Autor Thema: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels  (Gelesen 2003 mal)

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Offline aikar

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Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« am: 4.02.2025 | 15:01 »
Ulrich Kiesov wurde für seine "erziehende" Art in den alten DSA-Büchern ja oft genug kritisiert, DSA hat diesen Ruf einer toxischen Rechthaber-Community bis heute. Aber auch bei OSR, PbtA, Traveller und Savage Worlds ist mir immer wieder untergekommen, dass Fragen von Neulingen in einem Shitstorm von Ermahnungen untergehen, man müsse das Spiel "so-und-nicht-anders" spielen.

Persönlich hat mir das immer wieder mal die Lust auf neue Rollenspiele bzw. neue Spielstile verhagelt, die mich eigentlich interessiert haben.
Warum ist es für manche so wichtig, dass man "richtig" spielt? So wichtig, dass man lieber Neuzugänge in der eigenen Community abblockt, als eine Verwässerung zu akzeptieren?
Ist es der Stolz, dass man es selbst "begriffen" hat, der nur haltbar ist, wenn man im Besitz der einzigen Wahrheit ist? Angst, dass sich das eigene geliebte Spiel verändern könnte, wenn man es mit anderen Augen sieht?
« Letzte Änderung: 4.02.2025 | 15:04 von aikar »
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline ghoul

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #1 am: 4.02.2025 | 15:15 »
Vielleicht sind die Ermahnungen als Tips gemeint?
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Offline Aedin Madasohn

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #2 am: 4.02.2025 | 15:27 »
Ulrich Kiesov wurde für seine "erziehende" Art in den alten DSA-Büchern ja oft genug kritisiert

UK war ein verhinderter Lehrer aus den frühen 80er, welcher noch Angst vor der Zensur (haben musste)
dementsprechend schulbuchbelehrend musste er seine Phantastik tarnen, um sich dann immer hinter diesen letzten Schutz auch persönlich verstecken zu können
"...aber sinnloses Abschlachten von Kreaturen nur ihrer Monsterklassepunkte und Schätze wegen habe ich doch mit erhobenen Zeigefinger auf Seite X als nicht Sinn meines Spiels adressiert..."

das dann Legionen an "Meistern" ihre ganz persönlichen Allmachtsphantasien gegenüber ihren Pimpfen auslebten: war in jeder Fußballmanschaft, Sportgruppe und Schulhofgang ja nicht anders.
versuch mal, einer Fußballmannschaft einen anderen Spielstil schmackhaft zu machen  ;D oder einer Schulhofschlägergang eine friedlichere Masche  ~;D
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Offline tartex

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #3 am: 4.02.2025 | 15:34 »
UK war ein verhinderter Lehrer aus den frühen 80er, welcher noch Angst vor der Zensur (haben musste)
dementsprechend schulbuchbelehrend musste er seine Phantastik tarnen, um sich dann immer hinter diesen letzten Schutz auch persönlich verstecken zu können
"...aber sinnloses Abschlachten von Kreaturen nur ihrer Monsterklassepunkte und Schätze wegen habe ich doch mit erhobenen Zeigefinger auf Seite X als nicht Sinn meines Spiels adressiert..."

Ich sehe das eher so: anfangs hat Kiesow Rollenspiel für Menschen seiner Altergruppe übersetzt und entwickelt. Als DSA aber bald von von Leuten zwischen 8 und 16 dominiert wurde - was ja auch nicht verwunderlich ist, weil D&D ja bei derselben Altergruppe es in den USA in den Mainstream schaffte -, konnte er nicht rum, denen sozialpädagogisch mitgeben zu wollen. Da kam dann der Lehrer durch.

