Autor Thema: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?  (Gelesen 2744 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline sma

  • Hero
  • *****
  • a.k.a. eibaan
  • Beiträge: 1.380
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: sma
In den 80er Jahren war Twilight 2000 – wo man Soldaten in den Ruinen eines durch den dritten Weltkrieg zerstörten Polens spielt – insbesondere unter in Europa stationierten US-Soldaten beliebt. Ich habe mich immer gefragt, wieso, denn warum sollte man das Horror-Szenario spielen, von dem man befürchten musste, jederzeit selbst ausgesetzt zu werden.

1986, im kalten Krieg zwischen Ost und West, waren knapp 250.000 US-Soldaten in der BRD stationiert (inkl. Angehörigen über 570.000 US-Bürger). Insgesamt waren 400.000 alliierte Soldaten in Westdeutschland, dazu kamen 500.000 Bundeswehrsoldaten. Die NATO hatte 2.600.000 Soldaten unter Waffen, die 4.000.000 Soldaten des Warschauer Pakts gegenüber standen.

Da saßen nun junge GIs in ihre Kasernen, dazu gedacht, anrückende Verbände des Warschauer Pakts, der nominell von allen Waffengattungen 1,5x so viel hatte wie man selbst, so lange aufzuhalten, bis die USA und das UK Verstärkung schicken konnte. Vielleicht langweilten sie sich. Vielleicht hatten sie Angst. Wahrscheinlich beides. Also rollenspielen.

GDW hat ab 1984 knapp 100.000 Boxen der ersten Edition verkauft sowie über 300.000 Supplements.

Aber wieso ein Spiel, wo sie sich quasi selbst spielen? Soldaten, alleingelassen von ihrem Land, die Zivilisation in Trümmern, der Konflikt mangels Ressourcen versandet, einzig noch von dem Wunsch, nach Hause zurückzukehren angetrieben.

Und nun glaube ich verstanden zu haben: Das Spiel half ihnen, das Gefühl der Hilflosigkeit und vielleicht Nutzlosigkeit zu bekämpfen. Ein Held seinen zu können. Das Ungewisse spielend zu erleben. Sich der Furcht stellen. Einen Ausweg präsentiert zu bekommen. Nach einem Krieg muss nicht alles vorbei sein. Es kann auch ein Anfang sein.

Und außerdem konnte man sich dem Gear-Porn hingeben :-) Waffensysteme sind schon ziemlich cool.

Meine These nach dieser Wall of Text ist, dass das Spiel den Leuten geholfen hat, besser mit dem kalten Krieg umzugehen, weil es unfassbares, bedrohliches, ungewisses konkret und (zumindest scheinbar) kontrollierbar machte.

Brauchen wir das aktuell wieder?

Kann ein Rollenspielsetting helfen, unsere aktuellen Ängste vor Gasknappheit, Wohlstandsverlust, Zusammenbruch des Stromnetzes und dem Schlittern in einen Krieg mit Russland zu bewältigen? Spielerisch Alternativen erleben? Hoffnung schöpfen? Lösungen finden?

Wenn ja, was könnte das für ein Szenario sein? Oder ist das alles nur Küchenpsychologie?

Camo

  • Gast
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #1 am: 30.09.2022 | 01:13 »
Hmmm... nein. Die GIs waren Berufssoldaten, aber selbst wir Wehrpflichtigen damals hätten uns nicht so selbst beruhigt. Die Ansagen waren deutlich... binnen drei Tagen wäre das meiste des Gerätes (inklusive Fuhrpark, also auch Panzer etc) defekt, die Instandsetzung muss schuften, um immer wieder was einsatzbereit zu kriegen und selbst der traditionell "sichere Bereich hinter der Front" liegt problemlos in der Reichweite moderner Waffen. Krieg ist kacke, das ändert auch kein Spiel.
Es ist wie immer beim Rollenspiel das "Abtauchen in eine andere Persönlichkeit und andere Umstände, die hilfreich sind. Ob das ein Fantasyreich ist, wo man ein geharnischter Krieger ist, ob es eines der (gar nicht so wenigen) Systeme ist, die den Krieg in irgendeiner Form behandeln ("Twilight: 2000" war nur ein Beispiel, es gab noch "Behind Enemy Lines" von FASA, "Dawn Patrol" von TSR, MERC von FGU, Recon von Palladium und einige andere mehr), ein Samurai, Pirat oder ein Weltraumkrieger oder etwas ganz anderes war, man lenkte sich ab. Und ja, damals haben tatsächlich nicht wenige wirklich damit gerechnet, dass es einen Atomkrieg geben würde. Der kalte Krieg war... unschön, aber je länger das ging, desto mehr gewöhnte man sich auch daran, lernte damit zu leben. Zumal man um die 40 Jahre vom letzten großen Krieg entfernt war.

Ich denke, die Beschäftigung mit diesen Themen - ob im Rollenspiel oder beim Püppchenschubsen - kommt eher von dem Wunsch, Dinge verstehen zu wollen. Woher das kommt, was da passiert und was man tun kann. Die Beschäftigung im Spiel ist dann aber losgelöst von der Realität. Ob das nach einem fiktiven Dritten Weltkrieg ist, während der napoleonischen Zeit, der Römerzeit, dem "Wilden Westen", der "Goldenen Zeit der Piraten", in einer weit entfernten Galaxie... es ist nur ein Hintergrund, eine Leinwand. Das ist nicht echt, das ist die Kulisse für ein Schauspiel. Sicher, Teile davon beruhen auf der Realität, aber wenn ich den NSC da vorne erschieße, stirbt niemand in der Realität dadurch.
Manche Menschen können das derart trennen, andere nicht. Ich denke nicht, dass eine der Optionen verwerflich ist, sie sind nur unterschiedlich und nicht jeder kann jede Optionen wahrnehmen. Das ist so. Schlecht wird es nur, wenn man anderen vorwirft, dass sie diese Trennung im Gegensatz zu einem selbst vornehmen können. Denn dann wirft man unter Umständen Leuten Dinge vor, die in der eigenen Vorstellung möglich scheinen, in der Realität aber oft gar nicht vorhanden sind. Und da nicht jeder diese Trennung vornehmen kann oder will, ist die "Beweisführung", dass man nichts Böses tut, oft schwer. Und all das, weil man sich nicht vorstellen kann, dass andere Leute anders denken oder andere Dinge können, als man selbst.

Da ist im historischen Tabletop unterwegs bin, hab ich damit leider schon sehr lange zu tun.

Offline kagozaiku

  • Experienced
  • ***
  • Looked on the bright side, got keratitis.
  • Beiträge: 175
  • Username: kagozaiku
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #2 am: 30.09.2022 | 06:57 »
Ich würde intuitiv sagen, dass es bestimmt persönliche oder globale Situationen gibt, die mit Rollenspiel ertragbarer gemacht werden können.
Ob die spezifische Situation, die du ansprichst, dazu gehört, kann ich nicht sagen. Aber ich frage mal ein paar Psycholog*innen und melde mich dann.

Offline aikar

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 6.610
  • Username: aikar
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #3 am: 30.09.2022 | 07:32 »
 
Kann ein Rollenspielsetting helfen, unsere aktuellen Ängste vor Gasknappheit, Wohlstandsverlust, Zusammenbruch des Stromnetzes und dem Schlittern in einen Krieg mit Russland zu bewältigen? Spielerisch Alternativen erleben? Hoffnung schöpfen? Lösungen finden?
Rollenspiel kann unterhalten, ablenken, Erfolgserlebnisse geben und dafür sorgen, dass man sich für eine gewisse Zeit mächtig fühlt. Dadurch kann es Stress abbauen.
Und es kann dabei helfen, sich selbst zu entdecken und Seiten an sich auszutesten, die man vielleicht nicht offen zeigen will. Dadurch kann es helfen, persönliche Probleme zu überwinden (auch Paarprobleme oder evtl. im Nachhinein Traumata zu verarbeiten).
Akute externe gesellschaftliche Probleme und die Ängste vor diesen sind ein komplexeres Thema.

Was funktioniert sind Planspiele, die explizit zur Erarbeitung eines Problems gedacht sind. So haben wir z.B. mal die verschiedenen Prozesse in unserer Firma durchgespielt um übliche Problemstellen aufzudecken. Aber auch das geht eher für konkrete Probleme, bei dem man alle Beteiligten am Tisch hat und alle motiviert sind, das Problem an zu gehen.
Bei sehr abstrakten und großen Themen wie Wohlstandsverlust und Krieg wäre das zwar denkbar, aber wieder eher auf "wie gehe ich (persönlich) damit um" ausgerichtet als "wie löse ich das". Weil es meist nicht in der Hand derer liegt, die am Tisch sitzen. Also Verarbeitung ja, Hoffnung und Lösung in solchen Situationen meiner Meinung nach eher nicht.
Und für solche "Verarbeitungsspiele" erachte ich auch die meisten Rollenspiele, auch und gerade Kriegsrollenspiele, eher für ungeeignet. Weil sie eben nicht die Ist-Situation abbilden, der man sich stellen muss, sondern eine fiktive Situation, die man mit persönlichem Einsatz (und oft mit Waffengewalt) lösen kann. Das konkrete Beispiel der Soldaten ist damit für mich klar Eskapismus zur Ablenkung (was nichts schlechtes ist).

