Das System von Vale und Dorin hat in der Tat schon recht viel Ähnlichkeit mit The Window, nur dass es m.E. konsequenter ist. Es verzichtet, im Gegensatz zu The Window, vollkommen darauf, die Eigenschaften und Fähigkeiten eines Charakters objektivieren zu wollen. Ich finde diesen Ansatz ebenso revolutionär wie naheliegend. Jegliche objektiven Charakterwerte werden ja ohnehin durch die Spielleiterwillkür wieder relativiert, der letztlich frei über die Stärke der Gegner und die Schwierigkeit der sich stellenden Aufgaben entscheidet. Daher die Idee: Warum nicht gleich ausschließlich die subjektive Schwierigkeit einer gegebenen Handlung in einer gegebenen Situation bewerten? In Abhängigkeit vom Hintergrund und Konzept des Charakters? Der Spieler kann, wenn er will, kurz ein paar Argumente bringen, warum sein Charakter die Aufgabe meistern wird (dabei vielleicht sogar den Charakterhintergrund gleichzeitig erweitern), und dann sagt der SL halt an, wie schwer es wird. Man braucht keine objektivierten Werte.
Das Problem ist aber, dass bei einem solchen System der taktische Aspekt wegfällt. Warum? Taktik braucht Berechenbarkeit. Berechenbarkeit liefert dieses System aber nicht (The Window übrigens auch nicht). Die Frage ist also, wie man Spannung auch ohne Taktik hinbekommt. Letztlich kann bei dem Grundansatz die Antwort nur lauten: der SL muss es machen. Vale, du hast selbst immer wieder festgestellt, wie extrem abhängig euer System vom SL, seinen Fähigkeiten und dem ihm entgegen gebrachten Vertrauen ist.
Der Spieler beeschreibt ganz genau die Aktion, die er vorhat. Der SL sagt an, was gewürfelt wird. Die Würfel bestimmen knallhart Erfolg oder Misserfolg. Der SL beschreibt die Auswirkungen. Die Anzahl der benötigten Erfolge, um einen Gegner zu besiegen, ergibt sich dabei aus dem Erzählfluss und muss nicht zwangsläufig vorher feststehen. Wichtig ist, dass jede Aktion einzeln gewürfelt wird, und nicht Aktion und Gegenaktion in einem Wurf abgehandelt werden. Sonst ist der Kampf mit ein, zwei Würfen erledigt.
SL: Der Elf zieht ein schlankes Schwert und geht in eine Verteidigunsposition.
Sp: Ich teste seine Deckung mit einem geraden Stich.
(Kein Wurf erforderlich, da der Spieler noch nicht ernst macht.)
SL: Mühelos blockt er deine Klinge seitwärts ab und weicht leicht zurück.
Sp: Ich wandle meine Bewegung nahtlos in eine Drehung um und schlage beidhändig in Brusthöhe zu.
SL: Er geht leicht in die Knie und versucht eine beidhändige Parade. Beide 1W6.
(Normalerweise hätte der Elf 1W8, aber die überraschende Aktion bringt dem Spieler einen Bonus. Allerdings würfelt der Spieler nur eine 1, der Elf eine 5. Das ging mächtig in die Hose.)
SL: Du gerätst bei deinem wilden Angriff aus dem Gleichgewicht, und als eure Klingen mit einem lauten Klirren aufeinander prallen, musst du einen wenig eleganten Schritt nach hinten machen. Der Elf nutzt deine Blöße, um einen blitzartigen Ausfallschritt zu machen und die Spitze seines Schwertes nach deiner Brust zu stoßen.
(Selbstverständlich verliert der SC seine Waffe nicht, dafür ist er ein zu fähiger Kämpfer. Aber er ist im Nachteil: er hat die Initiative verloren, und seine Verteidigung ist geschwächt.)
Sp: Ich reiße mein Schwert hoch, um den Stich abzulenken, und weiche schnell ein paar Schritte weiter zurück.
SL: Okay, wieder beide 1W6.
(Man könnte auch dem Elf einen Vorteil gewähren, aber wir wollen ja einen ausgeglichenen Kampf. Der SL würfelt 4, der Spieler 3.)
SL: Es gelingt dir nicht mehr ganz, den Stich abzulenken, und er fügt dir einen leicht blutenden Schnitt an der Schulter zu. Der Elf setzt sofort nach und schwingt das Schwert in einem Hieb nach deinem Oberschenkel.
Sp: Okay, ich versuche den Hieb abzufangen und seine Waffe zu binden, so dass sein Ausfall gestoppt wird.
SL: *pfeifft* Okay, 1W6 gegen 1W8.
(Hätte der SC einfach nur geblockt, wäre es wieder W6 gegen W6 gewesen - zwar ist die Wunde nur oberflächlich und behindert den SC nicht sehr, doch der Schock des Treffers bringt dem Elfen einen Vorteil. Dass der SC nun einen Konter ansetzen will, erschwert die Sache zusätzlich. Doch der Spieler hat Glück, er würfelt eine 6, der SL eine 4.)
Sp (gehen wir mal davon aus, er darf bei Erfolg selbst beschreiben): Okay, die Wunde in der Schulter spornt mich erst richtig an, und mit einem wütenden Schnauben fange ich seine Klinge ab und halte sie. "Jetzt ist Schluss mit Balett, Jungchen!"
(Hätte der Spieler beschrieben, dass er den Elfen glatt entwaffnet, hätte der SL sein Veto eingelegt. Jetzt hat der Spieler die Initiative wiedergewonnen und kann die nächste Aktion ansagen.)
Ich weiß, wer spielt schon so. Keiner, weil wir es nicht gewohnt sind. Was genau lief denn bei euren Testrunden schief? Als Alternative sehe ich eigentlich nur: Werte, Regeln, Taktik. Eigentlich genau das, was du nicht wolltest.