Autor Thema: Waffen vs Rüstung  (Gelesen 8632 mal)

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Online nobody@home

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #225 am: 6.10.2023 | 20:45 »
Im Gesamtbild ist zumindest eine leichte bis mittlere Rüstung auch für unerfahrene Träger ein deutlicher Vorteil und selbst bei den schwereren Dingern ist ein allgemein fitter und kämpferisch kompetenter Träger gut bedient, selbst wenn er in der konkreten Rüstung nicht viel Zeit verbracht hat.

"Aber wenn du gar nichts kannst, hilft dir die Rüstung nichts" lässt sich schließlich auch auf jedes andere Ausrüstungsstück und jede Taktik anwenden.

Na ja -- soooo gut kann andererseits jemand, der sich ungerüstet kaum auch nur aus dem Haus traut, vermutlich auch wieder nicht sein. ;)

Online Ainor

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #226 am: 7.10.2023 | 09:42 »
Gewerkschaft ja, aber eine eigene (")Industrie(") auf dem Level von für einen bestimmten Zweck abgeänderten Rüstungsschnallen ist angesichts der umgesetzten Geldmengen und der sonstigen Ausrüstungsorgie von Abenteurern mMn ziemlich naheliegend bis mehr oder weniger zwingend.
Zumal man dabei sowieso oft genug von eigens bestellten Einzelstücken spricht und nichts auf Vorrat für eine spezialisierte Anwendung in jeder größeren Stadt rumliegt.

Eigens bestellte Einzelstücke dauern ja ein wenig länger in der Herstellung. Es wäre wohl das naheliegendste dass zumindest die erste Plattenrüstung die sich ein Abenteurer leisten kann nicht spezialgefertigt ist.

Bei den umgesetzten Geldmengen ist es doch so: ein Abenteurer der reich geworden ist setzt sich entweder mit seinem Vermögen zur Ruhe und züchtet Hühner bevor ihn das Glück verlässt, oder er wird Baron etc. und ist danach eher in grösseren Gruppen unterwegs. Die Spezialanfertigung ist etwas für Sonderlinge die sehr reich geworden sind aber immernoch rumlaufen als wären sie Stufe 1, also SC.

Und was den Rüstungsrealismus angeht: wie weit waren mittelalterliche Schmiede eigentlich in der Lage von bekannten Designs abzuweichen? Es scheint ja nicht so dass alle Nase lang verschiedene Rüstungstypen entstanden sind.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
Im Rollenspiel ist auch hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie zu unterscheiden.
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Offline Aedin Madasohn

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #227 am: 7.10.2023 | 10:07 »
Und was den Rüstungsrealismus angeht: wie weit waren mittelalterliche Schmiede eigentlich in der Lage von bekannten Designs abzuweichen? Es scheint ja nicht so dass alle Nase lang verschiedene Rüstungstypen entstanden sind.

vielleicht sollte man es durch die Brille des technischen Fortschritts sehen?

Metallblock zu Draht spalten von Hand
Drahtziehen mit Zange von Hand
Drahtziehen mit Hand-Haspel
Drahtziehen mit Fußpedal-Haspel
Drahtziehen mit Wasserkraft-Haspel

hat gewaltige Auswirkungen darauf, wie teuer&verfügbar der Draht wurde  ;)

je nach metallurgischen Wissen (Wielandmodell: zu feinen Spänen zerfeilte Schwerter an Gänse verfüttern und aus dem Kot neu das Eisen auschmelzen vs Windanblasung im Ofen durch Hanglage und Wetterlage vs Windanblasung mittels Wasserkraft-Blasebalg) sind da auch Verunreinigungen/Schlackereste drin, die aus so einer Lumpe zwar brauchbare Schwer-Nägel, Hufeisen und Axtköpfe werden, aber kein schöner Kürass.

kurzum, das Ausgangsmaterial "umformbares Rüstungseisen" muss erst mal in ausreichender Menge da sein, damit die Designevolution losgehen kann.

ein paar eher spröde Bänder zu einer Halb-Glocke biegen&zusammennieten und ein paar Blechleteile in die Lücken löten (oder gar nur polierte Rinderhorn-Abrollungen) ist nicht vergleichbar mit einer homogen Stahl-Hirnschale, die im Wasserkrafthammerwerk mit einem Schlag im Gesenk geformt wird.

Hat man erstmal Hochöfen für so umformbaren Stahl+Menge und dann noch das Wasserkraft-Hammerwerk, ja dann kommen dort auch genügend imperiale Helme für ein 20 Legionen Heer + noch mal so viele Auxilia bei raus.

