Autor Thema: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen  (Gelesen 11869 mal)

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Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #25 am: 30.12.2007 | 22:36 »
Das ist in meinen Augen totaler Unfug. Die deutsche Übersetzung von Power ist Macht. Players Empowerment ist also die ErMÄCHTigung der Spieler.

Wird dir langsam klar, weshalb ich "Player Empowerment" für überholt halte? Weil Macht nichts mit einem Rollenspiel haben muss. Wenn du über Machtverhältnisse reden willst, dann tu das. Für mich ist das - wie erwähnt - eine unnötige Politisierung des Hobbies und problematisiert lediglich die Beziehungen der Spieler untereinander (das was hier als Gruppenvertrag bezeichnet wurde - ein Begriff der ein eigenes Fass an Missverständnissen mit sich bringt).

"Player Empowerment" wird vor allem im Zusammenhang mit der Aufgabenverteilung, wie sie durch das Regelwerk festgelegt wird, benutzt. Auf dieser Ebene kann man auch gut darüber reden, wie ich finde. Zumindest habe ich daran Interesse.

Zu Machtverhältnissen habe ich nichts zu sagen.

Zitat
Ich würde gern ne ganze Menge von Euch über bislang bestehende Rollenspieltheorie lernen.

Warum das denn? Bist du der Meinung, dass es hier so viele Leute gibt, die irgendjemanden unterrichten wollen? Wenn ja, dann wende dich an die. Aber mir ist jeder suspekt, der mir erzählen will was ich von etwas zu denken habe.

Zitat
Das finde ich interessant und bin offen für Neues. Aber manchmal könnten einige hier auch mal zuhören, denn von mir kann man mit Sicherheit auch ne Menge lernen.

Du musst die Umgangsformen einzelner verstehen lernen. Direkte Fragen, ausformulierte Einwände und überlegte Antworten sind ein Zeichen dafür, dass du Ernst genommen wirst und man dir zuhört. Die Leute in diesem Forum sind notorische Zweifler und Hinterfrager. Das wird nicht einfach abgestellt, um Höflichkeiten auszutauschen.

Wenn deine Threads kommentarlos versinken würden, könntest du eher behaupten nicht für voll genommen zu werden.

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #26 am: 30.12.2007 | 23:32 »
Erst einmal ein Lob für die ausführliche Betrachtung und Darlegung der Probleme, welche ein völliges PE bringen kann.

Ich kann dir zustimmen, das eine völlige Loslösung von klassischen Strukturen zum Chaos führen wird. Sowie im Arbeitsleben, als auch im Rollenspiel.

Ich gehe jetzt mal auf das Rollenspiel ein, auf das klassische Rollenspiel.
Es kann keine völlige Loslösung von Autoritäten geben, deshalb sind die Regeln auch so wichtig. Wie Dom schon schrieb, haben SL lose Spiele sehr strikte Regeln um das Spiel zu kanalisieren. so wird verhindert, das das Spiel außer Kontrolle gerät und die jeweilige Situation zerfasert.

Im klassischen Rollenspiel gibt es also den SL, der die Regeln auslegt und im Notfall auch mit der "SL Allmacht" neue Regeln erschafft. Er bereitet das Abenteuer vor, trifft Entscheidungen und regelt das Spiel nach seinem Gusto.

Die Spieler haben normalerweise Zugriff auf die Regeln und können ihre Charaktere entsprechend bauen. Der SL legt sie aus und ändert sie gelegentlich.

Nun ist es aber so, das der SL sich die Arbeit damit auch etwas schwer macht. er halst sich die alleinige Verantwortung fürs Spiel auf und muss gleichzeitig aufpassen, das die Spieler sich nicht ungerecht behandelt fühlen. Er muss alles überwachen um dafür zu sorgen, das keiner bescheißt, den Raubtierbändiger spielen. Die Spieler kennen aber jedoch irgendwann die Regeln und jeder Mensch hat ein Bedürfnis, gerecht behandelt zu werden. Das ist gleichbedeutend damit, das der SL wertvolle Ressourcen seiner Zeit mit Überwachungsaufgaben verschwendet, statt den Plott kreativ am laufen zu halten und sich auf das Abenteuer zu konzentrieren.

Nach meiner Meinung sollte sich ein SL auf seine Kernkompetenzen beschränken, den Schiedsrichter spielen und der Gruppe ein spannendes Abenteuer/Spielerlebnis verschaffen.

Wenn der SL jetzt also Aufgaben abgibt, dann erleichtert er sich dadurch die Arbeit. Die Spieler kennen die Regeln, sie werden dem SL sagen, was sie machen und ob sie es geschafft haben oder nicht. Dann kann der SL die Umwelt entsprechend reagieren lassen. So fängt PE an.

Wenn der SL die Spieler ihre Charaktere alleine bauen lässt und sie nur kurz vorm Spiel überprüft, oder auch nicht. Dann schaufelt er sich schon wieder Ressourcen  frei, welche er wo anders besser einsetzen kann.

Wenn der SL jetzt die Spieler auffordert ihm Hintergründe zu schicken und aus diesen Hintergründen die Abenteuer und eine Kampagne baut. Auch das ist PE.

Eine Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Einsetzen von PE sind Regeln, an die sich die Gruppe hält und die den Ramen für die Handlungen von Spielern und SL abstecken. Zusätzlich wird sich im Laufe des Spieles ein Gruppenvertrag entwickeln, der für gleiche Voraussetzungen und die Gleichberechtigung aller Spieler sorgt.

Was bedeutet das für mich?

Ich denke das die Regeln und die Einhaltung der Regeln dafür sorgen, das alle gleichberechtigt am Tisch spielen. Sie sind gleichzeitig auch der Ramen für den Einsatz von PE. Denn keiner darf mit PE die Regeln außer Kraft setzen und damit entfällt der Zwang, das der SL für deren Einhaltung sorgt. Die Regeln und der Gruppenvertrag regulieren also ganz automatisch, was geht und was nicht. Es ist keine völlige Freiheit, die Spieler und der SL erkennen die Regeln (auch Hausregeln) als oberste Autorität an und ein völliges Abgleiten ist durch diese logische Begrenzung nicht möglich.

Betrachten wir noch mal eine Aussage von Dr Boomslang:

Zitat
Betrachten wir z.B. die Verteilung von Einfluss und Verantwortung innerhalb einer Spielgruppe. In dieser Dimension ist maximales PE gefragt. Jeder Spieler muss bereit sein Verantwortung zu tragen und muss daher die Gelegenheit haben grundsätzlich gleichwertigen (nicht gleichen!) Einfluss zu nehmen. Alles andere führt zu massiven Problemen, z.B. SL-Dominanz (durch zu hohe Einflussnahme) oder SL-Burnout (durch zu hohe Verantwortung) und entsprechende Probleme bei den Spielern.
Immer wenn der Eindruck entsteht das maximales PE hier oder woanders als Grundvoraussetzung angesehen und zwingend gefordert wird, betrifft das erst einmal nur diese spezielle Dimension von Einfluss und Verantwortung.

Bei PE geht es normalerweise nie darum tatsächliche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten innerhalb des Spiels absolut symmetrisch für alle Spieler zu halten. Wer das denkt hat PE völlig falsch verstanden. Dass mit einem solchen System nicht alles sinnvoll spielbar ist was Spaß macht dürfte klar sein.

Ich schmelze dahin, wenn ich so etwas schönes und treffendes lese.

Ich möchte noch einmal auf einige Vorteile von PE eingehen, die dem SL seine Arbeit erleichtern können:

Indem der SL die Spieler z.B NSCs übernehmen lässt und diese mit anderen Spieler verhandeln und den Plott vorantreiben, kann er sich anderen Spieler wittmen und den Plott auch weiter bringen. Er entledigt sich des OT Gequatsches der Spieler und ALLE haben mehr Spaß.

Indem er die Spieler z.B ihr Heimatdorf ausarbeiten und NSCs erstellen lässt, verschafft er sich Zeit um am Haupt-Plot weiter zu arbeiten und muss nicht mehr so viel Arbeit investieren.

Indem er die Spieler Zuhause steigern und einkaufen lässt, schont er die Spielzeit und seine Nerven.

Players Empowerment kann einem als SL vieles einfacher machen und wenn man die richtigen Spieler hat die Geschichte extrem bereichern. Wie ausgeprägt man diese Möglichkeiten nutzen möchte ist eine reine Geschmackssache. Auf jeden Fall denke ich, das man als SL sehen sollte, wie man sich das Leben einfacher macht. PE ist eine Gute Möglichkeit dafür.

Meine Frage zum Benchmark ist:
An wem wollt ihr euch den Ausrichten? Wer ist das Ziel fürs Benchmarking?

Ich fasse also zusammen:

PE kann funktionieren, wenn man sich an die Regeln hält. Dann sind IHMO auch die Ängste vom Beatboy unbegründet.

Wenn man als SL arbeit sparen möchte, dann kann PE ein wichtiger Aspekt werden.
« Letzte Änderung: 30.12.2007 | 23:44 von Jörg.D »
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oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #27 am: 31.12.2007 | 00:31 »
Ich denke das die Regeln und die Einhaltung der Regeln dafür sorgen, das alle gleichberechtigt am Tisch spielen.

