Autor Thema: Wann entstehen für euch Spielfakten am Beispiel Murder Mistery  (Gelesen 1874 mal)

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Offline chad vader

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Moin!

ich denke jeder kennt das Setup: Die SCs sollen/möchten einen Mord aufklären, es gibt unterschiedlich sichtbare Verdächtige mit ebenfalls mehr oder weniger offensichtlichen Motiven, Indizien, Beweisen, Zeugen und Alibis.

Wir alle kennen die Klischees und dramaturgischen Konventionen dieses Genres in Romanen und Filmen:
- Offensichtliche Motive sind in der Regel falsch.
- Spuren weisen zunächst auf falsche Verdächtige.
- Erst zum Abschluss nach einer Reihe von falschen Verdächtigen wird eine zu Beginn eher überraschende Tatperson überführt.

Neulich hatte ich ein Abenteuer in der Hand, das diese dramatische Struktur im Rollenspiel folgendermaßen sicherstellt:

Die Tatperson ist im Abenteuer nicht festgelegt. Stattdessen werden zu einer Reihe von Verdächtigen Motive, Beweise und Albis angeboten, die die Spielleitung je nach Handlungsverlauf nutzen kann. Jeder könnte die Tatperson sein, wenn die SL nur das Alibi auslässt. Das macht die SL einfach bei der zuletzt und final verdächtigten Person.

Mir haben sich beim Lesen fast die Zehnägel nach oben gekräusel. Das fand ich so furchtbar. Wenn ich ein Verbrechen als Mittelpunkt der Spielhandlung etabliere, dann müssen für mich wesentliche Fakten wie die Tatperson feststehen. -  Und ja, wenn die Spielenden schneller auf die richtige Spur finden, dann machen sie mMn genau das, was den Spaß des Genres ausmacht: Sie versuchen den Fall aufzulösen, bevor es ein Kommissar in einem gelesenen Roman getan hätte, nur dass sie eben keine Leser sind, sondern den Kommissar selbst verkörpern.

So, wie das Abenteuer das löst, ist in meinen Augen die maximale Entwertung jeglichen Spielerhandelns.

Ich habe leider den Titel des Abenteuers vergessen (ich glaube es war ein DSA- oder D&D-Fanprodukt), aber mit hat das nochmal sehr verdeutlicht, dass für mich Spielfakten nicht erst in dem Moment entstehen, in welchen ich sie während der Handlung den Spielern präsentiere. Mindestens Teile meiner SL-Vorbereitung sind bereits vor der Spielhandlung Fakten des Spiels. Anders kann ich keine konsistente Spielwelt anbieten, in welchen Spielende ihre Figuren eigenständig entscheiden und handeln lassen.

Was denkt ihr?
« Letzte Änderung: 29.04.2025 | 09:21 von chad vader »

Offline bobibob bobsen

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Ich finde die Idee sehr charmant wenn auch nicht neu (siehe Gumshoe).

Offline JollyOrc

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ich stelle eine Gegenthese zu der Spaßquelle "versuchen den Fall aufzulösen, bevor es ein Kommissar in einem gelesenen Roman getan hätte" auf:

Der Spaß an Krimis, insbesondere solchen mit überraschenden Wendungen, falschen Spuren und falschen Verdächtigen entsteht für viele nicht daraus, dass sie den Fall schneller als die Kommissare lösen, sondern aus der eigenen Verblüffung und der Kunstfertigkeit, wie sie abgelenkt wurden, und wie sich hinterher alles zusammenfügt.

Man will vom Twist überrascht werden. Also Zaubershow statt Rätselwettbewerb sozusagen.

Wenn ich für solche Leute leite, dann finde ich das Vorgehen, selbst die Lösung des Falls noch nicht zu kenne völlig legitim.