Ich behaupte fast jeder hier im Forum würde Kumpels seiner Altersgruppe anders leiten als für eine Kindergruppe.
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Offline KhornedBeef

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #4 am: 4.02.2025 | 15:38 »
Nun muss man ja faierweise sagen, dass es moderne Spiele gibt, die einfach wesentlich weniger offen angelegt Sind. "Du bist ein dreiarmiger Tintenfisch der mit anderen Tintenfischen nur über seine Hautfarbe kommuniziert und deswegen würfeln wir mit Schulpen und ihr habt drei Tage Zeit eure wahre Liebe zu finden bevor ein Fischtrawler euch alle tötet" kommt ohne ein paar Belehreungen, wie man spielen soll, nicht aus.
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Offline Hotzenplot

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #5 am: 4.02.2025 | 15:39 »
Persönlich hat mir das immer wieder mal die Lust auf neue Rollenspiele bzw. neue Spielstile verhagelt, die mich eigentlich interessiert haben.

Das ist der bittere Punkt daran. Ich kann das persönlich gut nachvollziehen und habe es schon auf die ein oder andere Art selbst erlebt. Ich kann mich andersherum aber bestimmt auch nicht frei davon sprechen, selbst irgendwie dafür gesorgt zu haben, dass sich jemand unwohl gefühlt hat und die Lust verloren hat, weil ich vielleicht dumme Sprüche gemacht habe oder irgendeinen anderen Quatsch. Insofern fasse ich mir diesbezüglich gerne an die eigene Nase ungelobe Besserung.

Zu meiner sehr aktiven Zeit u. a. hier im DSA-Bereich des Tanelorn war das DSA-bashing gerade groß in Mode, weshalb sich mehrere DSA-Liebhaber vom Tanelorn damals losgesagt haben. Das ist sehr bedauerlich. Ich hoffe, man ist über diese "Mode" hinweg inzwischen.

Systembashing und Spielvorliebenbashing gehört glaube ich einfach zum Teil zu den Medien, die wir nutzen. Am seriösen Ende ist es vielleicht schwierig, ein Bashing von gut gemeinten Ratschlägen zu unterscheiden (insofern bin ich bei @ghoul, dass Tipps z. T. missverstanden werden als Ermahnungen).

Aedin hat es ja auch schon gesagt. Ich glaube, dass ist irgendwie auch so ein wiederkehrender Findungsprozess von sozialen Gruppen u. a. auch im Hobbybereich. Zum Teil liegt das mit Sicherheit daran, dass Menschen sich etablieren wollen, sich mit anderen gemein und mit anderen nicht gemein machen wollen (abgrenzen) und so weiter. Aber das wissen Experten im Hinblick auf Psychologie und Soziologie sicher besser als ich.

Die Botschaft kann ja immer nur lauten: Am Ende muss jeder selbst entscheiden, wie er seinen Spaß hat (die Grenzen liegen dann in den Rechten und Befindlichkeiten anderer). Und diese Botschaft würde ich auch gerne hier im Tanelorn immer wieder ganz deutlich machen. Nur, im Eifer des Gefechtes gelingt es halt nicht jedem immer.

Online Zed

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #6 am: 4.02.2025 | 15:48 »
Vielleicht sind die Ermahnungen als Tips gemeint?

Vielleicht sind sie es, vielleicht auch nicht.

Das ist nicht immer leicht zu sagen, insbesondere, wenn bei Schwierigkeiten und Problemen aller denkbaren Lagen immer nur dasselbe eine hochfunktionale System als Lösung genannt wird. So klingt auch in Tipps die Ermahnung mit, nicht von "dem einen System" abzuweichen. Zumindest in meinen Ohren, und vielleicht geht es ja auch anderen so?
Reiche ein oder zwei coole Ideen für mitreißende Abenteuereinstiege ein. Die drei Höchstplatzierten gewinnen je Gutscheine über 50€. Einsendeschluss: 24.02.'25: Die zweite Abenteuer-Einstiege-Challenge.