Nö. Ein Beispiel: Du selbst hast – man kann es in Eurer Diary of Sessions nachlesen – einem Spieler verboten, während des Spiels Regeln zu seiner Magie nachzuschlagen, weil Du keinen Bock hattest, darauf zu warten. Die Fähigkeit des Individuums, die Regeln präsent zu haben, ist ein weiterer Faktor. Du hast dem Spieler an dieser Stelle (evtl. aus gutem Grund) Handlungsmöglichkeiten verweigert.

Die Existenz und Einhaltung der Regeln allein reichen nicht, sondern es muß auch noch Gleichheit bei der Kenntnis und dem Verständnis bestehen, bevor die Regeln als Egalisator herhalten können.

Zitat
Sie sind gleichzeitig auch der Ramen für den Einsatz von PE. Denn keiner darf mit PE die Regeln außer Kraft setzen und damit entfällt der Zwang, das der SL für deren Einhaltung sorgt.

Nein. Auch ganz ohne PE kann jemand anders als der SL die Person sein, die die Einhaltung der Regeln überwacht. Player Empowerment und regelgerechtes Spiel haben keinen inhaltlichen oder ursächlichen Zusammenhang. Auch in einer D&D-Runde kann ein Regelverstoß von Mitspielern ohne SL-Hut verhindert werden ("Hey, Du hast aber nur Cleave und nicht Great Cleave").

PE hat aber - da hast Du recht - nichts mit dem Auslassen oder Verfälschen von Regeln zu tun. Vielmehr ist PE ein Label, dass das Spiel als gemeinschaftliche Tätigkeit unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten beschreiben will. Für alle, die das sowieso als Grundvoraussetzung für Rollenspiel sehen, ist der Begriff überflüssig.

Zitat
Die Regeln und der Gruppenvertrag regulieren also ganz automatisch, was geht und was nicht. Es ist keine völlige Freiheit, die Spieler und der SL erkennen die Regeln (auch Hausregeln) als oberste Autorität an und ein völliges Abgleiten ist durch diese logische Begrenzung nicht möglich.

Player Empowerment hat nichts mit "regellosem/regelarmem Spiel" zu tun, und hängt auch nicht ursächlich mit einem Gruppenvertrag zusammen. Übrigens geht das ganze höchst selten auch ganz automatisch, da das Lernen der Regeln und die (meist nur implizite) Gestaltung des Gruppenvertrages Zeit benötigen.

Richtig ist aber: Fast alle Spiele, die das Label "PE" tragen haben strikte Regeln zur Gestaltung des Geschehens, und sie sind sehr wichtig, damit sich nicht die "Beliebigkeit eines Singspiels" einstellt, wie  ein guter Freund von mir zu sagen pflegt.

Wenn man Player Empowerment als Begriff überhaupt retten will, dann geht das nur so: In einem PE-artigem Spiel gibt es in der Gestaltung des Spielgeschehens Bereiche für die Spieler, über die sie frei bestimmen können, und die relevant für das weitere Spiel sind. Es gibt Regeln für sie, auf die der  Spielleiter nicht zugreifen kann, bzw. dessen Auswirkungen er nicht verhindern kann, ohne einen Verstoß gegen die Regeln zu begehen.

Beispiele:

Bei White Wolf's Adventure! kann man mit einer bestimmten Meta-Resource das Spielgeschehen zu seinen Gunsten beeinflussen. ABER: Die Kosten dafür legt der Spielleiter fest, das ganze ist also stark abhängig vom Ermessen einer einzelnen Person. Ist das Player Empowerment oder nicht?

Bei Primetime Adventures werden Erfolg und Erzählrecht getrennt ermittelt; der Umfang dessen was erzählt wird ist aber durch die vorher abgesteckten Bedingungen (Stakes) begrenzt.

Bei The Shadow of Yesterday gibt es zwei Regeln, die nach PE riechen: erweiterte Konflikte und Transzendenz. Erweiterte Konflikte allein deswegen, weil sie in der Hand der Spieler liegen und Transzendenz allein deswegen, weil es ein Regelkomplex für Spielerfiguren ist.

Bei Dogs in the Vineyard gibt es auch drei Elemente: Zum einen das Setzen der Stakes, zum anderen die Anweisung an den SL, ergebnisoffen zu leiten. Ersteres gibt einen sauberen Rahmen vor, letzteres gibt den Spielern die Freiräume, selbige überhaupt aufzuziehen: Warum mühsam gute Überlegungen zum Ausgang eines Konflikts machen, wenn der SL eh alles besser weiß? Und das dritte Element ist die SL-Regel "Say yes or roll the dice." – übrigens mein persönlicher Favorit, den ich in ähnlicher Form schon länger im Repertoire meiner SL-Tools habe.

Und dann noch ein paar Worte an den Stifter dieser Diskussion: Player Empowerment und Railroading gehören nicht zusammen. "Kein Railroading" heißt nicht automatisch "auf jeden Fall PE". Und nach meiner Sicht gibt es "ein bißchen PE" genausoviel wie "ein bißchen schwanger"  - entweder gibt es klare, unbeugsame, spielrelevante Einflußbereiche für die Spieler, oder eben nicht.

Mein Lieblingssatz als SL ist übrigens "Das gelingt Dir." Player Empowerment?

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #28 am: 31.12.2007 | 01:49 »
@oliof
Ich würde nicht versuchen PE als Kategorie für einzelne Techniken oder Mechanismen zu etablieren, das geht wirklich am Sinn des ganzen vorbei, obwohl der öffentliche Gebrauch des Begriffs in diese Richtung tendiert. Aber das heißt nicht dass das sinnvoll ist. Man verliert damit die ursprüngliche Bedeutung.
Ich verstehe du willst das auch gar nicht, aber auch eine "Rettung" des Begriffes in diese Richtung ist nicht sinnvoll und auch gar nicht nötig, wie ich finde.

Jörg verwendet den Begriff meiner Ansicht nach schon ganz richtig: PE als Entwicklungsmöglichkeit, weg vom klassischen Paradigma von SL und Spieler, und hin zu mehr Verantwortung und Einfluss für Spieler (bis hin zu einer Gleichberechtigung auf irgend einer Ebene).

Im Kern ist auch folgendes richtig:
Vielmehr ist PE ein Label, dass das Spiel als gemeinschaftliche Tätigkeit unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten beschreiben will. Für alle, die das sowieso als Grundvoraussetzung für Rollenspiel sehen, ist der Begriff überflüssig.
Der Begriff des PE wird aber nicht überflüssig, weil er weiterhin als historischer Begriff eine Entwicklung bezeichnet und so auch auf Techniken Bezug genommen werden kann, die im Verlaufe dieser Entwicklung entstanden sind. Dabei darf man aber wieder nicht die Techniken selbst als PE sehen, sie sind nur Resultate des PE.
Es stimmt aber, dass PE nach dieser Entwicklung kein "Feature" mehr ist das man irgendwo speziell erkennen kann. Ein und dieselbe Technik kann einmal PE gewesen sein und das andere mal nicht.

PE ergibt sich nur im Vergleich, es bezeichnet eine Entwicklung. Man kann zwischen PE und nicht-PE nur differenzieren wenn man eine Weiterentwicklung eines bestimmten Spielteiles betrachtet. Ein solche Veränderung ist genau dann PE wenn sie den Spielern mehr Freiheiten gibt, ganz einfach.
Das was weiter weg vom autoritären, klassischen Stil und näher an der Gleichberechtigung liegt könnte man auch "mehr" PE nennen, aber das mag im Einzelfall schwer zu beantworten sein.

Genauso sind auch all deine Beispiel zu beantworten.
Wenn du z.B. "Dir gelingt's" da sagst wo du früher gesagt hättest "Kann dein Charakter das überhaupt?!" dann ist das PE, sonst nicht.

Insofern gibt es meiner Ansicht nach auch mehr oder weniger PE, weil es mehr oder weniger Einfluss gibt.

Ach ja, willkommen zurück :)


Und noch was: Wir sollten vielleicht den Vorgang des PE vom Zustand der Gleichheit trennen. Genauso wie Emanzipation ein Vorgang und Gleichberechtigung ein Zustand ist.
Das ist bisher nicht geschehen da im PE allgemein offen gelassen wird auf welcher Ebene die Angleichung stattfindet. Forge ist z.B. im Sinne des Lumpley-Prinzips und Social Contract usw. davon ausgegangen dass eine Gleicheit auf sozialer Ebene grundsätzlich besteht. Ein PE kann also bei ungleicher Verteilung des kreativen Einflusses auf das Spiel nur über die Verschiebung dieses kreativen Einflusses geschehen.

Wenn wir von Gleicheit sprechen müssen wir nämlich auch ganz genau die Ebene benennen, was bei PE allgemein nicht nötig ist.

