Autor Thema: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen  (Gelesen 11871 mal)

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Kinshasa Beatboy

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[offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« am: 30.12.2007 | 15:35 »
Überblick:
Habe mir im Zuge einer der vielen Diskussionen um Railroading und Scripting bei DSA mal nen paar Gedanken gemacht, die vielleicht gesammelt im Theorieforum noch ein wenig differenzierter diskutiert werden könnten. Es geht im Kern um die These, dass das Konzept des Player Empowerment nicht als binäre Kategorie (die Spieler sind "empowered" oder eben nicht), sondern als kontinuierliche Skala aufzufassen ist. Das ist zwar schon wieder eine Analogie aus der Messtheorie, aber das sei mir an dieser Stelle mal verziehen. Bin ja auch eigentlich gar kein Messtechniker, aber irgendwie bietet sich das Gebiet ab und zu mal an.


Definition:
Aber zurück zu der Skala des Player Empowerment. Das Konzept des Empowerment findet in recht unterschiedlichen Bereichen Anwendung. Generell finde ich die Definition aus Wiki ganz gelungen:

Mit Empowerment bezeichnet man Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben der Menschen zu erhöhen und sie in die Lage zu versetzen, ihre Belange (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten.


Ausgangspunkt:
Daraus kann man nach meiner Auffassung auch für unser Gebiet des Rollenspiels recht leicht eine kontinuierliche Skala ableiten. Das eine Ende dieser Skala (nennen wir es mal ein wenig negativistisch Diktatur) sieht den SL als vollkommene Autorität mit allen Rechten und Pflichten vor, das andere Ende (nennen wir es mal Demokratie) beinhaltet vollkommen gleichberechtigte Spieler und kommt ohne die Person des SL aus, dessen Aufgaben nach gewissen Prinzipien auf die Spieler verteilt werden.

Nun der entscheidende Punkt: Beide Extreme haben ihre Vor- und Nachteile.

In der Wirtschaft sind solche positiven und negativen Auswirkungen von Empowerment schon seit langem bekannt. Die totale Selbstbestimmung führt nun mal nicht zwingend zu besseren Ergebnissen, sondern zu anderen Ergebnissen. Viel Selbstbestimmung ist toll. Aber Hierarchie ist auch für manche Dinge gut.


Theoretisches Fundament:
Eine systematische Behandlung des Themas, die mich ein wenig an den Diskussionsverlauf im Rollenspiel erinnert, erwuchs aus einer der zentralen Schriften Poppers: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Darin propagiert Popper, dass Individuen die größtmögliche Freiheit genießen sollten. Diese maximal liberale Position ist mir zwar im Grundsatz durchaus sympathisch, aber in vielen Bereichen konkreter Anwendung im Hinblick auf Ergebnisqualität seit langem widerlegt. Es reifte in diversen Disziplinen die Erkenntnis, dass die offene und die geschlossene Gesellschaft jeweils ihre Vorteile haben, diese jedoch zwangsläufig von sogenannten negativen Sekundäreffekten begleitet werden. So können Eindeutigkeit, Gewissheit und Sinn als Aspekte der geschlossenen Gesellschaft (gemäß Poppers epistemologischer Dimension) auch in Dogmatik und Ideologismus münden. Ebenso können aber auch kritische Rationalität, Toleranz und Lernfähigkeit der offenen Gesellschaft als entgegengesetzte Pole der epistemologischen Dimension in Beliebigkeit, Orientierungslosigkeit und Vorläufigkeit enden. Die entscheidende Kompetenz ist, in einem gegebenen Setting die richtige Mischung aus Aspekten der offenen und der geschlossenen Gesellschaft zu finden. Diese Mischung weist idealerweise Vorteile auf, die man schätzt und geht mit negativen Sekundäreffekten einher, die man für unwichtig erachtet.

Soweit der zugegebenermaßen etwas monolothische theoretische Überbau - sorry für das weite Ausholen. Bei Bedarf gibts dazu gern mehr, ansonsten ignoriert den Quatsch einfach.


Bezug zum Rollenspiel:
Hier kommt die Anwendung fürs Rollenspiel: Ich habe den Eindruck, dass in diesem Forum die Nachteile von niedrigen Ausprägungsgraden von Player Empowerment als sehr gravierend empfunden werden. Diktatur im Sinne der obigen Definition wird als schlechter Rollenspielstil empfunden und recht aggressiv abgewertet. Kein Problem. Dann passt Eure Runde entsprechend an und orientiert Euch stärker am offenen Pol des Player Empowerment mit dem Extrem totaler Demokratie. Damit gehen aber auch Nachteile einher, die für mein Empfinden in diesem Forum systematisch ignoriert, marginalisiert oder gering geschätzt werden.

Ein Beispiel dafür ist die Umsetzbarkeit von Metaplots. Bei zunehmendem Player Empowerment werden große Metaplots nun mal schwieriger realisierbar. Das ist ein Faktum, das kaum bestritten wird und auch in diesem Forum bereits ausreichend gewürdigt wurde (siehe beispielsweise hier). Wer also gerne große Metaplots spielen möchte, sollte den Grad von Player Empowerment so wählen, dass einerseits die Kampagne noch gut spielbar ist, sich die Spieler aber andererseits nicht gegängelt fühlen. Wenn Spieler keinerlei Interesse daran haben, durch ihnen zugewiesene Rechte Einfluß auf das Spielgeschehen nehmen zu können, dann ist gegen eine extreme Ausprägung in Richtung Diktatur aus meiner Sicht nichts einzuwenden.

Bin gespannt auf Eure Meinungen.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 17:24 von Kinshasa Beatboy »

Offline Dom

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #1 am: 30.12.2007 | 15:55 »
Grundsätzlich gebe ich dir Recht, es gibt Runden mit mehr oder weniger Player-Empowerment (PE). Runden mit viel PE spielen sich anders als Runden ohne oder mit wenig PE. Du vergisst allerdings in deinem Text ein wichtiges Element: Die Spielregeln. Gerade in einem SL-losen Spiel sind die Regeln oft sehr stark (eigentlich in allen mir bekannten Systemen: Universalis, Shades, Conquer the Horizon, Polaris, Western City, Capes). Das macht den Vergleich zur Wirtschaft schwierig, denn es gibt zwar keinen, der irgendwelche unmittelbaren Vorgaben macht dennoch ist das Spiel dadurch nicht ungeregelt oder rein selbst-reglementiert, da der Spiele-Autor über die Spielregeln den Spielablauf festlegt.

Ansonsten: Wenn du von einer Skala redest, würde mich interessieren, wie dir vorstellst, wie man ein Spiel auf dieser Skala finden kann. Willst du Player-Empowerment-Techniken jeweils eine Zahl zuordnen und dann am Spielabend zusammenzählen, wie viele Punkte die Runde pro Stunde erreicht hat? Meiner Meinung nach kann man nur teilweise von viel oder wenig PE sprechen; zwei verschiedene PE-Techniken sind nämlich nicht unbedingt miteinander vergleichbar (bei Bedarf führe ich das gerne genauer aus).

Zu deinem Metaplot-Beispiel: Ich bin mir da nicht so sicher, was du genau meinst. Vielleicht kannst du mal kurz sagen, was du unter "Metaplot" verstehst.

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #2 am: 30.12.2007 | 16:20 »
Player Empowerment ist für mich überholt. Setzt der Begriff doch eine SL-Rolle vorraus, welche merklich mehr Einfluß auf das Spielgeschehen hat, als der Rest der Gruppe. Mehr noch es wird impliziert, dass es sich bei SL und Spielern um Parteien im Spiel handelt, die gegensätzliche Ziele haben. Die Spieler müssen "bemächtigt" werden um sich gegen den SL zu behaupten.

Beides sind Annahmen, die man nicht mehr uneingeschränkt als gültig betrachten kann. Es gibt einfach zu viele Spiele, die den Stellenwert des SLs als von Gruppe zu Gruppe anders akzeptieren.

So gesehen ist die einzige Möglichkeit um den Begriff "Player Empowerment" weiterhin zu nutzen, ihn als Bandbreite an unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen SL und Spieler zu umschreiben. Ich ziehe es jedoch vor die hierarchische Trennung von SL und Spielern nicht als notwendige Vorraussetzung eines Rollenspiels zu sehen. Die SL-Aufgaben lassen sich genausogut auf mehr als nur eine Person verteilen. Spätestens hier ist es dann nutzlos, wenn nicht sogar irreführend, noch von Player Empowerment zu sprechen.

Dann klappt's auch mit dem Metaplot.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #3 am: 30.12.2007 | 16:37 »
Es ist mitunter recht schwierig, in einem Forum Sachverhalte zu komprimieren und für überwiegend Fachfremde verständlich zu machen, die von Genies wie Popper auf mehreren Hundert Seiten erläutert werden. Dom hat mich gerade per PM darauf hingewiesen, dass ich bisweilen unverständlich schreibe. Ich entschuldige mich und versuche mich zu bessern. Ansonsten danke für  die Anmerkungen. Ein wenig erleichtert stelle ich aber fest, dass Dom das alles entgegen seiner Befürchtungen offensichtlich sogar sehr gut verstanden hat. Ansonsten hier einige Anmerkungen zu den bisherigen Beiträgen:

Du vergisst allerdings in deinem Text ein wichtiges Element: Die Spielregeln. Gerade in einem SL-losen Spiel sind die Regeln oft sehr stark [...]. Das macht den Vergleich zur Wirtschaft schwierig, denn es gibt zwar keinen, der irgendwelche unmittelbaren Vorgaben macht dennoch ist das Spiel dadurch nicht ungeregelt oder rein selbst-reglementiert, da der Spiele-Autor über die Spielregeln den Spielablauf festlegt.

Hier musste ich verkürzt darstellen, das stimmt. Die Antwort lautet: Nein, im Gegenteil! Genau das habe ich mit Mischung gemeint. Das ausgeprägtere PE erkauft man sich mit mit stärkeren Regeln, da sonst die negativen Sekundäreffekte (vermutlich Orientierungslosigkeit, Anarchie, Instabilität) die Überhand gewinnen.
Es werden in der Literatur verschiedene Strategien genannt, wie man solche Mischungen erreichen kann. Das hatte ich aus Gründen der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit außen vor gelassen.

Ansonsten: Wenn du von einer Skala redest, würde mich interessieren, wie dir vorstellst, wie man ein Spiel auf dieser Skala finden kann. Willst du Player-Empowerment-Techniken jeweils eine Zahl zuordnen und dann am Spielabend zusammenzählen, wie viele Punkte die Runde pro Stunde erreicht hat? Meiner Meinung nach kann man nur teilweise von viel oder wenig PE sprechen; zwei verschiedene PE-Techniken sind nämlich nicht unbedingt miteinander vergleichbar (bei Bedarf führe ich das gerne genauer aus).
Die Skala ist nur theoretischer Natur und soll als Abgrenzung von der bisherigen dichotomen Kategorisierung gemeint sein. Es wird recht schwierig sein, in einer Rollenspielrunde tatsächlich das Ausmaß von PE zu messen. Es gibt bei einigen Unternehmensberatungen Instrumente, wie man in Firmen die Offenheit/Geschlossenheit der Unternehmenskultur messen kann, um daran die Strategie auszurichten. Aber sowas ist doch ein wenig zu aufwendig für Rollenspielrunden ;-)

Das erklärt ansonsten auch den Einwand von Turning Wheel in Bezug auf die Ableitbarkeit einer Skala. Eine solche Skala lässt sich leicht ableiten, aber schwierig im Detail konstruieren und im Rollenspielkontext nahezu unmöglich zur Anwendung bringen. Ich erinnere mich aber, in irgendeinem deutschen Journal mal einen Fragebogen dazu gesehen zu haben. Werde gleich mal suchen und diese Antwort hier dann aktualisieren. Wie gesagt: meine mit der Skala eine rein theoretische Geschichte, die zwar theoretisch messbar gemacht werden könnte, was aber im Rollenspielkontext ohne Ressourcen zu aufwendig wäre.

Der Umstand der Unterschiedlichkeit einzelner Aspekte von PE ist mir ansonsten bewusst. Auch da hatte ich reduziert und nur am Rande eine "epistemologische" Dimension erwähnt. Es gibt bei Popper noch weitere, die sich aber in Summe zu einer Art "Gesamtoffenheit" zusammenfassen lassen. Ich vermute analog, dass sich auch PE mehrdimensional fassen, aber in einem Gesamtmaß zusammenfassen lässt. Das scheint mir bei den meisten Dingen so zu sein. Beispiel: "Wie findste denn das Auto?" "Ziemlich gut".

Zu deinem Metaplot-Beispiel: Ich bin mir da nicht so sicher, was du genau meinst. Vielleicht kannst du mal kurz sagen, was du unter "Metaplot" verstehst.

Habe das Beispiel „Metaplot“ aus einem anderen Thread zum Thema PE geklaut. Mit Metaplot meine ich beispielsweise die in der Borbaradkampagne von DSA stattfindenden Vorgänge.

Zitat von: Turning Wheel
Als Beispiel möchte ich eine Diktatur anführen, in der freie Meinungsäußerung herrscht. Meinungsäußerung ist kein Empowerment (nur ein Recht) aber trotzdem kann man damit das Denken und damit auch die Entscheidungen anderr beeinflussen und hat damit Einfluss auf die Diktatur ausgeübt. Und weil an den meisten Spieltischen mit absolutistischem Spielleiter ebenfalls freie Meinungsäußerung herrscht ist das IMO ein wichtiger Punkt. Wenn man gelernt hat Einfluss auf andere auszuüben ohne Empowerment, dann ist einem das vielleicht gar nicht mehr so wichtig.

Hm, Du spielst für meinen Eindruck auf den Unterschied von Macht und Einfluß an. Das ist ein guter Punkt, aber mir fällt gerade nix ein, wie man das zusätzlich integrieren könnte.

Zitat von: Georgios
Player Empowerment ist für mich überholt. Setzt der Begriff doch eine SL-Rolle vorraus, welche merklich mehr Einfluß auf das Spielgeschehen hat, als der Rest der Gruppe. Mehr noch es wird impliziert, dass es sich bei SL und Spielern um Parteien im Spiel handelt, die gegensätzliche Ziele haben. Die Spieler müssen "bemächtigt" werden um sich gegen den SL zu behaupten.
Also diese Implikationen sehe ich nicht. Es geht mir um die Beschreibung von Spielstilen, welche beispielsweise im Rahmen der Railroading-Diskussionen positiven Erkenntniswert aufweist. Insofern finde ich das nicht überholt. Da Du aber parallel schreibst:

Zitat von: Georgios
So gesehen ist die einzige Möglichkeit um den Begriff "Player Empowerment" weiterhin zu nutzen, ihn als Bandbreite an unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen SL und Spieler zu umschreiben.

...und sich die Begrifflichkeit entsprechend definiert findet, gibts da aus meiner Sicht keine Probleme. Übrigens hat die Rollenspieltheorie den Begriff den Empowerment umgeschrieben und ich nutze die eigentliche Bedeutung. Aber das sind Spitzfindigkeiten am Rande  ;)

Zitat von: Turning Wheel
Die Tatsache, dass es Spiele ohne SL gibt ist für mich eine wichtige Ausprägung von fortschreitendem Player Empowerment in der gesamten Rollenspielszene - so gesehen in Deinem Sinne der dargestellten Entwicklung alles andere als überholt. Nur wieder eine Wortklauberei wie man etwas nennen möchte.
/signed
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 16:46 von Kinshasa Beatboy »

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #4 am: 30.12.2007 | 16:42 »
Nur wieder eine Wortklauberei wie man etwas nennen möchte.

