumgeritten.

Hauptsächlich betrifft das heute ja ältere D&D-Editionen und -ableger wie PF, vermutlich auch Level Up; da darf man schon davon ausgehen, dass die Rahmenbedingungen bekannt sind.

Schlimmer bleiben jene Systeme, bei denen versehentlich und gegen die Absicht der Autoren große Schräglagen in der (punktebasierten) Charaktererstellung existieren.
« Letzte Änderung: 11.09.2022 | 14:20 von YY »
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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #11 am: 11.09.2022 | 14:19 »
Kurzer Einwurf: Ich hätte gar kein Problem damit Charaktere auszuwürfeln. Reign macht das z.B. sehr schön. Oder wenn ich sage: "Hey, gebt mir einfach einen fertigen Charakter." Hab ich auch wenig Einfluss.

Was hier ausgewürfelt sind, sind aber Charakterwerte und zwar nicht hauptsächlich in ihrer Sortierung, sondern insbesondere ihrer Höhe.

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #12 am: 11.09.2022 | 14:23 »
Und ganz zuletzt kurz zur Equity-Theorie:
Die hat noch viel mehr als bei der zufälligen Charaktererschaffung ihren Platz da, wo Kaufsysteme derart undurchsichtig und mit Fallstricken versehen sind, dass zwei nach der präsentierten Kaufmethode erstellte Charaktere einen größeren Fähigkeitsunterschied (in XP umgerechnet) haben als Fähigkeitszuwachs über die gesamte durchschnittliche "Lebensdauer" der Spielfigur.
Will heißen: Da kommt es vor, dass ein Charakter so viel höher anfängt, dass ein anderer noch nicht mal dann gleichziehen könnte, wenn ersterer gar keine XP bekäme.

Das ist die viel größere Designsünde, die es zu vermeiden gilt - die hat nämlich anders als die zufällige Charaktererschaffung keine nennenswerten Vorteile.

*hust* Shadowrun *hust*

Wenn ich mir da die Investitions-Lücke(n) angucke, die entstehen, wenn man sich auf Attribute und/oder Talente konzentriert... realistisch holt das KEINER mehr auf, nicht einmal bei einer mehrjährigen Kampagne. Übel auch, dass man als Decker/Sam eingangs gezwungen ist, Nuyen hoch zu nehmen, um so an die Kohle für die notwendige Ausrüstung zu kommen. Und je nach Edition bekommt man dann später Probleme, weil das natürliche Attribut nicht höher als 1,5x das Startattribut sein darf. Was dann noch teurere 'ware oder Gen-Therapie bedeutet...
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Offline YY

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #13 am: 11.09.2022 | 14:28 »
*hust* Shadowrun *hust*

Hat man es so deutlich zwischen den Zeilen stehen sehen? ;D

Da ist mir echt ein Rätsel, wie die immer gleichen Probleme in jeder Edition wieder von neuem auftauchen, obwohl sie schon mal gelöst waren.
Schlechtes Spieldesign ist echt ein blinder Fleck im Strafrecht  :P ;D
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Pyromancer

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #14 am: 11.09.2022 | 14:31 »
Schlechtes Spieldesign ist echt ein blinder Fleck im Strafrecht  :P ;D

"Regeldesign darf kein rechtsfreier Raum sein!"

Online schneeland

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #15 am: 11.09.2022 | 14:36 »
Da ist mir echt ein Rätsel, wie die immer gleichen Probleme in jeder Edition wieder von neuem auftauchen, obwohl sie schon mal gelöst waren.

LosTech ;)

Ansonsten: neben den bereits genannten Aspekten vermeidet Würfeln im Zweifelsfall auch Entscheidungsparalyse - wenn's meine Spielfigur dahingerafft hat, muss ich gar nicht lang überlegen, sondern bin in 5 Minuten wieder dabei. Funktioniert natürlich nicht für jeden Spielstil gut, aber gerade für so 'ne Horde freiberufliche Verlieserkunder geht das m.E. schon ganz gut.
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Offline Megavolt

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #16 am: 11.09.2022 | 14:44 »
Ansonsten: neben den bereits genannten Aspekten vermeidet Würfeln im Zweifelsfall auch Entscheidungsparalyse - wenn's meine Spielfigur dahingerafft hat, muss ich gar nicht lang überlegen, sondern bin in 5 Minuten wieder dabei. Funktioniert natürlich nicht für jeden Spielstil gut, aber gerade für so 'ne Horde freiberufliche Verlieserkunder geht das m.E. schon ganz gut.

Das hatte früher auch den insofern integrativen Aspekt, dass man sagen konnte: "Wir spielen hier DSA, das ist ein Rollenspiel, da muss man ... ach komm, das ist zu kompliziert zu erklären, setz dir her, spiel einfach mit!" Und dann hatte der neue Mitspieler nach 5 Minuten seinen eigenen Helden, weil der flott augewürfelt werden konnte.