Wie ich weiter oben schon sagte kann es durchaus sein, dass erst auf sozialer Ebene ein Ausgleich besteht (und ich denke das kommt auch häufig genug vor). Ich finde es aber einen natürlichen Prozess, dass Angleichung erst auf niederen Ebenen passiert wo es um Gleichartigkeit geht und sich dann erst in höhere Ebenen verschieben wo es um Gleichwertigkeit geht.

Genauso wie sich im Verlaufe der Emanzipation Frauen erst Männerollen erobern müssen, nur um dann selbstbestimmt auch alte Rollenverhältnisse wieder einnehmen zu können. Als wichtiger Punkt bleibt da letztlich die Möglichkeit als Erhöhung der Selbstbestimmung.

Aufs Rollenspiel übertragen bedeutet dies, dass sich PE auch wie von mir beschrieben in der puren Möglichkeit äußern kann kreativen Einfluss aufs Spiel zu nehmen, nicht aber dass dies im Spiel oder im System auch tatsächlich der Fall sein muss.
Ich gebe zu PE ist in der öffentlichen Diskussion eher so verstanden worden wie Georgios es meinte, auf die Aufgabenverteilung bezogen, ich bin aber überzeugt, dass nie gemeint war dass Aufgaben grundsätzlich anderes verteilt sein müssen. Es war nur gemeint dass sie anders verteilt sein können wenn man annimmt das alle Spieler gleichwertig sind.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 02:14 von Dr.Boomslang »

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #29 am: 31.12.2007 | 07:36 »
Zitat
Nö. Ein Beispiel: Du selbst hast – man kann es in Eurer Diary of Sessions nachlesen – einem Spieler verboten, während des Spiels Regeln zu seiner Magie nachzuschlagen, weil Du keinen Bock hattest, darauf zu warten. Die Fähigkeit des Individuums, die Regeln präsent zu haben, ist ein weiterer Faktor. Du hast dem Spieler an dieser Stelle (evtl. aus gutem Grund) Handlungsmöglichkeiten verweigert.

Nein, ich habe geschrieben, das PE auch sein kann, das der Spieler würfelt und dem SL sein Ergebnis mitteilt, damit der die Umgebung entsprechend reagieren lassen kann. Der Player muss also die Regeln und Sonderregeln zu seinem Charakter kennen und der SL braucht sie nicht zu en Detail zu lernen ,hat so Zeit sich um seine Kernkompetenzen zu kümmern, Abenteuer plotten und Schiedsrichter zu spielen.

Der Spieler hat in diesem Fall seine Aufgabe nicht erfüllt, er kannte die Regeln für die Magie nicht. Also habe ich in meiner Schiedsrichter Position entsprechend des Gruppenvertrages entschieden, das der Charakter zu nervös ist mitten im Kampf den Zauber zu sprechen.

Der Spieler hat die Regel übrigens nachgelesen und eine Szene später den Zauber angewendet.

Schön das du wieder da bist!
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Preacher

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #30 am: 31.12.2007 | 07:53 »
entweder gibt es klare, unbeugsame, spielrelevante Einflußbereiche für die Spieler, oder eben nicht.
Das stimmt natürlich. Aber wie weitreichend diese Einflussbereiche sind ist doch wieder von Spiel zu Spiel unterschiedlich.

Und willkommen zurück :)
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 08:04 von Hendrik »

Offline Dom

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #31 am: 31.12.2007 | 07:58 »
@TW:
Zitat von: Turning Wheel
Ich muss aber auch gestehen, dass ich auf dem Gebiet des PE und spielleiterlosen Spiels noch nicht so richtig viel Erfahrung gesammelt habe. Wenn mir also jemand ein Spiel empfehlen könnte, das nicht kompetitiv ist, dann wäre ich sehr verbunden.
SL-Los: Shades
PE mit SL: The Pool

Beide Spiele beruhen nicht auf Wettkampf.

Ansonsten: Hallo Harald :)

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #32 am: 31.12.2007 | 08:52 »
Zitat
Mittlerweile sitze ich aber wieder
am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander
zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).

Ich nehme jetzt mal Bezug auf Western City. Im Regelwerk wird ausdrücklich darauf hingewiesen das es im Sinne des Autors ist, mit den anderen Spielern zu agieren und nicht gegen sie. Da aber der SL als strukturierendes , plottbildendes und entscheidendes Element fehlt werden sehr starke Regeln benötigt um die Handlung nicht zerfassern zu lassen und Unstimmigkeiten zu verhindern. Desshalb gibt es auch Regeln, wie man jemand anderen ein veto reindrücken kann, wenn man etwas nicht will. Das hat mit dem klassischen PE für mich aber nix zu tun. Im klassischen Spiel ist der SL als Plottgeber und Schiedsrichter da. Wenn dort jemand gegen deinen Char und seine Ziele schießt, dann bist du der Geschichte eigentlich ausgeliefert, wenn der SL nix dagegen unternimmt. Insofern schiest du IMHO am Ziel vorbei.
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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #33 am: 31.12.2007 | 10:08 »
Du must dich nicht entschuldigen, da deine Kritik im Kern ja richtig war  :) .

Es gibt explizite Regen für diese Fälle, die anderen können durch die Verteilung der Erzählrttechte auf alle versuchen dir eins rein zu würgen. Du hast aber auch die Möglichkeit dich zu wehren (ein Vetorecht).

Dieses Vetorecht hast du im klassischen Rollenspiel aber nicht. Wenn der SL oder ein Mitspieler mit deinem Char etwas macht, was du nicht willst, dann bist du ihnen wirklich ausgeliefert.

Nur deshalb empfinde ich das Beispiel als nicht passend, denn gerade das von dir gewählte Spiel gibt dir die Möglichkeit dich gegen das zu wehren, was du nicht willst. Es bietet also das was du dem klassischen Rollenspiel zuschreibst. Die Möglichkeit hast du beim einem SL der etwas will nicht. Er wird in der Regel mit einer SL Allmacht ausgestattet und du kannst höchstens auf der sozialen Ebene intervenieren, das du das, was mit deinem Charakter passiert nicht möchtest.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 10:10 von Jörg.D »
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oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #34 am: 31.12.2007 | 10:36 »
Was mich am meisten an PE ankotzt ist dass ich mich in Regelsysteme hineinbegebe, die mich tatsächlich oft meiner Erzählrechte berauben, die ich an einem Tisch mit diktatorischem SL aber bekommen würde.

Ein hpothetisches schlechtes Spielerlebnis ist immer schlechter als ein hypothetisches gutes Spielerlebnis. Aber nun gut. Ich nehme an, Du willst sagen, daß PE und PI kein Allheilmittel sind, und nicht in jeder Runde ihren Platz haben. Dem stimme ich uneingeschränkt zu.

Zitat
Was nützt es mir, wenn ein anderer Spieler den Plot meines Charakters weitererzählt und alles was ich habe in die Pfanne haut, weil er einer ist, der am Rollenspieltisch sitzt um zu gewinnen, und nicht um eine coole Geschichte oder Rolle zu entwerfen.

Ich kann den Unterschied zwischen einem dikatorischen SL und einem destruktiven Mitspieler nicht erkennen. Konequenz für mich ist, daß ich mit solchen Leuten nicht mehr spiele.

Alle PE / SL-Spiele, die ich kenne, ziehen klare Grenzen, an die man sich hält, auch wenn man das Erzählrecht gewinnt; sonst ist es ein Regelverstoß.

Zitat
PE ist in meiner Erfahrung auf Cons (meine regulären Spielgruppen mögen
das alle eher nicht) ein Rückschritt in kompetitive Spielwelten, die ich 1987, als ich mit D&D angefangen habe, frohgemut glaubte ein für alle mal zurückgelassen zu haben. Mittlerweile sitze ich aber wieder am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).

Mit PE auf Cons hast Du ein anderes Problem: Viele Leute haben zum ersten Mal ein neues Spielzeug in der Hand und wollen testen, ob sie wirklich soviel Freiheit haben, wie man ihnen verspricht. Da tut man sich als SL hin und wieder schwer, einzugreifen. Das Mißverständnis hier ist, daß die Leute erstmal nicht begreifen, daß sie eben auch Verantwortung tragen, wenn sie eine Spielsitzung mitgestalten: Dafür, daß es keine Sackgassen gibt und dafür, daß alle – im Rahmen der vorgegebenen Regeln – ihre Rechte beibehalten.

Einen großen Unterschied gibt es meiner Meinung dennoch zwischen den kompetetiven Spielen der Vorzeit und dem "Wettbewerbs"-Anteil der Spiele aus der Universalis- und Capes-Tradition: Letztere funktionieren nur, wenn die "Verlierer" des Wettstreits um das Erzählrecht mit den Gewinnern kooperieren; und das geht nur, wenn man sich nicht gegenseitig auf die Sandburg pinkelt.

In der Tat gibt es bei Capes – dem Spiel für beliebig viele Spielleiter, wenn man so will (und das sag ich nicht nur, um 1of3 zu ärgern) – einige Berichte von ersten Spielerfahrungen, in denen beschrieben wird, daß das Spiel albern und ohne Tiefe war.  Und doch bringt das Buch eine Anleitung zur Kampagnenplanung; ein längerfristiges, intensives Spiel ist auch mit Capes möglich, davon bin ich überzeugt.