Offline ghoul

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #7 am: 4.02.2025 | 16:01 »
Gut, dass sind aber Dinge, die man im konkreten Fall besprechen muss, nicht im allgemeinen.
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Offline nobody@home

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #8 am: 4.02.2025 | 16:43 »
Das einzig richtige Spiel ist natürlich immer genau das, was man selber dafür hält -- egal, welcher Meinung der Rest der Welt ist. Alles Weitere erklärt sich daraus eigentlich schon von selbst. ;)

Offline JollyOrc

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #9 am: 4.02.2025 | 16:49 »
Ich hab in meinen eigenen Spielen ja durchaus "freundliche Hinweise" drin, darüber, wie ich glaube, dass mein Spiel am besten funktioniert, und was man als Referee tun und was man lassen sollte.

Allerdings hoffe ich stark, dass das nur ein klein wenig bis gar nicht Oberlehrer-Tonfall ist:

Zitat
One of the more odious things that can happen in a dungeon crawl is that players painstakingly describe how their adventurers try to proceed safely, how they tap the floor for traps, only look around the corners with a mirror, etc. It is the same routine for every corridor and each room, but they feel that if they forget about describing it in detail, there will be some “gotcha” moment that gets them into trouble.

I really recommend that you don’t do that, it is tedious and boring!

Instead, if there is a danger, show it to them! Describe the stench of the monster behind the door, the mutterings of the orcs down the hallway, the skeleton of the hapless adventurer from two years ago that succumbed to the trap that they might run into now.

It is important that the players can trust your descriptions so they know that if there is a way to avoid a certain danger, they have a chance to find it. And vice versa, once they trust you, they will accept it when you tell them that there really wasn’t a way to avoid something they just ran into.

And yes, if you squander that trust, you might end up with no players at all.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline nobody@home

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #10 am: 4.02.2025 | 17:22 »
Nun muss man ja faierweise sagen, dass es moderne Spiele gibt, die einfach wesentlich weniger offen angelegt Sind. "Du bist ein dreiarmiger Tintenfisch der mit anderen Tintenfischen nur über seine Hautfarbe kommuniziert und deswegen würfeln wir mit Schulpen und ihr habt drei Tage Zeit eure wahre Liebe zu finden bevor ein Fischtrawler euch alle tötet" kommt ohne ein paar Belehreungen, wie man spielen soll, nicht aus.

Und auch da kann man bei Bedarf fragen, was zum Henker denn nun wieder ein "offen angelegtes" Spiel sein soll. Irgendwelche "selbstverständlichen" Erwartungen, die sich dann für in die entsprechenden Dunstkreise noch nicht Eingeweihte als gar nicht mal sooo selbstverständlich entpuppen, hängen schließlich normalerweise auch schon reichtlich an solchen Dingen wie "EDO-Fantasy"...allein schon die Tatsache, daß das ein Akronym sein soll und sich eben nicht auf den ehemaligen Namen von Tokio bezieht, muß man ja ggf. erst mal erklären. ;)

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #11 am: 4.02.2025 | 17:56 »
Für mich hatte der Satz „wir spielen nicht gegeneinander, sondern gemeinsam“ eine große Anziehungskraft und er hat mich immer wieder im Spiel gehalten, wenn die anderen Gründe grade nicht zogen.

Das war zu einer Zeit, in der fast alle Brettspiele gegeneinander gespielt wurden und nur einen Sieger und einen bis viele Verlierer hatten. Und mir entsprechend wenig Spaß gemacht haben (ich wollte nicht gegen andere gewinnen; das war für mich noch schlimmer als zu verlieren). Der Satz ist aber halt doch eher belehrend.

Vielleicht braucht es ein bisschen oberlehrerhaftes Schreiben, um einen anderen Stil zu etablieren — auch wenn der Stil, sobald er mal etabliert ist, sich selbst trägt.
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Offline Feuersänger

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #12 am: 4.02.2025 | 17:57 »
@Jolly: diese Tips die du da gibst, finde ich gar nicht oberlehrerhaft sondern sehr hilfreich. Etwa so versuche ich das auch immer zu machen.
Es gehören halt immer zwei dazu -- wenn du nicht willst, dass die Spieler mit paranoidem Vorgehen den Spielfluss auf Endmuränen-Tempo runterbremsen, darf man auch nicht so leiten dass eine solche Paranoia gerechtfertigt ist.