Ich sprach nur gegen die Begriffswahl. Gegen das was da beobachtet wurde, habe ich nichts einzuwänden. Der Begriff lässt einen bloss in falche Gassen laufen, die einem von der Spielpraxis abbringen.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #5 am: 30.12.2007 | 16:57 »
Ich sprach nur gegen die Begriffswahl.[...] Der Begriff lässt einen bloss in falche Gassen laufen, die einem von der Spielpraxis abbringen.

Okay, das hatte ich falsch verstanden. Kann durchaus sein. Was wäre Deiner Meinung nach besser geeignet?

Ansonsten hier noch schnell der oben versprochene Link zum Abstract eines Artikels, der nichtkommerziell das beschriebene Konzept messbar macht. Das erscheint mir für Rollenspielrunden analog auch möglich, der enorme Aufwand ist aber wohl kaum zu rechtfertigen. Das Verständnis, dass es eine Skala für PE geben könnte, reicht mir zumindest locker aus. Mein Drang zum Quantifizieren hält sich noch in Grenzen. Aber wer weiß, vielleicht terrorisiere ich Euch demnächst mal mit nem Fragebogen ;-)

Offline reinecke

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #6 am: 30.12.2007 | 17:05 »
Aber einen "Benchmark-Test" für Empowerment der Spielrunde müsste sich doch erstellen lassen, oder?

Also eine Checkliste von bestimmten Techniken und Methoden nebst einer Selbsteinschätzung der Spieler (Auf einer Skala von 1-10 wie groß ist dein Einfluss auf den Geschichtenverlauf) und so eine Gesamtpunktzahl für Empowerment.

Wichtig wäre da, dass da keine Wertung reinkommt. Also man nicht den Eindruck erweckt, die höchste Punktzahl ist die beste.
Wurde ja schon gesagt, nicht unbedingt besser, aber anders.

Wäre natürlich trotzdem arbeit so einen Test zu entwickeln, aber auch sehr interessant und ganz bestimmt nicht veraltet, da "klassische Spiele" immer noch gespielt werden.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #7 am: 30.12.2007 | 17:08 »
@ Kinshasa
Schönes Thema, ich wollte nämlich schon im DSA Thread widersprechen, hier passt es aber deutlich besser. :)

Erstmal zum Begriff des (Player) Empowerment und wie wir ihn für das Rollenspiel verwenden.
Ich sehe es da so wie Dom. PE ist nicht gleich PE, es ist also mal wieder nicht eindimensional zu vergleichen. Will man PE mit PE vergleichen muss man erst einmal eine Dimension finden und benennen. Dann kann man sowas wie eine Ordinalskala des PE in dieser einen Dimension aufmachen. Man kann also sagen, da ist mehr oder weniger PE als da (in dieser einen Dimension).

PE im Allgemeinen gibt also eine Entwicklung in Richtung Selbstbestimmung an. Da finde ich die Definition die hier für Empowerment gegeben ist richtig und sinnvoll, ich nehme auch an dass dies die Grundlage für den Begriff des PE war.

Nun zu dem Punkt, beide Extreme haben Vor- und Nachteile. Das sehe ich etwas anders, und zwar auf grundsätzlicher Ebene und nicht nur auf das Rollenspiel bezogen.
Ich gehe davon aus das maximale Selbstbestimmtheit auf höchster Ebene das beste ist. Dies ist aber nur ein theoretischer Zustand. Wie schon gesagt kann es sinnvoll sein sich irgendwo einzuschränken oder einschränken zu lassen. Der Punkt ist, dass auch Einschränkung ein Akt der Selbstbestimmung sein kann oder nicht. Maximale Selbstbestimmung heißt in diesem Sinne nicht maximale Freiheit in jeder denkbaren Entscheidung, sondern Freiheit der Wahl wann ich mich welcher Einschränkung unterwerfe.

Ok, werden wir nicht zu philosophisch: Es kommt bei der Beurteilung von PE wie schon ganz richtig gesagt darauf an welchen Zweck das ganze im Einzelfall hat, über welche Dimension des PE wir also sprechen.
Betrachten wir z.B. die Verteilung von Einfluss und Verantwortung innerhalb einer Spielgruppe. In dieser Dimension ist maximales PE gefragt. Jeder Spieler muss bereit sein Verantwortung zu tragen und muss daher die Gelegenheit haben grundsätzlich gleichwertigen (nicht gleichen!) Einfluss zu nehmen. Alles andere führt zu massiven Problemen, z.B. SL-Dominanz (durch zu hohe Einflussnahme) oder SL-Burnout (durch zu hohe Verantwortung) und entsprechende Probleme bei den Spielern.
Immer wenn der Eindruck entsteht das maximales PE hier oder woanders als Grundvoraussetzung angesehen und zwingend gefordert wird, betrifft das erst einmal nur diese spezielle Dimension von Einfluss und Verantwortung.

Bei PE geht es normalerweise nie darum tatsächliche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten innerhalb des Spiels absolut symmetrisch für alle Spieler zu halten. Wer das denkt hat PE völlig falsch verstanden. Dass mit einem solchen System nicht alles sinnvoll spielbar ist was Spaß macht dürfte klar sein.

Die Dimension die ich oben genannt habe , die Dimension von Einfluss und Verantwortung wird normalerweise durch den Gruppenvertrag geregelt und in seiner speziellen Ausformung durch das explizite System, also durch Regeln. Halten sich alle Spieler daran ist auf dieser Ebene normalerweise alles in Ordnung. Wird nun aber ein Spieler z.B. als SL durch die goldene Regel ermächtigt selbst diese Grundlage des Spiels anzutasten, ist jegliche Vereinbarung verloren, die Selbstbestimmung der Spieler ist nicht mehr gegeben, zumindest kann das ignoriert werden was die Spieler für sich selbst bestimmt haben und zwar durch einen einzelnen.
Jetzt kann man natürlich sagen: Aber wenn die goldene Regel zum Gruppenvertrag gehört ist doch wieder alles in Ordnung, die Spieler haben das ja selbst so gewollt. Die Frage ist erstens ob das tatsächlich so ist, ob den Spielern dieser Umstand überhaupt bewusst ist, und zweitens ob dies wirklich sinnvoll ist, ob also die Spieler nicht das was sie erreichen wollen, auch ohne diese Einschränkung erreichen könnten.

Ich beantworte diese Fragen natürlich so: Die goldene Regel in ihrer ganzen Allgemeinheit ist meist von der Spielgruppe weder verstanden noch gewollt und akzeptiert. Darüber hinaus ist sie auch nicht nötig. Sie ist bestenfalls eine Bequemlichkeit die akzeptiert wird, weil grade nichts besseres in Sicht ist, schlimmstenfalls ein als notwendig erachtetes Übel, ganz so wie bei einer Diktatur in der realen Welt.

Deshalb muss ich auch hier widersprechen:
Bei zunehmendem Player Empowerment werden große Metaplots nun mal schwieriger realisierbar. Das ist ein Faktum, das kaum bestritten wird[...]
Ich bestreite das ganz energisch. Diese Feststellung gilt höchstens dann wenn man PE als symmetrische Aufteilung der Aufgaben ansieht, was aber ein (teilweise absichtliches?) Missverständnis ist. Aber auch dann ist die Aussage vermutlich nicht richtig, was aber von der Definition von (Meta)Plot abhängt.

Natürlich könnte man sagen ein Spieler sei auch freier und selbstbestimmter wenn sein Einfluss auf Plot und Metaplot (was immer das auch sein mag) größer ist. Für diese eine Dimension mag das auch stimmen, aber nur wenige behaupten dies sei die entscheidende Dimension.

Welche Dimension entscheidend ist und damit "empowered" werden muss hängt völlig davon ab, was die Spieler als ihr Mittel des Einflusses im Spiel sehen, warum sie also Spielen, was ihr persönliches Spielziel ist.
Sehen sich die Spieler per Definition des Plots dafür ohnehin nicht zuständig, ist auch ein PE in diesem Bereich völlig sinnlos und sogar eventuell kontraproduktiv.
Interessanterweise wäre ein Ausweiten der Kompetenzen der Spieler auf einen Bereich der per Gruppenvertrag nicht zu ihrem Einflussgebiet zählt sogar Railroading im Sinne der allgemeinen Definition (man denke an einen Spieler der versucht den Plot um seinen Drama Queen SC aufzubauen, gegen den Willen der Gruppe und des SL).

PE kann also nur auf Ebene des Gruppenvertrages stattfinden. Dort muss man wie immer beginnen und muss alles beachten was hier entschieden wurde. Man darf nicht gleich auf die Ebene der Aufgaben und Rollen im Spiel springen.

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #8 am: 30.12.2007 | 17:19 »
Okay, das hatte ich falsch verstanden. Kann durchaus sein. Was wäre Deiner Meinung nach besser geeignet?

etwas OT:

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Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #9 am: 30.12.2007 | 17:36 »
@ Georgios
Du sagst es ja selbst, aber hier nochmal für alle die es vielleicht nicht so genau wissen: Auch der Begriff des PE war, wie alles von Forge, mit dem Hintergedanken des klassischen Rollenspiels gedacht. PE war also die Entwicklung die einsetzen oder stattfinden muss um eine Ungerechtigkeit oder Sinnlosigkeit im klassischen Rollenspiel zu bekämpfen. Etwas analoges hat man bei der Emanzipation der Frauen in der Gesellschaft. Da kann man sich aber auch im Nachhinein fragen, was an Frauen denn so besonderes ist dass sie sich emanzipieren müssen, dabei würde man dann aber vergessen dass der Zustand den man betrachtet grade erst das Ergebnis ist.

Du hast also Recht, PE ist in diesem Sinne eine historische Kategorie. Das stimmt aber auch nur für die wenigen Leute, für die das ein alter Hut ist (genauso wie bei der Emanzipation auch). Für die meisten ist das offensichtlich noch ein exotisches und/oder missverstandenes Konzept.

Außerdem kann man weiter gehen und nicht nur die Umverteilung der Rechte hin zu einer Gleichheit zu bezeichnen, sondern den Idealzustand der Gleichwertigkeit selbst (da steckt auch noch der Wandel von Gleicheit zu Gleichwertigkeit drin). Das ist das was hier auch mit PE geschehen ist. Natürlich muss man dann vorsichtig sein und immer beachten was genau gemeint ist.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #10 am: 30.12.2007 | 17:43 »
@ Reinecke:

Fänd so einen Kurztest auch super. Aber Aufwand ist sowas immer. Kenne mich bei sowas (mit Verlaub) recht gut aus und biete gerne an, etwaige Vorschläge ausführlich und konstruktiv zu kommentieren!

Und ansonsten:
Zitat
bestimmt nicht veraltet, da "klassische Spiele" immer noch gespielt werden.
Du bist lustig. Was bei Tanelorn bisweilen etwas abfällig "klassisches Rollenspiel" genannt wird, macht nicht nur geschätzte 99% des Marktvolumens aus, sondern deckt auch die überwältigende Mehrheit der Interessen der Spieler ab. In einem Forum wie Tanelorn sammeln sich halt die Frickler und Freaks und deshalb verwischt das wohl manchmal ein wenig die Realitäten. Hattest Du das andeuten wollen? Dann hab ichs hoffentlich richtig aufgeschnappt  ;)


@ Dr. Boomslang:

Du bist offenbar fundamental anderer Meinung und lehnst die These, dass Selbstbestimmung auch negative Sekundäreffekte und SL-Diktatur auch positive Effekte hat, rundweg ab. Der Rest ist dann Semantik. Mit Deiner Auffassung befindest Du Dich übrigens in guter Gesellschaft, denn Herr Popper vertrat exakt die gleiche Position. Allerdings hat sich Popper durch empirische Belege höchst widerwillig überzeugen lassen müssen und ich hoffe auch Dir eindeutige empirische Argumente liefern zu können.

Dazu bemühe ich mal den Bereich der Ökonomie, denn für Rollenspiele kenne ich keine relevanten empirischen Untersuchungen: es gibt einen stichhaltig nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Offenheit/Geschlossenheit von Organisationen und ihrem Erfolg. Dieser Zusammenhang ist aber umgekehrt u-förmig. Das wurde empirisch beidseitig mit verschiedensten Variablen und in diversen Branchen und Kontexten durchgeorgelt. Das Ergebnis ist immer das gleiche. Es existiert ein Idealmaß von Offenheit/Geschlossenheit und nicht, wie von Popper und Dir ;) vermutet, ein positiv linearer Zusammenhang. Man kann die Übertragbarkeit auf den Rollenspielkontext anzweifeln, aber für ökonomische Zusammenhänge steht das recht eindeutig fest. Bei Interesse kann ich Dir gerne Links zu den entsprechenden Artikeln schicken. Es tut mir auch leid, dass beispielsweise Selbstbestimmung nicht positiv mit Erfolg/Innovativität/Effizienz korreliert ist. Aber es läßt sich nicht wegdiskutieren.

EDIT: Mir fällt gerade ein, dass ich vor einigen Jahren mal ein Buch in der Hand hatte, das so etwas spezifisch für den Kontext der Softwareentwicklung diskutierte. Wenn Du als Informatiker Interesse hast, kann ich mich noch mal auf die Suche machen  :D

Insofern liegt es für mich sehr nahe, analog von einem gruppenspezifischen Idealmaß von PE auszugehen, wenn man als kritische Bezugsgröße die "Zufriedenheit" mit dem Rollenspiel zugrunde legt. Was Du "SL-Dominanz" oder "SL-Burnout" nennst, sind dann gemäß meiner Vorstellung einfach negative Sekundäreffekte einer Diktaturorientierung (oder allgemeiner nach Popper einer geschlossenen Spielkultur).


@ Georgios:

Aufgabenverteilung gefällt mir auch gut und kann gern anstelle von PE benutzt werden. Stimme Dir auch zu, dass dadurch eine gewisse klassenkämpferische Note von PE , die ich im Kontext von Rollenspielen ebenfalls unnötig finde, entfällt. Und so nach OT klingt das in meinen Augen keineswegs. Danke für den Hinweis! Bin nur beim Metaplot noch nicht überzeugt  ;)


@ Dr. Boomslang 2:

Aaargh, bitte Forge rauslassen! Die haben den Begriff aus anderen Bereichen geklaut und dann entweder speziell fürs Rollenspiel unkommentiert umdefiniert oder falsch verstanden fürs Rollenspiel kopiert. Wir sollten nach meiner Auffassung die ansonsten überall verwendete Definition von oben verwenden. Das hat den Vorteil, dass wir nicht mit Forge kollidieren können und so elegant Grundsatzdiskussionen ausweichen ;-) Empowerment ist ansonsten für mich zwar in Forgekategorien ein relativ neuer Begriff, aber bekannt ist mir das Konzept seit Anfang der 90er. Trotzdem halte ich das Konzept nicht für historisch, da es zumindest in der Wissenschaft noch recht breite Verwendung findet. Auch hier gibts bei Bedarf gern entsprechende Literatur.

Und noch mal: "den Idealzustand der Gleichwertigkeit selbst" gibt es in dieser Form nicht. Vielmehr existiert ein Idealpunkt, der aber nicht am Ende, sondern zumindest in der Ökonomie irgendwo in der Mitte der Skala liegt. Das mag nicht 1:1 übertragbar sein, ist aber angesichts des Fehlens sonstiger empirisch belastbarer Argumente im RPG-Kontext durchaus gewichtig, finde ich ;-)
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 17:57 von Kinshasa Beatboy »

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #11 am: 30.12.2007 | 18:45 »
Was die historische Bedeutung  des PE angeht, brauchst du mir nicht mit irgendwelcher Wissenschaft zu kommen, das interessiert mich in dem Zusammenhang gar nicht. Ich sage dir nur, woher das Verständnis des Begriffes für das Rollenspiel kommt, wenn du das ignorieren möchtest kannst du das gerne tun, aber du wirst dann das ein oder andere Problem mit Leuten bekommen, die über was anderes reden als du.