EIn anderes Beispiel: Bei Einer Con-Runde Dogs in the Vineyard hat ein Mitspieler sein Pferd in einen Konflikt eingebracht, wo es darum ging, sich von seiner Mutter zu verabschieden. Isoliert betrachtet vielleicht albern (wir haben auch gelacht!), aber in seiner Gänze der Ansatz zu der Frage der Beziehung zwischen diesem Charakter und seinem Reittier – in einer Con-Runde natürlich kaum merkbar, weil eben nur ein klitzekleiner Ausschnitt eines Spiels betrachtet wird.

Ein drittes Beispiel: Bei einer Runde The Shadow of Yesterday hatten wir einen Mitspieler am Tisch, der bei der Spiel- und Weltvorstellung durch unglaublich aus- und abschweifende Anmerkungen zum Thema auffiel, und die gesamte Runde war doch sehr … gespannt, wie es mit diesem Spieler sein würde sobald das Spiel losging. Er war laut, aufgeregt, hat es vor Spannung kaum ausgehalten und dreimal gelang es ihm mühelos, die Aufmerksamkeit drei weiterer Conrunden auf sich zu ziehen. Und doch hat er - als das System sich gegen ihn wandte und seine Spielfigur ganz zum Schluß ein entscheidendes Duell verlor und als feiger Hund vertrieben wurde, mit glänzenden Augen dagesessen, und diese Niederlage nicht nur wie ein erwachsener Mensch getragen, sondern sich gefreut, daß die Geschichte, an deren Gestaltung er soviel teilhatte wie alle anderen am Tisch, ein passendes Ende erfahren hat.

Ein viertes Beispiel: Ein Mitspieler bei einer meiner ersten Dogs in the Vineyard-Runden dachte, er würde eine Deadlands-Variante spielen und hatte sich dementsprechend einen "etwas anderen" Charakter vorgestellt; mit tollen Eigenschaften – natürlich hat er schnell gemerkt, daß dies nicht das Deadlands ist, das er kannte, aber was ihn dabeigehalten hat war die Tatsache, daß seine Idee trotzdem Platz hatte und im Laufe der Geschichte ihren angemessenen Platz fand.

Sicherlich alles keine Dinge, die nicht auch mit einem wohlmeinenden Diktator-SL gegangen wären, aber nach meinem Dafürhalten trotzdem direkte Ergebnisse der PI/PE-Anteile dieser Spiele.

Ich hab aber auch noch ein paar Gegenbeispiele, wies eben nicht klappt:

In einer anderen Runde haben wir Dogs in the Vineyard mit einem Fantasy-Setting gespielt. Einer der Spieler war mit der ganzen Idee nicht ganz grün und hat sich dementsprechend stark zurückgehalten. Das Thema und seine mechanische Umsetzung lagen ihm nicht am Herzen; dann ist es Zeit ein anderes Spiel zu spielen. Da fällt mir auf: Bei Dogs in the Vineyard steht das so auch in den Regeln - Player Empowerment, weil explizit erwähnt; nur eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme, oder Platzverschwendung, weil eh klar ist, daß man solche Spiele nur mit Leuten spielen sollte, die Bock drauf haben?

In einer Primetime Adventures-Runde sind wir fast daran gescheitert, daß (für einen one shot wohlgemerkt!) zu viele Bedenken gegen den einen oder anderen Series Pitch erhoben wurden, anstatt einfach mal mit dem Spiel zu spielen und zu sehen, was passiert (dabei haben wir noch nichtmal bös thematisch gesponnen, und irgendwer war dann gegen Manga aber für Anime oder so…). Bevor wir loslegen konnten, hatten wir aus Müdigkeitsgründen zwei Spieler verloren, die Runde war dann aber doch sehr lustig.

Die Spione-Testrunde war nicht durch den Übermut eines Mitspielers gescheitert, sondern daran, daß das System in seiner damaligen Inkarnation den Spielern "am Stück" zu wenig EInflußbereich gegeben hat. Wo wir eine Clancy/Bruckheimer-Produktion wollten, ist eben nur ein brennendes Verlagshaus rausgekommen…

Mein Fazit: Diese Spiele verlangen in der Regel mehr Offenheit und Einsatz von allen Teilnehmern, aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich, weil das Gesamtergebnis mannigfaltiger ist.

Und dann will ich noch über integrative Spielleiter in klassischen Systemen reden, allen voran mein DSA-SL, der damals in wunderbarer Weise die G7-Kampagne für uns geleitet hat. Er hat es – mit einer Ausnahme – immer wieder hinbekommen, die Charaktere in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken und Bestandteile der Vorgeschichte aller einzuflechten und zu verknüpfen. Höhepunkte waren so Dinge wie der Gaukler, der seine Angst vor sich selbst überwinden mußte, um seinen Rondraglauben klarzukriegen, der Krieger, der irgendwann um sein Schicksal wußte und fast daran zerbrach, und die Geschichte mit dem Artefaktmagier, der ein wirklich schlechtes Verhältnis zu seiner Familie hatte; der Trolle jagende Zwerg, der irgendwann erfahren mußte, dass ein Stamm Trolle bereitwillig sein halbes Volk geopfert hatte, um ihn auf den Pfad eines der Gezeichneten zu schicken. alles total spannende Geschichten, die der Frage, warum die Charaktere überhaupt gegen das Böse kämpfen, erst eine befriedigende Antwort geben konnten.

Will sagen: Sowas geht auch mit Spielen wie DSA, aber die PE/PI-Elemente der neueren Spiele helfen (wenn die Regeln gut gemacht sind), solche Dinge sauber und in einem dem Spiel angemessenen Rahmen zu kommunizieren. Wenn sie dann noch mechanische Relevanz haben (wie Aspekte bei Spirit of the Century, Pfade bei The Shadow of Yesterday oder Personal Sets bei Primetime Adventures), ist das für mich ein zusätzlicher Bonus.

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #35 am: 31.12.2007 | 12:39 »
Einführung und Atmosphärisches:
So, etwas abgekühlter diskutiert es sich doch weitaus besser. Erst mal danke für die vielen Beiträge. In den letzten Posts sind wir für meinen Geschmack ein wenig vom eigentlichen Thema abgekommen. Versuche mal, die bisherigen Beiträge im Sinne der Grundidee des Threads zusammenzufassen und dabei die einzelnen Poster zu berücksichtigen.

Zunächst ganz kurz zum Diskussionsstil: Georgios hat seine Sicht beschrieben und das ist in meinen Augen eine konsistente Position, die ich akzeptieren kann. Insofern werde ich damit leben, auch wenns mir manchmal schwerfallen wird, da ich einen anderen Diskussionsstil bevorzuge. Ist vermutlich ne reine Gewichtungsfrage aus Atmosphäre und Effizienz. Sollte ich mich bisweilen also mal ein wenig bockig in Diskussionen verhalten, muss ich mich aller Wahrscheinlichkeit noch an einen für mich ungewöhnlichen Stil gewöhnen.

Wording "Spielkultur" und Ziel der entsprechenden Threads:
Der andere Punkt von Georgios, der auch von Boomslang partiell unterstützt wurde, ist die Namensgebung vom Kind. Aus verschiedenen Gründen behagt PE nicht. Der Parallelvorschlag der Aufgabenteilung lässt mir zu viele Fragen offen. Habe aber mittlerweile, angeregt durch die interessanten Beiträge, den nach meiner Ansicht passendsten Namen gefunden: Spielkultur. Der Titel des Threads wurde bereits entsprechend geändert (EDIT: Kann leider nicht den Globaltitel ändern. Kann das nen Mod übernehmen? Danke!).

Ziel dieses und eventueller Folgethreads ist also die Entwicklung eines Rahmenmodells für Spielkultur. Das empfinde ich nicht nur als herausfordernde Aufgabe, sondern es erscheint mir auch im bislang existierenden Theoriegebäude noch weitgehend ausgespart zu sein. Der Gruppenvertrag ist jedenfalls für meine Begriffe erheblich zu dünn.

Hintergrund und Übertragbarkeit:
Vielleicht sollte ich aber zuerst noch ganz schnell darauf eingehen, weshalb die ganzen Wirtschaftsanalogien aus meiner Sicht in diesem spezifischen Bereich sinnvoll sind (aber wirklich nur in a nutshell): Der Bedarf nach Organisation entsteht durch die Existenz einer komplexen Gesamtaufgabe, die Aufgabenteilung mit all Ihren Konsequenzen erforderlich macht. Die Form, wie Organisation geregelt ist, nennt sich Organisationskultur. Verkürzt haben zwei Amis das mal vor gar nicht allzu langer Zeit etwas flapsig zusammengefasst zu: "This is how we do things around here." Empowerment in diesem Zusammenhang entpolitisiert schlicht eine Veränderung der Selbstbestimmung zugunsten der Arbeitnehmer.