Ein Beispiel, das mir aktuell einfällt, wo aktuelle gesellschaftliche Themen im Rollenspiel aufgearbeitet werden, ist "Ihr Name ist Mensch".
https://www.die-dorp.de/downloads/dorp-downloads/1w6-freunde/die-1w6-freunde-ihr-name-ist-mensch/

Edit: Das ist ein ziemlich komplexes Thema und ich habe meinen Text mehrfach überarbeitet und bin immer noch nicht ganz zufrieden. Da müsste man wahrscheinlich länger live diskutieren, wäre evt. mal ein Thema für ein OTT.
« Letzte Änderung: 30.09.2022 | 07:39 von aikar »
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Murphy

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 342
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: ViceEarl
    • PEN & PAPER BLOG
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #4 am: 30.09.2022 | 08:18 »
Kann ein Rollenspielsetting helfen, unsere aktuellen Ängste vor Gasknappheit, Wohlstandsverlust, Zusammenbruch des Stromnetzes und dem Schlittern in einen Krieg mit Russland zu bewältigen? Spielerisch Alternativen erleben? Hoffnung schöpfen? Lösungen finden?
Solange du keine postapokalyptischen Szenarien spielst...


Offline Cornelius Hesindelob

  • Bloody Beginner
  • *
  • Beiträge: 13
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Cornelius Hesindelob
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #5 am: 30.09.2022 | 10:13 »
Also mein Psychologiestudium ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber ich erinnere mich bei dieser Fragestellung an eine Theorie, die recht gut dazu passt. Die "Behavior Diversification Proto-Cognition Theory of Play".

Die hat im ganzen viele evolutionspsychologische Facetten die hier weniger interessant sind, aber eine der Kernaussagen war, dass Spielverhalten letztlich unser Verhaltensrepertoire erweitert und in unseren neuronalen Netzwerken unerwartete Querverbindungen schafft und ausbaut, die in uns noch unbekannten Situationen eines Tages einen Überlebensvorteil darstellen könnten. Das wird im Rahmen der Theorie ausdrücklich auf rein kognitives (Durch-)Spielen von Szenarien angewandt und (anhand von Studien zu PC-Spielen (Strategie und Simulation) auch empirisch belegt. Dazu passen auch die Planspiele die @aikar erwähnt.

Kurz: Der Mensch schafft sich intuitiv immer wieder Spiele, die kognitive Strukturen begünstigen die derzeit auch in der Realität benötigt werden, da diese "Vorübungen" auch auf kognitiver Ebene die evolutionäre Funktion von Spiel ist.

Die Autoren der Theorie führen dafür als Beispiel das sehr frühe Aufkommen von digitalen Spielen im Zuge der Entstehung von Home-PCs auf, dass sie als gesellschaftliches Herantasten an kognitive Erfordernisse des Informationszeitalters sehen. Ebenso anführen lässt sich das Aufkommen von Vampir-Literatur, die den Vampir als exemplarischen "Anderen" zusehends als normalen Menschen portraitiert (just in Zeiten in denen Bürgerrechtsbewegungen und Minderheitenrechte gesellschaftlich besonders relevant sind. (Interview mit einem Vampir 1973, wenige Jahre nach dem Tod von Martin Luther King und der 68er-Bewegung; Twilight- und True Blood während der Obama-Jahre).

Das also in militärischen Bedrohungssituationen (Rollen-)Spiele entstehen, die sich mit just solchen Szenarien beschäftigen entspricht also vermutlich dem Bedürfnis des Menschen kognitiv auf die derzeit geltenden "Umweltbedingungen" vorzubereiten. Es stünde also zu erwarten, dass Endzeit-RPGs und Militärszenarios in den kommenden Jahren zunehmend beliebter werden - wäre interessant, das im Auge zu behalten.

@camo: Natürlich gebe ich dir recht, dass Rollenspiel hier niemals Abbild oder realistische Übung ist, aber gerade dieses "Verstehen wollen" ist eben das was uns kognitiv dennoch ein Stück weit auf den Ernstfall vorbereitet - und wenn die Theorie zutrifft eben auch unser Verhaltensrepertoire und damit unsere Überlebenschancen minimal erhöht.

Offline aikar

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 6.610
  • Username: aikar
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #6 am: 30.09.2022 | 10:29 »
@Cornelius Hesindelob: Hochinteressant, danke dafür!
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Bad_Data

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 280
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Bad_Data
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #7 am: 30.09.2022 | 10:47 »
Kann ein Rollenspielsetting helfen, unsere aktuellen Ängste vor Gasknappheit, Wohlstandsverlust, Zusammenbruch des Stromnetzes und dem Schlittern in einen Krieg mit Russland zu bewältigen? Spielerisch Alternativen erleben? Hoffnung schöpfen? Lösungen finden?

Wenn ja, was könnte das für ein Szenario sein? Oder ist das alles nur Küchenpsychologie?

Ich bin mir nicht sicher, ob es unbedingt das trifft, was du meinst, aber Rollenspiele haben einen hohen pädagogischen Wert. Nicht umsonst werden Rollenspiele in vielen Bereichen des Alltags eingesetzt, von Fortbildungen für Führungskräfte, Übungen während der Ausbildung, über Debatten im Unterricht in der achten Klasse bis hin zu Rehabilitationsprogrammen von Straffälligen.
Das ist zugegebenermaßen alles recht weit vom klassischen Pen and Paper entfernt und es ist auch unklar, inwieweit es direkt hilft.

Indirekt hilft es aber sehr. Durch Rollenspiel erlerntes bleibt wesentlich länger präsent. Handlungen und Verhaltensweisen können so geübt und verinnerlicht werden, beispielsweise Deeskalationsstrategien oder simple Empathie. Man könnte jetzt theoretisieren, dass diese Fähigkeiten dabei helfen, auch in kritischen Situationen Ruhe zu bewahren, also mit den von dir genannten Krisensituationen umzugehen. Gleichzeitig bietet Rollenspiel den unschätzbaren Vorteil, dass es eben nicht echt ist. Es gibt immer eine Ebene zwischen der Rollenspielszene und der reelen Welt. Heißt, am Ende kann man immer nach Hause gehen und es ist recht wenig Schaden entstanden.

Empirisch könnte man das bestimmt nachweisen, indem man die möglichen Veränderungen erforscht, welche sich durch die Teilnahme an Model United Nations Konferenzen (MUNs sind Veranstaltungen, bei denen die Vereinten Nationen simuliert werden und Teilnehmende die einzelnen Nationen und deren Agenden vertreten, vereinfacht ausgedrückt ein Art von LARP) ergeben. Vielleicht gibt es ja so was auch schon?
"Die Zeit ist das Feuer, in dem wir verbrennen."

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #8 am: 30.09.2022 | 11:28 »
Denke auch, dass Rollenspiele sehr gute Ablenkung sein können.
Und sicherlich taugen sie, richtig konzipiert, auch dazu, Situationen zu üben.

Das Erleben von Handlungsfähigkeit und Einfluss im phantastischen Rollenspiel kann Glücks- und Sicherheitsgefühlt auslösen. Die kann man möglicherweise eingeschränkt in den Alltag mitnehmen - die Möglichkeiten dazu sind von Person zu Person unterschiedlich. Allerdings sind die Personen, die das gut können, meist auch die, die keine Hilfestellung benötigen. (Beispiel: Es gibt Leute, bei denen das Entspannungsgefühl nach einer schönen Urlaubsreise anhält, die quasi "ihre Akkus aufgeladen haben". Andere haben das noch nie erlebt, ihre Psyche macht das nicht - sind die Stressoren wieder da, ist es genau wie vorher.)
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Dass sie jenseits davon die Angst vor der Zukunft nehmen, glaube ich eher nicht. Jedenfalls nicht in einer über Realitätsflucht/Ablenkung hinausgehenden Weise (was völlig legitim ist.)
Denn jedes Katastrophenszenario, was man bespielen könnte, müsste ja die Katastrophe gerade erstmal als Bedrohung präsent werden lassen. Was man daraus macht, hängt natürlich stark von der Einschätzung der Bedrohung und ihrer Folgen ab. Aber wenn man Angst vor der Bedrohung hat, wird man wohl von Folgen ausgehen, die fatal oder zumindest sehr belastend sind.

Empirisch könnte man das bestimmt nachweisen, indem man die möglichen Veränderungen erforscht, welche sich durch die Teilnahme an Model United Nations Konferenzen (MUNs sind Veranstaltungen, bei denen die Vereinten Nationen simuliert werden und Teilnehmende die einzelnen Nationen und deren Agenden vertreten, vereinfacht ausgedrückt ein Art von LARP) ergeben. Vielleicht gibt es ja so was auch schon?

Ich habe an einem solchen Planspiel mal über die Schule teilgenommen (erinnere nicht das genaue Programm und auch andere Details sind mir entfallen). Meine Gruppe wollte Atomwaffen einsetzen. Schien uns die einzige Option, nicht allein zu verlieren und dafür zu sorgen, dass dann halt alle verlieren. Das wurde von der Spielleitung unterbunden, weil man das erstens für unreifes Verhalten hielt und zweitens nicht den Rest des Spiels mit der Abhandlung der Folgen verbringen wollte, bzw. wohl auch den entsprechenden Teil der Regeln nicht so recht kannte.
Ich habe daraus vor allem die Frage mitgenommen, wie das in der Realität ohne Spielleitung funktioniert.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #9 am: 30.09.2022 | 11:55 »
Ich glaube das die theoretische Beschäftigung mit den genannten Theman mittels Rollenspiel einen nicht geeignet vorbereiten können. Dafür habe ich zu oft erlebt das reine Theoretiker in der Realität zu oft an Dingen scheitern welche eine gewisse Übung voraussetzen. Die Zeit die man mit Rollenspielen verbringt sollte man, wenn man Angst vor der Zukunft hat lieber mit der praktischen Umsetzung von Lösungsstrategien verbringen.