Kurzum, die Zunahme an Hardbody (Zahl und Flächen) war auch eine Frage der zunehmenden Plattenverfügbarkeit
die inflationäre Ausstattung der Infanterie mit Ringelpanzerhemd eine Frage des techn. Fortschritts beim Drahtziehen



Offline YY

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #228 am: 7.10.2023 | 13:36 »
Bei den umgesetzten Geldmengen ist es doch so: ein Abenteurer der reich geworden ist setzt sich entweder mit seinem Vermögen zur Ruhe und züchtet Hühner bevor ihn das Glück verlässt, oder er wird Baron etc.

Das trifft zumindest auf D&D(&Co)-Charaktere nicht zu. Die sind weit über den Punkt hinaus unterwegs, wo sie schon längst ein bequemes Restleben mit der reingesteckten Kohle hätten haben können.

Und bei weniger absurden Summen etwa in Warhammer Fantasy stimmt dann auch die Relation zwischen "bequeme bis luxuriöse Frührente" und "maßgeschneiderte Rüstung". Da ist das eine noch lange, lange nicht erreicht, wo man schon die Kohle für letzteres hat und das wie eine gute Investition aussieht.

Und was den Rüstungsrealismus angeht: wie weit waren mittelalterliche Schmiede eigentlich in der Lage von bekannten Designs abzuweichen? Es scheint ja nicht so dass alle Nase lang verschiedene Rüstungstypen entstanden sind.

Da muss ja keine neue Rüstungsart entworfen, sondern wie geschrieben nur relativ kleine Änderungen implementiert werden. Das macht ggf. noch nicht mal der herstellende Schmied selbst.

Ist wie gesagt historisch eine Frage des nichtvorhandenen Bedarfs, dass es das (also eine alleine und zügig anlegbare Vollplatte) so nicht oder zumindest extrem selten gegeben hat.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Feuersänger

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #229 am: 15.10.2023 | 13:36 »
Mal an dieser Stelle ne allgemeine Frage zwecks Fortbildung:

zu Schwertern gibt es ja eine Reihe "Standardwerke" mit vielen schönen Bildern, zB Oakeshott's "Records of the Medieval Swords" oder Pierce's [sp?] "Swords of the Viking Age".
Gibt es sowas auch zu Rüstungen, insbesondere zu SpäMi/Ren Plattenrüstungen und Helmen?

Habe neulich in einem Video ein paar Einblendungen von wirklich oberaffentittengeilen gotischen Rüstungen gesehen, leider ohne Quellenangaben, aber ich denk mir, irgendwo müssen die Bilder ja herkommen. ^^
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Offline Aedin Madasohn

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Offline Raven Nash

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #231 am: 15.10.2023 | 15:13 »
vielleicht schon mal von dem Zeughaus in Gratz gehört?
Ohne T, bitte.  ;)

Leider sind das zum Großteil Sachen aus dem 16. und 17. Jhdt, also keine gotischen Harnische. Meistens auch schon mit Beschussmarken.

Schloss Ambras ist in Innsbruck - die Sammlung wird vom Kunsthistorischen Museum in Wien verwaltet. Ebendort ist die Hofjagd- und Rüstkammer zu finden, mit einer enormen Sammlung an Harnischen (auch sog. Kostümharnischen).
Da durfte ich schonmal im Archiv stöbern (bei den Waffen allerdings - Rüstungen interessieren mich vor allem funktional).  8)
Es gab da mal einen Katalog, allerdings weiß ich nicht, ob der noch zu kriegen ist.

Etwas näher bei mir ist das Museo delle Armi in Brescia. Ob die einen Katalog haben? Ich weiß es nicht - aber ich bezweifle es. Ist immerhin Italien...
« Letzte Änderung: 15.10.2023 | 15:19 von Raven Nash »
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Online Trollkongen

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Re: Waffen vs Rüstung
« Antwort #232 am: 6.11.2023 | 20:08 »
Ich komme mal spät zur Party und werfe daher ein paar Gedanken in den Raum (habe zwar mitgelesen, aber nicht alles en detail):

Generell bin ich mittlerweile ein Freund von "ordentlich Abstraktion, weil am Spieltisch einfach flotter", allerdings kommt es natürlich aufs Wie an. DSA4 hat mich davon geheilt, alles zu detailliert zu wollen. Viele Ideen klangen gut, haben aber in der Praxis nicht funktioniert, weil man sich das nicht merken konnte und es alles zu lange gedauert hat - und dann trotzdem oft nicht so funktioniert hat, wie man wollte. Von der Regelfickerei mal abgesehen.

Wobei: Was habe ich damals über Rolemaster gelacht. Mittlerweile finde ich so eine Tabelle, in der man einfach ablesen kann, statt sich drölf Modifikatoren zusammenzusuchen, gar nicht so übel. Muss vielleicht nicht so ausfufernd und frickelig sein wie Rolemaster, aber wäre wohl praktikabler als manche anderen Regelkonstrukte.