Und kurz zum Handwerklichen:

Mindestens Teile meiner SL-Vorbereitung sind bereits vor der Spielhandlung Fakten des Spiels. Anders kann ich keine konsistente Spielwelt anbieten [...]
:Ironie:
Dann bist Du eben ein Schlechter Spielleiter[tm], weil Du nicht schnell genug improvisieren und Deine Improvisation im Kopf halten kannst!  ~;D

Nein, bist Du natürlich nicht! [Narrenkappe absetzend]

Aber mein SL-Stil ist tatsächlich 50% Vorbereitung und 50% Improvisation bzw. mich selbst durch Würfelergebnisse überraschen lassen. Dabei kann ich die Welt und die Figuren konsistent halten, wenn ich mir die wichtigen Eckdaten schnell notiere, Plausibilitätsprüfungen schnell abhandeln kann, und darauf achte gesetzten Fakten nicht zu widersprechen.

NSC Behauptungen können sich aber im Nachhinein als Lügen oder Irrtümer herausstellen. Wenn ich darauf zurückgreife, muss ich aber auch gleichzeitig für mich logisch begründet festlegen, warum die Person gelogen oder sich geirrt hat. Und ich darf es nicht zu häufig machen, denn sonst glaubt die Gruppe niemanden mehr :)
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Online ghoul

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Ich sehe es wie chad.
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PESA hilft!
PESA diskutiert.
Desweiteren: Alle deine Probleme wurden bereits in AD&D 1e gelöst.

Offline Derius

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und darauf achte gesetzten Fakten nicht zu widersprechen.

Selbst das halte ich manchmal für legitim. Ich habe nur begrenzt Zeit für das SL-Dasein (die ich gerne dafür aufwende, nur irgendwann ist die Kapazität halt ausgeschöpft) und kann nicht alles im Voraus durchplanen. Es ist schon vorgekommen, dass sich die Story entwickelt habe und ich dann irgendwann Zeit für das Planen einen Abschnitts/Elements hatte, um dann festzustellen zu müssen, dass bestimmte Ereignisse/Aussagen davor nicht zu meinem Planen passten (obwohl sie nach innenweltlicher Logik gemusst hätten). Dann habe ich meinen Spielern erklärt, dass diese Ereignisse doch anders passiert sind und das war dann auch für alle ok.

Online nobody@home

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Ich sehe das relativ neutral. Persönlich will ich in einem Ermittlungsszenario als SL schon möglichst genau wissen, was eigentlich "wirklich" Sache war (auch, damit ich im Zweifelsfall beim Verteilen von Hinweisen etwas improvisieren kann), aber mir ist auch schon mal ein Fertigszenario untergekommen, das den Täter erst "nachträglich" festlegt, und mit dem ich diesbezüglich im Prinzip ebenfalls kein Problem hätte.
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Die Sache ist nur, daß ich mir persönlich weder das Talent zutraue, ein ähnliches Abenteuer praktisch "komplett" zu improvisieren, noch den Arbeitseifer habe, meinerseits sämtliche Optionen schon im Vorfeld durchzuspielen (wie's das bewußte Abenteuer tatsächlich tut, komplett mit jeweils passenden Motiven für alle beteiligten NSC.) Selbst so anlegen könnte ich dergleichen also mMn nicht, aber für interessant und zumindest grundsätzlich allemal auch verwendbar halte ich den Ansatz trotzdem.

Offline Streunendes Monster

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Quantenoger als Spielinhalt.
Kann funktionieren - not my cup of coffee  ;)

Ich bevorzuge als SL und als SpL klare Strukturen und einen tief eingebetteten Hintergrund. "Die Toten des Winters" (dt. Ausgabe) als Abenteuer wäre da ein sehr guter Kandidat.
"Considerate la vostra semenza: fatti non foste a viver com bruti, ma per seguir virtute e canoscenza"

Willst Du Recht haben oder glücklich sein?

Online Zed

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Ich würde mich wie JollyOrc zu den 50-50 Spielleitern zählen: 50% Vorbereitung und 50% Improvisation.

Das Grundproblem scheint mir aufzukommen, wenn die Spielleitung ein Murder-Mystery-Abenteuer spielen möchte. Ein ganzes Abenteuer dieses Whodunit-Genres braucht ein größeres Maß an Unfreiheit und Lenkung, wenn es sicher über mehrere Sessions hinweg gespielt werden soll.

Ich würde Murder-Mystery-Momente begrüßen, wenn sie sich mal ergeben, aber eben wegen der von chad dargestellten Schwierigkeiten würde ich nicht versuchen, diese Momente auf ein Abenteuer zu strecken. Dann lieber einen Thriller basteln, dessen Länge sich beim Ausspielen ergibt.

