Was mir die Forge gebracht hat?
Erstens, wie Fredi gesagt hat, die reine Provokation, dass alles auch ganz anders geht. Eine im besten Sinn radikale Kritik, die umso besser war, weil sie gleich auch noch ausprobieren wollte, wie es anders geht.
Zweitens die schlichte, aber wirkungsvolle Erkenntnis, dass sich Rollenspiel zwischen realen Personen abspielt und dass Regeln die Kommunikation zwischen diesen Personen regeln muss. Also eben nicht irgendwelche innerfiktion-ischen Fragen, sondern wer wann was sagen darf und was dann passiert.
Ein Unterpunkt davon ist irgendwie, dass an allen Ecken die eigentlich selbstverständliche Überzeugung durchschimmerte, dass Rollenspiel gefälligst Spaß machen soll und das irgendwas falsch läuft, wenn das nicht der Fall ist. Für mich, der ich aus den weihevollen Hallen kam, wo man Kerzen entzündete und vor die Tür musste, wenn andere Spieler Einzelszenen hatten, war das unglaublich befreiend. "Warum soll ich bitte stundenlang Kram vorbereiten, der dann doch keine Rolle spielt? Das macht mir keinen Spaß! Blödes Spiel, ich will was anderes!". Mit den Punkten eins und zwei war das Rollenspiel kein mystischer alchemistischer Prozess, wo Leute Charakterbögen rausholen und dann passiert irgendwas und - puff! - ist alles irgendwie so total intensiv. Man wollte nicht an einem Ritual teilnehmen, man wollte ein Spiel spielen.
Drittens, daraus abgeleitet, der pragmatische Ansatz. Ich finde, dass dieser Aspekt bei vielen Gesprächen (oder Rants) über die Forge zu wenig beachtet wird. Angenehm im Gegensatz zu vielen anderen Theorieversuchen fand ich dort, dass es immer um konkrete Probleme ging und nicht darum, letztgültig zu klären, was Rollenspiel so an und für sich ist. Zur Klärung dieser Probleme hat man natürlich Modelle entwickelt und auch so manches Haar gespalten, aber (fast?) nie kamen so unsägliche Fragen auf wie "Was ist eigentlich Interaktion so an und für sich?" oder "Wie kann man letzten Endes abstrakt die Spielleiterrolle beschrieben?". Stattdessen ging man von Actual Plays, also konkreten Problemen aus, und entwickelte Werkzeuge, mit denen sich diese Probleme beschreiben und beheben ließen. Diese Werkzeuge waren nicht für die Ewigkeit, sie wurden in einem lebendigen kreativen Prozess immer wieder überprüft und notfalls verworfen. Man wollte keine endgültige Wahrheit, die sich in einem Glossar festhalten ließe (oder zumindest nicht in erster Linie), sondern einen lebendigen Dialog. Dieses Theorieverständnis hat glaube ich für viel Irritation gerade in der deutschen Szene gesorgt, aber mir hat das sehr gut gefallen und kommt mir mehr entgegen als manche Diskussion in neu belebten Theoriechannel hier. Möglicherweise hängt das irgendwie mit unterschiedlichen Denkweisen zwischen verschiedenen Wissenschaftszweigen und Ausbildungen zusammen, aber das ist auch zweitrangig. Ich mochte die Art, wie auf der Forge gedankliche Werkzeuge entwickelt wurden.
Danke, Forge!