Auch ansonsten hast du mich glaube ich in wichtigen Punkten falsch verstanden.
Für mich geht es grundsätzlich um eine Gleichwertigkeit der Spieler für das Spiel. Eine Gleichwertigkeit bedeutet für mich eine Gleichheit auf der grundlegenden Ebene (und erstmal nur dort!). Was die grundlegende Ebene ist, hängt vom Kontext ab.
Im Rollenspiel ist diese grundlegende Ebene der Gruppenvertrag der ein soziales Ereignis zum gemeinsamen Spiel werden lässt.
Auf dieser Ebene darf die Gleichheit unter den Spielern nicht angetastet werden.
Für wirtschaftliche oder gesellschaftliche Zusammenhänge gibt es solche grundlegenden Ebenen auch, aber das soll uns mal nicht interessieren.

Was die Rollen im Spiel angeht die die Spieler ausfüllen, bin ich ganz deiner Ansicht. Hier kann es wichtige Gründe geben, die für eine Ungleichbehandlung von Spielern sprechen, ich behaupte aber auch, dass dies kaum jemand anzweifelt.
Wichtig ist aber im Hinterkopf zu behalten, dass die Ungleichheit der Spieler auf verschiedenen Spielebenen nur aus einer Gleichheit der Spieler auf sozialer Ebene entstehen darf, sonst ist sie nicht legitimiert.

Ich zweifle überhaupt nicht an, dass Ungleichheit und auch Hierarchien manchmal sinnvoll, notwendig oder effizient sind. Auch in der Emanzipation spricht man ja nicht mehr von Gleichheit sondern von Gleichwertigkeit. Gleichheit auf jeder Ebene ist doch Unsinn, niemand fordert das, und wenn dann ist er ein Idiot. Leute die sagen jemand würde grundsätzliche, umfassende Gleicheit fordern bauen einen Straw Man auf.

Wenn du also von einem Idealmaß von PE sprechen möchtest, ok! Dieses Idealmaß orientiert sich ganz an der Aufgabe. Aber wovon ich nicht abrücke ist, dass diese Aufgabenstellung in absoluter Gleichheit unter den Spielern stattzufinden hat.

Selbst wenn ein Publikum sich von jemandem bespaßen lässt, ist die Gleicheit in meinem Sinne gegeben, wenn denn auf einer grundlegenden Ebene tatsächlich eine Gleicheit also zumindest ein Ausgleich besteht. Ein SL hat vielleicht auf das Spiel bezogen das sagen und seine Spieler lassen sich unterhalten. Die stillschweigende Vereinbarung mag lauten, der SL darf seine Kreativität und Sendungsbewusstein ausleben und die Spieler zollen dafür Respekt und lassen sich unterhalten. Dann wäre alle Ungleichheit auf Spielebene durch Ausgleich auf höherer Ebene gerechtfertigt.
Der wichtige Punkt ist aber immer folgender: Fällt die Gleicheit auf der höheren Ebene weg, dann ist auch die Ungleichheit auf den niedrigeren Ebenen nicht mehr legitimiert. Hier muss dann wieder ein PE stattfinden.

Ich behaupte mit PE war erstmal in erster Linie diese grundlegende Ebene gemeint (auch wenn man das ganz unterschiedlich umsetzen kann). Wenn wir über Aufgabenverteilung sprechen wollen, dann können wir das tun. Wir sollten dann wahrscheinlich wirklich Georgios Rat befolgen und auch wirklich über Aufgabenverteilung sprechen und nicht über PE.

Online Maarzan

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #12 am: 30.12.2007 | 19:03 »


@ Dr. Boomslang:

Du bist offenbar fundamental anderer Meinung und lehnst die These, dass Selbstbestimmung auch negative Sekundäreffekte und SL-Diktatur auch positive Effekte hat, rundweg ab. Der Rest ist dann Semantik. Mit Deiner Auffassung befindest Du Dich übrigens in guter Gesellschaft, denn Herr Popper vertrat exakt die gleiche Position. Allerdings hat sich Popper durch empirische Belege höchst widerwillig überzeugen lassen müssen und ich hoffe auch Dir eindeutige empirische Argumente liefern zu können.


Das ist eine Vermischung von zwei unterschiedlichen Ebenen einerseits und eine Vernachlässigung von der Rolle der Regeln andererseits.
Wir haben auf der einen Seite (meistens /klassisch...) Spieler und auf deranderen Seite den Spielleiter. Diese haben nach dem Gruppenvertrag unterschiedliche Anteile, Möglichkeiten und Verantwortungen für die Erstellung des Spielresultats (das ist Ebene 1). Die Regeln sind dabei typischerweise die Schnellstartfunktion um so einen Vertrag dann mit minimlaen Verhandlungen ins Leben zu rufen und mit dem Spielen anfangen zu können.
Solange allen klar ist, auf was sie sich einlassen, ist das auch kein Problem und der Level der Autorität zwischen Spielleiter, Regeln  und Spielerverantwortung ist bekannt und abgenickt (und typischerweise dann in den Regeln+Hausregeln fixiert). In dem Sinne haben wir auch keine Diktatur, weil sich die Spieler auf dieser Ebene höchstens willentlich selbst beschränkt haben (Ebene2), z.B. um ein bestimmtes Spielerlebnis erzeugen zu können.

Probleme erhalten wir, wenn auf der Ebene2 durch (bewußte?) Fehlinformation oder durch eine goldene Regel den Fall haben, dass sich die Spieler eben nicht willentlich selbst beschränkt haben und ihnen ihr bisher scheinbar zugesicherter Einfluss am Spiel einseitig entzogen wird. Das ist dann auch keine Frage des Spielstils (Ebene1) und damit Geschmacksache, sondern des Umgangs mit seinen Mitmenschen ... .
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #13 am: 30.12.2007 | 19:43 »
Bei der Begrifflichkeit der Aufgabenverteilung habe ich das Problem, dass die Verteilung von Macht unzureichend Berücksichtigung findet. Insofern nehme ich meine Zustimmung zurück. Meinetwegen kann man Players Empowerment durch Empowerment ersetzen, um sich von Forge zu lösen.

Zu Marzaans Ausführungen kann ich eigentlich nicht viel sagen. Inhaltlich gehört das aber nach meiner Ansicht nicht in diese Diskussion. Das eingeührte Theoriegebäude um Ebene 1 und Ebene 2 würde ich unter dem Begriff Vertrauen behandeln. Wenn Regeln auf Ebene 1 besagte Schnellstartfunktion haben, fiele das unter den sogenannten "Swift Trust", die Ebene 2 wäre dann das eigentliche Vertrauen, das man noch in gut gewählte Unterkategorien fassen könnte.

Nur unter dem Stichwort Vertrauen kann man auch aus meiner Sicht begründen, dass Spielleitern, die die goldene Regel anwenden, menschliche Defizite bescheinigt werden. Das wäre nämlich dann der Fall, wenn ein SL sich über Abmachungen hinwegsetzt und insofern Vertrauen missbraucht. Dazu passen auch die sonstigen Begrifflichkeiten von Betrug etc. Aber in diesem Thread geht es eher um den Beginn einer Umschreibung von Spielkultur.

Oder um es mit Forge in Verbindung zu bringen: es geht um eine Ausformulierung des Social Contract. Da ist Forge nämlich aus meiner Sicht noch ein wenig schwach auf der Brust und der skizzierte Ansatz kann in dieser Hinsicht aushelfen.

EDIT: Ansonsten fällt mir noch ein, dass auch positives Feedback willkommen ist. Will jetzt nicht auf Teufel komm raus Beifall erhaschen, aber mir fällt generell bei der Beschäftigung mit Theoriethemen auf, dass selten Anerkennung oder Zustimmung signalisiert, aber mit deutlicher Kritik nicht gespart wird. Das gilt nicht nur für meine Beiträge. Einzig Turning Wheel und Lord Vermi machen so etwas regelmäßig im Theorieforum. Vielleicht findet sich ja auf Dauer noch der ein oder andere, der Beiträgen nicht alleinig negative Aspekte abgewinnen kann.
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 19:51 von Kinshasa Beatboy »

Eulenspiegel

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #14 am: 30.12.2007 | 20:17 »
@ Maarzan
Aber die Spieler haben sich ja willentlich auf die goldene Regel eingelassen. Sie haben willentlich zugestimmt, dass der SL beliebige Entscheidungen treffen kann.

Eine Rechteeinschränkung hätten wir erst, wenn der SL gegen den Willen der Spieler die goldene Regel einführt. - Und das ist nach dem Lumpley-Prinzip nicht möglich. (Wenn der SL mitten im Spiel sagt: "So, ich wende die goldene Regel an." und ein Spieler sagt: "Nö, wir spielen ohne goldene Regel.", dann kann der SL nichts machen. - Dann gerät das Spiel so lange ins Stocken, bis sich die beiden geeinigt haben.)

Aber wenn man zum Beispiel ein Spiel wie Engel - Arcana spielt, das nur aus der goldenen Regel und nichts sonst besteht, dann gibt es auch keinerlei Probleme. (Und jetzt kann man eine Ebene unter der goldenen Regel noch Automatisierungsprozesse einführen, damit man den SL nicht immer fragen muss. - Und diese Automatisierungsprozesse sind in gewisser Weise auch Regeln.)

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #15 am: 30.12.2007 | 20:28 »
Bei der Begrifflichkeit der Aufgabenverteilung habe ich das Problem, dass die Verteilung von Macht unzureichend Berücksichtigung
Wir können über Macht reden, aber was hat das mit dem Spiel zu tun? Jede Aufgabe geht im Idealfall mit einer entsprechenden Kompetenz einher, die es ermöglicht die Aufgabe zu erfüllen. Ist das Macht?
Dann können wir auch über Macht reden.

Ansonsten hat das was Maarzan sagt sehr wohl mit dem Thema zu tun, da er das sagt was ich auch meine (um mal hier die geforderten positiven Rückmeldungen zu geben ;D ).
Wir sprechen von PE im Sinne einer Gleichbehandlung unter den Spielern, die in manchen klassischen Ansätzen gewollt oder aus versehen nicht vorhanden ist, was zu Problemen grundlegender Art führt. Das lässt sich auch absolut auf die erweiterte Definition von Empowerment anwenden, denn es geht dabei darum ob Spieler "ihre Belange eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt" im Spiel ausdrücken können.

Auf oberster Ebene muss alles ausgeglichen sein. Ob dieser Ausgleich aber auch erst auf dieser oberen Ebene selbst stattfindet ist eine andere Sache. Auch über die Ebene des Einflusses auf Plot oder über gleiches Erzählrecht o.ä kann ein Ausgleich stattfinden. Das ist dann aber Geschmackssache bzw. abhängig vom gewünschten Spiel (und eine Frage von Aufgabenverteilung).

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #16 am: 30.12.2007 | 20:32 »
Bei der Begrifflichkeit der Aufgabenverteilung habe ich das Problem, dass die Verteilung von Macht unzureichend Berücksichtigung findet.

Ich würde dagegenhalten, dass genau dieser Aspekt nichts darin zu suchen hat. Das führt nur zur unnötigen Politisierung des Hobbies und Problematisierung der Spielerbeziehungen untereinander.

Man kann sich gut über die Aufgabenverteilung auf der Ebene des Spiels Gedanken machen, ohne dabei Fragen der Manipulation, Gruppenhierarchie und des Sozialverhaltens einzubinden, die einhergehen wenn von Macht die Rede ist.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #17 am: 30.12.2007 | 20:40 »
@ Georgios & Dr. Boomslang:

Empowerment umfasst ganz explizit Maßnahmen, welche die eigenMÄCHTige Problemlösung beinhalten. Und sobald von Gruppenvertrag die Rede ist, geht es natürlich auch im Machtverteilung. Alle Quellen, die ich kenne, beziehen sich bei solcherlei Betrachtungen auf die klassische Definition von French & Raven. Sobald also Kompetenzen etwa im Rahmen eines Gruppenvertrags verteilt werden, entsteht Legitimationsmacht in deren Sinne. Das kann man auch anders benennen, meint aber das gleiche. Das hat im übrigens auch erst einmal nicht zwingend etwas mit Mikropolitik (so nennt man manipulatives Zeugs) oder Sozialverhalten zu tun und lässt sich davon problemlos trennen.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #18 am: 30.12.2007 | 20:44 »
Und weiter?

Online Maarzan

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #19 am: 30.12.2007 | 20:49 »
Ja, eigentlich ist man in einem Spiel mit der goldenen Regel selber schuld, wie in Verträgen mit Kleingedrucktem auch.
Die Regelmasse selbst erzeugt aber zunächst einmal den Eindruck der Verlässlichkeit, auch wenn man es besser wissen müßte.
Darüber habe ich aber anderswo schon geschimpft :) und die goldene Regel war nur ein Stolperstein hier.

Wichtiger fand ich die Trennung nach den Ebenen, die ich hier durcheinandergeworfen sah, sowie die fehlende Rolle der Regeln an sich.
Daher nun die Frage: Was soll nun hier unter unter Empowerment gefaßt werden, die Einflussmöglichkeiten auf die Spielinfrastruktur (welche Regeln genutzt werden, bzw. welche Entität (Spieler, Regeln, Spieleiter) in einem Standardfall Priorität haben soll, welche Stimmung erzielt werden soll ... ) oder die einzelnen Schalterstellungen für die möglichen Settingelemente selbst
(z.B. Checkliste:
Spielweltgenerierung:
Hauptorte: Nach Settingbeschreibung Buch XY n.te Edition.
Allgemeine namenlose Orte : Werden vom Spielleiter erstellt
Personenbezogene Orte: Spieler erstellt mit Spielleiterveto und den und den Grudnregeln bezüglich Größe, Macht und NSC-Einfluss
Charaktergenerierung
SettingNSC- Namen und Position wie Setting mit Spielleitercharakterisierung und Werrten
Allgemeine NSC- Spielleiter
BeziehungsNSC - Je nachdem, ob Punkte gezahlt wurden vom  SL oder Spieler nach Absprache und Charakterkonzept des Spielers.
Sc - Vom Spieler nach Absprache mit Gruppe und unter Vorgabe der Startbedingungen des SL

Spielen von Charakteren
Alle NSC durch den SL unterder Wahrung der Psychoregeln des Regelwerks.
Wahlweise 0815 NSC durch interessierte Spieler nach Psychoregeln und SL-Veto
BeziehungsNSC - SL unter grundlegender wohlwollender Orientierung nach Punktwerten und Psychoregeln
SC Handlungen durch Spieler unter Berücksichtigung von Psychoregeln nach SLVeto.

Positionen * Gewichtung = Summe und dann eine Enpowermentauflösung wie Fernsehzeitungspsychoanalyse?)

Je nach Interessenslage des Beteiligten wird sich aber dieselbe Beteiligung durchaus unterschiedlich enpowert anfühlen.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #20 am: 30.12.2007 | 21:04 »
Empowerment umfasst ganz explizit Maßnahmen, welche die eigenMÄCHTige Problemlösung beinhalten. Und sobald von Gruppenvertrag die Rede ist, geht es natürlich auch im Machtverteilung. Alle Quellen, die ich kenne, beziehen sich bei solcherlei Betrachtungen auf die klassische Definition von French & Raven. Sobald also Kompetenzen etwa im Rahmen eines Gruppenvertrags verteilt werden, entsteht Legitimationsmacht in deren Sinne. Das kann man auch anders benennen, meint aber das gleiche. Das hat im übrigens auch erst einmal nicht zwingend etwas mit Mikropolitik (so nennt man manipulatives Zeugs) oder Sozialverhalten zu tun und lässt sich davon problemlos trennen.