Offline unicum

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Das problem sind möglicherweise auftretende Inkonstistezen.

Wenn ich weis wer der Mörder ist und wie dieser die Tat umgesezt hat, welchen Weg er dorthin genommen hat - und welchen auf der Flucht, so ist es mir sehr viel einfacher etwas konsistenz zu improvisiern.

Ich meine ohne Improvisation geht ja kaum etwas, aber die Frage ist doch wann der Fakt geschaffen wird: InGame oder OutGame? Ich kann den Fakt outgame festgelegt haben und trozdem 90% Improvisieren.

Tatsächlich sind solche Szenarien etwas das ich sehr gerne leite.

Offline KhornedBeef

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Ich mag lieber (siehe Nachbarthread) ein traditionelles Rätsel haben, dessen Lösung ich als SL designe. Unterschwellig hat das womöglich mit autorieller Kontrolle zu tun, die ich dann ja haben muss, während ich bei anderen Plots akzeptiere, dass ich lieber meine Idee als das Spiel ruiniere, wenn nötig.
Das andere fühlt sich auch mehr wie eine storywriting- Übung an, und wenn man da ohnehin Bock drauf hat beim Spielen, dann passt das ja.
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline JollyOrc

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Ich denke, es gibt auch folgendes zu bedenken:

Murder Mystery ist ein Erzählformat. Wie chad vader eingangs schilderte, es kommt mit vielen Klischees und Konventionen daher, die sich nur selten organisch im Spiel ergeben.

Man kann da meiner Ansicht gar nicht mit einer Handlungssimulation ran, sondern braucht IMO eine Genreemulation.

Es reicht eben nicht, die Vergangenheit aufzuschreiben (Wer hat wen warum und wie umgebracht und welche Alibis gibt es?), sondern um das Format "Murder Mystery" zu erhalten, braucht es zwingend eben auch die Irrwege und falschen Fährten.

Dazu kommt: Viele Setting-Elemente könnten das sofort kaputt machen.
  • Hochmittelalter? "Ich klage Sir Guiness an und beweise meine Anklage durch Trial-by-Combat!"
  • High Fantasy? "Ich zaubere Hellsicht und weiß, wer den Hohepriester umgebracht hat."
  • (A propos Hohepriester - warum greift da seine Gottheit nicht ein?)
  • Science Fiction? Wir haben DNA-Analysen und beste Forensik.
  • Cyberpunk? Überwachung überall...
Das müsste man alles handwedeln, bzw. per Szenariosetzung leider-leider jetzt gerade verunmöglichen damit das nicht benutzt wird.

Sprich: Man kann natürlich ein Murder Mystery simulationistisch vorbereiten und leiten. Aber ob da dann auch ein Murder Mystery herauskommt ist eher Zufall.

Wenn man es aber emulatorisch vorbereitet und leitet, leidet zwar die Simulation, aber man bekommt auch sehr viel wahrscheinlicher ein Murder Mystery.
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Online Zed

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Sprich: Man kann natürlich ein Murder Mystery simulationistisch vorbereiten und leiten. Aber ob da dann auch ein Murder Mystery herauskommt ist eher Zufall.
Oder so. Sehr gut auf den Punkt gebracht!

Offline Sashael

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Deine Beispiele, wie Settingkonventionen Murder Mysteries zerstören, wurden wirklich alle bereits durch Autoren benutzt, um trotzdem ein Murder Mystery zu schreiben.  :D

Aber ja, Murder Mystery ist ein eigenes Genre, das man nicht überall einfach so reinquetschen kann.
Allein die Tatsache, dass der Fall nicht von der Polizei mit Hilfe ihres umfangreichen kriminalwissenschaftlichen Arsenals und Personals gelöst wird, sondern durch eine Privatperson mittels Zeugenbefragung und ziemlich oberflächlicher Beweissichtung (keine Forensik), ist ja schon realistisch betrachtet ziemlich fragwürdig. Bereits da müssen ja die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Abgelegene Lage, eingeschlossene Gesellschaft, Diskretion wichtiger als alles andere.

