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J.R.R. Tolkien - BeowulfDieses Werk gehört zum sprachwissenschaftlichen Kanon Tolkiens, und als solches, nimmt seine Übersetzung des Beowulf einen kleineren Teil des Buches ein. Ein viel größerer Teil ist seine Kommentierung, die er in diversen Kursen in seiner Lehrzeit entwickelt und weiterentwickelt hat. In seiner sprachwissenschaftlichen Verdichtung ist das Werk dann außergewöhnlich gut editiert von seinem Sohn, und man kann es mit einigem Erkenntnisgewinn lesen.
Es lässt sich aber mit entsprechendem Hintergrundwissen aus Tolkiens Schaffen deduktiv lesen, in Hinblick darauf, wie sehr seine Beschäftigung mit Beowulf und der flankierende Geschichte seine Darstellung Rohans geprägt hat, oder inwieweit sich das Motiv Smaugs darin wiederfinden lässt, oder in Erweiterung, was Túrin Turambar und sein Kampf mit Glaurung damit zu tun haben.
Dieses Verknüpfungen bildet Christopher Tolkien nicht, aber sie werden einem automatisch vor Augen geführt, wenn man sich mit Tolkiens Werk beschäftigt hat.
Die sprachlichen Einlassungen sind interessant und informativ, sodass dieses Buch auch ein wenig eine weiterverwertbare Schatztruhe an Eindrücken ist.
Letztlich sind die Infos auch in einen kulturell-historischen Zusammenhang - soweit der zu Zeit Tolkiens bekannt war - eingebettet, und das Werk zeichnet die Blaupause für einen tragischen Heldenweg nach, der im Beowulf archetypisch angelegt ist.
Häufig wird Beowulf ja nur bis zum Kampf gegen Grendel betrachtet, vielleicht darüber hinaus noch bis zum Kampf mit dessen Mutter; und noch weniger mit dem abschließenden, tragischen Kampf gegen den Drachen, der ihm und dem Drachen das Leben kostet.
Die Übersetzung selbst, ich kann sie nicht qualitativ beurteilen, liest sich gut, wenn auch bisweilen knöchern. Ich habe weitere Übersetzungen geordert, um das besser einordnen zu können.
Dieses Nachzeichnen, seine eigene Bearbeitung, v.a. aber die sprachwissenschaftlichen und kulturellen Einlassungen habe ich mit großen Gewinn gelesen.
8,5 von 10 Punkten