Auch Rollenspiel ist eine komplexe Gesamtaufgabe, die Organisation erforderlich macht und es erscheint mir aus verschiedenen Gründen sinnvoll, die Form der Organisationsregeln analog als Spielkultur zu bezeichnen. Player(s) Empowerment im Rollenspiel bezeichnet dann analog die Verschiebung der Selbstbestimmung zugunsten der Spieler. Ob das Ziel übrigens nun bei Wirtschaftsorganisationen Profitmaximierung oder bei Rollenspielrunden Spielspaß ist, macht da erst einmal keinen Unterschied. Also: lasst uns über Spielkultur sprechen.

Einführung in den Begriff der Spielkultur:
Dass in den vielen Posts große Unklarheiten über die genauen Inhalte von Spielkultur zutage treten, finde ich nicht sonderlich überraschend. Die inhaltlichen Beiträge dazu, was Spielkultur denn nun eigentlich beinhaltet, fand ich aber sehr befruchtend. Besonders die Beispiele von Jörg haben mir fürs Verständnis ne Menge gebracht. Auch Oliofs Ausführungen konnte ich nachvollziehen (mit Ausnahme der dichotomen Ausprägung von Spielkultur, dazu mehr unten).

Der Ansatz hier ist aber erst einmal nur, dass Spielkultur das ganze "how we do things around here" abbildet. Die Inhalte können wir meinetwegen zu Beispielzwecken anreißen, aber eine umfassende Liste erscheint mir vollkommen hoffnungslos. Da lehne ich mich mal wieder an besagte Analogie aus der Wirtschaft an, denn dort heißt das das wie gesagt Organisationskultur und an Beschreibungen, was das nun genau ist, scheiden sich seit Jahrzehnten die Geister. Konsens ist, dass das Konzept für ein vertieftes Organisationsverständnis sinnvoll ist und das ist für mich beim Rollenspiel genauso. Kleinster gemeinsamer Nenner könnte im Sinne eines gewissen Herrn Schein zunächst sein, dass Spielkultur sich (bezugnehmend auch auf Maarzan) aus drei Ebenen zusammensetzt: 1. An der Oberfläche liegen die sichtbaren Verhaltensweisen der Spielbeteiligten (statt SL und Spieler) und andere physische Manifestationen, insbesondere Regeln. Das nennt Maarzan Ebene 1 und auch die formale Aufgabenverteilung fällt in diese Ebene. 2. Unter Ebene 1 liegt das Gefühl, wie die Dinge sein sollen. Kollektive Werte sind beispielsweise "Ehrlichkeit", "Freundlichkeit", "Technik-Verliebtheit", "konservativ" usw. also Einstellungen, die das Verhalten von Spielbeteiligten bestimmen. 3. Am tiefsten liegen die sogenannten "basic assumptions". Diese werden nicht hinterfragt oder diskutiert. Sie sind so tief im Denken verwurzelt, dass sie von Spielbeteiligten nicht bewusst wahrgenommen werden, aber durch die tiefe Verwurzelung in Handeln und Denken ebenfalls einen erheblichen Einfluß aufs Spiel haben. Der zweite und dritte Punkt scheinen mir in Summe grob der von Maarzan gemeinten Ebene 2 zu entsprechen.

Man kann das noch beliebig weiter treiben. Eine solche inhaltliche Ausgestaltung der Spielkultur steht aber aus meiner Sicht nicht im Fokus dieses Threads, sondern ist ein mittelfristiges Ziel. Eine solche Debatte gibt nämlich mit Sicherheit Stoff für weitere Threads. Anders ausgedrückt: ein Aufdröseln von PE ist mir im Kontext dieses Threads zu kleinteilig.

Ziel dieses Threads unter dem Oberthema Spielkultur:
Turning Wheel hat wunderbar erkannt und zusammengefasst, dass es mir hier um einen anderen Zusammenhang geht, nämlich um eine Beschreibung der Effekte verschiedener Ausprägungen der Spielkultur vor dem Hintergrund eines spezifischen Modells von Spielkultur: einer Adaption der offenen/geschlossenen Gesellschaft von Popper fürs Rollenspiel. Und das möchte ich nun noch einmal vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion zusammenfassen.

Spielkultur lässt sich auf verschiedenen Dimensionen beschreiben und anhand vieler kleiner Punkte festmachen. Popper schlägt dazu 5 Dimensionen vor, die man bei Interesse aufs Rollenspiel übertragen könnte. In Summe könnte man dann in der Folge über alle Dimensionen spielrundenspezifisch eine Ausprägung festhalten, welche irgendwo zwischen SL-Diktatur und völliger Gleichberechtigung aller Spielbeteiligten liegt. Diese Ausprägung soll aber erst einmal nicht gemessen werden, sondern dient nur als theoretischer Anhaltspunkt für die folgenden Überlegungen. [* für Maarzan unten]. Dabei hängt es von den Interessen der Spielrunde (vielleicht im Sinne der obigen Ebenen nach Schein) ab, welche Ausprägung gruppenspezifisch gewählt wird.

Interessant und relevant für diesen Thread sind die folgenden Punkte:


Zentraler Punkt 1: Spielkultur ist eine kontinuierliche Größe

Der Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Offenheit der Organisationskultur im Sinne Poppers und dem Organisationserfolg ist nicht positiv linear. Mit zunehmener Offenheit wird eine Organisation also nicht erfolgreicher. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen Offenheit und Erfolg einer Organisation umgekehrt u-förmig. Es gibt also organisationsspezifisch einen Idealpunkt. Dieser Punkt wird beispielsweise bei hoch innovativen, forschungsorientierten Fricklerbuden deutlich stärker am offenen Pol liegen als bei rein mechanistisch-replizierenden Fertigungsstätten.

Überträgen aufs Rollenspiel bedeutet das: es gibt kein besser oder schlechter bei der Spielkultur (z.B. bei der Verteilung der Aufgaben) einer Spielrunde, sondern jede Gruppe hat einen individuellen Idealpunkt. Auch asymmetrische Zuordnungen von Macht im Sinne einer geschlossenen Orientierung können den Bedürfnissen mancher Spielrunden vollkommen angemessen sein. Eine Öffnung im Sinne Poppers, also meinetwegen eine Reduktion der SL-Rechte (oder andere von Jörgs Beispielen), muss damit nicht unbedingt dem übergeordneteten Ziel der Zufriedenheit der Spielbeteiligten dienlich sein. Das erklärt dann übrigens auch wunderbar, weshalb einige Runden, die über breite Systemkenntnis und langjähige Erfahrung in vielen anderen Gruppen verfügen, beispielsweise mit DSA-Railroading sehr gut klar kommen. Gäbe es einen linear positiven Zusammenhang, wäre so etwas unmöglich.

Allerdings führt Jörg, wenn ich ihn richtig verstehe, anhand seiner Beispiele an, dass es mit zunehmender Erfahrung in vielen Gruppen zu einer Bewegung hin zum offenen Pol gibt. Dazu passt die Beobachtung, dass gerade Anfängerrunden in einer recht geschlossenen Spielkultur mit klarer Machtverteilung in Richtung SL beginnen. Für mich hört sich das plausibel an, ich gebe allerdings zu bedenken, dass aus meiner Sicht die oben erwähnte Existenz von erfahrenen, aber sehr geschlossenen Gruppen möglich bleiben muss. Die gibts nämlich und eine Theorie der Spielkultur muss das erklären können.


Zentraler Punkt 2: Die Extreme von Spielkultur haben Vor- und Nachteile

Dieser Punkt ist vermutlich deutlich umstrittener als der erste. Dass eine extrem geschlossene Spielkultur Nachteile hat, müssen wir wohl ebenso wenig diskutieren wie den Umstand, dass eine extrem offene Spielkultur Vorteile hat. Interessanter wird es da schon bei den Vorteilen von Geschlossenheit und den Nachteilen von Offenheit. Die Vorteile geschlossener Spielkulturen bestehen in klareren Aufgabenverteilungen, stringenteren Plotentwicklungen, schnellerer Entscheidungsfindung und besser entwickelbaren Metaplots. Die Nachteile offener Spielkulturen bestehen tendentiell in Umkehrungen der eben genannten Punkte. Je nach Gruppe muss also eine Mischung gefunden werden, welche Elemente einer Spielrunde wie offen beziehungsweise geschlossen Einzug in die Spielkultur halten sollen. Wenn man sich über diesen Zusammenhang bewusst ist, trägt das in meinen Augen positiv zum Verständnis von Verhalten in Rollenspielgruppen bei.

Ausblick:
Mögliche Ansätze für weitere Threads neben diesen beiden zentralen Beobachtungen wären beispielsweise die Diskussion alternativer Modelle für Spielkultur oder auch eine Sammlung und Priorisierung von Elementen der Spielkultur. Es wäre klasse, wenn Ihr mit etwaigen Antworten gezielt auf die beiden Fragen eingehen könntet.