"Auswürfeln" ist außerdem die gute alte equality of opportunity, die ist zu begrüßen. Equality of outcome ist hingegen ein kaum zu bezähmendes Monstrum. Ganz simpel heruntergebrochen ins Rollenspiel schon deshalb, weil keiner weiß, ob CH gleichwertig ist mit MU oder mit KK oder mit KL oder mit was auch immer. Man könnte es nur dadurch lösen, dass alle identische Figuren spielen, was eine sehr gute Möglichkeit wäre, um es wirklich gar keinem Recht zu machen.

Auswüfeln all the way, würde ich sagen.
« Letzte Änderung: 11.09.2022 | 14:46 von Megavolt »

Offline YY

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #17 am: 11.09.2022 | 14:46 »
Ganz simpel heruntergebrochen ins Rollenspiel schon deshalb, weil keiner weiß, ob CH gleichwertig ist mit MU oder mit KK.

Charisma macht keinen Schaden :P
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"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Megavolt

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #18 am: 11.09.2022 | 14:47 »
Charisma macht keinen Schaden :P
(und gewinnt keine Ini)

Frag mal James Bond, ob CH ein dumpstat ist, oder ob CH nicht vielleicht doch auch substanzielle Vorteile hat.  ~;D

Aber in deiner grausamen Welt zählt halt nur dps, YY.

Pyromancer

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #19 am: 11.09.2022 | 14:49 »
Charisma bringt Gefolgsleute, und DIE machen Schaden!

Offline Feuersänger

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #20 am: 11.09.2022 | 15:09 »
Zitat
Auch ich war schon mal 15 min im Spiel tot.
Und? Schnell einen neuen ausgewürfelt und weiter im Abenteuer!

Für mich unterbindet so ein Gambalm-Gimbalm-Gumbalm-Spielerlebnis vor allem jegliches Investment in den Charakter. Ist halt ein Mensch-Ärger-Dich-Nicht Pöppel; wenn der geschmissen wird kommt halt ein neuer Pöppel. Alles Andere wird einem da freilich gründlich aberzogen.

Das ist so ziemlich das exakte, diametrale, 180° Gegenteil dessen, warum ich ausgerechnet Rollenspiel betreiben will.
Aber Geschmäcker sind ja verschieden.

--

Zu Baukasten/Kaufsystemen:
Da würde es schon helfen, wenn das System wenigstens so ehrlich wäre, dem Spieler klar zu sagen, dass nicht alle Optionen, die nominell das gleiche kosten (zb 1 Feat-Slot), auch gleichwertig sind. Und dass nicht alles, was das System erlaubt, eine gute Idee ist.
Manche Systeme versuchen da ja, den Optionen einen bestimmten Wert zuzuweisen, und das eine kostet 1 Punkt und das andere 5 Punkte. Aber diese Kosten sind ja letzten Endes auch nur Pi mal Schnauze zugeordnet. Und im Extremfall ist der Designer dabei auch noch völlig auf dem Holzweg und weist einer wertvollen Fähigkeit geringe Kosten zu und umgekehrt.
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Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

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Offline Antariuk

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #21 am: 11.09.2022 | 19:17 »
Die Prämisse, dass Auswürfeln problematisch ist, vernachlässigt die hier schon mehrfach angesprochene "Play to find out"-Philosophie. Wer im Rollenspiel mit komplexen Ideen an den Start gehen will, erlebt damit Schwierigkeiten. Wer einen oder mehrere Helden auf die Schnelle auswürfeln, guckt, wer die ersten Abenteuer überlebt und dann erst anfängt, diese Figur mit Hintergrund und Leben auf Basis der erlebten Abenteuer zu füllen, erlebt da eher keine Schwierigkeiten. Den Ansatz, Auswürfeln grundsätzlich als benachteiligt, schwierig oder sonstwie ungeeignet zu sehen, lehne ich daher ab.
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Offline flaschengeist

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #22 am: 11.09.2022 | 19:24 »
Und ganz zuletzt kurz zur Equity-Theorie:
Die hat noch viel mehr als bei der zufälligen Charaktererschaffung ihren Platz da, wo Kaufsysteme derart undurchsichtig und mit Fallstricken versehen sind, dass zwei nach der präsentierten Kaufmethode erstellte Charaktere einen größeren Fähigkeitsunterschied (in XP umgerechnet) haben als Fähigkeitszuwachs über die gesamte durchschnittliche "Lebensdauer" der Spielfigur.

Ja, auch hier kann ein System-Designer viel falsch machen. Meine Devise ist, Unfairness überall soweit wie möglich zu vermeiden.