Also ich rede von Spielen und den Aufgaben, die die Spielenden im Rahmen dieses Spiels übernehmen.

Mit Macht hat das nichts zu tun. Zumindest nicht "Macht" wie man diesen Begriff im alltäglichen Sprachgebrauch benutzt. Die Definition und der Gebrauch in anderen, speziellen Bereichen ist hier nur hinderlich. Schließlich kannst du schlecht erwarten, dass jeder der hier liest, den Begriff aus diesen Kontexten und Diskursen kennt und angemessen übertragen kann.

Außerdem sehe ich weder die Notwendigkeit, noch den Vorteil darin, Sozialverhalten, Gruppenverträge oder ähnliche Konzepte hinzuzuziehen. Was willst du damit erreichen?

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #21 am: 30.12.2007 | 21:22 »
Außerdem sehe ich weder die Notwendigkeit, noch den Vorteil darin, Sozialverhalten, Gruppenverträge oder ähnliche Konzepte hinzuzuziehen. Was willst du damit erreichen?
Da muss ich Kinshasa mal entlasten, den Begriff des Gruppenvertrages habe ich hier reingebracht.

Das dient in diesem konkreten Falle dazu zu erklären wie scheinbar unterschiedliche "Macht"verhältnisse in einem Spiel zustande kommen können ohne dabei den sozialen Frieden zu stören. Wenn der Punkt abgehakt ist, kann man sich zu deiner Aufgabenverteilung bewegen und dann ist die Sache mit der Macht in dem Sinne erstmal gegessen.
In "normalen" Spielen findet man im Unterschied zum Rollenspiel ja selten so ungleiche Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben und obwohl da der Gruppenvertrag ebenso von Belang ist, muss man sich dort seltener darauf beziehen, weil das Spiel selbst die Spieler schon völlig gleich behandelt.

Man kann im Bezug auf das Spiel wieder über unterschiedliche Rechte, Pflichten, Aufgaben usw. reden und das dann auch Macht nennen, aber das ist dann eben eine andere Ebene und hat andere Bedeutung, weswegen man es vermutlich nicht Macht nennen sollte.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #22 am: 30.12.2007 | 21:28 »
Die Diskussion wird mir zu kleinteilig. Ein in meinen Augen gelungener Vorschlag wird schon wieder anhand eines Definitionskrieges kaputt geredet. Erst wird überalll nach Definitionen verlangt. Wenn man diese Definitionen anhand fassbarer Kriterien liefert, ist man zu weit vom Rollenspiel weg. Liefert man Definitionen aus dem Bauch, werden sie zerpflückt. Liefert man keine Definitionen, erzählt man unfundiertes Zeug. Das erinnert mich an eine beliebte Frage der jeweiligen Platzhirschprolls: "Findest Du meine Freundin gut?" Unabhängig von der Antwort bekommt man eins auf die Fresse.

Am besten finde ich Georgios:
Also ich rede von Spielen und den Aufgaben, die die Spielenden im Rahmen dieses Spiels übernehmen. Mit Macht hat das nichts zu tun.

Das ist in meinen Augen totaler Unfug. Die deutsche Übersetzung von Power ist Macht. Players Empowerment ist also die ErMÄCHTigung der Spieler. Wenn in einem Gruppenvertrag die "Aufgaben, die die Spielenden im Rahmen dieses Spiels übernehmen",  geregelt werden, ist das Teil des Players Empowerment und es handelt sich dabei u.a. um die Verteilung von Legitimationsmacht. Diese Verteilung von Legitimationsmacht wird im Sinne eines Vertrauensvorschusses gewährt.

Könnte das eigentlich noch äußerst fundiert weiterführen und dabei eine Brücke zu Maarzan schlagen, habe aber einfach keinen Bock mehr, weil sich die Diskussion für mein Empfinden an unwichtigen Kleinigkeiten aufhängt und kühle erst mal ab. Mir passt der Diskussionsstil nicht. Kann aber nen Missverständnis sein. Insofern halt ich mich mal kurzfristig fern, geh ne Runde joggen und schau morgen noch mal, was es so gibt.

EDIT: Vielleicht versuche ich die Grundrichtung meines Problems mit dem Forum noch mal anders: Ich würde gern ne ganze Menge von Euch über bislang bestehende Rollenspieltheorie lernen. Das finde ich interessant und bin offen für Neues. Aber manchmal könnten einige hier auch mal zuhören, denn von mir kann man mit Sicherheit auch ne Menge lernen. Es wird aber einerseits Offenheit gefordert und andererseits eine Engstirnigkeit gepaart mit mangelnder Bereitschaft, über den Tellerrand zu blicken, an den Tag gelegt, mit der ich meine Schwierigkeiten habe. Aber wie gesagt: werde mich kurz sammeln und morgen mal was dazu schreiben. Dann aber besser in diesen Thread, wo ja dankenswerterweise einige der Gefragten einige in meinen Augen sehr nützliche Dinge gesagt haben. Bis morgen!
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 21:46 von Kinshasa Beatboy »

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #23 am: 30.12.2007 | 21:45 »
Wir müssen nicht ernsthaft wieder über den Stil reden?! ::)

Sag doch jetzt einfach über was du sprechen willst. Worum geht es dir bei dieser Machtverteilung? Wo ist die neue Perspektive auf das PE? Behalten wir doch einfach das Ziel dieser Diskussion im Auge.

Soweit ich verstehe willst du sagen, dass unterschiedliche Kompetenzen (=Machtverteilung) entsprechend unterschiedlichen Aufgaben Sinn machen können und es dort ein Optimum an bestimmter Machtverteilung gibt.
Georgios würde das nicht Macht nennen, ich vielleicht auch nicht (ist mir aber auch egal), geschenkt.

Das ist keine neue Perspektive. Das wussten wir schon.  ;D

Vielleicht bist du auf den Straw Man reingefallen, der da heißt: "Absolutes PE bedeutet völlig gleiche Gestaltungsfreiheit aller Spieler."
Sowas hat nie jemand ernsthaft behauptet.

Ansonsten haben sich für mich noch zwei interessante Punkte ergeben.
Einmal was die Goldene Regel und SL-Diktatur damit zu tun hat (die Position dürfte klar sein), kann man aber nochmal extra diskutieren, unter dem Thema Sinn und Unsinn der goldenen Regel (obwohl das Thema eigentlich auch alt ist). Das halte ich für einen speziellen und komplexeren Fall, den man nicht mal eben unter Machtverteilung, Empowerment oder Aufgaben abhaken kann.
Zweitens wäre es interessant mal konkret darüber zu sprechen was für bestimmte Spielziele für eine Aufgabenverteilung angebracht ist. Du hast ganz zu Anfang die Machtverteilung in SL und Spieler als Begründung für guten (Meta)Plot genannt, was ja kein unwichtiger Punkt in Sachen PE ist. Ich bezweifle die Notwendigkeit dieser Aufgabenverteilung noch immer. Vielleicht kann man da weiter machen?

Online Maarzan

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #24 am: 30.12.2007 | 22:20 »
Wie wärs einmal mit einem Beispiel z.B. für die Skala. Hat meine Checkiste irgendeine Ähnlichkeit?
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #25 am: 30.12.2007 | 22:36 »
Das ist in meinen Augen totaler Unfug. Die deutsche Übersetzung von Power ist Macht. Players Empowerment ist also die ErMÄCHTigung der Spieler.

Wird dir langsam klar, weshalb ich "Player Empowerment" für überholt halte? Weil Macht nichts mit einem Rollenspiel haben muss. Wenn du über Machtverhältnisse reden willst, dann tu das. Für mich ist das - wie erwähnt - eine unnötige Politisierung des Hobbies und problematisiert lediglich die Beziehungen der Spieler untereinander (das was hier als Gruppenvertrag bezeichnet wurde - ein Begriff der ein eigenes Fass an Missverständnissen mit sich bringt).

"Player Empowerment" wird vor allem im Zusammenhang mit der Aufgabenverteilung, wie sie durch das Regelwerk festgelegt wird, benutzt. Auf dieser Ebene kann man auch gut darüber reden, wie ich finde. Zumindest habe ich daran Interesse.

Zu Machtverhältnissen habe ich nichts zu sagen.

Zitat
Ich würde gern ne ganze Menge von Euch über bislang bestehende Rollenspieltheorie lernen.

Warum das denn? Bist du der Meinung, dass es hier so viele Leute gibt, die irgendjemanden unterrichten wollen? Wenn ja, dann wende dich an die. Aber mir ist jeder suspekt, der mir erzählen will was ich von etwas zu denken habe.

Zitat
Das finde ich interessant und bin offen für Neues. Aber manchmal könnten einige hier auch mal zuhören, denn von mir kann man mit Sicherheit auch ne Menge lernen.

Du musst die Umgangsformen einzelner verstehen lernen. Direkte Fragen, ausformulierte Einwände und überlegte Antworten sind ein Zeichen dafür, dass du Ernst genommen wirst und man dir zuhört. Die Leute in diesem Forum sind notorische Zweifler und Hinterfrager. Das wird nicht einfach abgestellt, um Höflichkeiten auszutauschen.

Wenn deine Threads kommentarlos versinken würden, könntest du eher behaupten nicht für voll genommen zu werden.

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #26 am: 30.12.2007 | 23:32 »
Erst einmal ein Lob für die ausführliche Betrachtung und Darlegung der Probleme, welche ein völliges PE bringen kann.

Ich kann dir zustimmen, das eine völlige Loslösung von klassischen Strukturen zum Chaos führen wird. Sowie im Arbeitsleben, als auch im Rollenspiel.

Ich gehe jetzt mal auf das Rollenspiel ein, auf das klassische Rollenspiel.
Es kann keine völlige Loslösung von Autoritäten geben, deshalb sind die Regeln auch so wichtig. Wie Dom schon schrieb, haben SL lose Spiele sehr strikte Regeln um das Spiel zu kanalisieren. so wird verhindert, das das Spiel außer Kontrolle gerät und die jeweilige Situation zerfasert.

Im klassischen Rollenspiel gibt es also den SL, der die Regeln auslegt und im Notfall auch mit der "SL Allmacht" neue Regeln erschafft. Er bereitet das Abenteuer vor, trifft Entscheidungen und regelt das Spiel nach seinem Gusto.

Die Spieler haben normalerweise Zugriff auf die Regeln und können ihre Charaktere entsprechend bauen. Der SL legt sie aus und ändert sie gelegentlich.

Nun ist es aber so, das der SL sich die Arbeit damit auch etwas schwer macht. er halst sich die alleinige Verantwortung fürs Spiel auf und muss gleichzeitig aufpassen, das die Spieler sich nicht ungerecht behandelt fühlen. Er muss alles überwachen um dafür zu sorgen, das keiner bescheißt, den Raubtierbändiger spielen. Die Spieler kennen aber jedoch irgendwann die Regeln und jeder Mensch hat ein Bedürfnis, gerecht behandelt zu werden. Das ist gleichbedeutend damit, das der SL wertvolle Ressourcen seiner Zeit mit Überwachungsaufgaben verschwendet, statt den Plott kreativ am laufen zu halten und sich auf das Abenteuer zu konzentrieren.

Nach meiner Meinung sollte sich ein SL auf seine Kernkompetenzen beschränken, den Schiedsrichter spielen und der Gruppe ein spannendes Abenteuer/Spielerlebnis verschaffen.

Wenn der SL jetzt also Aufgaben abgibt, dann erleichtert er sich dadurch die Arbeit. Die Spieler kennen die Regeln, sie werden dem SL sagen, was sie machen und ob sie es geschafft haben oder nicht. Dann kann der SL die Umwelt entsprechend reagieren lassen. So fängt PE an.

Wenn der SL die Spieler ihre Charaktere alleine bauen lässt und sie nur kurz vorm Spiel überprüft, oder auch nicht. Dann schaufelt er sich schon wieder Ressourcen  frei, welche er wo anders besser einsetzen kann.

Wenn der SL jetzt die Spieler auffordert ihm Hintergründe zu schicken und aus diesen Hintergründen die Abenteuer und eine Kampagne baut. Auch das ist PE.

Eine Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Einsetzen von PE sind Regeln, an die sich die Gruppe hält und die den Ramen für die Handlungen von Spielern und SL abstecken. Zusätzlich wird sich im Laufe des Spieles ein Gruppenvertrag entwickeln, der für gleiche Voraussetzungen und die Gleichberechtigung aller Spieler sorgt.

Was bedeutet das für mich?

Ich denke das die Regeln und die Einhaltung der Regeln dafür sorgen, das alle gleichberechtigt am Tisch spielen. Sie sind gleichzeitig auch der Ramen für den Einsatz von PE. Denn keiner darf mit PE die Regeln außer Kraft setzen und damit entfällt der Zwang, das der SL für deren Einhaltung sorgt. Die Regeln und der Gruppenvertrag regulieren also ganz automatisch, was geht und was nicht. Es ist keine völlige Freiheit, die Spieler und der SL erkennen die Regeln (auch Hausregeln) als oberste Autorität an und ein völliges Abgleiten ist durch diese logische Begrenzung nicht möglich.

Betrachten wir noch mal eine Aussage von Dr Boomslang:

Zitat
Betrachten wir z.B. die Verteilung von Einfluss und Verantwortung innerhalb einer Spielgruppe. In dieser Dimension ist maximales PE gefragt. Jeder Spieler muss bereit sein Verantwortung zu tragen und muss daher die Gelegenheit haben grundsätzlich gleichwertigen (nicht gleichen!) Einfluss zu nehmen. Alles andere führt zu massiven Problemen, z.B. SL-Dominanz (durch zu hohe Einflussnahme) oder SL-Burnout (durch zu hohe Verantwortung) und entsprechende Probleme bei den Spielern.
Immer wenn der Eindruck entsteht das maximales PE hier oder woanders als Grundvoraussetzung angesehen und zwingend gefordert wird, betrifft das erst einmal nur diese spezielle Dimension von Einfluss und Verantwortung.

Bei PE geht es normalerweise nie darum tatsächliche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten innerhalb des Spiels absolut symmetrisch für alle Spieler zu halten. Wer das denkt hat PE völlig falsch verstanden. Dass mit einem solchen System nicht alles sinnvoll spielbar ist was Spaß macht dürfte klar sein.

Ich schmelze dahin, wenn ich so etwas schönes und treffendes lese.

Ich möchte noch einmal auf einige Vorteile von PE eingehen, die dem SL seine Arbeit erleichtern können:

Indem der SL die Spieler z.B NSCs übernehmen lässt und diese mit anderen Spieler verhandeln und den Plott vorantreiben, kann er sich anderen Spieler wittmen und den Plott auch weiter bringen. Er entledigt sich des OT Gequatsches der Spieler und ALLE haben mehr Spaß.

Indem er die Spieler z.B ihr Heimatdorf ausarbeiten und NSCs erstellen lässt, verschafft er sich Zeit um am Haupt-Plot weiter zu arbeiten und muss nicht mehr so viel Arbeit investieren.

Indem er die Spieler Zuhause steigern und einkaufen lässt, schont er die Spielzeit und seine Nerven.

Players Empowerment kann einem als SL vieles einfacher machen und wenn man die richtigen Spieler hat die Geschichte extrem bereichern. Wie ausgeprägt man diese Möglichkeiten nutzen möchte ist eine reine Geschmackssache. Auf jeden Fall denke ich, das man als SL sehen sollte, wie man sich das Leben einfacher macht. PE ist eine Gute Möglichkeit dafür.

Meine Frage zum Benchmark ist:
An wem wollt ihr euch den Ausrichten? Wer ist das Ziel fürs Benchmarking?

Ich fasse also zusammen:

PE kann funktionieren, wenn man sich an die Regeln hält. Dann sind IHMO auch die Ängste vom Beatboy unbegründet.