Aber imo sollte der Fall auch feststehen.
Impro schön und gut und ich improvisiere SEHR gerne beim Leiten, aber diverse Fakten sollten einfach unverrückbar da sein, damit ich mich zwischen diesen Fixpunkten auch hin- und herhangeln kann.

Wenn die Spieler partout nicht drauf kommen, schick ich nen NSC, der nach dem Stand der Ermittlungen fragt und durch Nachfragen schubs ich die Spieler in die richtige Richtung.

Und wenn sie den Fall in 5 Minuten lösen, dann kann ich ja noch ne wilde Verfolgunsgjagd mit dem Täter einbauen, wenn ich sonst keine Idee für die restliche Spielzeit habe.

Dieses "Nicht mal die SL kennt den wahren Täter am Beginn des Abenteuers" finde ich sehr unbefriedigend.
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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Online nobody@home

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Ein Stück weit wäre da für mich als SL auch einfach die Frage, was ich nun eigentlich konkret will: tatsächlich ein klassisches Murder-Mystery-Szenario mit allen bekannten Schikanen für die Spieler...oder reicht vielleicht einfach doch 'nur' ein "Hier ist ein Mord passiert, an dessen Aufklärung ihr alle Interesse habt", und ob die Spieler das in der ersten Dreiviertelstunde schaffen, die ganze Sitzung brauchen, oder den Tathergang vielleicht auch einfach nie durchschauen und der Mörder zumindest diesmal ungeschoren davonkommt, bleibt erst mal völlig offen?

Denn das sind aus meiner Sicht schon wieder zwei recht verschiedene Situationen.

Offline Mangu

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Ich leite auch lieber ein Spiel, wo der Mörder (für den Spielleiter) von Anfang an fest steht und nicht spontan erst "ausgewürfelt" je nachdem wie sich die Spieler entscheiden. Alles andere nimmt in meinen Augen den Spielern die Verantwortung (sowohl positiv als auch negativ). Allerdings bin ich auch mittlerweile gelangweilt von Stories/Filmen, die eine Wendung nach der anderen bringen. Irgendwann ist es dann nicht mehr plausibel.

Offline gilborn

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Was denkt ihr?
Mir geht es wie dir, das gefällt mir nicht.
Als Spieler funktioniert es vielleicht noch, wenn es hinreichend gut versteckt ist, wobei ich es mir repetativ vorstelle, von einem Verdächtigen nach dem anderen die Alibis abzuklappern - ich mag es lieber, wenn der Mörder während der Investigation noch etwas unternimmt, und das kann er hier nicht...
Würde ich als Spieler im Nachgang das AB lesen, wäre ich auf jeden Fall enttäuscht.

Als SL ist es vermutlich einfach zu leiten auf diese Weise, jedoch fände ich es auch maximal Langweilig.
Das Leiten stelle ich mir vor wie eine Punkteliste der Reihe nach abzuhaken.

EDIT: Ich liebe im Übrigen Mystery Plots, bei denen sich das Offensichtliche auch mal als das Richtige herausstellt. Twists sind mMn massiv überbewertet.

Online Raindrop

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Mir gefallen Detektivplots ohne vorgegebene Lösung auch überhaupt nicht, aber das Konzept erfreut sich offenbar einer gewissen Popularität. Das ganze Rollenspiel Brindlewood Bay funktioniert offenbar so, und bei Space: 1889 hatten wir so ein Abenteuer namens "Der Ätherkalkulator" im Sammelband "Unter Hochdruck".

Offline Haukrinn

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Gleich vorneweg, ich finde klassische Detektivplots in ihrer Umsetzung, wie man sie in vielen Spielen findet, super-öde und finde, die haben im Rollenspiel nix zu suchen. Denn diese Plots funktionieren zwar in der literarischen Vorlage (und entsprechenden Filmen) gut, da die rechts starre und lineare Handlung mit begrenzten Entscheidungsspielräumen sich mit dem Genre gut verträgt. Am Spieltisch finde ich das durchhecheln irgendwelcher Hinweise aber extrem langweilig. Das gilt erst recht, wenn das an Fertigkeitswürfen hängt. Der Grund dafür ist simplel: Halbwegs offenes Spiel torpediert nun einmal jeden festen Plot, einen Spannungsbogen bekommt man damit kaum hin. Und selbst wenn man dass extrem limitierend und linear durchzieht, die Fähigkeiten der meisten SLs reicht ehrlich gesagt nicht an die jedes brauchbaren Krimiautoren heran. Zumal die Zeit, die in die Konstruktion des Falls investiert werden kann, ja auch noch deutlich kürzer ist.