Habe ich Angst vor dem Blackout, was kann ich dagegen machen. Was habe ich in der Wohnung um die Zeit zu überbrücken. Kann ich Kommunizieren wenn bei einem Blackout auch die Mobilfunkmasten betroffen sind usw.

Das gleiche gilt für die anderen Themenfelder. Hat man Angst vor Krieg, ist der Konflikt in der Ukraine eine gute Blaupause. Der Krieg ist über die soziale Medien der wahrscheinlich am besten dokumentierte Krieg der jemals stattgefunden hat. Seine erste Hilfe Fähigkeiten auf den neusten Stand bringen wäre Hilfreich. Einen gewissen Grundstock an Erste Hilfe Ausrüstung, die geeignet ist auch größere Traumata so zu behandeln das ein Überleben möglich ist bis professionelle Hilfe eintrifft, griffbereit zu haben kann Sicherheit geben.

Es gab vor nicht allzulanger Zeit eine Doku (ich glaube Arte) wie sich schwedische Zivilisten auf einen Möglichen russischen Angriff vorbereiten. Die lernen z.Bsp. von Flüchtlingen wie man sich in Kriegsgebieten verhält. Das sind keine schratigen Prepper die sich im Wald verschanzen wollen, sondern normale Menschen die sich ein Mindset schaffen durch Übungen und Vorbereitungen mit der Situation umgehen zu können. Dazu gehört auch, was mache ich im Wald, aber eben nicht nur. Sondern ganz einfache Sachen, wie heitze ich die Wohnung wenn es keine Energieversorger mehr gibt, wie Koche ich usw.

Mein Fazit wäre daher, nur praktische Auseinandersetzung und tatsächliche Vorbereitung kann einem wirklich Ängste nehmen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #10 am: 30.09.2022 | 12:02 »
Und natürlich, nicht zu vergessen, die Frage, ob man wirklich einen dritten Weltkrieg er- und überleben möchte.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Bad_Data

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 280
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Bad_Data
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #11 am: 30.09.2022 | 12:09 »
Ich habe an einem solchen Planspiel mal über die Schule teilgenommen (erinnere nicht das genaue Programm und auch andere Details sind mir entfallen). Meine Gruppe wollte Atomwaffen einsetzen. Schien uns die einzige Option, nicht allein zu verlieren und dafür zu sorgen, dass dann halt alle verlieren. Das wurde von der Spielleitung unterbunden, weil man das erstens für unreifes Verhalten hielt und zweitens nicht den Rest des Spiels mit der Abhandlung der Folgen verbringen wollte, bzw. wohl auch den entsprechenden Teil der Regeln nicht so recht kannte.
Ich habe daraus vor allem die Frage mitgenommen, wie das in der Realität ohne Spielleitung funktioniert.

Wurde das denn irgendwie noch im Nachgang thematisiert? Ich finde es sehr schade, dass die Spielleitung das unterbunden hat, bzw. wenn, dann muss es danach eine Nachbesprechung geben, welche Konsequenzen ein Atomwaffeneinsatz wahrscheinlich gehabt hätte. Unreife als Begründung für den Eingriff finde ich sehe schade. Für mich bietet gerade so ein Planspiel ja die Gelegenheit, sich mit seiner Unreife zu beschäftigen und "Was wäre wenn..." Szenarien zu testen. Im Idealfall steht am Ende ein großer Schritt Richtung Reife. Im übrigen finde ich das aber sehr cool, dass ihr solche Planspiele in der Schule gemacht habt!

Wie das in der Realität ohne Spielleitung funktioniert, ist eine sehr spannende Frage. Und das hätte man auch in dem Planspiel thematisieren können. Das ist natürlich nicht ganz die gleiche Kragenweite, aber im Fußball gibt es (oder gab es zumindest mal) ein Projekt, was erforscht hat, wie es ohne Schiedsrichter*in funktionieren kann. Es hat tatsächlich insgesamt ganz gut funktioniert, sobald die Teilnehmenden verinnerlicht haben, dass es jetzt Teil ihrer Verantwortung ist, dass das Spiel funktioniert und das niemand anderes darüber wacht und diese Arbeit abnimmt. Ich denke, das ist etwas, was man auch im Rollenspiel erreichen und dann auf die Realität adaptieren kann.

Mein Fazit wäre daher, nur praktische Auseinandersetzung und tatsächliche Vorbereitung kann einem wirklich Ängste nehmen.

Ist Rollenspiel nicht irgendwo auch ein Form von praktischer Auseinandersetzung? Ich habe mal in einem Seminar eine Art "Rollenspiel" durchgeführt, bei dem es darum ging eine Debatte zu führen. Es ging um die Frage, ob ein Kopftuchverbot sinnvoll wäre, oder nicht. Der Rollenspielanteil war recht klein, die Leute haben effektiv sich selber gespielt, allerdings waren die Positionen (pro oder contra gegenüber der Frage) vorgegeben. Das ist natürlich nicht mehr mit Pen and Paper vergleichbar, aber so eine Debatte kann man ja eigentlich auch problemlos in jedem Rollenspielsetting führen (okay, vielleicht mit einer anderen Grundfrage).

Hat man beispielsweise Angst vor Krieg ist die Frage, wie begegne ich Krieg. Was bedeutet Krieg für mich und meine Umgebung? Wie gehe ich damit um? Wie kann sich eine Gesellschaft entwickeln und ein friedliches Zusammenleben gewährleisten? Was können Individuen tun, um diese Entwicklung zu unterstützen? Und wenn es zum Krieg kommt, wie sollte ich mich verhalten? Wie ich mich in einem Kriegsgebiet verhalte kann ich doch eigentlich ganz gut im Rollenspiel üben.

Ich sollte vielleicht noch einmal betonen, dass ich den Begriff Rollenspiel sehr freizügig verwende. Kann natürlich sein, dass ich dadurch eine etwas andere Wahrnehmung auf das Thema habe.

Ich muss gerade an die Geschichte einer Grundschullehrerin denken, die ihrer Klasse Mathe beigebracht hat, in dem sie ein Puppenspiel aufgeführt hat, wo dann nicht sie sondern Kasper die Zahlen vorgestellt hat. Natürlich ist das mehr Theater als Rollenspiel, aber die Lehrerin hat effektiv mit dem spielen einer Rolle Wissen vermittelt. Der nächste Schritt wäre jetzt, dass die Kinder da auch eine Rolle einnehmen, aber das sollte durchaus möglich sein.
"Die Zeit ist das Feuer, in dem wir verbrennen."

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #12 am: 30.09.2022 | 12:11 »
Und natürlich, nicht zu vergessen, die Frage, ob man wirklich einen dritten Weltkrieg er- und überleben möchte.

Die Entscheidung trifft man ja leider nicht selber.

Außer man trifft eine sehr persönliche Entscheidung sich der Situation zu entziehen.  :'(

Dann brauch man sich in der Tat nicht vorbereiten  >;D
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #13 am: 30.09.2022 | 12:16 »
Außer man trifft eine sehr persönliche Entscheidung sich der Situation zu entziehen.  :'(

Scheint mir angesichts der Aussichten auf den Verlauf eines derartigen Krieges eine ziemlich plausible Option.

Mir kommt es jedenfalls irrsinnig vor, angesichts eines drohenden Atomkriegs ernsthaft mit Verbandspäckchen zu üben.
Als Spiel, mit dem man sich vom Elend der Dinge ablenkt (also, was die Prepper auch machen), mag das hilfreich sein.

Wurde das denn irgendwie noch im Nachgang thematisiert?

Nein.

Unreife als Begründung für den Eingriff finde ich sehe schade.

Finde ich auch. Zumal ich schon damals geahnt habe, dass das weniger mit Reife als mit grundlegenden Einstellungen zu tun haben könnte. Ich halte die Begründung für schlichtweg naiv - viele Leute können sich offensichtlich nicht vorstellen, wie die Psyche einiger Leute funktioniert und welche Konsequenzen das hat.
« Letzte Änderung: 30.09.2022 | 12:19 von felixs »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Jiba

  • ערלעך מענטש
  • Mythos
  • ********
  • Bringing the J to RPG
  • Beiträge: 11.202
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Jiba
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #14 am: 30.09.2022 | 12:19 »
Mit dem, was Outsider sagt, ist alles dazu gesagt.

Rollenspiele sind nett, wenn man den Luxus hat, sich damit auseinander setzen zu können (sprich eine friedliche und freiheitliche Gesellschaft, sowie einen relativ stabilen Lebensstil). Dann können Rollenspiele auch tatsächlich einen theoretischen Zugang zu bestimmten Themenfeldern unterstützen und bei der Persönlichkeitsbildung helfen.

Zitat
Ist Rollenspiel nicht irgendwo auch ein Form von praktischer Auseinandersetzung?
Die Antwort ist selbstverständlich "Nein."
Schon allein deshalb, weil sich auch die "serious games", die du da unter Rollenspiel fasst, der Sache nur amateurhaft annähern. Das hilft vielleicht, um ein initiales Bewusstsein zu schaffen. Aber darüber kann es einfach nicht hinaus gehen. Persönlichkeitsentwicklung, ja. Aber dabei helfen, dem Kontrollverlust von Angst zu begegnen? Machen wir uns doch nichts vor!
 
Rollenspiele sind netter Zeitvertreib und vielleicht kreative Ausdrucksform, gerne auch mit einem Schuss Persönlichkeitstraining. Sie werden aber niemandem die Angst vor der Zukunft nehmen. Ich merke bei mir sogar: Je mehr mich die Weltlage umtreibt, desto weniger Lust habe ich auf Rollenspiel. Und je mehr ich mich mit Kriegen auseinandersetze, desto weniger Lust habe ich auf gewaltbetontes Rollenspiel.

Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #15 am: 30.09.2022 | 12:26 »
Zitat
   Wie ich mich in einem Kriegsgebiet verhalte kann ich doch eigentlich ganz gut im Rollenspiel üben.   

Wenn es praktische Anteile enthält, ja.

Wenn nicht hat es mit Krieg genauso wenig zu tun wie Softair-Matche. Wo Personen glauben hinter Spanplatten wäre man vor Beschuss sicher weil die 6mmBB davon abprallen,  oder bilige Gaming Erste-Hilfe-Ausstattung wie ein Tourniquet mit Plastikteilen hält der Belastung einer echten Versorgung stand (die richtige Anwendung mal außen vor gelassen).

Die Diskussion wie man Krieg vermeidet i/ eine.Gesellschaft schafft die Krieg vermeidet ist leider auch dann hinfällig wenn es anderen egal ist.

Die dann gegen jede Vernunft doch einen Krieg anfangen.

Aber hängt wohl auch von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Ich hätte nur weniger Angst wenn ich mich ausprobieren dürfte und erproben kann was funktioniert und was nicht.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #16 am: 30.09.2022 | 12:44 »
Habe nochmal den Eingangsbeitrag gelesen. Möglicherweise ist dieses die eigentlich interessante Frage:

In den 80er Jahren war Twilight 2000 – wo man Soldaten in den Ruinen eines durch den dritten Weltkrieg zerstörten Polens spielt – insbesondere unter in Europa stationierten US-Soldaten beliebt. Ich habe mich immer gefragt, wieso, denn warum sollte man das Horror-Szenario spielen, von dem man befürchten musste, jederzeit selbst ausgesetzt zu werden[?]

Und das verstehe ich auch nicht. Ist die Simulation des schlimmsten anzunehmenden Falles in irgendeiner Weise psychisch hilfreich? Oder schadet sie eher? Und ist Rollenspiel ein geeignetes Medium dafür?

Möglicherweise relevante Zusatzfrage: Was macht es mit euch, jetzt Threads (der Film von 1984) zu schauen? Oder ist der Punkt, dass Rollenspiel Handlungsoptionen bietet? (Und wenn ja, welche sind das, sofern man annimmt, dass die zu erwartende Situation wirklich so schlimm ist?)
« Letzte Änderung: 30.09.2022 | 12:46 von felixs »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Cornelius Hesindelob

  • Bloody Beginner
  • *
  • Beiträge: 13
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Cornelius Hesindelob
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #17 am: 30.09.2022 | 13:11 »
Wenn es praktische Anteile enthält, ja.

Wenn nicht hat es mit Krieg genauso wenig zu tun wie Softair-Matche. Wo Personen glauben hinter Spanplatten wäre man vor Beschuss sicher weil die 6mmBB davon abprallen,  oder bilige Gaming Erste-Hilfe-Ausstattung wie ein Tourniquet mit Plastikteilen hält der Belastung einer echten Versorgung stand (die richtige Anwendung mal außen vor gelassen).

Volle Zustimmung, Extremsituationen lassen sich nur sehr eingeschränkt in der Theorie üben. Auch in der von mir oben angeführten Theorie geht es um statistische Mittelwertsunterschiede und eher kleine Effektgrößen.

Ein weiterer Ansatzpunkt, warum Rollenspiel dennoch (manchen Menschen, sicher nicht allen) helfen kann ist in meinen Augen das symbolische Wiederherstellen von Kontrolle.

Ein populäres Beispiel hierzu. Warum ist die Hauptzielgruppe blutrünstiger Kriminalromane weiblich? Auch bei uns haben als weibliche gelesene Personen ein deutlich höheres Risiko Opfer häuslicher Gewalt zu werden, einer Vergewaltigung anheim zu fallen oder vom (Ex-)Partner ermordet zu werden. Immer wieder wird thematisiert dass die meisten Frauen in Situationen in denen sie Nachts alleine unterwegs sind Angst empfinden. Wie können also Romane in denen die schlimmsten Befürchtungen der Betroffenen ausgeschmückt werden sich solcher Beliebtheit erfreuen? - Weil es die Ermittler gibt, die letzten Endes den Mörder jagen und bestrafen und so auf symbolischer Ebene Gerechtigkeit und Ordnung wieder herstellen. Eine Situation die in der realen Welt Hilflosigkeit, Angst und Wut erzeugt, wird hier symbolisch bearbeitet und letztlich aufgelöst. Das löst zwar das Problem nicht, hilft auch begrenzt, wenn man selbst Opfer von Gewalt werden sollte, beruhigt aber temporär die eigenen negativen Emotionen.

Bezogen auf die Ausgangsfrage: Wenn also die amerikanischen GIs in den Kasernen militärische RPGs spielten , stellten sie in diesem Moment symbolische Kontrolle über eine von ihnen als unkontrollierbar empfundene Situation wieder her. Solange es sich letztlich um Plots handelt die die Ausweglosigkeit schlussendlich auflösen, sollte das vergleichbar sein.




Offline tartex

  • Titan
  • *********
  • Freakrollfreak und Falschspieler
  • Beiträge: 13.526
  • Username: tartex
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #18 am: 30.09.2022 | 13:11 »
Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
Im Youtube-Kanal: Meine PnP-Let's-Plays
Kumpel von Raven c.s. McCracken

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #19 am: 30.09.2022 | 13:40 »
Bezogen auf die Ausgangsfrage: Wenn also die amerikanischen GIs in den Kasernen militärische RPGs spielten , stellten sie in diesem Moment symbolische Kontrolle über eine von ihnen als unkontrollierbar empfundene Situation wieder her. Solange es sich letztlich um Plots handelt die die Ausweglosigkeit schlussendlich auflösen, sollte das vergleichbar sein.

Das lässt eine andere Möglichkeit außer Acht: Nämlich die, dass die Spieler das Spiel gut finden und die Situation, die sie dort bespielen gut finden. Das kann aus (mindestens zwei Gründen so sein): Entweder ist die Situation in einer Weise beschrieben, die nicht abschreckend ist. Oder die Spieler "ticken so".

Ich bin jedenfalls nicht sicher, ob es hilfreich ist, Widersprüche immer zugunsten der in ihnen aufgehenden aufzulösen.
Anders gesagt: Der Mensch an sich ist nicht gut und nicht rational. Es wäre gut, wenn es so wäre, ist es aber nicht.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Online schneeland

  • Moderator
  • Mythos
  • *****
  • Cogito ergo possum
  • Beiträge: 11.615
  • Username: schneeland
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #20 am: 30.09.2022 | 13:47 »
...

Vielleicht besser ohne Memes probieren - das kann auch so ankommen, dass man die Diskussion bzw. spezifische Beiträge ins Lächerliche ziehen will.
Brothers of the mine rejoice!
Swing, swing, swing with me
Raise your pick and raise your voice!
Sing, sing, sing with me

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.502
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #21 am: 30.09.2022 | 14:32 »
Hmmm... nein. Die GIs waren Berufssoldaten, aber selbst wir Wehrpflichtigen damals hätten uns nicht so selbst beruhigt.

"Ich" oder auch "wir" ist eben nicht das gleiche wie "alle".
Man darf ruhig Leuten glauben, die genau dieses Verhalten aus ihrer eigenen Erfahrung heraus berichten.

Mein Fazit wäre daher, nur praktische Auseinandersetzung und tatsächliche Vorbereitung kann einem wirklich Ängste nehmen.

Wenn es nur darum geht, Ängste zu nehmen, kann auch der größte Käse helfen - man schaue nur mal in den Kampfkunst- und SV-Sektor...

Und zum Thema "nur Praxis": Auch da gibt es mehr als genug Unsinn.
Andersrum wüsste ich nicht, warum man im Rollenspiel zwingend keine sinnvolle und praxisnahe Herangehensweise wählen kann. Da müssen sich Autoren und Spieler eben einarbeiten, aber genau das ist ja die notwendige praktische Beschäftigung ;)


@camo: Natürlich gebe ich dir recht, dass Rollenspiel hier niemals Abbild oder realistische Übung ist

Warum nicht?
"Wargaming" gibt es ja auch im professionellen Kontext und dass das richtig aufgezogen eine gute Vorbereitung ist, ist umfassend belegt.


Brauchen wir das aktuell wieder?

Kann ein Rollenspielsetting helfen, unsere aktuellen Ängste vor Gasknappheit, Wohlstandsverlust, Zusammenbruch des Stromnetzes und dem Schlittern in einen Krieg mit Russland zu bewältigen? Spielerisch Alternativen erleben? Hoffnung schöpfen? Lösungen finden?

Wenn ja, was könnte das für ein Szenario sein? Oder ist das alles nur Küchenpsychologie?

Brauchen ist natürlich relativ, aber man könnte ja ganz praktisch einfach mal schauen, ob z.B. entsprechende Computerspiele grad besser gehen (bei einigen Anbietern ist das ja ganz gut nachvollziehbar).
Als Aufhänger für und Einstieg in die Beschäftigung mit einem Thema kann Rollenspiel jedenfalls dienen; je nach Design und "Betreiber" kann das sogar erstaunlich weit tragen, was Einsichten und Kompetenzgewinn angeht.

Welches konkrete Szenario man wählt, käme dann drauf an, ob man ein sehr spezifisches Problem beackern oder nur recht allgemein darauf rumdenken will.

Und selbst wenn es nur Küchenpsychologie ist - die kann auch mal richtig liegen ;)
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Megavolt

  • Zwinker-Märtyrer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.742
  • Username: Megavolt
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #22 am: 30.09.2022 | 14:45 »
Rollenspiel bewegt sich im fiktiven Raum.

