Ich weiß, ich bin ein Threadnekromant. Eigentlich wollte ich meine Antwort in
Vermis Aventurienthread einbauen, aber hier passt er einfach besser. Bei Vermi wäre es zu sehr Threadjacking gewesen.
Zu Stimmung/Genre/WeltIch bin zu spät zu Aventurien gekommen, um Gonzo-Elementen wie Borbarads Raumschiff etwas abgewinnen zu können - ein Aventurien der Frühzeit ist also nicht mein Ding, aber ich glaube, da liegen wir auf einer Linie, da ich auch mit DSA 3 eingestiegen bin.
Mein Wunsch-DSA sollte schon das bewahren, was es in DSA 3 war: Ein
Sammelkasten verschiedenster Ideen. Vermi schreibt in seinem aktuelleren Thread, das DSA 3 sich durch eine positive Grundstimmung auszeichnete. Das war es auch, aber eben nicht nur! Man denke nur an die Verruchtheit der Sklavenstadt Al'Anfa. Jetzt sind die schwarzen Lande dazu gekommen, und ich bin durchaus der Meinung, dass sie das Setting auch bereichern können. Oder vielmehr: Das sie die Welt um ein
weiteres Setting bereichern. Denn so habe ich Aventurien immer verstanden: Als
Sammlung verschiedener Settings, und um von einem in das andere zu kommen, brauche ich keinen Weltensprung, sondern nur eine Reise. Selbst Myranor liegt als High Fantasy noch auf der gleichen Welt.
Daher würde ich Aventurien eher
stärker regionalisieren und in verschiedenen Regionen verschiedene Stimmungen vorherrschen lassen, möglicherweise sogar keinen Unterschied mehr zwischen einzelnen Regionen und Myranor machen. So hat man Dark Fantasy in Tobrien, High Fantasy in Myranor, orientalisches Fantasy in den Tulamidenlanden, märchenhafte Fantasy im Farindelwald, Intrigenspiel im Lieblichen Feld, Hotzenplotz-Fantasy in den peripheren Regionen des Mittelreiches (Danke, Boba, für diesen richtungsweisenden Ausdruck, der mich zu einem Finsterkamm-Abenteuer inspiriert hat!), Sword&Sorcery im Riesland (Riesland-Projekt), Low Fantasy in Nostria & Andergast, Yüce-Fantasy in Thorwal und meinetwegen auch irgendwo Borbarads Raumschiff für Gonzo-Fantasy. Dieser Mischmasch machte meines Erachtens Aventurien aus, und ich würde es nicht ändern, sondern betonen. Das heißt:
- Zunächst eines uralte Forderung: Den einzelnen Regionen mehr Raum im geographischen Sinne geben. Dadurch werden mehrere Effekte erzielt: Man wechselt nicht bei einer kleinen Reise beinahe zwangsläufig die Region und damit das Setting. Außerdem ist es plausibler, die Regionen etwas autonomer zu gestalten. Das bedeutet, dass die Landmasse per Retconning einfach um den Faktor 2 oder 3 vergrößert wird. Das würde ich für die knallharten DSA-Fans so lösen, wie man es damals bei der Umstellung der Zeitrechnung anno 1997 oder so gemacht hat (von zwei aventurischen Monaten auf einen irdischen zu eins auf eins). Wenn ich mich recht entsinne, gab es da eine Halb-Spielwelt-Begründung, wieso jetzt die Zeit anders läuft. Genauso würde ich das durch fiktive Quellenkunde aufziehen: "Kinners, Kiesow und Fuchs haben sich damals bei der Übertragung der aventurischen Texte in irdische leider Verrechnet. Eine aventurische Meile entspricht zwei Kilometern, nicht einem!" Das dürfte sogar hartgesottene Aventurienfans einigermaßen beruhigen.
- Inneraventurisch den Informationsfluss zwischen den Regionen reduzieren. Im Augenblick ist es so, dass es eine beinahe gesamtaventurische Öffentlichkeit gibt. Das liegt vor allem am Aventurischen Boten, der als Zentralorgan einen Überblick über jede noch so periphere Region gibt. Das wirkt sich auch auf die Spielwelt aus, wo die Charaktere im Bornland eifrig über horasische Innenpolitik debattieren. Diesen Informationsfluss würde ich kappen: In den Settingbüchern (=Regionalbände) sollte deutlich dargestellt werden, dass der normale Aventurier ein starkes Informationsdefizit besitzt, was Regionen außerhalb seiner eigenen und der unmittelbar angrenzenden besitzt. Reisende, die Informationen mitführen, sollten diese stark interpretiert und mit Gerüchten versehen weitergeben. In Nostria weiß man nichts von Borbarad, sondern nur von Verheerungen im Osten: "Das war der Namenlose!" sagt Alwine, die Müllerin. Alrik, der Gerber, entgegnet: "Nein, ich habe gehört, dass es der König des Bornlandes war" (den es nicht gibt, aber das weiß Alrik nicht).
- Aus dem Aventurische Bote sollte in diesem Zusammenhang ein Dossier verschiedenster aventurischer Regionalgazetten werden. Gesamtaventurische Großereignisse würde ich je nach Regionalgazette verfremden oder verfälschen, um den gestörten Informationsfluss zu verdeutlichen. Dann gibt es ganz post-positivistisch verschiedene Realitäten je nach Wahrnehmung. Dann ist auch Platz für richtige Helden als "Macher" im Metaplot, deren Namen eine Region weiter niemand kennt.
RegelsystemF&S hat damals für Engel neben dem Standard-System auch eine D20-Variante entwickelt. Wie gut das angekommen ist, weiß ich nicht, es hat mich auch nicht so interessiert. War es nicht bei Cthulhu und Fading Suns ähnlich? Ich würde es ebenso für Aventurien machen:
Zwei Regelsysteme.
Jede deutliche Änderung des Regelsystems würde einen Aufschrei innerhalb der Fangemeinde bedeuten. Die Grundlinien des Regelsystems, so unpassend sie auch für viele sein mögen, sind leider sakrosankt. Also sollte das DSA4-System beibehalten, für die nächste Edition nur etwas stromlinienförmiger ausgerichtet werden. Im Kern bleibt es gleich: 3W20-Proben, eine Menge an Talenten etc. Dazu sollte aber ein alternatives System angeboten werden: Hier böte sich entweder das Ulisses-Haussystem an, oder aber eine Pathfinderisierung (oder auch auf Basis von Savage Worlds). Mal ehrlich, eine Menge DSAler spielen Aventurien mittlerweile mit eigenem System, man muss sich nur mal einige Runde auf dem/den GROSSEN anschauen. Eine hauseigene Konkurrenz zum eigentlichen System ist daher nicht zu erwarten, man holt wohl eher all die ins Boot, die Aventurien der DSA-Regeln wegen bisher abgelehnt haben.
(Die Pathfinderisierung hätte auch den Vorteil, dass man auf dieser Basis mit der Unterstützung von Paizo einen erfolgversprechenderen Versuch als den letzten unternehmen könnte, auf dem englischsprachigen Markt Fuß zu fassen.)
Es grüßt
Grimnir