Wenn man als SL arbeit sparen möchte, dann kann PE ein wichtiger Aspekt werden.
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 23:44 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #27 am: 31.12.2007 | 00:31 »
Ich denke das die Regeln und die Einhaltung der Regeln dafür sorgen, das alle gleichberechtigt am Tisch spielen.

Nö. Ein Beispiel: Du selbst hast – man kann es in Eurer Diary of Sessions nachlesen – einem Spieler verboten, während des Spiels Regeln zu seiner Magie nachzuschlagen, weil Du keinen Bock hattest, darauf zu warten. Die Fähigkeit des Individuums, die Regeln präsent zu haben, ist ein weiterer Faktor. Du hast dem Spieler an dieser Stelle (evtl. aus gutem Grund) Handlungsmöglichkeiten verweigert.

Die Existenz und Einhaltung der Regeln allein reichen nicht, sondern es muß auch noch Gleichheit bei der Kenntnis und dem Verständnis bestehen, bevor die Regeln als Egalisator herhalten können.

Zitat
Sie sind gleichzeitig auch der Ramen für den Einsatz von PE. Denn keiner darf mit PE die Regeln außer Kraft setzen und damit entfällt der Zwang, das der SL für deren Einhaltung sorgt.

Nein. Auch ganz ohne PE kann jemand anders als der SL die Person sein, die die Einhaltung der Regeln überwacht. Player Empowerment und regelgerechtes Spiel haben keinen inhaltlichen oder ursächlichen Zusammenhang. Auch in einer D&D-Runde kann ein Regelverstoß von Mitspielern ohne SL-Hut verhindert werden ("Hey, Du hast aber nur Cleave und nicht Great Cleave").

PE hat aber - da hast Du recht - nichts mit dem Auslassen oder Verfälschen von Regeln zu tun. Vielmehr ist PE ein Label, dass das Spiel als gemeinschaftliche Tätigkeit unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten beschreiben will. Für alle, die das sowieso als Grundvoraussetzung für Rollenspiel sehen, ist der Begriff überflüssig.

Zitat
Die Regeln und der Gruppenvertrag regulieren also ganz automatisch, was geht und was nicht. Es ist keine völlige Freiheit, die Spieler und der SL erkennen die Regeln (auch Hausregeln) als oberste Autorität an und ein völliges Abgleiten ist durch diese logische Begrenzung nicht möglich.

Player Empowerment hat nichts mit "regellosem/regelarmem Spiel" zu tun, und hängt auch nicht ursächlich mit einem Gruppenvertrag zusammen. Übrigens geht das ganze höchst selten auch ganz automatisch, da das Lernen der Regeln und die (meist nur implizite) Gestaltung des Gruppenvertrages Zeit benötigen.

Richtig ist aber: Fast alle Spiele, die das Label "PE" tragen haben strikte Regeln zur Gestaltung des Geschehens, und sie sind sehr wichtig, damit sich nicht die "Beliebigkeit eines Singspiels" einstellt, wie  ein guter Freund von mir zu sagen pflegt.

Wenn man Player Empowerment als Begriff überhaupt retten will, dann geht das nur so: In einem PE-artigem Spiel gibt es in der Gestaltung des Spielgeschehens Bereiche für die Spieler, über die sie frei bestimmen können, und die relevant für das weitere Spiel sind. Es gibt Regeln für sie, auf die der  Spielleiter nicht zugreifen kann, bzw. dessen Auswirkungen er nicht verhindern kann, ohne einen Verstoß gegen die Regeln zu begehen.

Beispiele:

Bei White Wolf's Adventure! kann man mit einer bestimmten Meta-Resource das Spielgeschehen zu seinen Gunsten beeinflussen. ABER: Die Kosten dafür legt der Spielleiter fest, das ganze ist also stark abhängig vom Ermessen einer einzelnen Person. Ist das Player Empowerment oder nicht?

Bei Primetime Adventures werden Erfolg und Erzählrecht getrennt ermittelt; der Umfang dessen was erzählt wird ist aber durch die vorher abgesteckten Bedingungen (Stakes) begrenzt.

Bei The Shadow of Yesterday gibt es zwei Regeln, die nach PE riechen: erweiterte Konflikte und Transzendenz. Erweiterte Konflikte allein deswegen, weil sie in der Hand der Spieler liegen und Transzendenz allein deswegen, weil es ein Regelkomplex für Spielerfiguren ist.

Bei Dogs in the Vineyard gibt es auch drei Elemente: Zum einen das Setzen der Stakes, zum anderen die Anweisung an den SL, ergebnisoffen zu leiten. Ersteres gibt einen sauberen Rahmen vor, letzteres gibt den Spielern die Freiräume, selbige überhaupt aufzuziehen: Warum mühsam gute Überlegungen zum Ausgang eines Konflikts machen, wenn der SL eh alles besser weiß? Und das dritte Element ist die SL-Regel "Say yes or roll the dice." – übrigens mein persönlicher Favorit, den ich in ähnlicher Form schon länger im Repertoire meiner SL-Tools habe.

Und dann noch ein paar Worte an den Stifter dieser Diskussion: Player Empowerment und Railroading gehören nicht zusammen. "Kein Railroading" heißt nicht automatisch "auf jeden Fall PE". Und nach meiner Sicht gibt es "ein bißchen PE" genausoviel wie "ein bißchen schwanger"  - entweder gibt es klare, unbeugsame, spielrelevante Einflußbereiche für die Spieler, oder eben nicht.

Mein Lieblingssatz als SL ist übrigens "Das gelingt Dir." Player Empowerment?

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #28 am: 31.12.2007 | 01:49 »
@oliof
Ich würde nicht versuchen PE als Kategorie für einzelne Techniken oder Mechanismen zu etablieren, das geht wirklich am Sinn des ganzen vorbei, obwohl der öffentliche Gebrauch des Begriffs in diese Richtung tendiert. Aber das heißt nicht dass das sinnvoll ist. Man verliert damit die ursprüngliche Bedeutung.
Ich verstehe du willst das auch gar nicht, aber auch eine "Rettung" des Begriffes in diese Richtung ist nicht sinnvoll und auch gar nicht nötig, wie ich finde.

Jörg verwendet den Begriff meiner Ansicht nach schon ganz richtig: PE als Entwicklungsmöglichkeit, weg vom klassischen Paradigma von SL und Spieler, und hin zu mehr Verantwortung und Einfluss für Spieler (bis hin zu einer Gleichberechtigung auf irgend einer Ebene).

Im Kern ist auch folgendes richtig:
Vielmehr ist PE ein Label, dass das Spiel als gemeinschaftliche Tätigkeit unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten beschreiben will. Für alle, die das sowieso als Grundvoraussetzung für Rollenspiel sehen, ist der Begriff überflüssig.
Der Begriff des PE wird aber nicht überflüssig, weil er weiterhin als historischer Begriff eine Entwicklung bezeichnet und so auch auf Techniken Bezug genommen werden kann, die im Verlaufe dieser Entwicklung entstanden sind. Dabei darf man aber wieder nicht die Techniken selbst als PE sehen, sie sind nur Resultate des PE.
Es stimmt aber, dass PE nach dieser Entwicklung kein "Feature" mehr ist das man irgendwo speziell erkennen kann. Ein und dieselbe Technik kann einmal PE gewesen sein und das andere mal nicht.

PE ergibt sich nur im Vergleich, es bezeichnet eine Entwicklung. Man kann zwischen PE und nicht-PE nur differenzieren wenn man eine Weiterentwicklung eines bestimmten Spielteiles betrachtet. Ein solche Veränderung ist genau dann PE wenn sie den Spielern mehr Freiheiten gibt, ganz einfach.
Das was weiter weg vom autoritären, klassischen Stil und näher an der Gleichberechtigung liegt könnte man auch "mehr" PE nennen, aber das mag im Einzelfall schwer zu beantworten sein.

Genauso sind auch all deine Beispiel zu beantworten.
Wenn du z.B. "Dir gelingt's" da sagst wo du früher gesagt hättest "Kann dein Charakter das überhaupt?!" dann ist das PE, sonst nicht.

Insofern gibt es meiner Ansicht nach auch mehr oder weniger PE, weil es mehr oder weniger Einfluss gibt.

Ach ja, willkommen zurück :)


Und noch was: Wir sollten vielleicht den Vorgang des PE vom Zustand der Gleichheit trennen. Genauso wie Emanzipation ein Vorgang und Gleichberechtigung ein Zustand ist.
Das ist bisher nicht geschehen da im PE allgemein offen gelassen wird auf welcher Ebene die Angleichung stattfindet. Forge ist z.B. im Sinne des Lumpley-Prinzips und Social Contract usw. davon ausgegangen dass eine Gleicheit auf sozialer Ebene grundsätzlich besteht. Ein PE kann also bei ungleicher Verteilung des kreativen Einflusses auf das Spiel nur über die Verschiebung dieses kreativen Einflusses geschehen.

Wenn wir von Gleicheit sprechen müssen wir nämlich auch ganz genau die Ebene benennen, was bei PE allgemein nicht nötig ist.

Wie ich weiter oben schon sagte kann es durchaus sein, dass erst auf sozialer Ebene ein Ausgleich besteht (und ich denke das kommt auch häufig genug vor). Ich finde es aber einen natürlichen Prozess, dass Angleichung erst auf niederen Ebenen passiert wo es um Gleichartigkeit geht und sich dann erst in höhere Ebenen verschieben wo es um Gleichwertigkeit geht.

Genauso wie sich im Verlaufe der Emanzipation Frauen erst Männerollen erobern müssen, nur um dann selbstbestimmt auch alte Rollenverhältnisse wieder einnehmen zu können. Als wichtiger Punkt bleibt da letztlich die Möglichkeit als Erhöhung der Selbstbestimmung.

Aufs Rollenspiel übertragen bedeutet dies, dass sich PE auch wie von mir beschrieben in der puren Möglichkeit äußern kann kreativen Einfluss aufs Spiel zu nehmen, nicht aber dass dies im Spiel oder im System auch tatsächlich der Fall sein muss.
Ich gebe zu PE ist in der öffentlichen Diskussion eher so verstanden worden wie Georgios es meinte, auf die Aufgabenverteilung bezogen, ich bin aber überzeugt, dass nie gemeint war dass Aufgaben grundsätzlich anderes verteilt sein müssen. Es war nur gemeint dass sie anders verteilt sein können wenn man annimmt das alle Spieler gleichwertig sind.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 02:14 von Dr.Boomslang »

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #29 am: 31.12.2007 | 07:36 »
Zitat
Nö. Ein Beispiel: Du selbst hast – man kann es in Eurer Diary of Sessions nachlesen – einem Spieler verboten, während des Spiels Regeln zu seiner Magie nachzuschlagen, weil Du keinen Bock hattest, darauf zu warten. Die Fähigkeit des Individuums, die Regeln präsent zu haben, ist ein weiterer Faktor. Du hast dem Spieler an dieser Stelle (evtl. aus gutem Grund) Handlungsmöglichkeiten verweigert.

Nein, ich habe geschrieben, das PE auch sein kann, das der Spieler würfelt und dem SL sein Ergebnis mitteilt, damit der die Umgebung entsprechend reagieren lassen kann. Der Player muss also die Regeln und Sonderregeln zu seinem Charakter kennen und der SL braucht sie nicht zu en Detail zu lernen ,hat so Zeit sich um seine Kernkompetenzen zu kümmern, Abenteuer plotten und Schiedsrichter zu spielen.

Der Spieler hat in diesem Fall seine Aufgabe nicht erfüllt, er kannte die Regeln für die Magie nicht. Also habe ich in meiner Schiedsrichter Position entsprechend des Gruppenvertrages entschieden, das der Charakter zu nervös ist mitten im Kampf den Zauber zu sprechen.

Der Spieler hat die Regel übrigens nachgelesen und eine Szene später den Zauber angewendet.

Schön das du wieder da bist!
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Preacher

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #30 am: 31.12.2007 | 07:53 »
entweder gibt es klare, unbeugsame, spielrelevante Einflußbereiche für die Spieler, oder eben nicht.
Das stimmt natürlich. Aber wie weitreichend diese Einflussbereiche sind ist doch wieder von Spiel zu Spiel unterschiedlich.

Und willkommen zurück :)
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 08:04 von Hendrik »

Offline Dom

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #31 am: 31.12.2007 | 07:58 »
@TW:
Zitat von: Turning Wheel
Ich muss aber auch gestehen, dass ich auf dem Gebiet des PE und spielleiterlosen Spiels noch nicht so richtig viel Erfahrung gesammelt habe. Wenn mir also jemand ein Spiel empfehlen könnte, das nicht kompetitiv ist, dann wäre ich sehr verbunden.
SL-Los: Shades
PE mit SL: The Pool

Beide Spiele beruhen nicht auf Wettkampf.

Ansonsten: Hallo Harald :)

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #32 am: 31.12.2007 | 08:52 »
Zitat
Mittlerweile sitze ich aber wieder
am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander
zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).

Ich nehme jetzt mal Bezug auf Western City. Im Regelwerk wird ausdrücklich darauf hingewiesen das es im Sinne des Autors ist, mit den anderen Spielern zu agieren und nicht gegen sie. Da aber der SL als strukturierendes , plottbildendes und entscheidendes Element fehlt werden sehr starke Regeln benötigt um die Handlung nicht zerfassern zu lassen und Unstimmigkeiten zu verhindern. Desshalb gibt es auch Regeln, wie man jemand anderen ein veto reindrücken kann, wenn man etwas nicht will. Das hat mit dem klassischen PE für mich aber nix zu tun. Im klassischen Spiel ist der SL als Plottgeber und Schiedsrichter da. Wenn dort jemand gegen deinen Char und seine Ziele schießt, dann bist du der Geschichte eigentlich ausgeliefert, wenn der SL nix dagegen unternimmt. Insofern schiest du IMHO am Ziel vorbei.
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Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #33 am: 31.12.2007 | 10:08 »
Du must dich nicht entschuldigen, da deine Kritik im Kern ja richtig war  :) .

Es gibt explizite Regen für diese Fälle, die anderen können durch die Verteilung der Erzählrttechte auf alle versuchen dir eins rein zu würgen. Du hast aber auch die Möglichkeit dich zu wehren (ein Vetorecht).

Dieses Vetorecht hast du im klassischen Rollenspiel aber nicht. Wenn der SL oder ein Mitspieler mit deinem Char etwas macht, was du nicht willst, dann bist du ihnen wirklich ausgeliefert.

Nur deshalb empfinde ich das Beispiel als nicht passend, denn gerade das von dir gewählte Spiel gibt dir die Möglichkeit dich gegen das zu wehren, was du nicht willst. Es bietet also das was du dem klassischen Rollenspiel zuschreibst. Die Möglichkeit hast du beim einem SL der etwas will nicht. Er wird in der Regel mit einer SL Allmacht ausgestattet und du kannst höchstens auf der sozialen Ebene intervenieren, das du das, was mit deinem Charakter passiert nicht möchtest.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 10:10 von Jörg.D »
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oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #34 am: 31.12.2007 | 10:36 »
Was mich am meisten an PE ankotzt ist dass ich mich in Regelsysteme hineinbegebe, die mich tatsächlich oft meiner Erzählrechte berauben, die ich an einem Tisch mit diktatorischem SL aber bekommen würde.

Ein hpothetisches schlechtes Spielerlebnis ist immer schlechter als ein hypothetisches gutes Spielerlebnis. Aber nun gut. Ich nehme an, Du willst sagen, daß PE und PI kein Allheilmittel sind, und nicht in jeder Runde ihren Platz haben. Dem stimme ich uneingeschränkt zu.