Wer Fiktionen erkennen kann, der wird die Rollenspielerei hinreichend weit entzaubern, so dass sie nicht mehr hinreichend weit bei der Bewältigung echter Probleme helfen kann. Und wer sie nicht erkennen kann, der sollte um Gottes Willen die Finger von unserem Hobby lassen.

Dass ein Jetztzeit-Rollenspiel mit globalstrategischer Perspektive o.ä., durchaus z.B. Bock machen oder sonstwie reizvoll sein kann - klar.
« Letzte Änderung: 30.09.2022 | 14:52 von Megavolt »

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.502
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #23 am: 30.09.2022 | 15:30 »
Rollenspiel bewegt sich im fiktiven Raum.

Wer Fiktionen erkennen kann, der wird die Rollenspielerei hinreichend weit entzaubern, so dass sie nicht mehr hinreichend weit bei der Bewältigung echter Probleme helfen kann.

Ziehe Er den Vergleich zu "richtigen", d.h. professionellen Wargames und Szenariotraining... ;)
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Maarzan

  • Mythos
  • ********
  • Beiträge: 8.743
  • Username: Maarzan
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #24 am: 30.09.2022 | 15:46 »
Ziehe Er den Vergleich zu "richtigen", d.h. professionellen Wargames und Szenariotraining... ;)
Das lebt in der Qualität davon, ob die Spielleitung es schafft realistisch dar zu stellen und in der Wirksamkeit, ob der Spieler das auch glaubt.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline General Kong

  • Famous Hero
  • ******
  • Werd bloß nicht affig!
  • Beiträge: 3.983
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: General Kong
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #25 am: 30.09.2022 | 16:01 »
Als ich beim Bund war, hatte ich an Space Gothic (Raumfahrerkreuzritter schießen Aliens, die es eigentlich nicht geben sollte) nicht so viel Spaß. 5 Tage in der Kaserne, da muss ich nicht auch noch am Wochenende den (Weltraum-)Sodaten geben.
Danach habe ich das gerne wieder gespielt.

Nicht, dass meine Zeit beim Bund so traumatisch gewesen wäre (gar nicht), aber wenn man die ganze Woche im Schwimmbad war, dann will man zur Abwechslung und Entspannung nicht am Wochenende an den Baggersee zum Schwimmen fahren.

Twilight 2000 habe ich in den 80er auch gespielt, aber das war * uihuihui *! Da spielte man ja "Krieg"! Das war sicher so ein geheimes Pentagon-Projekt von den Amis, um uns alle auf die Irgendwie-Gewinnbarkeit/ -Überlebbarkeit der Apokalypse namens Atomkrieg vorzubereiten!

Dann hörte man noch Rockmusik dazu und spielte Videospiele und dann war man eine Satan hörige Marionette des amerikanischen Imperialismus, ein Kriegtreiber, Unmensch und noch viel schlimmeres! Wahrscheinlich hat man auch geraucht!

Twillight war ein tolles Spiel, aber Ängste habe ich damit nicht abgebaut. Ich war mir eh ziemlich sicher, dass ich eher nicht 30 werde (BUUUUUMMM!). Daher lassen mich heutige Apokalyse-Panik-Szenarios auch eher gelangweilt zurück.

Das neue Twilight habe ich mir auch gekauft. Aber es ist einfach nicht mehr dasselbe. Der reale Hintergrund fehlt. Dass der 3. Weltkrieg theoretisch morgen passieren könnte, machte einen Reiz des Settings aus. Es knüpfte ja an die Tagespolitik der Mitte-80er an. Nun ist es Hätte-Wäre-Könnte-Retro in einer alternativen Vergangenheit. Das nimmt für mich viel von seinem Biss.

A bad day gaming is better than a good day working.

Offline sma

  • Hero
  • *****
  • a.k.a. eibaan
  • Beiträge: 1.380
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: sma
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #26 am: 30.09.2022 | 16:12 »
Erst mal danke für all die Antworten. Sehr spannend.

Woran ich hauptsächlich dachte, wenn ich's jetzt noch mal mit den Antworten reflektiere, war nicht, dass man jetzt konkret Handlungen einüben kann (erste Hilfe, Kampfkünste, usw.), sondern dass allein die Tatsache, dass man sich mit dem Hintergrund auseinandersetzt, Ängste durch Wissen ersetzen kann. Jedenfalls ist das  meine persönliche bevorzugte Strategie.

Themenwechsel. Postapokalypse bedeutet erst mal ja nur "nach der Apokalypse" und wer die erlebt, hat das schlimmste, die Apokalypse, ja schon mal überlebt. Nun gibt es die Postapokalypse aber in (mindestens) zwei Geschmacksrichtungen: Als Anfang vom Ende, wo es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist und eh alles scheiße und hoffnungslos ist. Als Anfang von etwas Neuem, wo zumindest ein Hoffnungsschimmer zu sehen ist.

Ich persönlich mag Dystopien im Rollenspiel nicht so sehr, egal ob vor oder nach der Apokalypse. Ich bin jemand, der selbst bei Cyberpunk eigentlich lieber die andere Seiten spielen wollen würde, die 80% der Bevölkerung, die noch an die Zivilisation glauben, nicht aufgegeben haben, ihr Leben in Frieden leben wollen und vielleicht sogar die Welt ein bisschen besser machen wollen. Oder wenn die Underdogs, dann welche, die nicht nur egoistische Arschlöcher sind, die zwar alles ablehnen, aber dennoch dem amerikanisch-materialistischem Traum folgen.

Und ich behaupte, auch die Macher von Twilight 2000 haben ihr System nicht als Dystopie gesehen, als ein Weltuntergangsszenario, sondern einfach als eine Epoche eines weiteren Kriegs, wie es zuvor schon viele Kriege gab und etwas, das die Menschheit überwinden kann um danach in weniger als 200 Jahren in den Weltraum aufzubrechen – im 2300 AD Setting. Vielleicht waren sie naiv, vielleicht zu weit weg, vielleicht auch einfach optimistisch. Keine Ahnung.

Schlusswort. Ich betreibe Rollenspiel als Eskapismus. Ich will eigentlich nichts lernen, nichts erfahren (im Gefühlssinne, nicht im Wissenssinne) und schon gar nicht anderen etwas beibringen. Ich will Spaß.

Ich bin mir aber sicher, dass ich mich ohne das Rollenspielhobby niemals selbstständig gemacht und ein Unternehmen gegründet hätte. Auf diese Weise hat es mir unabsichtlich Ängste genommen. Und gezeigt, dass es manchmal am effizientesten ist, eine Entscheidung mit 1W6 und "hoch ist gut" zu treffen :)

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #27 am: 30.09.2022 | 16:13 »
Ich bin überzeugt, dass die Diskussion um Wargames / Szenariotrainings OT sind und in die falsche Richtung gehen.

Es ist richtig das Sandkastenspiele darauf vorbereiten können die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Das gilt abschöießend aber nur dann, wenn alle zukünftigen Variablen zum Zeitpunkt des Spiels / des Trainings bekannt und simulierbar sind. Das ist faktisch unmöglich. So gibt es immer nur eine Grundlagenschulung die einen zuversichtlich machen kann, die Angst können diese Spiele aber nicht nehmen. Sie helfen daher auch nicht bei der Bewältigung von Zukunftsängsten.

Einfaches Beispiel.

Zur Führerscheinprüfung gehört ein Theorie- und ein Praxisteil. Sollte die Theorie haltbar sein, das Theorie alleine zur Befähigung ausreicht. Dann müsste auch Konsens darüber herrschen das man weder Fahrstunden noch eine Fahrprüfung braucht.

Ich denke das jeder Verkehrsteilnehmer dem widersprechen wird. Schon aus Eigenschutz.

Was einen befähigt Situationen (egal auf welchem Feld) zu meistern sind praktische Erfahrungen. Die Theorie im Vorwege ist ein sehr guter Wegbereiter, bleibt aber immer Theorie.

Rollenspiele sind nie realistisch und wer sich aus dem Spielen heraus einen Vorteil erhofft ist auf der falschen Fährte.

Nicht umsonst gibt es immer mal wieder Diskussionen ob soziale Interaktionen ausgespielt oder ausgewürfelt werden sollte. Meist ist das Ergebnis, dass nicht jeder Spieler in der Königsklasse dessen was Rollenspiele wirklich ein Stück weit vermitteln können (soziale Interaktionen), dazu in der Lage ist und das dann einfach gewürfelt wird.

Wenn Spieler aus nachvollziehbaren Gründen schon dazu nicht in der Lage sind ist Rollenspiel zur Vermittlung handwerklichen Fähigkeiten vollkommen ungeeignetn. Es kann ja sogar angenommen werden, daß in dem obigen Beispiel Rollenspiel nicht einmal dazu befähigt die Hemmnisse abzubauen welche zwischen dem Spieler und dem ausspielen von sozialen Interaktionen steht.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.502
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #28 am: 30.09.2022 | 16:36 »
Es ist richtig das Sandkastenspiele darauf vorbereiten können die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Das gilt abschöießend aber nur dann, wenn alle zukünftigen Variablen zum Zeitpunkt des Spiels / des Trainings bekannt und simulierbar sind.

Es ist für einen signifikanten Fortschritt ausreichend, wenn Teile sinnvoll simuliert und danach beherrscht werden.
Da muss nichts perfekt oder vollständig sein - ist anderes theoretisches oder praktisches (!) Training ja auch nicht und hilft trotzdem.


