Autor Thema: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?  (Gelesen 12500 mal)

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Offline Bad Horse

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #75 am: 8.11.2009 | 19:49 »
Höhere Allgemeinbildung bei Rollenspielern? Ich bin mir da nicht so sicher - gewiss gibt es ein paar Themenbereiche, für die sich Rollenspieler interessieren (Mittelalter, Waffentechnik, Japan) und in denen sie überdurchschnittlich viel Wissen angehäuft haben.

Aber um mal die Aussage eines meiner Bekannten zu zitieren (der sich gewiß für überdurchschnittlich gebildet hält): "Der Steinmeier kann doch nicht erwarten, dass ich weiß, wer er ist und wie er aussieht!" Und um meine eigene politische Bildung sieht es - jetzt ehrlich gesagt - auch nicht so gut aus.

Grade den im Internet aktiven Rollenspielern würde ich aber eine gewisse Begabung, sich Informationen zu beschaffen, zugestehen. Ob die überdurchschnittlich ist oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt.
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Offline Minne

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #76 am: 8.11.2009 | 19:51 »
Wenn man sich überlegt, was ein Wohlstandshobby sein könnte, dann gibt es meiner Ansicht nach zwei mögliche Antworten:

1. Ein Hobby, dass in der herrschenden Klasse verbreitet ist und zu deren Distinktionsgebahren dazugehört. Also eine gewisse Statuskonnotation hat. Hier fallen mir Fechten, Theater und Opern, Ballet, bestimmte klassische Instrumente (Geige, Harfe) ein.

2. Ein Hobby, dass dermaßen teuer ist, dass man einen nicht unerheblichen Wohlstand benötigt um es auszuüben. Beispielsweise Segeln, Reiten und diverse Extremsportarten oder das Sammeln von teuren Dingen.

Die Kategorien der Beispiele überlappen sich natürlich, aber mir scheint Rollenspiel weder in die eine noch in die andere Kategorie zu fallen. Es ist weder exorbitant teuer (man kann es natürlich teuer haben, aber es ist auch möglich fast ohne Geld aufzuwenden Rollenspiel zu spielen), noch genießt es einen Status, der es irgendwie zum Bestandteil des Habitus der herrschenden Klasse machen würde.

Dass die Möglichkeit überhaupt ein Hobby zu haben können natürlich einen gewissen Mindestwohlstand und eine Mindestmenge an Freizeit voraussetzt, ist klar, hat aber eigentlich nichts mit der Fragestellung zu tun. Bei der geht es ja darum wie Rollenspiel sich zu anderen Hobbys verhält.
« Letzte Änderung: 8.11.2009 | 19:52 von 912 »

Offline Crimson King

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #77 am: 8.11.2009 | 20:00 »
Höhere Allgemeinbildung bei Rollenspielern? Ich bin mir da nicht so sicher - gewiss gibt es ein paar Themenbereiche, für die sich Rollenspieler interessieren (Mittelalter, Waffentechnik, Japan) und in denen sie überdurchschnittlich viel Wissen angehäuft haben.

Aber um mal die Aussage eines meiner Bekannten zu zitieren (der sich gewiß für überdurchschnittlich gebildet hält): "Der Steinmeier kann doch nicht erwarten, dass ich weiß, wer er ist und wie er aussieht!" Und um meine eigene politische Bildung sieht es - jetzt ehrlich gesagt - auch nicht so gut aus.

Grade den im Internet aktiven Rollenspielern würde ich aber eine gewisse Begabung, sich Informationen zu beschaffen, zugestehen. Ob die überdurchschnittlich ist oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt.

Wie Steinmeier aussieht, wissen bild-Leser wohl im Mittel besser als Rollenspieler. Ob sie damit eine höhere Allgemeinbildung beweisen, steht auf einem anderen Blatt.

Wie gesagt, ich sehe Allgemeinbildung als über Wissen hinausgehend. Bei anderen Definitionen des Begriffs können natürlich auch andere Ergebnisse raus kommen.
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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #78 am: 8.11.2009 | 20:10 »
Ich glaube, über Allgemeinbildung sollten wir woanders weiterdiskutieren, das hat mit Wohlstandshobby nur wenig zu tun.