Diese Vorschläge sind halt eine völlig andere Stoßrichtung als das, was da damals an hilfreichen Erziehungsmaßnahmen in gewissen DSA-Texten anempfohlen wurde. Das ging ja mehr in die Richtung "Wenn die HeldenTM ständig fliegen, fahre ein paar Flugdämonen auf, das wird sie lehren!" Und sich dann wundern, wenn die Spieler daraus die exakt entgegengesetzten Schlüsse ziehen - "Boah was für ein Glück dass wir geflogen sind, gegen die Gegner wären wir ja zu Fuß völlig verratzt gewesen".
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

Offline Weltengeist

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #13 am: 4.02.2025 | 18:03 »
Ist es der Stolz, dass man es selbst "begriffen" hat, der nur haltbar ist, wenn man im Besitz der einzigen Wahrheit ist? Angst, dass sich das eigene geliebte Spiel verändern könnte, wenn man es mit anderen Augen sieht?

Ich erkläre es mir damit, dass diejenigen, die sonst nix haben im Leben, wenigstens Recht haben wollen ~;D.

Nein, im Ernst, ich versteh es auch nicht. Aber ich verstehe Menschen ja trotz intensiver, jahrelanger Bemühungen ohnehin nicht.

Letztlich ist das aber nur eine Spielart des Dauerthemas, dass Menschen permanent Meinung und Wahrheit verwechseln. Nicht "ich mag keine Pizza Hawaii", sondern "Pizza Hawaii ist scheiße" eben.
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Offline Femenmeister

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #14 am: 4.02.2025 | 18:50 »
Verstehe die Problematik vollkommen und natürlich begegnen einem immer mal wieder Leute, die ihre Art zu spielen als die einzig legitime erachten.

Andererseits muss ich sagen, dass diese unsympathische Haltung im Vergleich zu früheren Zeiten nach meinem Empfinden doch recht stark abgenommen hat. In den Communities, in denen ich mich herumtreibe, gilt es mittlerweile flächendeckend als unhöflich, jemand anderen einen Spielstil vorzuschreiben. Wenn es doch einmal passiert, sind schnell ein Haufen Supporter da, die denjenigen auf seinen Fauxpas aufmerksam machen.

Auch im Tanelorn-Forum scheint mir das erfreulicherweise die Grundhaltung zu sein. Aber ich bin ich ja noch nicht so lange bei Euch... ;-)

War es früher denn hier anders?

Offline Prisma

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #15 am: 4.02.2025 | 19:03 »
Ich vertrete die harte These das DSA in diesem Aspekt ein Irrweg war. Man hat das Rollenspiel aus einer literarischen Perspektive betrachtet und so auch gespielt (das DSA-Abenteuer als Kurzgeschichte). Natürlich muss man dann Regeln aufstellen, wie etwas zu spielen ist, weil es dann nur einen richtigen Weg geben kann, dies zu erleben, wie bei einer Prosa-Erzählung. Doch Rollenspiel ist etwas ganz anderes als Prosa.
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Offline Hotzenplot

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #16 am: 4.02.2025 | 19:12 »
Nicht "ich mag keine Pizza Hawaii", sondern "Pizza Hawaii ist scheiße" eben.
Irgendwo ist gerade ein Italiener gestorben.  8]
Aber ja, das halte ich auch für eines der Grundprobleme. Meinung als "die Wahrheit" zu verkaufen.