Zur Führerscheinprüfung gehört ein Theorie- und ein Praxisteil. Sollte die Theorie haltbar sein, das Theorie alleine zur Befähigung ausreicht. Dann müsste auch Konsens darüber herrschen das man weder Fahrstunden noch eine Fahrprüfung braucht.

Die Aussage war nicht, dass der Theorieteil allein ausreicht.
Die Aussage war, dass der Theorieteil für sich schon hilft.
Und etwas stärker: Ohne zumindest ein bisschen Theorie als Grundlage bringt der praktische Anteil viel, viel weniger, als er könnte, weil dann z.B. keine Transferleistungen erbracht werden können.


Das lebt in der Qualität davon, ob die Spielleitung es schafft realistisch dar zu stellen und in der Wirksamkeit, ob der Spieler das auch glaubt.

Wurde auch schon angesprochen, ja.

Zum Thema, ob und was der Spieler glaubt:
Recht interessant finde ich den oben angerissenen Umstand, dass zum Nehmen irrationaler Ängste eine irreführende (Pseudo-)Vorbereitung manchmal wirksamer sein kann als eine effektive tatsächliche Vorbereitung.

Da muss man dann aber sehr genau wissen, wer konkret warum was will.
Und so ein paar Schoten aus verschiedenen Ausbildungssektoren gibts ja auch, wo den Leuten irgendwelcher Scheiß erzählt wird, damit sie wenigstens irgendwas machen...
Das kann hier und da helfen, wird i.d.R. aber eher aus der Not heraus gemacht, zu wenig Zeit und Mittel für eine richtige Ausbildung zur Verfügung zu haben.
Und spätestens wenn man im Nachgang frühere Ausbildungsanteile "entlernen" muss, wirds blöd.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Bad_Data

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 280
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Bad_Data
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #29 am: 30.09.2022 | 16:54 »
So gibt es immer nur eine Grundlagenschulung die einen zuversichtlich machen kann, die Angst können diese Spiele aber nicht nehmen. Sie helfen daher auch nicht bei der Bewältigung von Zukunftsängsten.

Vielleicht verstehe ich dich da falsch, aber ist das nicht ein Widerspruch? Bedeutet eine Erhöhung der Zuversicht nicht automatisch eine Reduktion von Angst?
Wenn ich also zuversichtlicher in die Zukunft blicke, müsste ich doch eigentlich weniger Zukunftsängste haben (ob das jetzt gerechtfertigt ist oder nicht lasse ich mal außen vor).

Nicht umsonst gibt es immer mal wieder Diskussionen ob soziale Interaktionen ausgespielt oder ausgewürfelt werden sollte. Meist ist das Ergebnis, dass nicht jeder Spieler in der Königsklasse dessen was Rollenspiele wirklich ein Stück weit vermitteln können (soziale Interaktionen), dazu in der Lage ist und das dann einfach gewürfelt wird.

Ich glaube, das ist ein Fehlschluss. Nur weil nicht jede Person davon profitiert heißt das nicht, dass es nicht wirkt. Ganz abgesehen davon werden gerade soziale Interaktionen in Seminaren mithilfe von Rollenspielen geübt.

Wenn Spieler aus nachvollziehbaren Gründen schon dazu nicht in der Lage sind ist Rollenspiel zur Vermittlung handwerklichen Fähigkeiten vollkommen ungeeignetn. Es kann ja sogar angenommen werden, daß in dem obigen Beispiel Rollenspiel nicht einmal dazu befähigt die Hemmnisse abzubauen welche zwischen dem Spieler und dem ausspielen von sozialen Interaktionen steht.

Auch das halte ich für einen Fehlschluss. Nur weil Rollenspiel nicht immer die sinnvollste Maßnahme ist, heißt das nicht, das es nicht wirkt. Nur weil Rollenspiel für handwerkliche Fähigkeiten ungeeignet sein mag, heißt das nicht, dass es nicht andere Felder geben mag, wo Rollenspiel sehr geeignet ist. Wobei ich handwerkliche Fähigkeiten nicht mal unbedingt ausschließen würde. Diese müssen nur Teil des Rollenspiels sein.

Ich bin mir aber sicher, dass ich mich ohne das Rollenspielhobby niemals selbstständig gemacht und ein Unternehmen gegründet hätte. Auf diese Weise hat es mir unabsichtlich Ängste genommen. Und gezeigt, dass es manchmal am effizientesten ist, eine Entscheidung mit 1W6 und "hoch ist gut" zu treffen :)

Das ist cool :)
Ich bin mir sehr sicher, dass mir das Rollenspiel viele Skills gegeben hat, die ich täglich einsetze und viele Fähigkeiten, die ich damit entwickelt habe. Und auch, dass Rollenspiel für viele Bereiche hilfreich sein kann (natürlich nicht für jeden Bereich und auch nicht für jede Person).
"Die Zeit ist das Feuer, in dem wir verbrennen."

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #30 am: 30.09.2022 | 17:31 »
Zitat
Vielleicht verstehe ich dich da falsch, aber ist das nicht ein Widerspruch? Bedeutet eine Erhöhung der Zuversicht nicht automatisch eine Reduktion von Angst? 

Wenn du die Angst vor einer Situation verlierst für die du nur unzureichend Vorbereitet bist mangeld es an Selbstreflektion. Es geht ja nicht darum (wenn ich den OP) richtig verstanden habe, die Augen vor dem was mir Angst macht zu verschließen um dann zu sagen. Nein, ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft oder Ereignis XY weil ich gelesen und anhand von Rollenspielen in der Lage bin diese zu bewältigen.

Das ist in meinen Augen sehr schädlich, ich klammere die Angst nur aus. Müsste aber weiterhin Angst haben da mein Werkzeugkoffer um mit der Situation umgehen zu können unzureichend gefüllt ist.

Zitat
Ich glaube, das ist ein Fehlschluss. Nur weil nicht jede Person davon profitiert heißt das nicht, dass es nicht wirkt. Ganz abgesehen davon werden gerade soziale Interaktionen in Seminaren mithilfe von Rollenspielen geübt. 

Ich glaube dann hast du den Beitrag nicht richtig verstanden, bzw. im Sinne der eigenen Argumentation wichtige Teile übergangen. Wenn die Schulung von sozialer Interaktion alleine die Angst vor der Zukunft nehmen könnte wäre das Thema hier nicht aufgekommen. Ich erkenne ja an, dass Rollenspiel in seinen Stärken etwas "schulen" kann. Nur das Thema setzt den Fokus auf den dritten Weltkrieg und nicht auf soziale Unsicherheiten.

Zu deinem letzten Punkt, siehe mein Beitrag weiter oben, wenn das Rollenspiel (wie du jetzt wiederholst) Praxisteile beinhaltet kann es helfen. Geht aber auch am Thema und dem Fokus des Eingangsbeitrages vorbei.

Ich habe Angst vor z.Bsp. dem dritten Weltkrieg, helfen RPG's dabei diese zu bewältigen?

Da schließt sich für mich der Kreis. Meine Erfahrung hat gezeigt das Fähigkeiten um berechtigt mit Ängsten umzugehen (vor dem Hintergrund Ausfall der Kritis / kriegerische Handlung / Ausfall des Staates oder Teile davon) nicht am Spieltisch erlernt werden können.

Dadurch wiegt man sich nur in einer falschen Zuversicht die einem später massiv auf die Füße fallen wird.
« Letzte Änderung: 30.09.2022 | 17:35 von Outsider »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Camo

  • Gast
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #31 am: 30.09.2022 | 18:02 »
"Ich" oder auch "wir" ist eben nicht das gleiche wie "alle".
Man darf ruhig Leuten glauben, die genau dieses Verhalten aus ihrer eigenen Erfahrung heraus berichten.

Tue ich auch, aber du glaubst mir nicht. Damit widersprichst du dir selbst, oder?

"Wargaming" gibt es ja auch im professionellen Kontext und dass das richtig aufgezogen eine gute Vorbereitung ist, ist umfassend belegt.

Das mir bekannte "Wargaming" ist das "Püppchenschubsen", das ist maximal eine gute Vorbereitung auf taktischer Ebene, aber nicht in dem, worum es bei Twilight: 2000 geht. Das spielt nämlich NACH dem fiktiven Dritten Weltkrieg, die Charaktere versuchen einfach, in der Kriegswüste in Polen zu überleben und heimzukommen. Mit beschränkten Ressourcen (die man auch nicht mal eben nachkaufen kann) und dergleichen, inklusive Strahlung an einigen Orten. Das spielt nicht IM Krieg sondern nach dem Krieg.


Einfaches Beispiel.

Zur Führerscheinprüfung gehört ein Theorie- und ein Praxisteil. Sollte die Theorie haltbar sein, das Theorie alleine zur Befähigung ausreicht. Dann müsste auch Konsens darüber herrschen das man weder Fahrstunden noch eine Fahrprüfung braucht.

Ich denke das jeder Verkehrsteilnehmer dem widersprechen wird. Schon aus Eigenschutz.

Korrekt. Das Beispiel belegt auch, dass "ein wenig Training" nicht ausreicht, um etwas sicher ausführen zu können, das zeigt die höhere Unfallstatistik bei Fahranfängern.


Wenn du die Angst vor einer Situation verlierst für die du nur unzureichend Vorbereitet bist mangeld es an Selbstreflektion. Es geht ja nicht darum (wenn ich den OP) richtig verstanden habe, die Augen vor dem was mir Angst macht zu verschließen um dann zu sagen. Nein, ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft oder Ereignis XY weil ich gelesen und anhand von Rollenspielen in der Lage bin diese zu bewältigen.

Das ist in meinen Augen sehr schädlich, ich klammere die Angst nur aus. Müsste aber weiterhin Angst haben da mein Werkzeugkoffer um mit der Situation umgehen zu können unzureichend gefüllt ist.