Zu dem Thema schließe ich mich 912 an: Im Vergleich zu anderen Hobbys ist für das Rollenspiel kein besonderer Wohlstand notwendig, also ist Rollenspiel kein Wohlstandshobby. Du kannst Rollenspiel auch als Hartz-IV-Empfänger spielen. Selbst wenn es dich aus irgendeinem Grund in die Elendsviertel von Rio de Janeiro oder den australischen Outback verschlagen würde, könntest du mit den Menschen dort Rollenspiel spielen, wenn sie Interesse daran haben.
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Offline Dammi

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #79 am: 8.11.2009 | 20:14 »
Selbst wenn es dich aus irgendeinem Grund in die Elendsviertel von Rio de Janeiro oder den australischen Outback verschlagen würde, könntest du mit den Menschen dort Rollenspiel spielen, wenn sie Interesse daran haben.

Ja. Allerdings haben diese Leute andere Probleme, so das das Interesse ziemlich gering sein dürfte. :)

killedcat

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #80 am: 8.11.2009 | 20:28 »
Ja. Allerdings haben diese Leute andere Probleme, so das das Interesse ziemlich gering sein dürfte. :)
Das würde ich nicht sagen. In Rio sind z.B. Graffitti-Künstler jede Nacht unterwegs und betreiben das sehr exzessiv und mit lebensgefährlichen Stunts. Man muss die Menschen nur für das Hobby begeistern. Für Spiele haben Menschen selbst in den übelsten Zuständen die Zeit. Wer weiß, vielleicht wird RPG in den Favelas der nächste Trend?

Offline tartex

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #81 am: 8.11.2009 | 22:27 »
Selbst wenn es dich aus irgendeinem Grund in die Elendsviertel von Rio de Janeiro oder den australischen Outback verschlagen würde, könntest du mit den Menschen dort Rollenspiel spielen, wenn sie Interesse daran haben.

Eine der schönsten Rollenspielanekdoten, wie man Rollenspiel falsch verstehen und mit klassischen Proll-Hobbies vermischen kann handelt ja vom "Brazilian Death Squad". Passt hier also doppelt gut rein. Leider auf Englisch... Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist ja auch egal.  :)

Zitat
This is a bit long but...

I guess I will just have to mention my brief GMing to the brazilian police death squad.

Everything begun at my local gameclub (by local I mean the only one in a 4,000,000 people city) some five years ago. This club was run by a fellow hobbyist on weekends, was located at a big avenue and had a large 'Camelot' plaque hanging over the door with the picture of a knight. Needlessly to say it attracted a lot of curious people. Well, at the end of a saturday afternoon of particularly intense WEG Star Wars playing I was approached by this timid skinny guy in his late twenties. He had been watching the entire session and was almost apologetic about coming forward to talk to me. Anyway he lived just 3 blocks away and he loved "games", so he wanted someone to GM a game for him and his "work colleagues". They had never roleplayed before. He seemed a nice, clean, eager-to-play guy, so I invited him and his buddies for a AD&D game in the club, the following night.

Nothing would have prepared me and the other player (the club owner) for the cast of foul characters arriving at the club the next night. Just to contextualize the many non-brazilian readers in this thread, there are two kinds of police in Brazil: the semi-illiterate oppressive superviolent military police, and the corrupt immoral wiseguy detective/mobster types from the civilian police. These guys were the second type.

These four men (the skinny guy only showed up later) were villain prototypes and had intimidation skill points worth entire 20th level characters. Even when they nicely said hello they had menace written all over their foreheads. It was night, but they were dressed like beach tourists, wearing soccer team t-shirts and sandals. There were so much male jewelry as to make Mr. T look like a girl playing child´s bijouterie. All of them had pistols attached at strategic holsters in their bodies, at least one of them had knives, and all of them were anxious to play the nice "game of dice".

I should see the size of the problem when a huge black man put two bottles of smuggled whisky on top of the table we would play. He seriously asked me if that was booze enough for all of us (two bottles for 7 people). I replied I didn´t drink. He said he would freeze the liquid for me to eat it and his mouth opened in a big smile filled with golden teeth.

Anyway the quarreling began when I showed them the pre-gen characters. All of them "wanted to be the master". There were also quarreling about who would get which character (they were choosing by the pictures). But that was mild quarreling and they calmed down as their heavy drinking and joint smoking ensued. Oh, and they also loved the dice.

The game finally began at the tavern where I had planned the characters to meet and the players to familiarize themselves with the blessed and (to them) newly-perceived freedom a player has in a RPG. They caught on fast enough with IC dialogue, and besides the incessant joint passing and abusive drinking the players were concentrated, with cellphones turned off and all.