Ich vertrete die harte These das DSA in diesem Aspekt ein Irrweg war. Man hat das Rollenspiel aus einer literarischen Perspektive betrachtet und so auch gespielt (das DSA-Abenteuer als Kurzgeschichte). Natürlich muss man dann Regeln aufstellen, wie etwas zu spielen ist, weil es dann nur einen richtigen Weg geben kann, dies zu erleben, wie bei einer Prosa-Erzählung. Doch Rollenspiel ist etwas ganz anderes als Prosa.

Ist das schon eine These? Du sprichst von DSA ganz allgemein? Von Werken, von dem, wie es gespielt wird?
Ich glaube, dass das auf einzelne Werke zutreffen mag, aber in der Gesamtheit ist es m.E. eine unzulässige Pauschalierung.

Offline Galatea

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #17 am: 4.02.2025 | 19:19 »
Ulrich Kiesov wurde für seine "erziehende" Art in den alten DSA-Büchern ja oft genug kritisiert, DSA hat diesen Ruf einer toxischen Rechthaber-Community bis heute. Aber auch bei OSR, PbtA, Traveller und Savage Worlds ist mir immer wieder untergekommen, dass Fragen von Neulingen in einem Shitstorm von Ermahnungen untergehen, man müsse das Spiel "so-und-nicht-anders" spielen.
Im Grundregelwerk von Lodland steht explizit geschrieben, dass man einem Spieler am Ende des Beispiel-Abenteuers Erfahrungspunkte abziehen soll, wenn er einen bestimmten NSC niederschlägt, weil er "nervig" ist. Ich bin zwar jetzt auch kein Fan von Mörderhobos und sinnloser Gewalt - zumindest wenn man eine "normale" Runde spielt - aber das fand ich dann doch etwas krass.

Zumal es bei weitem nicht das einzige Mal ist, dass sich das Buch explizit gegen den Einsatz jeglicher Gewalt (jenseits von Verteidigung) durch Spieler ausspricht - was allerdings echt ein bisschen inkonsequent ist, wenn dann von den 13 Seiten der Grundmechaniken ganze 5 Seiten ausschließlich kampfrelevante Mechaniken behandeln (siehe dazu auch das Thema zum Build-Minmaxing, wo exakt dieses Problem vieler Regelwerke angesprochen wurde).

Persönlich hat mir das immer wieder mal die Lust auf neue Rollenspiele bzw. neue Spielstile verhagelt, die mich eigentlich interessiert haben.
Warum ist es für manche so wichtig, dass man "richtig" spielt? So wichtig, dass man lieber Neuzugänge in der eigenen Community abblockt, als eine Verwässerung zu akzeptieren?
Ist es der Stolz, dass man es selbst "begriffen" hat, der nur haltbar ist, wenn man im Besitz der einzigen Wahrheit ist? Angst, dass sich das eigene geliebte Spiel verändern könnte, wenn man es mit anderen Augen sieht?
Letztlich kann alles gespielt oder nicht gespielt werden, was deine Runde mitmacht. Ist ja nicht so, dass der Schreiber des RPGs in eure Runde reinplatzen und euch verbieten könnte, so zu spielen, wie ihr wollt.

Wenn ihr eine DSA-Mörderhobo-Gruppe oder blutrünstige Lodland-Piraten spielen, oder als fentanylvertickende Pimpbande der Rattenmafia Teile des Kaufhauses terrorisieren wollt, wer soll euch daran hindern?

In einigen Fällen vermute ich, dass eine gewisse Angst der Designer mitgeht, die Reputation ihres Settings könnte beschädigt werden - wenn man sich anschaut, was das Internet z. B. mit Garfield gemacht hat, ist das zumindest pauschal nicht komplett von der Hand zu weisen.
« Letzte Änderung: 4.02.2025 | 19:24 von Galatea »
We should respect all forms of consciousness. The body is just a vessel, a mere hull.