Murder Mystery funktioniert für mich (um da mal das komplette Gegenbeispiel zu Raindrop zu bringen) ausschließlich, wenn die Spielfakten im Spiel aus den Aktionen der Spielenden entstehen. Das kann (im klassischen Rollenspiel oder bei pbta) ganz implizit entstehen, sprich durch die Reaktion der SL auf die Aktionen und Entdeckungen der Spieler, oder auch dadurch, dass Hinweise und Spielfakten ganz explizit über Fate Punkte/Story Dice durch die Spielenden erschaffen werden. Letzteres bevorzuge ich sogar, denn dann sind plötzlich alle am Spieltisch für die Konsistenz des Falls verantwortlich und die Last liegt nicht bei mir als SL allein.
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Offline Sashael

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Da gehen die Meinungen halt auseinander.

"Jo, schaun mer mal, wer was warum gemacht hat" ist für mich keine Basis zum Leiten.

Als Spieler würde ich das auch nur als Theaterstadl genießen können, heißt, meine Fähigkeiten sind Wurst, ich spiel halt ne Rolle, was dabei rauskommt, ist ... irgendwas und wir werden dabei auch lachen.

Vor allem, weil der Fall halt völlig egal ist. Ein Verbrechen stellt in meinen Augen eine Herausforderung. Um einen Mord eine spekulative Geschichte herum zu erzählen, was eventuell vielleicht passiert sein könnte, da geht für mich am Spaß einer Ermittlung vorbei.

Ich will mich ja wie ein Detektiv fühlen, nicht wie ein Schauspieler, der einen Detektiv spielt.
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Offline Edgar Allan Poe

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Ich finde, beides hat durchaus seinen Reiz.

Eine ähnliche Herangehensweise hatte zum Beispiel die The Enemy Within Kampagne der 3. (!) Edition von Warhammer Fantasy RPG. Da ist anfangs auch noch nicht klar, wer der Big Bad Evil Guy ist, sondern die Spieler legen das quasi durch ihre Handlungen im Spiel erst fest. Diese Vorgehensweise finde ich richtig gut und spannend, weil sie auch für den Spielleiter eine gewisse Überraschung mitbringen und ich hab mich immer gefragt, warum das Prinzip nicht viel häufiger in Rollenspielabenteuern und Kampagnen genutzt wird.

Wenn aber alles von vorneherein festgelegt ist, hat der Spielleiter natürlich ganz andere Möglichkeiten sich vorzubereiten und gegebenenfalls interessante Szenen vorzuplotten, die dann eventuell (!) getriggert werden können.

Mit anderen Worten: "Kommt drauf an!"
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Offline Sashael

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Naja, bei Enemy Within 3rd Ed. war es so, dass alle es mit etwas Arbeit gewesen sein könnten!

Aber als SL hätte ich die Wahl sehr schnell getroffen, damit die Handlungen der NSC auch konsistent bleiben.
Als ganz am Schluss ausgewürfelter Reveal würde das imo gar nicht funktionieren.
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Offline Edgar Allan Poe

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Ich hätte es schlicht für alle ausgearbeitet und dann geschaut, was passt. Ist ja nicht so, als wenn ich da nicht ohnehin eine Kampagne vorbereiten würde. Da ist der Mehraufwand für mich jetzt nicht so wild.
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Offline Vasant