That´s when the prostitutes arrived.

Unknowingly to me and the club owner, skinny guy had arranged for two prostitutes, old acquaintances of these guys, to meet at my friend´s gaming club. Things went downhill from there, with the women disrupting the game and the telling of IC mixed with OOC murder stories. By this point my friend made the second misteak of the evening, trying to stop the game by telling me he was late and had to close the club and stuff. The murderous cops didn´t take his intentions well, and started to get all serious and quiet, trying to intimidate my friend. After all, he wasn´t being a nice host, since they had brought the booze, the girls, the drugs and the guns, and they were not going to leave before knowing "who won" anyway, since everyone of them had (of course) bet 50 bucks his character would "win".

So I wrapped things up by having an all-out combat between the characters, while a detective banged one of the girls against a wall 4 feet away. The winner got 200 bucks and a knuckle-duster, they all had a blast and left me and my shaking buddy glad we were left alive . We never saw any of them again, not even skinny guy.

Maybe not too creepy, but then again my experience is limited.

Im Original von rpg.net. Mit der "Zusatzausrüstung" wird das notwendige Budget für einen Rollenspielabend auch mal anständig in die Höhe getrieben
« Letzte Änderung: 8.11.2009 | 22:30 von tartex »
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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #82 am: 9.11.2009 | 08:48 »
Brasilien ist eine Klasse für sich  :D
Danke für die Story!

Offline Hector

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #83 am: 13.11.2009 | 09:09 »
@ Brasil: Nun ja. Nach meiner Meinung dürfte Rollenspiel in den Favelas nicht allzu weit verbreitet sein. Ich denke, Kids, die Koks und schlimmeres dealen und sich bereits im Grundschulalter mit der .38er den Weg freischießen, haben andere Hobbies als sich in einer fiktiven Welt ebenfalls die Köpfe einzuschlagen. Und Leute, die unter einer Plastikplane im Straßengraben leben und sich Abfälle in einer Radkappe kochen, werden wohl auch kein gesteigertes Interesse an D&D an den Tag legen. Rollenspielabende mit der Tropa de Elite dürften auch eher die Ausnahme sein, obwohl sich der obige Artikel lustig liest.

Ansonsten halte ich Rollenspiel weniger für ein Wohlstandshobby, unter diese Kategorie würde ich eher Sachen wie Games Workshop einsortieren (das funktioniert ohne ein gerüttet Maß an Kohle gar nicht gut). Als ich damals mit D&D und Midgard angefangen habe, hatten wir vielmehr einiges an Unterschichtlern in den Runden (abgebrochene, sozialhilfeempfangende Studenten, Fleischer, Briefträger, Wachleute). Heute sieht es zwar anders aus, aber das liegt wohl mehr daran, dass man sich mit zunehmendem Alter wohl eher mit Leuten aus seiner eigenen Schicht umgibt.
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Offline Minne

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #84 am: 13.11.2009 | 09:18 »
Zitat
Ich denke, Kids, die Koks und schlimmeres dealen und sich bereits im Grundschulalter mit der .38er den Weg freischießen, haben andere Hobbies als sich in einer fiktiven Welt ebenfalls die Köpfe einzuschlagen.

Ich glaube deine Vorstellung von einer Favela hat nicht notwendigerweise viel mit der Realität zu tun. ;)

Offline Crimson King

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #85 am: 13.11.2009 | 09:35 »
Ich glaube deine Vorstellung von einer Favela hat nicht notwendigerweise viel mit der Realität zu tun. ;)

Aber dafür gibt es doch City of God.
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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #86 am: 13.11.2009 | 09:55 »
Ich glaube deine Vorstellung von einer Favela hat nicht notwendigerweise viel mit der Realität zu tun. ;)

Und woher beziehst Du Deine Vorstellung von einer Favela? Ich habe Familie in Brasilien, war mehrfach dort (auch in Großstädten), meine Frau ist ehemalige Favela-Streetworkerin. Die Radkappen-Suppekocher habe ich persönlich erlebt. Eine Freundin der Familie wurde von Kindern in ihrem eigenen Auto vergewaltigt, mit Benzin übergossen und lebendig verbrannt. City of God mag teilweise überspitzt sein, aber nicht sehr weit von der Realität entfernt. Und es wird täglich schlimmer.
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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #87 am: 13.11.2009 | 10:12 »
Und woher beziehst Du Deine Vorstellung von einer Favela? Ich habe Familie in Brasilien, war mehrfach dort (auch in Großstädten), meine Frau ist ehemalige Favela-Streetworkerin. Die Radkappen-Suppekocher habe ich persönlich erlebt. Eine Freundin der Familie wurde von Kindern in ihrem eigenen Auto vergewaltigt, mit Benzin übergossen und lebendig verbrannt. City of God mag teilweise überspitzt sein, aber nicht sehr weit von der Realität entfernt. Und es wird täglich schlimmer.