Anmerkungen:
* für Maarzan: Hatte ja einen Artikel zu einen entsprechenden Fragebogen verlinkt. Habe zwar Zugriff auf die Zeitschrift, aber keinen Scanner. Wenn Du Interesse an den konkreten Fragen hast, schaue ich mich mal nach netzbasierten Infos dazu um, denn der Fragebogen ist recht breit zum Einsatz gekommen, glaube ich. Deine Checkliste gefällt mir ziemlich gut, weicht aber von den in dem Fragebogen ausformulierten Fragen ab. Das macht aber aus meiner Sicht auch nix. Wie gesagt: Schaue mich bei Interesse noch mal um, brauche aber ein wenig Zeit, um was zu finden. Wenn Du willst, mach ich das aber gerne.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 13:04 von Kinshasa Beatboy »

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #36 am: 31.12.2007 | 13:18 »
Dem kann ich so im Großen und Ganzen zustimmen. Besonders die U-Form ist ein gutes Beispiel dafür, das man nach dem idealen Punkt suchen muss, weil zuviel des Guten doch wieder negative Effekte hat. Jede Gruppe die Veränderungen wünscht muss ihren Punkt finden an dem es die perfekte  Verbindung der beiden Systeme gibt.

Zitat
Allerdings führt Jörg, wenn ich ihn richtig verstehe, anhand seiner Beispiele an, dass es mit zunehmender Erfahrung in vielen Gruppen zu einer Bewegung hin zum offenen Pol gibt. Dazu passt die Beobachtung, dass gerade Anfängerrunden in einer recht geschlossenen Spielkultur mit klarer Machtverteilung in Richtung SL beginnen. Für mich hört sich das plausibel an, ich gebe allerdings zu bedenken, dass aus meiner Sicht die oben erwähnte Existenz von erfahrenen, aber sehr geschlossenen Gruppen möglich bleiben muss. Die gibts nämlich und eine Theorie der Spielkultur muss das erklären können.

Ja, aus der soziologischen Sicht gesehen ist es wohl so, das nach längeren Spiel die Spieler übrig bleiben die das Spiel ernster nehmen als andere. Oft hat man deshalb mehr Spieler am, Tisch die alle Leiten und schon geleitet haben.

Diese Spieler sind aus der ausgeübten Position des Spielleiters heraus nicht mehr so bereit alles zu akzeptieren, weil sie es gewohnt sind ihre eigenen Herren zu sein und zu leiten. Sie fordern mehr Gerechtigkeit und und auch oft mehr Anteile am Gestaltungsrecht. Sie sind im Gegenzug dafür bereit dem SL Aufgaben abzunehmen und über ihre Ideen und Eingebungen bereit, den Plott voran zu treiben, dem SL Plotthooks zu liefern.

Eine Existenz von erfahrenen und sehr geschlossenen Gruppen ist sehr wahrscheinlich. Sie wird IMHO in einem direkten Zusammenhang mit der länge der Spieldauer und dem Bestehen der Gruppe zusammenhängen. Gerade ein guter SL kann leicht solche Runden aufbauen. Es besteht aus der Sicht der Spieler die es nicht anders kennen kein Grund, etwas zu ändern, alles läuft gut so wie es läuft. Auch eventuelle Neulinge kommen in eine intakte Gruppe, die in ihrem Gruppenvertrag genau geregelt hat, was Sache ist.

Solange also der SL keine Probleme damit hat, weiter den Alleinunterhalter zu machen und die Gruppe mit der Qualität des SL zufrieden ist, solange wird das System wunderbar weiter bestehen.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 13:22 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

oliof

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #37 am: 31.12.2007 | 13:26 »
Hi Beatboy,

bitte verlink doch mal einen Artikel, der Poppers Theorie, auf die Du Dich hier stützt, kurz wiedergibt. Im Moment kann ich zu Popper nur sagen "mag sein, weiß ich aber nicht." Dazu stell ich dann gleich die Frage, wie Du die Dimensionen Poppers auf eine Spielrunde übertragen willst.

Historisch gibt es die Erkenntnis, dass Spielkultur wichtig ist und sich auf das Spielerlebnis auswirkt, auch schon: Auf der Forge entwickelte sich der Begriff vom Lumpley Principle ("System ist die Gesamtheit aller Prozesse, mit der eine gegebene Gruppe das Spielgeschehen gestaltet"); Bei Dir kommt der Wunsch dazu, (die) Elemente dieses Gesamtsystems zu quantifizieren (Meßtechnik, ick hör Dir trapsen …). Das Lumpley Principle ist ebenso grundlegend, wie es vielen als banal erscheint; auch haben einige Leute ein Problem damit, daß hier der Begriff "System" benutzt wird, der in Rollenspielkreisen gerne als Synonym für Regelwerk gilt. In diesem speziellen Fall halte ich das aber für korrekt, weil der Begriff System über das üblicherweise genutzte Maß hinaus erweitert wird.

Ja, natürlich ist das Regelwerk (wichtiger?) Teil des Systems; doch auch Hausregeln, Sitzordnung, Spieldauer, die Frage nach Meta-Gesprächen am Tisch, etc.pp. haben einen Einfluß auf das Spielgeschehen – zum Beispiel das von mir gerade an anderer Stelle zitierte Verfahren, daß in Jörgs Gruppe genutzt wird: Dort darf man in einer Action-Szene alle Dinge machen, deren Regeln man parat hat; gilt auch für den SL und hat einen direkten Einfluß auf das Spielgeschehen.

Ich habe erstmal von PE als einer Dichotomie gesprochen, um den historischen Kontext zu erklären; der eben nicht quantifiziert. Die Nachteile einer "flachen Hierarchie" habe ich ja auch schon an Beispielen belegt: Gefahr des Mißbrauchs, Notwendigkeit proaktiver Spieler (ich kenne ein paar gute, aber nur reaktive Spieler), im Mittel mehr Aufwand für alle, weil sie sich nicht nur um "ihren Charakter" sondern die "gemeinsame Welt" kümmern müssen. Und dann verleitet sowas natürlich auch zu Spieler-gegen-Spieler-Szenarien, weil man die Form des Konfliktes aus der SL/Spieler-Dichotomie nicht auflösen und neugestalten kann.

Ich will mal ein Beispiel anhand eines Spielinhaltes bringen, den viele Leute nur dann für möglich halten, wenn es einen "starken Spielleiter" gibt: Geheimnisse. Wenn ein Geheimnis verborgen liegt und aufgedeckt werden muß, dann muß eine Person dieses hüten; wenn seine Enthüllung auch noch ein Höhepunkt des Erlebten und ein Wendepunkt für das folgende Geschehen sein soll, dann kann es ja nur ein SL verwalten. Richtig?

Ein Gegenentwurf: Im Spiel "The Mountain Witch" ziehen ehrlose Ronin aus, um gegen Geld den Alten vom Berge Fuji zu töten. Wer diesen Auftrag annimmt, gehört zu den Verzweifelten und Ehrlosen der Gesellschaft, die nur durch diesen Dienst am Volk ihr Gesicht zurückgewinnen können. Nun ist es so, daß die Spieler bei der Charaktererschaffung zufällig ein "dunkles Geheimnis" aufgedrückt bekommt, das er in das Spiel einfließen läßt, ohne dass der SL weiß, wer welches Geheimnis trägt. Die Möglichkeit, dieses Geheimnis zu platzieren und nach und nach zu enthüllen liefert das System auch noch mit, weil der SL angehalten ist, die Spieler um Details zur Spielwelt zu bitten: "Als Ihr an dem Friedhof vorbeikommt, erscheint Euch ein Geist. Dominic, Dein Charakter erkennt ihn. Wer ist es?"

Natürlich kommt es bei The Mountain Witch im Endspiel (bei der Konfrontation mit dem Alten vom Berge) eigentlich immer zu einer Spieler-gegen-Spieler-Situation; aber das ist dem Hauptthema des Spieles geschuldet (Vertrauen gegen Verrat, auch zentral-mechanisch verankert). Hinzu kommt, dass es üblicherweise kein jeder-gegen-jeden ist, sondern sich Fraktionen bilden, die das eine oder andere Ziel verfolgen.

Die Geheimnisse von The Mountain Witch sind übrigens für sich noch kein PE, aber sie haben einen Einfluß auf die Spielkultur! Erst mit der Anleitung für den Spielleiter, diese Dinge anzunehmen und ihnen einen Platz zu schaffen wird regelimmanent PI/PE daraus, und die Geheimnisse sind mehr als nur schmuckes Beiwerk.

Und abseits von einem Nischensystem kenne ich SLs, die sich freuen, wenn ihre Spieler ganz heimlich bestimmte Dinge vorbereiten, ohne daß sie es mitbekommen.

Offline Arbo

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #38 am: 31.12.2007 | 13:54 »
@ Kinshasa:

Dazu bemühe ich mal den Bereich der Ökonomie, denn für Rollenspiele kenne ich keine relevanten empirischen Untersuchungen: es gibt einen stichhaltig nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Offenheit/Geschlossenheit von Organisationen und ihrem Erfolg. Dieser Zusammenhang ist aber umgekehrt u-förmig.

AHHHHHH, aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Sicht krümmen sich da mir die Fussnägel hoch bei solchen Aussagen.