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Als Spielleiter geht es mir da ähnlich wie dir, chad: Ich finde das irgendwie unangenehm und unbefriedigend. Einerseits habe ich Sorge, dass durch das nachträgliche Festlegen Inkonsistenzen auftreten oder die Auflösung beliebig wirkt, andererseits möchte ich als Spielleiter ja gerade dafür verantwortlich sein, dass die entstehende Geschichte spannend wird und es interessante Antworten auf die Fragen gibt, die während der Ermittlung entstehen.
Ein "falscher" Hinweis – also ein Hinweis, der auf das falsche Ergebnis weist – ist im lahmsten Fall eher eine Zeitverschwendung. Man entschärft oder widerlegt ihn, kommt aber mit der eigentlichen Ermittlung nicht weiter. Bei einem interessanten Abenteuer kann es diese Verwirrungen trotzdem geben, aber genau dadurch wird das für mich dann spannender und intensiver: Die Zeugenaussage ist falsch, die Aufnahme der Überwachungskamera gefälscht – aber warum? Steckt da jemand mit dem Täter unter einer Decke oder gibt es eine Nebengeschichte, der man nachgehen kann? 
Um das aber gut erklären zu können, muss ich ja aber wissen, ob der Hinweis in die Irre führt oder nicht, also ob mehr dahinter steckt, sonst kann das ganze dann schnell wahllos werden. Auch wenn der JollyOrc da die Narrenkappe aufhatte, muss ich da zugeben: Das kann ich als Spielleiter vermutlich nicht gut genug leisten, weil ich nicht toll genug improvisiere. Andere vielleicht schon.

Ich finde es aber durchaus auch toll, wenn die Spieler mitten im Spiel Theorien anstellen und merke auch da gerne mal, dass die angenommenen Handlungsabläufe da richtig cool sein können – cooler, als was ich ursprünglich vorbereitet habe! Wenn ich nun behaupte, dass ich das alles vorbereitet und geplant habe, kann ich das nun entweder ignorieren oder lügen, indem ich das nachträglich so einrichte. Das ist keine schöne Wahl. Wenn ich mich von Anfang an offen dafür zeige, so etwas reinzubringen oder sogar gar nicht weiß, wer denn nun überhaupt der Täter war, dann bleibt mir diese Möglichkeit offen. Nur muss das dann alles am Ende auch wieder zusammenpassen...

Offline JollyOrc

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Ich will mich ja wie ein Detektiv fühlen, nicht wie ein Schauspieler, der einen Detektiv spielt.

Das kann ich gut verstehen.

Aber ich denke, damit alle am Tisch Spaß haben, muss man den Detektiv aber auch schauspielern.

Was meine ich damit?

Ein Szenario, bei dem eine Person den Detektiv mimt, die anderen Hinweisbeschaffer sind, und die Detektivperson nur "hm, ja, hm" von sich gibt, um dann am Ende des Abends triumphierend zu rufen "Der Butler wars!", das ist vielleicht toll für die Person, aber ggfs. für alle anderen langweilig.

Und eine SL kann bei solchem Spiel auch gar nichts anderes als nur vorbereitete Fakten verwenden. Denn sie kennt die Gedankengänge und Annahmen der Detektivperson nicht.

Wenn aber die Hinweise diskutiert, Theorien aufgeworfen, verworfen, die Suche nach konkreten neuen Spuren angekündigt wird ("wenn wir das blutige Messer mit den Fingerabdrücken der schwarzen Witwe finden, wissen wir, dass die das war!"), dann bleiben alle involviert und "am Fall dran"

Und je mehr von letzterem passiert, desto eher kann die SL Kulissen schieben, um den Fall interessant und am Laufen zu halten.

Ich finde es aber durchaus auch toll, wenn die Spieler mitten im Spiel Theorien anstellen und merke auch da gerne mal, dass die angenommenen Handlungsabläufe da richtig cool sein können – cooler, als was ich ursprünglich vorbereitet habe!

Genau! Das passiert mir immer wieder mal, und ich freue mich unbändig, wenn ich es dann auch einbauen kann, weil ich mir vorab Lücken in den gesetzten Fakten gelassen habe.

Und wenn es nicht passt, dann nehme ich halt das Vorbereitete oder Naheliegende.
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Offline Tudor the Traveller

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Ich finde es reizvoll, weil es auch die SL am Mystery Teil Spaß haben lässt. Ich würde es aber wohl nicht als Illusionismus leiten, sondern die Mechanik des nicht feststehenden Täters vorher an die Gruppe kommunizieren (bzw. es damit überhaupt zur Abstimmung geben).
NOT EVIL - JUST GENIUS

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