Zitat
Was nützt es mir, wenn ein anderer Spieler den Plot meines Charakters weitererzählt und alles was ich habe in die Pfanne haut, weil er einer ist, der am Rollenspieltisch sitzt um zu gewinnen, und nicht um eine coole Geschichte oder Rolle zu entwerfen.

Ich kann den Unterschied zwischen einem dikatorischen SL und einem destruktiven Mitspieler nicht erkennen. Konequenz für mich ist, daß ich mit solchen Leuten nicht mehr spiele.

Alle PE / SL-Spiele, die ich kenne, ziehen klare Grenzen, an die man sich hält, auch wenn man das Erzählrecht gewinnt; sonst ist es ein Regelverstoß.

Zitat
PE ist in meiner Erfahrung auf Cons (meine regulären Spielgruppen mögen
das alle eher nicht) ein Rückschritt in kompetitive Spielwelten, die ich 1987, als ich mit D&D angefangen habe, frohgemut glaubte ein für alle mal zurückgelassen zu haben. Mittlerweile sitze ich aber wieder am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).

Mit PE auf Cons hast Du ein anderes Problem: Viele Leute haben zum ersten Mal ein neues Spielzeug in der Hand und wollen testen, ob sie wirklich soviel Freiheit haben, wie man ihnen verspricht. Da tut man sich als SL hin und wieder schwer, einzugreifen. Das Mißverständnis hier ist, daß die Leute erstmal nicht begreifen, daß sie eben auch Verantwortung tragen, wenn sie eine Spielsitzung mitgestalten: Dafür, daß es keine Sackgassen gibt und dafür, daß alle – im Rahmen der vorgegebenen Regeln – ihre Rechte beibehalten.

Einen großen Unterschied gibt es meiner Meinung dennoch zwischen den kompetetiven Spielen der Vorzeit und dem "Wettbewerbs"-Anteil der Spiele aus der Universalis- und Capes-Tradition: Letztere funktionieren nur, wenn die "Verlierer" des Wettstreits um das Erzählrecht mit den Gewinnern kooperieren; und das geht nur, wenn man sich nicht gegenseitig auf die Sandburg pinkelt.

In der Tat gibt es bei Capes – dem Spiel für beliebig viele Spielleiter, wenn man so will (und das sag ich nicht nur, um 1of3 zu ärgern) – einige Berichte von ersten Spielerfahrungen, in denen beschrieben wird, daß das Spiel albern und ohne Tiefe war.  Und doch bringt das Buch eine Anleitung zur Kampagnenplanung; ein längerfristiges, intensives Spiel ist auch mit Capes möglich, davon bin ich überzeugt.

EIn anderes Beispiel: Bei Einer Con-Runde Dogs in the Vineyard hat ein Mitspieler sein Pferd in einen Konflikt eingebracht, wo es darum ging, sich von seiner Mutter zu verabschieden. Isoliert betrachtet vielleicht albern (wir haben auch gelacht!), aber in seiner Gänze der Ansatz zu der Frage der Beziehung zwischen diesem Charakter und seinem Reittier – in einer Con-Runde natürlich kaum merkbar, weil eben nur ein klitzekleiner Ausschnitt eines Spiels betrachtet wird.

Ein drittes Beispiel: Bei einer Runde The Shadow of Yesterday hatten wir einen Mitspieler am Tisch, der bei der Spiel- und Weltvorstellung durch unglaublich aus- und abschweifende Anmerkungen zum Thema auffiel, und die gesamte Runde war doch sehr … gespannt, wie es mit diesem Spieler sein würde sobald das Spiel losging. Er war laut, aufgeregt, hat es vor Spannung kaum ausgehalten und dreimal gelang es ihm mühelos, die Aufmerksamkeit drei weiterer Conrunden auf sich zu ziehen. Und doch hat er - als das System sich gegen ihn wandte und seine Spielfigur ganz zum Schluß ein entscheidendes Duell verlor und als feiger Hund vertrieben wurde, mit glänzenden Augen dagesessen, und diese Niederlage nicht nur wie ein erwachsener Mensch getragen, sondern sich gefreut, daß die Geschichte, an deren Gestaltung er soviel teilhatte wie alle anderen am Tisch, ein passendes Ende erfahren hat.

Ein viertes Beispiel: Ein Mitspieler bei einer meiner ersten Dogs in the Vineyard-Runden dachte, er würde eine Deadlands-Variante spielen und hatte sich dementsprechend einen "etwas anderen" Charakter vorgestellt; mit tollen Eigenschaften – natürlich hat er schnell gemerkt, daß dies nicht das Deadlands ist, das er kannte, aber was ihn dabeigehalten hat war die Tatsache, daß seine Idee trotzdem Platz hatte und im Laufe der Geschichte ihren angemessenen Platz fand.

Sicherlich alles keine Dinge, die nicht auch mit einem wohlmeinenden Diktator-SL gegangen wären, aber nach meinem Dafürhalten trotzdem direkte Ergebnisse der PI/PE-Anteile dieser Spiele.

Ich hab aber auch noch ein paar Gegenbeispiele, wies eben nicht klappt:

In einer anderen Runde haben wir Dogs in the Vineyard mit einem Fantasy-Setting gespielt. Einer der Spieler war mit der ganzen Idee nicht ganz grün und hat sich dementsprechend stark zurückgehalten. Das Thema und seine mechanische Umsetzung lagen ihm nicht am Herzen; dann ist es Zeit ein anderes Spiel zu spielen. Da fällt mir auf: Bei Dogs in the Vineyard steht das so auch in den Regeln - Player Empowerment, weil explizit erwähnt; nur eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme, oder Platzverschwendung, weil eh klar ist, daß man solche Spiele nur mit Leuten spielen sollte, die Bock drauf haben?

In einer Primetime Adventures-Runde sind wir fast daran gescheitert, daß (für einen one shot wohlgemerkt!) zu viele Bedenken gegen den einen oder anderen Series Pitch erhoben wurden, anstatt einfach mal mit dem Spiel zu spielen und zu sehen, was passiert (dabei haben wir noch nichtmal bös thematisch gesponnen, und irgendwer war dann gegen Manga aber für Anime oder so…). Bevor wir loslegen konnten, hatten wir aus Müdigkeitsgründen zwei Spieler verloren, die Runde war dann aber doch sehr lustig.

Die Spione-Testrunde war nicht durch den Übermut eines Mitspielers gescheitert, sondern daran, daß das System in seiner damaligen Inkarnation den Spielern "am Stück" zu wenig EInflußbereich gegeben hat. Wo wir eine Clancy/Bruckheimer-Produktion wollten, ist eben nur ein brennendes Verlagshaus rausgekommen…

Mein Fazit: Diese Spiele verlangen in der Regel mehr Offenheit und Einsatz von allen Teilnehmern, aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich, weil das Gesamtergebnis mannigfaltiger ist.

Und dann will ich noch über integrative Spielleiter in klassischen Systemen reden, allen voran mein DSA-SL, der damals in wunderbarer Weise die G7-Kampagne für uns geleitet hat. Er hat es – mit einer Ausnahme – immer wieder hinbekommen, die Charaktere in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken und Bestandteile der Vorgeschichte aller einzuflechten und zu verknüpfen. Höhepunkte waren so Dinge wie der Gaukler, der seine Angst vor sich selbst überwinden mußte, um seinen Rondraglauben klarzukriegen, der Krieger, der irgendwann um sein Schicksal wußte und fast daran zerbrach, und die Geschichte mit dem Artefaktmagier, der ein wirklich schlechtes Verhältnis zu seiner Familie hatte; der Trolle jagende Zwerg, der irgendwann erfahren mußte, dass ein Stamm Trolle bereitwillig sein halbes Volk geopfert hatte, um ihn auf den Pfad eines der Gezeichneten zu schicken. alles total spannende Geschichten, die der Frage, warum die Charaktere überhaupt gegen das Böse kämpfen, erst eine befriedigende Antwort geben konnten.

Will sagen: Sowas geht auch mit Spielen wie DSA, aber die PE/PI-Elemente der neueren Spiele helfen (wenn die Regeln gut gemacht sind), solche Dinge sauber und in einem dem Spiel angemessenen Rahmen zu kommunizieren. Wenn sie dann noch mechanische Relevanz haben (wie Aspekte bei Spirit of the Century, Pfade bei The Shadow of Yesterday oder Personal Sets bei Primetime Adventures), ist das für mich ein zusätzlicher Bonus.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #35 am: 31.12.2007 | 12:39 »
Einführung und Atmosphärisches:
So, etwas abgekühlter diskutiert es sich doch weitaus besser. Erst mal danke für die vielen Beiträge. In den letzten Posts sind wir für meinen Geschmack ein wenig vom eigentlichen Thema abgekommen. Versuche mal, die bisherigen Beiträge im Sinne der Grundidee des Threads zusammenzufassen und dabei die einzelnen Poster zu berücksichtigen.

Zunächst ganz kurz zum Diskussionsstil: Georgios hat seine Sicht beschrieben und das ist in meinen Augen eine konsistente Position, die ich akzeptieren kann. Insofern werde ich damit leben, auch wenns mir manchmal schwerfallen wird, da ich einen anderen Diskussionsstil bevorzuge. Ist vermutlich ne reine Gewichtungsfrage aus Atmosphäre und Effizienz. Sollte ich mich bisweilen also mal ein wenig bockig in Diskussionen verhalten, muss ich mich aller Wahrscheinlichkeit noch an einen für mich ungewöhnlichen Stil gewöhnen.

Wording "Spielkultur" und Ziel der entsprechenden Threads:
Der andere Punkt von Georgios, der auch von Boomslang partiell unterstützt wurde, ist die Namensgebung vom Kind. Aus verschiedenen Gründen behagt PE nicht. Der Parallelvorschlag der Aufgabenteilung lässt mir zu viele Fragen offen. Habe aber mittlerweile, angeregt durch die interessanten Beiträge, den nach meiner Ansicht passendsten Namen gefunden: Spielkultur. Der Titel des Threads wurde bereits entsprechend geändert (EDIT: Kann leider nicht den Globaltitel ändern. Kann das nen Mod übernehmen? Danke!).

Ziel dieses und eventueller Folgethreads ist also die Entwicklung eines Rahmenmodells für Spielkultur. Das empfinde ich nicht nur als herausfordernde Aufgabe, sondern es erscheint mir auch im bislang existierenden Theoriegebäude noch weitgehend ausgespart zu sein. Der Gruppenvertrag ist jedenfalls für meine Begriffe erheblich zu dünn.

Hintergrund und Übertragbarkeit:
Vielleicht sollte ich aber zuerst noch ganz schnell darauf eingehen, weshalb die ganzen Wirtschaftsanalogien aus meiner Sicht in diesem spezifischen Bereich sinnvoll sind (aber wirklich nur in a nutshell): Der Bedarf nach Organisation entsteht durch die Existenz einer komplexen Gesamtaufgabe, die Aufgabenteilung mit all Ihren Konsequenzen erforderlich macht. Die Form, wie Organisation geregelt ist, nennt sich Organisationskultur. Verkürzt haben zwei Amis das mal vor gar nicht allzu langer Zeit etwas flapsig zusammengefasst zu: "This is how we do things around here." Empowerment in diesem Zusammenhang entpolitisiert schlicht eine Veränderung der Selbstbestimmung zugunsten der Arbeitnehmer.

Auch Rollenspiel ist eine komplexe Gesamtaufgabe, die Organisation erforderlich macht und es erscheint mir aus verschiedenen Gründen sinnvoll, die Form der Organisationsregeln analog als Spielkultur zu bezeichnen. Player(s) Empowerment im Rollenspiel bezeichnet dann analog die Verschiebung der Selbstbestimmung zugunsten der Spieler. Ob das Ziel übrigens nun bei Wirtschaftsorganisationen Profitmaximierung oder bei Rollenspielrunden Spielspaß ist, macht da erst einmal keinen Unterschied. Also: lasst uns über Spielkultur sprechen.

Einführung in den Begriff der Spielkultur:
Dass in den vielen Posts große Unklarheiten über die genauen Inhalte von Spielkultur zutage treten, finde ich nicht sonderlich überraschend. Die inhaltlichen Beiträge dazu, was Spielkultur denn nun eigentlich beinhaltet, fand ich aber sehr befruchtend. Besonders die Beispiele von Jörg haben mir fürs Verständnis ne Menge gebracht. Auch Oliofs Ausführungen konnte ich nachvollziehen (mit Ausnahme der dichotomen Ausprägung von Spielkultur, dazu mehr unten).

Der Ansatz hier ist aber erst einmal nur, dass Spielkultur das ganze "how we do things around here" abbildet. Die Inhalte können wir meinetwegen zu Beispielzwecken anreißen, aber eine umfassende Liste erscheint mir vollkommen hoffnungslos. Da lehne ich mich mal wieder an besagte Analogie aus der Wirtschaft an, denn dort heißt das das wie gesagt Organisationskultur und an Beschreibungen, was das nun genau ist, scheiden sich seit Jahrzehnten die Geister. Konsens ist, dass das Konzept für ein vertieftes Organisationsverständnis sinnvoll ist und das ist für mich beim Rollenspiel genauso. Kleinster gemeinsamer Nenner könnte im Sinne eines gewissen Herrn Schein zunächst sein, dass Spielkultur sich (bezugnehmend auch auf Maarzan) aus drei Ebenen zusammensetzt: 1. An der Oberfläche liegen die sichtbaren Verhaltensweisen der Spielbeteiligten (statt SL und Spieler) und andere physische Manifestationen, insbesondere Regeln. Das nennt Maarzan Ebene 1 und auch die formale Aufgabenverteilung fällt in diese Ebene. 2. Unter Ebene 1 liegt das Gefühl, wie die Dinge sein sollen. Kollektive Werte sind beispielsweise "Ehrlichkeit", "Freundlichkeit", "Technik-Verliebtheit", "konservativ" usw. also Einstellungen, die das Verhalten von Spielbeteiligten bestimmen. 3. Am tiefsten liegen die sogenannten "basic assumptions". Diese werden nicht hinterfragt oder diskutiert. Sie sind so tief im Denken verwurzelt, dass sie von Spielbeteiligten nicht bewusst wahrgenommen werden, aber durch die tiefe Verwurzelung in Handeln und Denken ebenfalls einen erheblichen Einfluß aufs Spiel haben. Der zweite und dritte Punkt scheinen mir in Summe grob der von Maarzan gemeinten Ebene 2 zu entsprechen.

Man kann das noch beliebig weiter treiben. Eine solche inhaltliche Ausgestaltung der Spielkultur steht aber aus meiner Sicht nicht im Fokus dieses Threads, sondern ist ein mittelfristiges Ziel. Eine solche Debatte gibt nämlich mit Sicherheit Stoff für weitere Threads. Anders ausgedrückt: ein Aufdröseln von PE ist mir im Kontext dieses Threads zu kleinteilig.

Ziel dieses Threads unter dem Oberthema Spielkultur:
Turning Wheel hat wunderbar erkannt und zusammengefasst, dass es mir hier um einen anderen Zusammenhang geht, nämlich um eine Beschreibung der Effekte verschiedener Ausprägungen der Spielkultur vor dem Hintergrund eines spezifischen Modells von Spielkultur: einer Adaption der offenen/geschlossenen Gesellschaft von Popper fürs Rollenspiel. Und das möchte ich nun noch einmal vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion zusammenfassen.