Offline flaschengeist

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #18 am: 4.02.2025 | 22:06 »
Andererseits muss ich sagen, dass diese unsympathische Haltung im Vergleich zu früheren Zeiten nach meinem Empfinden doch recht stark abgenommen hat. In den Communities, in denen ich mich herumtreibe, gilt es mittlerweile flächendeckend als unhöflich, jemand anderen einen Spielstil vorzuschreiben. Wenn es doch einmal passiert, sind schnell ein Haufen Supporter da, die denjenigen auf seinen Fauxpas aufmerksam machen.

Auch im Tanelorn-Forum scheint mir das erfreulicherweise die Grundhaltung zu sein. Aber ich bin ich ja noch nicht so lange bei Euch... ;-)

Diesen Eindruck teile ich zum Glück.


Ich erkläre es mir damit, dass diejenigen, die sonst nix haben im Leben, wenigstens Recht haben wollen ~;D.

Nein, im Ernst, ich versteh es auch nicht. Aber ich verstehe Menschen ja trotz intensiver, jahrelanger Bemühungen ohnehin nicht.

Letztlich ist das aber nur eine Spielart des Dauerthemas, dass Menschen permanent Meinung und Wahrheit verwechseln. Nicht "ich mag keine Pizza Hawaii", sondern "Pizza Hawaii ist scheiße" eben.

Damit hast du es doch verstanden. Etwas psychologischer lässt es sich so ausdrücken:

1. Ein psychisches Grundbedürfnis ist Selbstwertschutz und -erhöhung.
2. Eine Strategie dieses Bedürfnis zu füttern besteht darin, sich über andere zu stellen - z.B. weil man "den Durchblick" hat.
3. Menschen, die ihren Selbstwert (gerade) anderweitig füttern können, brauchen eine solche Strategie also nicht.

Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittel-crunchiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Prisma

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #19 am: 4.02.2025 | 22:14 »
Ist das schon eine These? Du sprichst von DSA ganz allgemein? Von Werken, von dem, wie es gespielt wird?
Ich glaube, dass das auf einzelne Werke zutreffen mag, aber in der Gesamtheit ist es m.E. eine unzulässige Pauschalierung.
Für die Gesamtheit des Gesamtwerks DSA, nein. Für die "Kiesowsche-Epoche" schon.
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Offline Skaeg

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #20 am: 4.02.2025 | 22:31 »
Ich vertrete die harte These das DSA in diesem Aspekt ein Irrweg war. Man hat das Rollenspiel aus einer literarischen Perspektive betrachtet und so auch gespielt (das DSA-Abenteuer als Kurzgeschichte). Natürlich muss man dann Regeln aufstellen, wie etwas zu spielen ist, weil es dann nur einen richtigen Weg geben kann, dies zu erleben, wie bei einer Prosa-Erzählung. Doch Rollenspiel ist etwas ganz anderes als Prosa.
Wenn das eine reine DSA-Geschichte wäre, gäb's den (englischen) Begriff Railroading nicht.
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Offline Antariuk

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #21 am: 4.02.2025 | 23:15 »
Die Medaille hat auch eine Kehrseite, nämlich Spieler, die, noch bevor sie ein Spiel wirklich gespielt haben, mit dem Hacken oder Modden beginnen und mit ihren Theorien oder Zielen hoch hinaus wollen. Das ist per se natürlich gar nicht verwerflich, nur wer die Autofahrt ohne Hingucken beginnt und dann erst unterwegs fragt, wie man eigentlich die Gänge wechselt... nun ja, das ist eben vermeidbar. System matters, und nicht jedes Spiel eignet sich für alles gleichermaßen gut (Gurps-Fans jetzt mal eben weghören >;D ), weshalb manche Neulingsfragen dann sicher an eine "Noch so einer..."-Resignation der Veteranen scheitern. Die artet dann sicher auch mal in unangemessenen Reinheitslehren aus, ohne Frage, vom Himmel gefallen ist diese aber auch nicht.