OT
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Ansonsten will ich nochmal zu Deinem Eingangsposting gratulieren. Schön geschrieben und der Hinweis auf Popper gefällt mir auch sehr gut. Entgegen mancher  Meinung hier im Forum bin ich schon der Ansicht, dass Macht und Gestaltungsrechte durchaus mit dem PE-Begriff einhergehen können. Zumindest, wenn mensch z.B. den Begriff Regel (= Institution) nach der "Institutionenlehre" (für Ökonomen: Institutionsökonomie) versteht. Aus der Sicht ist auch nichts dagegen einzuwenden, von Gruppenverträgen zu sprechen, bei denen u.a. just die ökonomischen Überlegungen zum Zuge kommen, die Jörg oben schon beschrieben hat.

Ferner noch ein weiterer Punkt, der mir hier kurz einfiel, als es hier hieß, es ginge nicht um Macht oder "Parteien" und das deshalb der PE-Begriff überholt sei. Das ist natürlich Quatsch!

Denn Spiel-Parteien gibt es IMMER. Letztlich ließe sich auch ein totales PE in "Sequenzen" sezieren, in denen SpielerInnen dann halt zeitweise / vorübergehend eine SL-Rolle einnehmen, die dann aber an andere SpielerInnen abgeben usw. Der Knackpunkt liegt für mich daher nicht in einer Macht- bzw. Rollenverteilung an sich, sondern in den damit zusammenhängenden Informationsasymmetrien. Damit's auch hier wieder etwas fundierter wird: In der Personalwirtschaft wird diesbezüglich mit sogenannten Prinzipal-Agenten-Modellen gearbeitet, wobei der erstere mal schlechter, mal besser informiert sein kann als der "Agent". Übertrage Prinzipal auf SL und Agent auf SpielerIn, dann lassen sich die Probleme um ungleichverteilte Informationen auch auf's Rollenspiel übertragen. Insofern geht es nicht, wie manch eine hier meinen möge, um eine Asymmetrie in der Verteilung von Gestaltungsrechten, Macht usw., sondern in erster Linie um eine Ungleichverteilung von Informationen.

Und letztlich spielt auch da wieder die Wahrnehmung und Kommunikation eine Rolle: Kommt das, was ich an Wünschen usw. äußere, auch beim Gegenüber an? Das klingt zwar recht banal, aber das ist m.E. auch ein Grund, warum totales PE von sich aus beschränkt (selbst-beschränkend) ist. Und huch, schon sind wir wieder beim Konstuktivismus. ;)

// Arbo

P.S.: Rest zum Thema folgt sicherlich in den nächsten Tagen.

[EDIT]

P.P.S.: Was Popper's Diktatur und totale Freiheit betrifft ... nur der Hinweis, dass sich sowas auch in den Idealtypen von Euckens findet.
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 14:06 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Joe Dizzy

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #39 am: 31.12.2007 | 14:14 »
@Kinshasa:
Ich würde das Konzept des "organisationspezifischen Idealpunktes" noch etwas erweitern wollen. Es schien mir so, als ob implizit die Vorstellung ausgedrückt wurde, dass eine Gruppe nur einen solchen Punkt hat und diesen nicht ändert. Das halte ich für eine stark vereinfachte Sicht der Dinge.

Ein solcher Idealpunkt kann sich nicht nur mit der Zeit verschieben - so wie man sich an einem Spiel satt gespielt hat oder "ihm entwachsen ist". Es ist auch so, dass sich Spieler und damit auch ganze Gruppen an eine neue Spielkultur anpassen können und diese zu schätzen lernen. Vorlieben und Affinitäten müssen nicht statisch sein.

Im Rahmen dieser Diskussion ist es natürlich auch sinnvoll, diesen Punkt zu vereinfachen, um sich mit anderen Aspekten der Spielkultur beschäftigen zu können.

(Und damit melde ich mich auch wieder ab. Die Diskussion reitet in andere Richtungen weiter.)

Kinshasa Beatboy

  • Gast
Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #40 am: 31.12.2007 | 14:30 »
Das sind recht viele spannende Beiträge in kurzer Zeit. Bemühe mich mal um eine Einordnung:

@ Jörg: /signed

@ Oliof:

Habe statt Popper mal ein Abstract aus "Die Betriebswirtschaft" von 2001 herausgesucht, das mir gut geeignet scheint:

"Aus balancetheoretischen Überlegungen wird abgeleitet, daß die zur Förderung der Innovativität einer Unternehmung immer wieder empfohlenen Öffnungsprozesse (u.a. Steigerung dezentraler Einflußpotentiale) spezifische Risiken implizieren (u.a. Konflikte und Koordinationsprobleme). Ohne parallele, diese Risiken abpuffernde Schließungsprozesse (Förderung von Integration) kommt es mit zunehmender Öffnung nicht zu einer weiteren Steigerung, sondern zu einer Senkung der resultierenden Innovativität. Der erstmalige empirische Nachweis einer solchen latent kurvilinearen Beziehung zwischen Öffnungsprozessen und Innovativität an N = 192 Organisationen legt den Tatbestand dieser Risiken offen. Zugleich werden wirksame kompensierende Gegenstrategien aufgezeigt. Aus den Ergebnissen werden Folgerungen für die Theorie und Praxis der Innovationsförderung gezogen."

Das mag alles ein wenig technisch sein, verdeutlicht aber vielleicht noch mal die Idee.


@ Cpt. Arbo:

Weniger die Kausalitäts- als die Konstruktivismusdebatte sollte man nach meiner Auffassung tatsächlich nach Möglichkeit vermeiden. Bei der Kausalität gibts nämlich schon recht gute Ansätze. Das Zeug kommt dann neuerdings unter den Namen Strukturgleichungsmodellierung sowie Partial Least Squares Modelling daher und ist recht mächtig. Konstruktivismus aber stellt ja gleich den gesamten deduktiven Prozess infrage. Das kann man meinetwegen machen, sollte aber irgendwo im Kämmerchen der Wissenschaftstheoretiker bleiben, da stimme ich Dir absolut zu.

Hatte ansonsten versucht, möglichst sparsam Theorien einzuführen. Popper ist zentral und geht ein. Schein wird am Rande erwähnt. Das Lumpley-Principle habe ich dann schon bewusst rausgelassen. Principal-Agent oder Machttypologien hängen natürlich mit dem Thema zusammen, verwirren aber wohl auch erst einmal mehr als dass sie zur Klärung beitragen. Außerdem führt das alles vielleicht auch zu einer übermäßigen Theoretisierung, die im Zusammenhang mit Rollenspieltheorie ein wenig zu weit geht. Die Gefahr, Leute durch zu starke theoretische Strukturen vom Einbringen eigener Ideen abzuhalten, besteht zudem. Gerade vollkommen Fachfremde haben oft Ideen aus Blickwinkeln, die mir in der Form nie in den Sinn kommen würden. Je stärker man da vorstrukturiert, desto weniger solcher Perlen sind für meine Begriffe erwartbar.

Da Du Dich aber offenbar sehr gut mit solchen Fragen auskennst, bin ich schon sehr gespannt auf Deinen Beitrag. Schön und wichtig fänd ich aber, im Sinne allgemeinen Verständnisses möglichst theoriefrei zu formulieren. Das gelingt mir natürlich auch nicht immer, aber ich bemühe mich. Bei Bedarf kann man dann immer noch ein wenig konkreter werden, wie z.B. oben bei der Frage von Legitimationsmacht (dazu passt übrigens auch Dein Principle-Agent-Zeugs samt Informationsmacht wieder). Aber wie gesagt: je weniger theoretischer Ballast von außen (ob Forge oder Wissenschaft ist dabei erst mal egal), desto besser!


@ Georgios:

Stimme Dir zu, hatte das aber implizit bereits berücksichtigt, wenn auch wohl recht unscharf dargestellt. Die zeitliche Verschiebung des Idealpunktes mit zunehmender Erfahrung hatte Jörg erwähnt und das wurde von mir im letzten Post übernommen. Neu sind an Deinem Post zum einen für mein Empfinden die sprunghafte Anpassung an eine neue Spielkultur sowie die mögliche parallele Existenz mehrerer Idealpunkte. Hm, muss darüber noch mal Nachdenken. Aber dass es situationsunabhängig einen fixen Idealpunkt pro Gruppe gibt, halte ich ebenfalls für Unsinn, da stimme ich Dir zu. Eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, wird einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Insofern danke ich für den Beitrag, die Verdeutlichung bisheriger Punkte einerseits und die neuen Aspekte andererseits. Musst Dich auch gar nicht abmelden. Hüpf aufs Pferd und galoppier mit, fänd ich gut!

Offline Maarzan

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #41 am: 31.12.2007 | 14:32 »
Ich versuche das mal ganz laienhaft zusammen zu fassen.

Damit Freiheit wirklich das allgemeine Wohlgefühl erhöht, erfordert sie einmal die Orientierung und das Wissen um konstruktiv eingesetzt zu werden und den Willen sie konstruktiv einzusetzen?
Wer sich in seinen Freiheiten aber auch in seinen angenommenen Rechten beschnitten sieht ist unglücklich, aber wer von ungebremsten Freiheiten anderer überfahren wird oder aber nicht erkennen kann, wie er seine Freiheiten nutzen kann, da ihm Informationen fehlen, ist auch nicht glücklich.