Spielkultur lässt sich auf verschiedenen Dimensionen beschreiben und anhand vieler kleiner Punkte festmachen. Popper schlägt dazu 5 Dimensionen vor, die man bei Interesse aufs Rollenspiel übertragen könnte. In Summe könnte man dann in der Folge über alle Dimensionen spielrundenspezifisch eine Ausprägung festhalten, welche irgendwo zwischen SL-Diktatur und völliger Gleichberechtigung aller Spielbeteiligten liegt. Diese Ausprägung soll aber erst einmal nicht gemessen werden, sondern dient nur als theoretischer Anhaltspunkt für die folgenden Überlegungen. [* für Maarzan unten]. Dabei hängt es von den Interessen der Spielrunde (vielleicht im Sinne der obigen Ebenen nach Schein) ab, welche Ausprägung gruppenspezifisch gewählt wird.

Interessant und relevant für diesen Thread sind die folgenden Punkte:


Zentraler Punkt 1: Spielkultur ist eine kontinuierliche Größe

Der Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Offenheit der Organisationskultur im Sinne Poppers und dem Organisationserfolg ist nicht positiv linear. Mit zunehmener Offenheit wird eine Organisation also nicht erfolgreicher. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen Offenheit und Erfolg einer Organisation umgekehrt u-förmig. Es gibt also organisationsspezifisch einen Idealpunkt. Dieser Punkt wird beispielsweise bei hoch innovativen, forschungsorientierten Fricklerbuden deutlich stärker am offenen Pol liegen als bei rein mechanistisch-replizierenden Fertigungsstätten.

Überträgen aufs Rollenspiel bedeutet das: es gibt kein besser oder schlechter bei der Spielkultur (z.B. bei der Verteilung der Aufgaben) einer Spielrunde, sondern jede Gruppe hat einen individuellen Idealpunkt. Auch asymmetrische Zuordnungen von Macht im Sinne einer geschlossenen Orientierung können den Bedürfnissen mancher Spielrunden vollkommen angemessen sein. Eine Öffnung im Sinne Poppers, also meinetwegen eine Reduktion der SL-Rechte (oder andere von Jörgs Beispielen), muss damit nicht unbedingt dem übergeordneteten Ziel der Zufriedenheit der Spielbeteiligten dienlich sein. Das erklärt dann übrigens auch wunderbar, weshalb einige Runden, die über breite Systemkenntnis und langjähige Erfahrung in vielen anderen Gruppen verfügen, beispielsweise mit DSA-Railroading sehr gut klar kommen. Gäbe es einen linear positiven Zusammenhang, wäre so etwas unmöglich.

Allerdings führt Jörg, wenn ich ihn richtig verstehe, anhand seiner Beispiele an, dass es mit zunehmender Erfahrung in vielen Gruppen zu einer Bewegung hin zum offenen Pol gibt. Dazu passt die Beobachtung, dass gerade Anfängerrunden in einer recht geschlossenen Spielkultur mit klarer Machtverteilung in Richtung SL beginnen. Für mich hört sich das plausibel an, ich gebe allerdings zu bedenken, dass aus meiner Sicht die oben erwähnte Existenz von erfahrenen, aber sehr geschlossenen Gruppen möglich bleiben muss. Die gibts nämlich und eine Theorie der Spielkultur muss das erklären können.


Zentraler Punkt 2: Die Extreme von Spielkultur haben Vor- und Nachteile

Dieser Punkt ist vermutlich deutlich umstrittener als der erste. Dass eine extrem geschlossene Spielkultur Nachteile hat, müssen wir wohl ebenso wenig diskutieren wie den Umstand, dass eine extrem offene Spielkultur Vorteile hat. Interessanter wird es da schon bei den Vorteilen von Geschlossenheit und den Nachteilen von Offenheit. Die Vorteile geschlossener Spielkulturen bestehen in klareren Aufgabenverteilungen, stringenteren Plotentwicklungen, schnellerer Entscheidungsfindung und besser entwickelbaren Metaplots. Die Nachteile offener Spielkulturen bestehen tendentiell in Umkehrungen der eben genannten Punkte. Je nach Gruppe muss also eine Mischung gefunden werden, welche Elemente einer Spielrunde wie offen beziehungsweise geschlossen Einzug in die Spielkultur halten sollen. Wenn man sich über diesen Zusammenhang bewusst ist, trägt das in meinen Augen positiv zum Verständnis von Verhalten in Rollenspielgruppen bei.

Ausblick:
Mögliche Ansätze für weitere Threads neben diesen beiden zentralen Beobachtungen wären beispielsweise die Diskussion alternativer Modelle für Spielkultur oder auch eine Sammlung und Priorisierung von Elementen der Spielkultur. Es wäre klasse, wenn Ihr mit etwaigen Antworten gezielt auf die beiden Fragen eingehen könntet.


Anmerkungen:
* für Maarzan: Hatte ja einen Artikel zu einen entsprechenden Fragebogen verlinkt. Habe zwar Zugriff auf die Zeitschrift, aber keinen Scanner. Wenn Du Interesse an den konkreten Fragen hast, schaue ich mich mal nach netzbasierten Infos dazu um, denn der Fragebogen ist recht breit zum Einsatz gekommen, glaube ich. Deine Checkliste gefällt mir ziemlich gut, weicht aber von den in dem Fragebogen ausformulierten Fragen ab. Das macht aber aus meiner Sicht auch nix. Wie gesagt: Schaue mich bei Interesse noch mal um, brauche aber ein wenig Zeit, um was zu finden. Wenn Du willst, mach ich das aber gerne.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 13:04 von Kinshasa Beatboy »

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #36 am: 31.12.2007 | 13:18 »
Dem kann ich so im Großen und Ganzen zustimmen. Besonders die U-Form ist ein gutes Beispiel dafür, das man nach dem idealen Punkt suchen muss, weil zuviel des Guten doch wieder negative Effekte hat. Jede Gruppe die Veränderungen wünscht muss ihren Punkt finden an dem es die perfekte  Verbindung der beiden Systeme gibt.

Zitat
Allerdings führt Jörg, wenn ich ihn richtig verstehe, anhand seiner Beispiele an, dass es mit zunehmender Erfahrung in vielen Gruppen zu einer Bewegung hin zum offenen Pol gibt. Dazu passt die Beobachtung, dass gerade Anfängerrunden in einer recht geschlossenen Spielkultur mit klarer Machtverteilung in Richtung SL beginnen. Für mich hört sich das plausibel an, ich gebe allerdings zu bedenken, dass aus meiner Sicht die oben erwähnte Existenz von erfahrenen, aber sehr geschlossenen Gruppen möglich bleiben muss. Die gibts nämlich und eine Theorie der Spielkultur muss das erklären können.

Ja, aus der soziologischen Sicht gesehen ist es wohl so, das nach längeren Spiel die Spieler übrig bleiben die das Spiel ernster nehmen als andere. Oft hat man deshalb mehr Spieler am, Tisch die alle Leiten und schon geleitet haben.

Diese Spieler sind aus der ausgeübten Position des Spielleiters heraus nicht mehr so bereit alles zu akzeptieren, weil sie es gewohnt sind ihre eigenen Herren zu sein und zu leiten. Sie fordern mehr Gerechtigkeit und und auch oft mehr Anteile am Gestaltungsrecht. Sie sind im Gegenzug dafür bereit dem SL Aufgaben abzunehmen und über ihre Ideen und Eingebungen bereit, den Plott voran zu treiben, dem SL Plotthooks zu liefern.

Eine Existenz von erfahrenen und sehr geschlossenen Gruppen ist sehr wahrscheinlich. Sie wird IMHO in einem direkten Zusammenhang mit der länge der Spieldauer und dem Bestehen der Gruppe zusammenhängen. Gerade ein guter SL kann leicht solche Runden aufbauen. Es besteht aus der Sicht der Spieler die es nicht anders kennen kein Grund, etwas zu ändern, alles läuft gut so wie es läuft. Auch eventuelle Neulinge kommen in eine intakte Gruppe, die in ihrem Gruppenvertrag genau geregelt hat, was Sache ist.

Solange also der SL keine Probleme damit hat, weiter den Alleinunterhalter zu machen und die Gruppe mit der Qualität des SL zufrieden ist, solange wird das System wunderbar weiter bestehen.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 13:22 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #37 am: 31.12.2007 | 13:26 »
Hi Beatboy,

bitte verlink doch mal einen Artikel, der Poppers Theorie, auf die Du Dich hier stützt, kurz wiedergibt. Im Moment kann ich zu Popper nur sagen "mag sein, weiß ich aber nicht." Dazu stell ich dann gleich die Frage, wie Du die Dimensionen Poppers auf eine Spielrunde übertragen willst.

Historisch gibt es die Erkenntnis, dass Spielkultur wichtig ist und sich auf das Spielerlebnis auswirkt, auch schon: Auf der Forge entwickelte sich der Begriff vom Lumpley Principle ("System ist die Gesamtheit aller Prozesse, mit der eine gegebene Gruppe das Spielgeschehen gestaltet"); Bei Dir kommt der Wunsch dazu, (die) Elemente dieses Gesamtsystems zu quantifizieren (Meßtechnik, ick hör Dir trapsen …). Das Lumpley Principle ist ebenso grundlegend, wie es vielen als banal erscheint; auch haben einige Leute ein Problem damit, daß hier der Begriff "System" benutzt wird, der in Rollenspielkreisen gerne als Synonym für Regelwerk gilt. In diesem speziellen Fall halte ich das aber für korrekt, weil der Begriff System über das üblicherweise genutzte Maß hinaus erweitert wird.

Ja, natürlich ist das Regelwerk (wichtiger?) Teil des Systems; doch auch Hausregeln, Sitzordnung, Spieldauer, die Frage nach Meta-Gesprächen am Tisch, etc.pp. haben einen Einfluß auf das Spielgeschehen – zum Beispiel das von mir gerade an anderer Stelle zitierte Verfahren, daß in Jörgs Gruppe genutzt wird: Dort darf man in einer Action-Szene alle Dinge machen, deren Regeln man parat hat; gilt auch für den SL und hat einen direkten Einfluß auf das Spielgeschehen.

Ich habe erstmal von PE als einer Dichotomie gesprochen, um den historischen Kontext zu erklären; der eben nicht quantifiziert. Die Nachteile einer "flachen Hierarchie" habe ich ja auch schon an Beispielen belegt: Gefahr des Mißbrauchs, Notwendigkeit proaktiver Spieler (ich kenne ein paar gute, aber nur reaktive Spieler), im Mittel mehr Aufwand für alle, weil sie sich nicht nur um "ihren Charakter" sondern die "gemeinsame Welt" kümmern müssen. Und dann verleitet sowas natürlich auch zu Spieler-gegen-Spieler-Szenarien, weil man die Form des Konfliktes aus der SL/Spieler-Dichotomie nicht auflösen und neugestalten kann.

Ich will mal ein Beispiel anhand eines Spielinhaltes bringen, den viele Leute nur dann für möglich halten, wenn es einen "starken Spielleiter" gibt: Geheimnisse. Wenn ein Geheimnis verborgen liegt und aufgedeckt werden muß, dann muß eine Person dieses hüten; wenn seine Enthüllung auch noch ein Höhepunkt des Erlebten und ein Wendepunkt für das folgende Geschehen sein soll, dann kann es ja nur ein SL verwalten. Richtig?

Ein Gegenentwurf: Im Spiel "The Mountain Witch" ziehen ehrlose Ronin aus, um gegen Geld den Alten vom Berge Fuji zu töten. Wer diesen Auftrag annimmt, gehört zu den Verzweifelten und Ehrlosen der Gesellschaft, die nur durch diesen Dienst am Volk ihr Gesicht zurückgewinnen können. Nun ist es so, daß die Spieler bei der Charaktererschaffung zufällig ein "dunkles Geheimnis" aufgedrückt bekommt, das er in das Spiel einfließen läßt, ohne dass der SL weiß, wer welches Geheimnis trägt. Die Möglichkeit, dieses Geheimnis zu platzieren und nach und nach zu enthüllen liefert das System auch noch mit, weil der SL angehalten ist, die Spieler um Details zur Spielwelt zu bitten: "Als Ihr an dem Friedhof vorbeikommt, erscheint Euch ein Geist. Dominic, Dein Charakter erkennt ihn. Wer ist es?"

Natürlich kommt es bei The Mountain Witch im Endspiel (bei der Konfrontation mit dem Alten vom Berge) eigentlich immer zu einer Spieler-gegen-Spieler-Situation; aber das ist dem Hauptthema des Spieles geschuldet (Vertrauen gegen Verrat, auch zentral-mechanisch verankert). Hinzu kommt, dass es üblicherweise kein jeder-gegen-jeden ist, sondern sich Fraktionen bilden, die das eine oder andere Ziel verfolgen.

Die Geheimnisse von The Mountain Witch sind übrigens für sich noch kein PE, aber sie haben einen Einfluß auf die Spielkultur! Erst mit der Anleitung für den Spielleiter, diese Dinge anzunehmen und ihnen einen Platz zu schaffen wird regelimmanent PI/PE daraus, und die Geheimnisse sind mehr als nur schmuckes Beiwerk.

Und abseits von einem Nischensystem kenne ich SLs, die sich freuen, wenn ihre Spieler ganz heimlich bestimmte Dinge vorbereiten, ohne daß sie es mitbekommen.

Offline Arbo

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #38 am: 31.12.2007 | 13:54 »
@ Kinshasa:

Dazu bemühe ich mal den Bereich der Ökonomie, denn für Rollenspiele kenne ich keine relevanten empirischen Untersuchungen: es gibt einen stichhaltig nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Offenheit/Geschlossenheit von Organisationen und ihrem Erfolg. Dieser Zusammenhang ist aber umgekehrt u-förmig.

AHHHHHH, aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Sicht krümmen sich da mir die Fussnägel hoch bei solchen Aussagen.

OT
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Ansonsten will ich nochmal zu Deinem Eingangsposting gratulieren. Schön geschrieben und der Hinweis auf Popper gefällt mir auch sehr gut. Entgegen mancher  Meinung hier im Forum bin ich schon der Ansicht, dass Macht und Gestaltungsrechte durchaus mit dem PE-Begriff einhergehen können. Zumindest, wenn mensch z.B. den Begriff Regel (= Institution) nach der "Institutionenlehre" (für Ökonomen: Institutionsökonomie) versteht. Aus der Sicht ist auch nichts dagegen einzuwenden, von Gruppenverträgen zu sprechen, bei denen u.a. just die ökonomischen Überlegungen zum Zuge kommen, die Jörg oben schon beschrieben hat.

Ferner noch ein weiterer Punkt, der mir hier kurz einfiel, als es hier hieß, es ginge nicht um Macht oder "Parteien" und das deshalb der PE-Begriff überholt sei. Das ist natürlich Quatsch!

Denn Spiel-Parteien gibt es IMMER. Letztlich ließe sich auch ein totales PE in "Sequenzen" sezieren, in denen SpielerInnen dann halt zeitweise / vorübergehend eine SL-Rolle einnehmen, die dann aber an andere SpielerInnen abgeben usw. Der Knackpunkt liegt für mich daher nicht in einer Macht- bzw. Rollenverteilung an sich, sondern in den damit zusammenhängenden Informationsasymmetrien. Damit's auch hier wieder etwas fundierter wird: In der Personalwirtschaft wird diesbezüglich mit sogenannten Prinzipal-Agenten-Modellen gearbeitet, wobei der erstere mal schlechter, mal besser informiert sein kann als der "Agent". Übertrage Prinzipal auf SL und Agent auf SpielerIn, dann lassen sich die Probleme um ungleichverteilte Informationen auch auf's Rollenspiel übertragen. Insofern geht es nicht, wie manch eine hier meinen möge, um eine Asymmetrie in der Verteilung von Gestaltungsrechten, Macht usw., sondern in erster Linie um eine Ungleichverteilung von Informationen.