Wobei ich den Eindruck habe, dass das Problem insgesamt deutlich weniger prägnant ist als früher mal. Die Zeiten des "richtigen" Savage Worlds Spielens sind zum Glück lange vorbei, zumindest im :t:
"Ein Zauberer mag noch so raffiniert sein, ein Messer im Rücken wird seinen Stil ernsthaft versauen." - Steven Brust

Offline Robert Paulson

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #22 am: 4.02.2025 | 23:19 »
Ich hab vor einigen Monaten im Modiphius Discord gefragt wie lange andere Spielleiter für eine Kauf-Kampagne gebraucht haben, um das mal ganz grob abschätzen zu können.
Erste Antwort wie dumm ich den sei sowas zu fragen,  weil das wäre ja überhaupt nicht übertragbar  Da hab ich nicht schlecht gestaunt   wie bevormundend man sein kann. Mit fast 20 JahrenSL Erfahrung ist mir klar wie grob sowas ist aber fragen kostet auch nichts.
Um auf meinen Punkt zu kommen: Ich glaub die Leute haben insbesondere im Internet nicht die Möglichkeit und oft auch gar keine Lust sich in einen Fragesteller hinzudenken. Eigentlich gerade zu ironisch wenn man unser Hobby betrachtet. Vermutlich ist es einfach bequemer so und man kann gleichzeitig noch (zumindest mutmaßlich) "Recht haben".
Mir ist damit leider auch das Interesse an der Modiphius Discord Community vergangen.

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #23 am: 4.02.2025 | 23:42 »
System matters, und nicht jedes Spiel eignet sich für alles gleichermaßen gut (Gurps-Fans jetzt mal eben weghören >;D ), [...]

Wobei meiner dunklen Erinnerung nach ja auch GURPS nicht so ganz frei von So-spielt-man-richtig-Belehrungen ist, und die findet man dann nicht mal so sehr "nur" in irgendwelchen Kaufabenteuern als vielmehr im Regelwerk selbst. ;)

Letzten Endes stimmt's aber natürlich: jedes System hat seine eigenen Stärken und Schwächen und Eigenheiten, und das eine perfekte Spiel für alles und jeden gibt es genausowenig wie den beliebig in Serie fertigbaren idealen Rollenspieler, der sofort perfekt mit Begeisterung, aber ohne anzuecken an jeden beliebigen Spieltisch paßt. 8] Was die meisten von uns aber bei näherem Hinsehen "eigentlich" brauchen, sind ja "nur" Systeme, die uns persönlich abholen und für die wir auch eine Gruppe zusammenbekommen können...und das geht allemal schon eine Nummer oder zwei kleiner als gleich Das Totale Welt-Beglückungs-Rollenspiel (tm).

Offline Grey

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Re: Belehrungen des richtigen (TM) Spiels
« Antwort #24 am: 5.02.2025 | 08:11 »
Ein Problem dürfte auch sein, dass schlicht die Grenze zwischen "freundschaftlichem Necken" und "hart angehen" beliebig unscharf ist. Was für den einen ein harmloser Flachs über eine offensichtliche Schwäche am DSA-System ist, kann sich für den eingefleischten Fan schon als Niedermache anhören.

Wobei meiner dunklen Erinnerung nach ja auch GURPS nicht so ganz frei von So-spielt-man-richtig-Belehrungen ist, und die findet man dann nicht mal so sehr "nur" in irgendwelchen Kaufabenteuern als vielmehr im Regelwerk selbst. ;)
Hör bloß auf! >:( Der übelste So-spielt-man-richtig-Geek, mit dem ich je das "Vergnügen" hatte, schwor auf GURPS. Alle anderen Systeme und alle Spielstile außer seinem (und alle Spielleiter außer ihm selbst) hat er gnadenlos in Grund und Boden gebashed. Ich hatte in den 90ern (leider) regelmäßig mit ihm zu tun. Wenn ich von ihm erzähle, nenne ich ihn bis heute den Gröspaz (Größter Spielleiter aller Zeiten).
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
--
Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)