Klar, auch das ist immer noch Geschmackssache; aber wenn ich mir überlege, wie oft ich Spieler auf Optionen habe reinfallen sehen (und das natürlich mit dem naiven Gedanken "so schlecht kann das ja gar nicht sein, sonst stünde es nicht hier drin"), die der Autor mit voller Absicht als "Falle" angelegt hat, komme ich trotzdem zu dem Ergebnis, dass zumindest Präsentation und Kommunikation dieses Designansatzes anders sein sollten.

Absichtlich?? Finde ich grass, hast du dafür ein Beispiel?

Ich habe in der Vergangenheit schon Aussagen von Apologeten der zufälligen Erschaffung gelesen in der Art von "Wieso, ist doch fair, hat doch jeder die gleiche Chance, ne 18 zu würfeln." Das Argument muss aber an der Tragweite dieses einzelnen Zufallsereignisses scheitern. Das ist ungefähr so, als ob bei der Bundesliga am Anfang der Saison jeder Trainer einmal W20 würfeln darf, und wer eine 20 schafft, bekommt die ganze Saison in jedem Spiel 1 Tor Vorsprung und wer eine 1 hat, liegt immer 1 Tor hinten. So einen Schwachsinn würde niemand dulden, obwohl es ansonsten in dem Sport auch nicht fair & balanced zugeht.

Geniale Analogie  :d.

Ansonsten: neben den bereits genannten Aspekten vermeidet Würfeln im Zweifelsfall auch Entscheidungsparalyse - wenn's meine Spielfigur dahingerafft hat, muss ich gar nicht lang überlegen, sondern bin in 5 Minuten wieder dabei. Funktioniert natürlich nicht für jeden Spielstil gut, aber gerade für so 'ne Horde freiberufliche Verlieserkunder geht das m.E. schon ganz gut.

Gegenüber "Standard Array" ist das allerdings nur ein Vorteil, wenn ich beim Würfeln die Werte nicht frei verteilen darf. Habe ich einen "Standard Array", ist der schneller, weil ich gar nicht erst würfeln muss, sondern direkt (frei) verteilen kann.

Die Prämisse, dass Auswürfeln problematisch ist, vernachlässigt die hier schon mehrfach angesprochene "Play to find out"-Philosophie. Wer im Rollenspiel mit komplexen Ideen an den Start gehen will, erlebt damit Schwierigkeiten.

Mir ist unklar, wie "komplexe Ideen" mit zufälliger vs. nicht-zufälliger Wertegenerierung zusammen hängen. Kannst du das näher ausführen?


Sicherheitsnetze oder SLs, die beim schlechten Würfel ein Auge zudrücken, sind aus meiner Sicht hervorragende Belege für den Equity-Ansatz. Das sind nämlich Reaktionen auf den entstandenen oder antizipierten Unmut, den die Theorie vorhersagt. Ich wage weiterhin die These, dass eine statistische Analyse, die ohne "SL-Aufsicht" erstelle Charakterwerte mit den zu erwartenden Durchschnittswerten vergleicht, eine deutliche Abweichung nach oben finden würde. Auch das ist nämlich eine naheliegende Reaktion auf den erlebten Unmut: Einfach neu würfeln, bis ich mich nicht mehr von den Würfel benachteiligt fühle.

 
« Letzte Änderung: 11.09.2022 | 19:29 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #23 am: 11.09.2022 | 19:31 »
Gegenüber "Standard Array" ist das allerdings nur ein Vorteil, wenn ich beim Würfeln die Werte nicht frei verteilen darf. Habe ich einen "Standard Array", ist der schneller, weil ich gar nicht erst würfeln muss, sondern direkt (frei) verteilen kann.

Ja, ein Standard-Satz an Attributen ist genauso schnell - nur langweiliger ;)
(fairerweise: besser als Punktekauf ist's schon und mit sowas wie "verteile 5-6 Werte von -1 bis +2 auf Deine Attribute" kann ich schon recht gut leben).

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Re: Warum das Auswürfeln von Charakteren problematisch ist...
« Antwort #24 am: 11.09.2022 | 19:35 »
Mir ist unklar, wie "komplexe Ideen" mit zufälliger vs. nicht-zufälliger Wertegenerierung zusammen hängen. Kannst du das näher ausführen?

Wenn ich vor Charaktererschaffung oder Spielstart Ideen habe wie "Ich will einen Krieger spielen" oder "Ich will einen Charakter ähnlich wie Spiderman bauen", dann verhagelt mir jegliches Gewürfel mit Sicherheit die Suppe, weil die Chance, das etwas Passendes herauskommt, eher gering ist. Wenn ich einfach mal gucke, was am Ende entsteht durch meine Würfelei, habe ich nicht das Problem, die Ergebnisse an irgendwelche mitgebrachten Vorstellungen anpassen zu müssen (und dabei zu scheitern). Damit will ich nicht sagen das letzterer Ansatz immer der bessere ist, nur, dass zufälliges Auswürfeln von Charakteren damit weniger ein Problem ist.
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