Das deckt sich mit dem, was ich durch Freunde über Brasilien erfahren habe.

Offline Teylen

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #88 am: 13.11.2009 | 11:01 »
Meiner Meinung nach ist Rollenspiel kein Wohlstandshobby sondern ein gewoehnliches.
Zwar muss zwar man eine bestimmte Zeit aufwenden und in einem gewissen Rahmen finanzielle Mittel, aber es ist bei weiten einfacher und guenstiger als Golf spielen, Pferde Sport, Yacht rennen, Jagen oder dergleichen.

Ein Uebermass an freier Zeit kann, muss aber keine Folge von Wohlstand sein. Das heisst es kann sein das es sich ein Rollenspieler der arbeitet leisten kann seine Freie Zeit mit RPG zu verbringen, es kann ebenso sein das jemand der nicht arbeitet einfach genug freie Zeit eruebrigen kann.
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Offline Merlin Emrys

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #89 am: 13.11.2009 | 11:25 »
Ein Uebermass an freier Zeit kann, muss aber keine Folge von Wohlstand sein.
Meine Zustimmung.

Bis zur Industrialisierung arbeitete der Mensch nicht gar zu viel, weniger als heute.
Ein Landwirt, der neben Feldern noch Tiere hat, arbeitet wohl heute wie früher im Sommer bis zu 16 Stunden an allen Tagen der Woche. Früher kamen dazu unter Umständen je nach Stand und System noch "Frondienste" oder Vergleichbares. Wenn die Leute zusätzliche Kapazitäten gehabt hätten, hätten sie vermutlich lieber noch mehr geschuftet, als ihre Kinder verhungern zu sehen - daß sie das nicht vermeiden konnten, spricht für mich doch stark dafür, daß sie an ihrem Limit waren. Und es ist ja nun nicht so, daß Hungersnöte völlig unvorhersehbar kamen und das Sammeln und Haltbarmachen von Vorräten erst mit dem Tetrapack und der Konservenbüchse aufgekommen wäre... Leibeigene, Sklaven, Knecht, Mägde und Diener hatten überhaupt keine "Arbeitszeiten", es sei denn "Bereitschaftsdienst für 24/7" oder so, während der Mahlzeiten inklusive. Und wer von der Arbeit geschafft ist, sogar körperlich ausgelaugt, der wird vermutlich jedes Hobby vorziehen, das keine besondere körperliche und geistige Anstrengung verlangt. Musik hören ist da dem Musizieren klar überlegen usw. Denn körperliche Erschöpfung schlägt viel massiver auf die geistigen Kapazitäten als umgedreht geistige Erschöpfung auf die körperlichen.

Insofern halte ich Rollenspiel für ein Wohlstand-Hobby, weil es diesen Wohlstand braucht, um nicht körperlich und geistig gar nicht mehr dazu in der Lage zu sein.

Offline Minne

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #90 am: 13.11.2009 | 13:21 »
Zitat
Und woher beziehst Du Deine Vorstellung von einer Favela? Ich habe Familie in Brasilien, war mehrfach dort (auch in Großstädten), meine Frau ist ehemalige Favela-Streetworkerin. Die Radkappen-Suppekocher habe ich persönlich erlebt. Eine Freundin der Familie wurde von Kindern in ihrem eigenen Auto vergewaltigt, mit Benzin übergossen und lebendig verbrannt. City of God mag teilweise überspitzt sein, aber nicht sehr weit von der Realität entfernt. Und es wird täglich schlimmer.

Pardon, ich habe zwar einige Jahre in Brasilien gelebt, aber das ist schon ein bisschen her und ich schätze, dass deine Informationen aufgrund deiner direkten Beziehungen genauer sind. Ich meinte nur, dass in vielen Favelas ein weitgehendes von lokalen Gangs erzwungenes Gewaltverbot herrscht und dass auch die Armut nicht notwendigerweise so krass ist, wie man sich das oftmals vorstellt. Aber Favela ist ja auch ein ziemlich breiter Begriff und sicherlich gibt es auch da bedeutende unterschiede.