Definitiv korrekt.

Ich glaube dann hast du den Beitrag nicht richtig verstanden, bzw. im Sinne der eigenen Argumentation wichtige Teile übergangen. Wenn die Schulung von sozialer Interaktion alleine die Angst vor der Zukunft nehmen könnte wäre das Thema hier nicht aufgekommen. Ich erkenne ja an, dass Rollenspiel in seinen Stärken etwas "schulen" kann. Nur das Thema setzt den Fokus auf den dritten Weltkrieg und nicht auf soziale Unsicherheiten.

Wie gesagt, in Twilight: 2000 geht es nicht um den Dritten Weltkrieg, sondern um das Überleben und das Heimkehren danach... in einer zerstörten Welt, in der die alten Werte kaum noch gelten, weil alles kaputt ist und um die Ressourcen gekämpft wird. Der Krieg selbst wird in der "Einleitung" recht schnell abgehandelt und gar nicht gespielt. Es ist daher weniger ein Kriegsspiel, sondern Postapokalypse.


Generell ist aber Theorie ohne Praxis meist nutzlos. Ich WEISS, wie ich einen Luftröhrenschnitt machen muss... aber kriege ich das hin, um jemanden zu retten? Ich WEISS, wie ich Tieren das Fell abziehe... aber der Praxistest hat gezeigt, dass dieses Wissen nicht reicht. (Ja, das war unter der Aufsicht eines Jägers, keine Bange, ich hab kein Tier einfach "zum Testen" umgelegt.)

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #32 am: 30.09.2022 | 18:14 »
Zitat
  Wie gesagt, in Twilight: 2000 geht es nicht um den Dritten Weltkrieg, sondern um das Überleben und das Heimkehren danach... in einer zerstörten Welt, in der die alten Werte kaum noch gelten, weil alles kaputt ist und um die Ressourcen gekämpft wird. Der Krieg selbst wird in der "Einleitung" recht schnell abgehandelt und gar nicht gespielt. Es ist daher weniger ein Kriegsspiel, sondern Postapokalypse.       

Danke für die Info!  :d

@Luftröhrenschnitt

+1

Das fängt ja viel früher an. Einfachen Zugang legen, das bekommen viele Mitarbeiter in Praxen nicht hin, weil der menschliche Körper nicht der Theorie folgt. :D

Und das kann jedem trotz Übung passieren. Wird aber jedem passieren der sowas nur bei Youtube gesehen hat.

Das heißt nicht das es nicht klappen kann aber die Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer  ^-^
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Horadan

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 341
  • Username: Horadan
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #33 am: 30.09.2022 | 18:34 »


Generell ist aber Theorie ohne Praxis meist nutzlos.
Und umgekehrt. Wenn man die Hintergründe nicht versteht, mag man eine geübte Situation beherrschen, aber sobald die Umstände dann  andere sind, klappt die Übertragung nicht.


Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #34 am: 1.10.2022 | 17:34 »
Themenwechsel. Postapokalypse bedeutet erst mal ja nur "nach der Apokalypse" und wer die erlebt, hat das schlimmste, die Apokalypse, ja schon mal überlebt. Nun gibt es die Postapokalypse aber in (mindestens) zwei Geschmacksrichtungen: Als Anfang vom Ende, wo es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist und eh alles scheiße und hoffnungslos ist. Als Anfang von etwas Neuem, wo zumindest ein Hoffnungsschimmer zu sehen ist.
(...)
Und ich behaupte, auch die Macher von Twilight 2000 haben ihr System nicht als Dystopie gesehen, als ein Weltuntergangsszenario, sondern einfach als eine Epoche eines weiteren Kriegs, wie es zuvor schon viele Kriege gab und etwas, das die Menschheit überwinden kann um danach in weniger als 200 Jahren in den Weltraum aufzubrechen – im 2300 AD Setting. Vielleicht waren sie naiv, vielleicht zu weit weg, vielleicht auch einfach optimistisch. Keine Ahnung.

Nun ja, da ist eben die Schwierigkeit: Ein Szenario, das soweit geschönt ist, dass es darin ein erträgliches Maß an Handlungsmöglichkeiten und berechtigten Hoffnungen gibt, hat zumindest mit der erwartbaren Situation während und nach einem Atomkrieg wenig zu tun.
Bei einem konventionell geführten Weltkrieg sieht es vielleicht etwas besser aus. Aber ist das ein wahrscheinliches Szenario? Das naive an Twilight: 2000 ist doch die Annahme, dass es nach einem Atomkrieg noch eine Heimat gibt, in die man zurückkehren kann.

Eskapismus ist völlig nachvollziehbar und völlig in Ordnung. Gleichzeitig schließt Eskapismus aber eine Auseinandersetzung mit den Dingen, aus der man "etwas lernen könnte" weitgehend aus. Nichtsdestoweniger kann Realitätsflucht natürlich eine Überlebensstrategie sein - eine unakzeptable Realität nicht anzuerkennen und vollständig zu verleugnen ist zumindest solange eine brauchbare Option, wie das Umfeld das zulässt.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #35 am: 1.10.2022 | 17:55 »
@Twilight2000

Ich hatte es so verstanden, das es nur "begrenzte" Atomschläge gab? Es also noch Gebiete gibt die "überlebbar" sind. Ich habe zwar das Setting aber noch nicht viel gelesen.

Im Fall eines Atomkrieges wird es auch irgendwo, irgendwie weitergehen. Nicht für alle von uns und außerhalb jeglicher Komfortzone. Aber es geht weiter. Abseits der Ballungsgebiete oder vielleicht wird die dann sogenannte dritte Welt die erste!?

Einfach weil es dort keine Ziele gibt die den Einsarz von Atomwaffen wert wären.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline sma

  • Hero
  • *****
  • a.k.a. eibaan
  • Beiträge: 1.380
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: sma
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #36 am: 1.10.2022 | 18:04 »
Nun ja, da ist eben die Schwierigkeit: Ein Szenario, das soweit geschönt ist, dass es darin ein erträgliches Maß an Handlungsmöglichkeiten und berechtigten Hoffnungen gibt, hat zumindest mit der erwartbaren Situation während und nach einem Atomkrieg wenig zu tun.
…sagst du. Atomkrieg kann von "eine Bombe fällt" bis "wir vernichten die Welt" alles bedeuten. Du scheinst die totale Vernichtung als einzige mögliche Situation zu erwarten. Die Pseudogeschichte von T2K definiert, dass nach einem Grenzkonflikt 1995 zwischen Russland und China, das 1996 zu einem zunächst konventionell geführten Krieg zwischen NATO und Warschauer Pakt führt und dass schließlich am 27.11.1997 ein begrenzter nuklearer Schlagabtausch folgt, der dazu führt, dass die Kommandostrukturen soweit zusammenbrechen, dass der Krieg in Europa langsam bis zum Sommer 2000, wo das Spiel dann startet, mangels Nachschub und "Masse" zum erliegen kommt. Da Frankreich in dieser Pseudogeschichte kein NATO-Mitglied ist, bleibt es weitestgehend unbeschadet. Und offensichtlich haben die Charaktere die drei Jahre nach dem Atomkrieg auch überstanden, vermutlich, weil nicht die Schlachtfelder bombardiert wurden, sondern Hauptstädte.

Ich finde auch nicht gut, den Wunsch, nach Hause zurückzukehren, als naiv abzustrafen. Das ist ein zutiefst menschliches Gefühl und das Festklammern an Hoffnung. Das ist doch eine gute Grundlage für ein Rollenspiel. Aber genug davon.

Zitat
Eskapismus ist völlig nachvollziehbar und völlig in Ordnung. Gleichzeitig schließt Eskapismus aber eine Auseinandersetzung mit den Dingen, aus der man "etwas lernen könnte" weitgehend aus.
Wieso? Dies kann ich nicht nachvollziehen. Im Rollenspiel kann man in relativ sicherer Umgebung Dinge ausprobieren, die sonst nicht möglich sein – entweder weil sie einem physisch oder psychisch unmöglich sind, weil sie nicht legal sind, oder einfach, weil man sich sonst nicht traut. Und gerade letzteres ist IMHO etwas, das man dann auch auf's Leben anwenden kann. Man sammelt und überträgt Erfahrungen. Das ist Lernen.

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #37 am: 1.10.2022 | 18:45 »
Ich finde auch nicht gut, den Wunsch, nach Hause zurückzukehren, als naiv abzustrafen. Das ist ein zutiefst menschliches Gefühl und das Festklammern an Hoffnung. Das ist doch eine gute Grundlage für ein Rollenspiel. Aber genug davon.

Habe ich nicht gesagt.
Was ich meinte: Es ist naiv, anzunehmen, dass nach einem Weltkrieg zwischen Atommächten noch eine Heimat da ist, in die man zurück kann.
Es mag tröstlich sein, es ist aber unwahrscheinlich. Das ist eigentlich auch das, was ich von Anfang an hauptsächlich sagen will: Die Angst vor einem Atomkrieg lässt sich nicht positiv auflösen. Berechtigte Hoffnung und individuelle Handlungsmöglichkeiten wären nur in einem stark beschönigten Szenario möglich.
Klar sieht die Sache in einem begrenzten Atomkrieg anders aus. Das trifft aber auf einen Nato-Russland-Konflikt nicht zu.

Wieso? Dies kann ich nicht nachvollziehen. Im Rollenspiel kann man in relativ sicherer Umgebung Dinge ausprobieren, die sonst nicht möglich sein – entweder weil sie einem physisch oder psychisch unmöglich sind, weil sie nicht legal sind, oder einfach, weil man sich sonst nicht traut. Und gerade letzteres ist IMHO etwas, das man dann auch auf's Leben anwenden kann. Man sammelt und überträgt Erfahrungen. Das ist Lernen.