Oder: Jeder darf sich was aus der Waffenkammer holen, seht zu, das es gegen Zombies hilft (Degen sind also stylisch aber unwirksam)  - und Pyro bekommt NICHT den Flammenwerfer.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

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Re: [offen] Player Empowerment mit neuer Perspektive
« Antwort #42 am: 31.12.2007 | 14:35 »
@ Kinshasa:

@ Cpt. Arbo:

Weniger die Kausalitäts- als die Konstruktivismusdebatte sollte man nach meiner Auffassung tatsächlich nach Möglichkeit vermeiden. Bei der Kausalität gibts nämlich schon recht gute Ansätze. Das Zeug kommt dann neuerdings unter den Namen Strukturgleichungsmodellierung sowie Partial Least Squares Modelling daher und ist recht mächtig. Konstruktivismus aber stellt ja gleich den gesamten deduktiven Prozess infrage. Das kann man meinetwegen machen, sollte aber irgendwo im Kämmerchen der Wissenschaftstheoretiker bleiben, da stimme ich Dir absolut zu.

Ähm, mit den Strukturgleichungsmodellen kenne ich mich im Kern nicht soooo sehr aus, weiß aber, dass da auch nicht alles Gold ist, was glänzt - im Grunde das alles (!) auch irgendwie Humbug ist, weil es da „kausale Mängel“ gibt.

OT
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Hatte ansonsten versucht, möglichst sparsam Theorien einzuführen. Popper ist zentral und geht ein. [...]
Aber wie gesagt: je weniger theoretischer Ballast von außen (ob Forge oder Wissenschaft ist dabei erst mal egal), desto besser!

Jaja, schon gut, aber wenigstens ist es THEORETISCHER Ballast und nicht metaphysisches Rumgehumpel (wie Popper mir sicherlich beipflichten würde ;) ). Beiträge von mir findest Du übrigens auf meiner Seite (auch, wenn die Gestaltungsrechte heute sicherlich nicht mehr ganz "up to date" und daher zu überarbeiten sind).

Etwas zu diesem Strang dann in den nächsten Tagen.

// Arbo
« Letzte Änderung: 31.12.2007 | 14:39 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #43 am: 1.01.2008 | 13:23 »
Zitat
Aber dass es situationsunabhängig einen fixen Idealpunkt pro Gruppe gibt, halte ich ebenfalls für Unsinn, da stimme ich Dir zu. Eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, wird einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das Problem der Theorie ist, das sie selten auf eine ganz spezifische Situation passt und auch nicht passen soll. Die Runde wird gesamtheitlich betrachtet. Wenn wir also feststellen wollen das es einen bestimmten Idealpunkt für PE gibt müssen wir also IMHO das Spiel in seiner Gesamtheit betrachten, da es immer individuelle und stimmungsbedingte Schwankungen gibt. Das ist auch einer der Fehler der bei der Spielertypenbestimmung nach Laws immer wieder gemacht wird. Fast jeder hat auf längere Zeiträume gesehen eine dominierende Art zu spielen. Das mag auch oft mit dem Charakter zusammenhängen, den man gerade spielt, aber in einer Kampagne ist eine bestimmte Art zu spielen IMHO bei fast jedem Spieler dominierend.

Ein Punkt wo ich dir ganz entschieden widerspreche ist die die Aussage, das eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen wird als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.

Natürlich kann ein Spiel die Vorlieben der Spieler ändern, also indirekt Einfluss nehmen. Aber ein und die selbe Gruppe wird bei Borberad oder the Pool immer noch die selben Vorlieben haben. Genauso kann ein neuer SL mit anderen Ideen den Spielstil nachhaltig verändern (ich habe schon so manchen SL seine Gruppenkultur total verdorben, wenn ich den Gast SL gemacht habe).
« Letzte Änderung: 1.01.2008 | 13:37 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
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oliof

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #44 am: 1.01.2008 | 15:30 »
Vorhin habe ich ein in drei Tagen selbstgeschriebenes Rollenspiel mit einer kleinen PE-Regel getestet (Silvester-Dungeon). Tatsächlich haben sich meine 'klassischen Rollenspieler' gar nicht so richtig getraut das einzusetzen, um die Geschichte voranzubringen. Ich denke man muss diese Art der Verantwortung für das Spiel erst mal tragen lernen.

Daher Jörgs Anmerkung weiter oben, dass solche Mechanismen eher bei Gruppen greifen, wo alle Spieler auch schonmal (irgendwann/irgendwo) geleitet haben.

Ein Punkt wo ich dir ganz entschieden widerspreche ist die die Aussage, das eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen wird als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.

Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.

Ist ja auch klar, in der Regel ist es so, dass die Sieler sich nur auf Systeme einlassen, die ihnen passen. Trotzdem kann ein System Begehrlichkeiten wecken, derer man sich vorher nicht bewußt war.

Offline Lord Verminaard

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #45 am: 1.01.2008 | 15:38 »
Und es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass eine besimmte Gruppe verschiedene Sachen mag und, je nach System der Stunde, im Spiel umsetzt. Aber zugegebenermaßen haben die meisten Spieler, die ich kenne, so was wie einen "Lieblingsstil".
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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #46 am: 1.01.2008 | 20:30 »
Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.
Das sehe ich anders:
Ein und die gleiche Gruppe kann einmal ernsthaft spielen wollen, wenn sie Cthulhu spielt und das andere Mal eher amüsant und locker, wenn sie dann Paranoia spielt.

Wenn man in der Paranoia-Gruppe Witze reißt, wird das von den anderen Spielern positiv aufgenommen. - Wenn man die gleichen Witze dann zwei Wochen später beim Cthulhu spielen macht, wird das eher als störend empfunden.

Wenn mir der SL sagt, wir spielen Paranoia, gehe ich mit einer ganz anderen Grundeinstellung in den Abend, als wenn mir der SL sagt, dass wir Cthulhu spielen.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #47 am: 1.01.2008 | 20:38 »
Hier geht es jetzt nicht plötzlich um Spielstil ganz allgemein, oder sowas wie die (forgy) Agenda, oder? Ich bin mir nicht sicher ob ich und andere den Themenwechsel bzw. die Spezifizierung des Themas jetzt grade verstehen.

Daraus das Georgios weg ist schließe ich, dass es auch nicht mehr um Aufgabenverteilung geht sondern erstmal nur um "Macht" (und Verantwortung?). Wir sprechen doch jetzt über Spielkultur und meinen damit aber nur die Machtverteilung innerhalb der Gruppe(?) Dabei heißt "offene" Kultur sowas wie gleiche Rechte für alle und "geschlossen" sowas wie Diktatur (einer alles, die anderen nix), richtig?
Den Begriff kritisiere ich mal nicht, weil der speziell genug und wenig vorbelastest ist, also kann ich damit zum Zwecke der Diskussion leben.

Dann hätte ich die Frage wie man eine Skala von Offenheit nach Geschlossenheit aufmachen kann. Das ist ja zwangsläufig eine Form der Projektion oder Dimensionsreduktion, wenn man voraussetzt dass es vorher mehr als diese eine einfache Dimension gibt (und die sehe ich so direkt jetzt nicht).
Außerdem wäre von immensem Interesse was ein Machtunterschied in diesem Sinne eigentlich heißt und wie man den (zumindest theoretisch) Messen kann. Mir würde da wieder nur eine ordinale Skala zu einfallen (A hat mehr Macht als B wenn er in einer Hierarchie über B steht, z.B. wenn alles was B sagt durch A akzeptiert werden muss).

Offline Joerg.D

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Re: [offen] Diskussion: Spielkultur von Gruppen
« Antwort #48 am: 2.01.2008 | 00:03 »
Zitat
Das Problem der Theorie ist, das sie selten auf eine ganz spezifische Situation passt und auch nicht passen soll. Die Runde wird gesamtheitlich betrachtet.  Fast jeder hat auf längere Zeiträume gesehen eine dominierende Art zu spielen. Das mag auch oft mit dem Charakter oder dem System zusammenhängen, den man gerade spielt, aber auf lange Zeiträume gesehen ist eine bestimmte Art zu spielen IMHO bei fast jedem Spieler dominierend.

Ich will dir gar nicht wiedersprechen, Eulenspiegel, kurzfristig gesehen kann ein System durchaus Änderungen im Spielstil bringen. Das hatte ich auch schon zugegeben. Aber wir reden hier von dem Spiel an sich, also dem was über längere Zeiträume geht. Dort hat jeder Spieler und jede Gruppe eine Art zu spielen die Dominant ist.

Für diese Art zu spielen ist das System nicht relevant. Diese Vorlieben können sich auch ändern, aber dann wird eine neue Art zu spielen dominant. Die Art wie gespielt wird ist also von den Spielern und ihren Vorlieben abhängig, nicht vom System.

Wer zum Beispiel mit mir spielt wird über kurz oder Lang immer Action Elemente (Cineasmus) in seiner Runde wiederfinden, auch wenn ich durchaus mal tragisch leite, oder ein Rätzelabenteuer.

Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.