Und letztlich spielt auch da wieder die Wahrnehmung und Kommunikation eine Rolle: Kommt das, was ich an Wünschen usw. äußere, auch beim Gegenüber an? Das klingt zwar recht banal, aber das ist m.E. auch ein Grund, warum totales PE von sich aus beschränkt (selbst-beschränkend) ist. Und huch, schon sind wir wieder beim Konstuktivismus. ;)

// Arbo

P.S.: Rest zum Thema folgt sicherlich in den nächsten Tagen.

[EDIT]

P.P.S.: Was Popper's Diktatur und totale Freiheit betrifft ... nur der Hinweis, dass sich sowas auch in den Idealtypen von Euckens findet.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 14:06 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Low Life Syndicate (Soundcloud)
Wirschaftsexperten, etwas Blöderes gibt's in keinem Tierpark! (V. Pispers)

Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #39 am: 31.12.2007 | 14:14 »
@Kinshasa:
Ich würde das Konzept des "organisationspezifischen Idealpunktes" noch etwas erweitern wollen. Es schien mir so, als ob implizit die Vorstellung ausgedrückt wurde, dass eine Gruppe nur einen solchen Punkt hat und diesen nicht ändert. Das halte ich für eine stark vereinfachte Sicht der Dinge.

Ein solcher Idealpunkt kann sich nicht nur mit der Zeit verschieben - so wie man sich an einem Spiel satt gespielt hat oder "ihm entwachsen ist". Es ist auch so, dass sich Spieler und damit auch ganze Gruppen an eine neue Spielkultur anpassen können und diese zu schätzen lernen. Vorlieben und Affinitäten müssen nicht statisch sein.

Im Rahmen dieser Diskussion ist es natürlich auch sinnvoll, diesen Punkt zu vereinfachen, um sich mit anderen Aspekten der Spielkultur beschäftigen zu können.

(Und damit melde ich mich auch wieder ab. Die Diskussion reitet in andere Richtungen weiter.)

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #40 am: 31.12.2007 | 14:30 »
Das sind recht viele spannende Beiträge in kurzer Zeit. Bemühe mich mal um eine Einordnung:

@ Jörg: /signed

@ Oliof:

Habe statt Popper mal ein Abstract aus "Die Betriebswirtschaft" von 2001 herausgesucht, das mir gut geeignet scheint:

"Aus balancetheoretischen Überlegungen wird abgeleitet, daß die zur Förderung der Innovativität einer Unternehmung immer wieder empfohlenen Öffnungsprozesse (u.a. Steigerung dezentraler Einflußpotentiale) spezifische Risiken implizieren (u.a. Konflikte und Koordinationsprobleme). Ohne parallele, diese Risiken abpuffernde Schließungsprozesse (Förderung von Integration) kommt es mit zunehmender Öffnung nicht zu einer weiteren Steigerung, sondern zu einer Senkung der resultierenden Innovativität. Der erstmalige empirische Nachweis einer solchen latent kurvilinearen Beziehung zwischen Öffnungsprozessen und Innovativität an N = 192 Organisationen legt den Tatbestand dieser Risiken offen. Zugleich werden wirksame kompensierende Gegenstrategien aufgezeigt. Aus den Ergebnissen werden Folgerungen für die Theorie und Praxis der Innovationsförderung gezogen."

Das mag alles ein wenig technisch sein, verdeutlicht aber vielleicht noch mal die Idee.


@ Cpt. Arbo:

Weniger die Kausalitäts- als die Konstruktivismusdebatte sollte man nach meiner Auffassung tatsächlich nach Möglichkeit vermeiden. Bei der Kausalität gibts nämlich schon recht gute Ansätze. Das Zeug kommt dann neuerdings unter den Namen Strukturgleichungsmodellierung sowie Partial Least Squares Modelling daher und ist recht mächtig. Konstruktivismus aber stellt ja gleich den gesamten deduktiven Prozess infrage. Das kann man meinetwegen machen, sollte aber irgendwo im Kämmerchen der Wissenschaftstheoretiker bleiben, da stimme ich Dir absolut zu.

Hatte ansonsten versucht, möglichst sparsam Theorien einzuführen. Popper ist zentral und geht ein. Schein wird am Rande erwähnt. Das Lumpley-Principle habe ich dann schon bewusst rausgelassen. Principal-Agent oder Machttypologien hängen natürlich mit dem Thema zusammen, verwirren aber wohl auch erst einmal mehr als dass sie zur Klärung beitragen. Außerdem führt das alles vielleicht auch zu einer übermäßigen Theoretisierung, die im Zusammenhang mit Rollenspieltheorie ein wenig zu weit geht. Die Gefahr, Leute durch zu starke theoretische Strukturen vom Einbringen eigener Ideen abzuhalten, besteht zudem. Gerade vollkommen Fachfremde haben oft Ideen aus Blickwinkeln, die mir in der Form nie in den Sinn kommen würden. Je stärker man da vorstrukturiert, desto weniger solcher Perlen sind für meine Begriffe erwartbar.

Da Du Dich aber offenbar sehr gut mit solchen Fragen auskennst, bin ich schon sehr gespannt auf Deinen Beitrag. Schön und wichtig fänd ich aber, im Sinne allgemeinen Verständnisses möglichst theoriefrei zu formulieren. Das gelingt mir natürlich auch nicht immer, aber ich bemühe mich. Bei Bedarf kann man dann immer noch ein wenig konkreter werden, wie z.B. oben bei der Frage von Legitimationsmacht (dazu passt übrigens auch Dein Principle-Agent-Zeugs samt Informationsmacht wieder). Aber wie gesagt: je weniger theoretischer Ballast von außen (ob Forge oder Wissenschaft ist dabei erst mal egal), desto besser!


@ Georgios:

Stimme Dir zu, hatte das aber implizit bereits berücksichtigt, wenn auch wohl recht unscharf dargestellt. Die zeitliche Verschiebung des Idealpunktes mit zunehmender Erfahrung hatte Jörg erwähnt und das wurde von mir im letzten Post übernommen. Neu sind an Deinem Post zum einen für mein Empfinden die sprunghafte Anpassung an eine neue Spielkultur sowie die mögliche parallele Existenz mehrerer Idealpunkte. Hm, muss darüber noch mal Nachdenken. Aber dass es situationsunabhängig einen fixen Idealpunkt pro Gruppe gibt, halte ich ebenfalls für Unsinn, da stimme ich Dir zu. Eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, wird einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Insofern danke ich für den Beitrag, die Verdeutlichung bisheriger Punkte einerseits und die neuen Aspekte andererseits. Musst Dich auch gar nicht abmelden. Hüpf aufs Pferd und galoppier mit, fänd ich gut!

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #41 am: 31.12.2007 | 14:32 »
Ich versuche das mal ganz laienhaft zusammen zu fassen.

Damit Freiheit wirklich das allgemeine Wohlgefühl erhöht, erfordert sie einmal die Orientierung und das Wissen um konstruktiv eingesetzt zu werden und den Willen sie konstruktiv einzusetzen?
Wer sich in seinen Freiheiten aber auch in seinen angenommenen Rechten beschnitten sieht ist unglücklich, aber wer von ungebremsten Freiheiten anderer überfahren wird oder aber nicht erkennen kann, wie er seine Freiheiten nutzen kann, da ihm Informationen fehlen, ist auch nicht glücklich.

Oder: Jeder darf sich was aus der Waffenkammer holen, seht zu, das es gegen Zombies hilft (Degen sind also stylisch aber unwirksam)  - und Pyro bekommt NICHT den Flammenwerfer.
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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #42 am: 31.12.2007 | 14:35 »
@ Kinshasa:

@ Cpt. Arbo:

Weniger die Kausalitäts- als die Konstruktivismusdebatte sollte man nach meiner Auffassung tatsächlich nach Möglichkeit vermeiden. Bei der Kausalität gibts nämlich schon recht gute Ansätze. Das Zeug kommt dann neuerdings unter den Namen Strukturgleichungsmodellierung sowie Partial Least Squares Modelling daher und ist recht mächtig. Konstruktivismus aber stellt ja gleich den gesamten deduktiven Prozess infrage. Das kann man meinetwegen machen, sollte aber irgendwo im Kämmerchen der Wissenschaftstheoretiker bleiben, da stimme ich Dir absolut zu.

Ähm, mit den Strukturgleichungsmodellen kenne ich mich im Kern nicht soooo sehr aus, weiß aber, dass da auch nicht alles Gold ist, was glänzt - im Grunde das alles (!) auch irgendwie Humbug ist, weil es da „kausale Mängel“ gibt.

OT
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Hatte ansonsten versucht, möglichst sparsam Theorien einzuführen. Popper ist zentral und geht ein. [...]
Aber wie gesagt: je weniger theoretischer Ballast von außen (ob Forge oder Wissenschaft ist dabei erst mal egal), desto besser!

Jaja, schon gut, aber wenigstens ist es THEORETISCHER Ballast und nicht metaphysisches Rumgehumpel (wie Popper mir sicherlich beipflichten würde ;) ). Beiträge von mir findest Du übrigens auf meiner Seite (auch, wenn die Gestaltungsrechte heute sicherlich nicht mehr ganz "up to date" und daher zu überarbeiten sind).

Etwas zu diesem Strang dann in den nächsten Tagen.

// Arbo
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 14:39 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #43 am: 1.01.2008 | 13:23 »
Zitat
Aber dass es situationsunabhängig einen fixen Idealpunkt pro Gruppe gibt, halte ich ebenfalls für Unsinn, da stimme ich Dir zu. Eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, wird einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das Problem der Theorie ist, das sie selten auf eine ganz spezifische Situation passt und auch nicht passen soll. Die Runde wird gesamtheitlich betrachtet. Wenn wir also feststellen wollen das es einen bestimmten Idealpunkt für PE gibt müssen wir also IMHO das Spiel in seiner Gesamtheit betrachten, da es immer individuelle und stimmungsbedingte Schwankungen gibt. Das ist auch einer der Fehler der bei der Spielertypenbestimmung nach Laws immer wieder gemacht wird. Fast jeder hat auf längere Zeiträume gesehen eine dominierende Art zu spielen. Das mag auch oft mit dem Charakter zusammenhängen, den man gerade spielt, aber in einer Kampagne ist eine bestimmte Art zu spielen IMHO bei fast jedem Spieler dominierend.

Ein Punkt wo ich dir ganz entschieden widerspreche ist die die Aussage, das eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen wird als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.

Natürlich kann ein Spiel die Vorlieben der Spieler ändern, also indirekt Einfluss nehmen. Aber ein und die selbe Gruppe wird bei Borberad oder the Pool immer noch die selben Vorlieben haben. Genauso kann ein neuer SL mit anderen Ideen den Spielstil nachhaltig verändern (ich habe schon so manchen SL seine Gruppenkultur total verdorben, wenn ich den Gast SL gemacht habe).
« Letzte Änderung: 1.01.2008 | 13:37 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

oliof

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #44 am: 1.01.2008 | 15:30 »
Vorhin habe ich ein in drei Tagen selbstgeschriebenes Rollenspiel mit einer kleinen PE-Regel getestet (Silvester-Dungeon). Tatsächlich haben sich meine 'klassischen Rollenspieler' gar nicht so richtig getraut das einzusetzen, um die Geschichte voranzubringen. Ich denke man muss diese Art der Verantwortung für das Spiel erst mal tragen lernen.

Daher Jörgs Anmerkung weiter oben, dass solche Mechanismen eher bei Gruppen greifen, wo alle Spieler auch schonmal (irgendwann/irgendwo) geleitet haben.

Ein Punkt wo ich dir ganz entschieden widerspreche ist die die Aussage, das eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen wird als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.

Ist ja auch klar, in der Regel ist es so, dass die Sieler sich nur auf Systeme einlassen, die ihnen passen. Trotzdem kann ein System Begehrlichkeiten wecken, derer man sich vorher nicht bewußt war.

Offline Lord Verminaard

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #45 am: 1.01.2008 | 15:38 »
Und es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass eine besimmte Gruppe verschiedene Sachen mag und, je nach System der Stunde, im Spiel umsetzt. Aber zugegebenermaßen haben die meisten Spieler, die ich kenne, so was wie einen "Lieblingsstil".
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Eulenspiegel

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #46 am: 1.01.2008 | 20:30 »
Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.
Das sehe ich anders:
Ein und die gleiche Gruppe kann einmal ernsthaft spielen wollen, wenn sie Cthulhu spielt und das andere Mal eher amüsant und locker, wenn sie dann Paranoia spielt.

Wenn man in der Paranoia-Gruppe Witze reißt, wird das von den anderen Spielern positiv aufgenommen. - Wenn man die gleichen Witze dann zwei Wochen später beim Cthulhu spielen macht, wird das eher als störend empfunden.

Wenn mir der SL sagt, wir spielen Paranoia, gehe ich mit einer ganz anderen Grundeinstellung in den Abend, als wenn mir der SL sagt, dass wir Cthulhu spielen.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #47 am: 1.01.2008 | 20:38 »
Hier geht es jetzt nicht plötzlich um Spielstil ganz allgemein, oder sowas wie die (forgy) Agenda, oder? Ich bin mir nicht sicher ob ich und andere den Themenwechsel bzw. die Spezifizierung des Themas jetzt grade verstehen.

Daraus das Georgios weg ist schließe ich, dass es auch nicht mehr um Aufgabenverteilung geht sondern erstmal nur um "Macht" (und Verantwortung?). Wir sprechen doch jetzt über Spielkultur und meinen damit aber nur die Machtverteilung innerhalb der Gruppe(?) Dabei heißt "offene" Kultur sowas wie gleiche Rechte für alle und "geschlossen" sowas wie Diktatur (einer alles, die anderen nix), richtig?
Den Begriff kritisiere ich mal nicht, weil der speziell genug und wenig vorbelastest ist, also kann ich damit zum Zwecke der Diskussion leben.

Dann hätte ich die Frage wie man eine Skala von Offenheit nach Geschlossenheit aufmachen kann. Das ist ja zwangsläufig eine Form der Projektion oder Dimensionsreduktion, wenn man voraussetzt dass es vorher mehr als diese eine einfache Dimension gibt (und die sehe ich so direkt jetzt nicht).
Außerdem wäre von immensem Interesse was ein Machtunterschied in diesem Sinne eigentlich heißt und wie man den (zumindest theoretisch) Messen kann. Mir würde da wieder nur eine ordinale Skala zu einfallen (A hat mehr Macht als B wenn er in einer Hierarchie über B steht, z.B. wenn alles was B sagt durch A akzeptiert werden muss).

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #48 am: 2.01.2008 | 00:03 »
Zitat
Das Problem der Theorie ist, das sie selten auf eine ganz spezifische Situation passt und auch nicht passen soll. Die Runde wird gesamtheitlich betrachtet.  Fast jeder hat auf längere Zeiträume gesehen eine dominierende Art zu spielen. Das mag auch oft mit dem Charakter oder dem System zusammenhängen, den man gerade spielt, aber auf lange Zeiträume gesehen ist eine bestimmte Art zu spielen IMHO bei fast jedem Spieler dominierend.

Ich will dir gar nicht wiedersprechen, Eulenspiegel, kurzfristig gesehen kann ein System durchaus Änderungen im Spielstil bringen. Das hatte ich auch schon zugegeben. Aber wir reden hier von dem Spiel an sich, also dem was über längere Zeiträume geht. Dort hat jeder Spieler und jede Gruppe eine Art zu spielen die Dominant ist.

Für diese Art zu spielen ist das System nicht relevant. Diese Vorlieben können sich auch ändern, aber dann wird eine neue Art zu spielen dominant. Die Art wie gespielt wird ist also von den Spielern und ihren Vorlieben abhängig, nicht vom System.

Wer zum Beispiel mit mir spielt wird über kurz oder Lang immer Action Elemente (Cineasmus) in seiner Runde wiederfinden, auch wenn ich durchaus mal tragisch leite, oder ein Rätzelabenteuer.

Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.