Ich schrieb "Eskapismus", Du schreibst "Rollenspiel".
Unter "Eskapismus" verstehe ich das Fliehen in Welten (oder Denken) mit explizitem Ausschluss der meisten Merkmale von Realitätsbezug. Das was dort dann passiert lässt sich naturgemäß nicht auf die Realität (die man ja gerade ausgeschlossen hat) anwenden.
Andere Definitionen von "Eskapismus" sind wahrscheinlich denk- und vertretbar.

Im Fall eines Atomkrieges wird es auch irgendwo, irgendwie weitergehen. Nicht für alle von uns und außerhalb jeglicher Komfortzone. Aber es geht weiter. Abseits der Ballungsgebiete oder vielleicht wird die dann sogenannte dritte Welt die erste!?

Einfach weil es dort keine Ziele gibt die den Einsarz von Atomwaffen wert wären.

Das ist fraglich. Viel freigesetzte Strahlung und ein atomarer Winter könnten durchaus das Ende der Menschheit bedeuten. In jedem Fall würden sie das Ende der Menschheit wie wir sie kennen bedeuten.
Die Simulationsmodelle dafür sind kompliziert und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Irgendwas zwischen "alles tot, für immer" und "alles schlimm, fast alle tot, vielleicht irgendwie überleben möglich".
Die Annahme von Twilight: 2000 (welches ich nicht gelesen habe) scheint ziemlich optimistisch zu sein.

Der "Optimismus" bezüglich der "dritten Welt" ist leider auch völlig unbegründet. Diese Regionen sind sehr stark von Importen abhängig, bis hin zu Lebensmitteln. Man könnte die Strukturen vermutlich ändern, bei einfachem Wegfall der Lebensmittelimporte würden die Leute aber schlichtweg verhungern. Fraglich, wie schnell das kompensierbar ist.

Und ja, Optimismus hilft beim Überleben. Und Optimismus ist auch der menschliche Charakterzug, der am wahrscheinlichsten eine nukleare Auslöschung der Menschheit verantworten wird: Man hält das ganze für irgendwie kontrollierbar und es wird schon nicht so schlimm kommen.
« Letzte Änderung: 1.10.2022 | 19:23 von felixs »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Outsider

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.563
  • Username: Outsider
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #38 am: 1.10.2022 | 19:41 »
@felixs

Die Range ist ja groß. Du siehst es halt sehr, sehr düster. Das steht dir frei, ich denke es wird irgendwie weitergehen. ;)

Nagasaki und Hiroshima sind weiterhin bewohnt.

Ich weiß im Vergleich zu heutigen Atomwaffen waren die Bomben sehr klein. Aber dort leben Menschen.

Überall auf der Welt gab es Atomtests. Von den Dächern von Las Vegas konnte man in den Fünfziger???? zuschauen. Sie fanden also in relativer Nähe zur Zivilisation statt.

Es gab mehrere extreme Störfälle in AKW's. Das alles hat Strahlung freigesetzt und tut es noch. Trotzdem ist die Welt noch bewohnbar. Auch in dem sehr stark verstrahlten Gebieten in der Sperrzone rund um Tschernobyl überlebt die Natur.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #39 am: 1.10.2022 | 20:01 »
Nichts von dem, was Du erwähnst, ist irgendwie vergleichbar mit den zu erwartenden Folgen eines Atomkriegs mit heutigen Mitteln.
Dass "die Natur" irgendwie überlebt, habe ich nicht bestritten. Ich halte das aber nicht grundsätzlich für eine gute Nachricht.

Aber lassen wir es dabei; ich denke das geht allmählich stark vom Thema ab. Habe das absichtlich sehr kurz gehalten und nur die beiden Punkte angesprochen, in denen ich nicht missverstanden werden wollte. Beim Rest könnte man auch noch trefflich weiterdiskutieren, aber ich denke, das sprengt hier den Rahmen. Ich würde es also gern beenden und werde dazu auch voraussichtlich nichts mehr schreiben.
« Letzte Änderung: 1.10.2022 | 20:03 von felixs »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Offline Max Sinister 2

  • Bloody Beginner
  • *
  • Beiträge: 27
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Max Sinister 2
    • Max Sinister im Alternativgeschichte-Wiki
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #40 am: 6.10.2022 | 01:59 »
Soll Twilight 2000 uns signalisieren: Es geht immer irgendwie weiter, wenn auch nicht für alle, und auf niedrigerem Niveau?

Camo

  • Gast
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #41 am: 6.10.2022 | 02:33 »
Nichts von dem, was Du erwähnst, ist irgendwie vergleichbar mit den zu erwartenden Folgen eines Atomkriegs mit heutigen Mitteln.

Es geht halt bei T:2000 NICHT um "heutige Mittel", das Ding stammt aus der Mitte der 80er... und der Hintergrund ist auch bei der heutigen Version noch der gleiche. Und es war auch kein "totaler Atomkrieg", es gibt halt Gegenden mit einer begrenzten Strahlung... keine atomar verstrahlten Wüsten.
Warum wird eigentlich über etwas geurteilt, wenn man sich nie wirklich damit beschäftigt hat? Denn dass die meisten Kritiker das Teil nie gelesen oder gespielt haben, ist sehr deutlich zu merken. oO


Und nein, T:2000 transportiert keine "Botschaft". Es ist ein postapokalyptisches Setting, im Kern ist es ein Spiel um Ressourcenmanagement der extremen Art (Treibstoff, Munition, Nahrung und vieles mehr), eine Rückkehr in die Heimat und eventuell der Versuch, die alte Zivilisation wieder herzustellen, das ist aber eher nicht von Anfang an ein offensichtliches Ziel. Es geht nicht darum, den Krieg weiterzuführen, ganz im Gegenteil. WENN das Ding eine "Botschaft" transportieren würde, dann "Krieg ist Sch..."... denn danach ist alles kaputt. Keine Kriegsverherrlichung, ganz im Gegenteil. Und JA, vielleicht wäre ein derartiges Setting für viele etwas zum Nachdenken... aber auf jeden Fall nicht, um Krieg "toll" zu finden.

Offline felixs

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.882
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: felixs
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #42 am: 6.10.2022 | 16:02 »
Es ist eigentlich alles geschrieben.
Aber kurz zu diesem berechtigen Einwand:

Warum wird eigentlich über etwas geurteilt, wenn man sich nie wirklich damit beschäftigt hat? Denn dass die meisten Kritiker das Teil nie gelesen oder gespielt haben, ist sehr deutlich zu merken.

War, zumindest meinerseits, nicht die Absicht. Ich wollte allgemein zum Thema geschrieben und habe dann später auch geschrieben, dass ich T:2000 nicht kenne, nachdem mir klar wurde, dass das missverständlich wird.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Camo

  • Gast
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #43 am: 6.10.2022 | 18:03 »
Das war keine direkte Kritik, eher eine generelle Frage. Alles gut. ;)

Offline Quaint

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.774
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Quaint
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #44 am: 6.10.2022 | 18:34 »
Zum Titel: Ich glaube nicht, dass Tabletop Rpg eine geeignete Methode zur Therapie von Ängsten ist. Natürlich kann man als eine Art erweitertes Gedankenexperiment gewisse Situationen quasi andenken, aber gerade wenn man über sowas wie WW3 und die Apokalypse länger nachgrübelt kann es einem ja gerade besonders Angst und Bange werden.
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
,___,
[o.o]
/)__)
-"--"-

Offline Drudenfusz

  • Hero
  • *****
  • Princess Feisty Pants
  • Beiträge: 1.078
  • Username: Drudenfusz
    • Also schrieb Drudenfusz
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #45 am: 6.10.2022 | 19:34 »
Jedes Geschichtsmedium kann Angst schüren oder nehmen. Letztlich ist es nicht die frage ob man etwas lernt, das ist meist eine illusion, sondern wie man mit dem Gefühl der Machtlosigkeit umgeht. Natürlich kann es nett sein im Eskapismus sich vorzugaukeln man hätte die Kontrolle oder wüßte dann vielleicht was man im Ernstfall machen muß, aber letztlich sind dies alles Phantasien. Denke also der bessere weg mit Ängsten umzugehen lernen, egal ob durch Rollenspiel oder andere Medien, ist sich bewußt machen das es keine Frage der Kontrolle ist, sondern das man einach Vertrauen haben muß das der Himmel uns nicht auf den Kopf fallen wird. Denke als das statt Twilight 2000, settings die sich mit existenziellen Krisen auseinandersetzen besser sind. Also man sich nicht der illusion hingibt man lernt etwas, sondern sich seinen ängesten stellt und über Existenz als solche nachdenkt.
Follow me on Twitter: PrincessFeistyPants@Drudenfusz
Discord-Server: Rollenspiel-Hochburg Berlin
Youtube-Kanal: Drudenfusz

Offline Alteisen

  • Survivor
  • **
  • Beiträge: 78
  • Username: Mr Doc
Re: Kann Rollenspiel die Angst vor der Zukunft nehmen?
« Antwort #46 am: 6.10.2022 | 21:58 »
Rollenspiel konnte mir zwar nicht die Angst vor der Zukunft nehmen, aber bevor es politisiert wurde, gab es mir zumindest die Möglichkeit, meiner Zukunftsangst eine Weile zu entfliehen. Diese Zeiten sind vorbei. Danke, Zeitgeist.
Plût a Dieu que vous fussiez si prudent que de laisser à chacun gagner Paradis comme il l’entend.