D&D5 ist mir aber eigentlich etwas zu simpel. Gerade bei den Waffen hätte es ein bisschen mehr Varianz geben dürfen. "Slashing", "Bludgeoing" und "Piercing" scheint mir eh ein Artefakt zu sein, der Spielwert ist ja quasi null. Da hätte man mehr draus machen können. Analog zu anderen System fände ich einen zusätzlichen "Armor Piercing"-Wert ganz nett und eigentlich auch ohne größeren Aufwand machbar. Dürfte sich aber nur im engen Rahmen (wohl -1 bis +1) bewegen, wegen "Bounded Accuracy". Ob man mit der S/B/P-Kombi mehr macht ... wurde ja schon richtigerweise darauf hingewiesen, dass Piercing ganz unterschiedlich sich äußert, daher dürfte das auch komische Effekte nach sich ziehen. Aber D&D5 ist eh voll davon, daher ...  ;D

Was mit bei den D&D-Rüstungen stört - aber das gilt analog für die meisten Systeme -, ist, dass sie mir zu grob sind. Viele Rüstungsformen tauchen in der Liste nicht auf oder sind ziemlich festgelegt. Als kleiner Barbie-Spieler hätte ich gern Freiheit darin, wie mein Held rumstiefelt. Klar, gibt Grenzen. Aber man könnte ja auch eine "leichten Schuppenpanzer, nur am Torso" tragen etc. D&D vermischt Körperabdeckung und schwere der Panzerung an sich eh etwas wild. Ich fänd's also schöner, wenn man das weniger festlegt und vor allem den Spielwert betrachtet, jedenfalls für so ein wenig simulationistisches Spiel wie D&D5.

Bei DSA4 dagegen sah es ja anders aus: Da gab es (optional) Trefferzonen, und für die konnte man sich individuell ausstatten. Das System war auch nicht perfekt, aber hat, auch in der Spielpraxis, eigentlich hinreichend gut funktioniert. Du läufst splitternackt, aber mit Topfhelm und Panzerhandschuhen rum? Hey, mach!  8)

Rüstungsqualität wäre da auch so ein Ding. Ich mag die Idee, dass man in irgendeinem Schrott herumläuft, weil man das geile Zeug sich noch nicht leisten kann. Ist allerdings eher was für DSA oder Warhammer statt für D&D. Die Umsetzung finde ich schön einfach: Schutzwert und Preis reduzieren, fertig.

Übrigens: Eng verbunden mit den Rüstungsregeln ist ja, wie man mit Verwundung etc. umgeht. D&D5 ist in der Hinsicht auch denkbar abstrakt, weil die Hit Points nicht mal unbedingt eine Verwundung bedeuten. Man kann also eigentlich alles reininterpretieren. Für grittigere Systeme bräuchte es dann wohl auch grittigere Rüstungs- und Waffenregeln.

Bei Waffen finde ich stark unterschiedliche Schadenswerte mittlerweile nicht mehr sinnvoll. Den Hintergrund verstehe ich irgendwo, aber ein Messerstich ist oft genauso gefährlich wie ein Schwerthieb. Und auch wenn viele Rollenspielsysteme das anders sehen, gibt es nach oben hin - in Sachen "Schwere" der Waffe - recht enge praktikable Grenzen. Ein "Langes Schwert" (Anderthalbhänder) ist bei nur 1,5 kg Gewicht quasi am Höhepunkt der Verwundungswirkung - wenn wir Rüstung weglassen. Hebelwirkung und Schärfe sind da sehr tödlich, und mehr tot als tot geht eben auch nicht. Auch körperliche Stärke ist da gar kein großer Faktor mehr. (Ähnliches gilt für viele Stoßwaffen wie Speere oder Spieße.)

Wenn hingegen Rüstungen ins Spiel kommen, geht es eher um gutes Design (Mordaxt, Rabenschnabel etc.) als darum, 5 kg draufzupacken. Letzteres ist einfach nicht händelbar. Allerdings: Wenn magische Stärke oder einfach irre starke und große Wesenheiten dazukommen, gut, dann erweitert das das Spektrum doch noch etwas.

Oder konkret: Das W4 bis W12 bei D&D5 finde ich eher nicht so gut. Ich bin eh ein Freund davon, einen festen Schadenswert zu nehmen und den nach der Qualität des Angriffs zu modifizieren. Aber wenn schon würfeln, dann (um bei D&D-Schemata zu bleiben) lieber W6 und W8, fertig. Die unterschiedlichen Qualitäten der Waffen müsste man dann anders darstellen, etwa über die Eignung gegenüber Rüstung. Yeah, Kreis geschlossen.