Ich denke halt, dass sich die gängige Vorstellung von Favelas oftmals mit romantischen und exotischen (Gewalt-)Fantasien mischt, die einer Sehnsucht nach Gefahr und Abenteuern entspricht. Daher mein vielleicht etwas reflexhafter Einspruch.

Zitat
Ein Landwirt, der neben Feldern noch Tiere hat

words words words

Insofern halte ich Rollenspiel für ein Wohlstand-Hobby, weil es diesen Wohlstand braucht, um nicht körperlich und geistig gar nicht mehr dazu in der Lage zu sein.

Abgesehen davon, dass deine Berechnung falsch ist, weil du übersiehst, dass die Arbeitszeiten in der Landarbeit stark saisonal bedingt sind, hast du auch noch das Thema verfehlt. Siehe:
Zitat
Dass die Möglichkeit überhaupt ein Hobby zu haben können natürlich einen gewissen Mindestwohlstand und eine Mindestmenge an Freizeit voraussetzt, ist klar, hat aber eigentlich nichts mit der Fragestellung zu tun. Bei der geht es ja darum wie Rollenspiel sich zu anderen Hobbys verhält.

Zitat
Bis zur Industrialisierung arbeitete der Mensch nicht gar zu viel, weniger als heute.
Ich nehme an, du meinst vor der Sesshaftwerdung? Jäger-und-Sammler haben wirklich nicht viel Zeit für ihren Lebensunterhalt aufwenden müssen. Wobei du auch mit der Industrialisierung recht hast, insofern, dass Arbeit seit dem kontinuierlich verdichtet und intensiviert wurde.
« Letzte Änderung: 13.11.2009 | 13:37 von 912 »

Offline Crimson King

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #91 am: 13.11.2009 | 13:28 »
Ich nehme an, du meinst vor der Sesshaftwerdung? Jäger-und-Sammler haben wirklich nicht viel Zeit für ihren Lebensunterhalt aufwenden müssen. Wobei du auch mit der Industrialisierung recht hast, insofern, dass Arbeit seit dem kontinuierlich verdichtet und intensiviert wurde.

Nein, ich meinte schon exakt, was ich schrieb. Mit der Industrialisierung stieg die mittlere Wochenarbeitszeit massiv an, bis seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Druck der Arbeiterbewegung eine Kehrtwende einsetzte. Solange die Arbeit vornehmlich landwirtschaftlicher Art war, gab es zwar, wie du gesagt hast, Phasen sehr hoher Arbeitsintensität, aber auch lange Phasen, in denen kaum gearbeitet wurde.

Ich vermute, dass antike Sklaventreibergesellschaften in der Hinsicht aber auch nicht wirklich angenehm waren. Haussklaven hatten es abgesehen vom Mangel an Freiheit wohl recht gut, aber die Arbeitssklaven wurden wohl eher als Betriebsmittel angesehen.
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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #92 am: 13.11.2009 | 13:35 »
Nein, ich meinte schon exakt, was ich schrieb. Mit der Industrialisierung stieg die mittlere Wochenarbeitszeit massiv an, bis seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Druck der Arbeiterbewegung eine Kehrtwende einsetzte. Solange die Arbeit vornehmlich landwirtschaftlicher Art war, gab es zwar, wie du gesagt hast, Phasen sehr hoher Arbeitsintensität, aber auch lange Phasen, in denen kaum gearbeitet wurde.

Jain. Meines Wissens nach wurde auch in vorindustrialisierten Manufakturen und Handwerksbetrieben mehr oder weniger den ganzen Tag gearbeitet. Aber die Arbeit war nicht so dicht, bzw. es gab keine vollkommen eindeutige Trennung zwischen "Arbeitsszeit" und "Freizeit". Diese Trennung gibt es imho erst seit Durchsetzung der Lohnarbeit, was den Vergleich von Arbeitszeiten schwer macht.

Zitat
Ich vermute, dass antike Sklaventreibergesellschaften in der Hinsicht aber auch nicht wirklich angenehm waren. Haussklaven hatten es abgesehen vom Mangel an Freiheit wohl recht gut, aber die Arbeitssklaven wurden wohl eher als Betriebsmittel angesehen.
Das war sehr unterschiedlich. Grundsätzlich wurden die Sklaven um so besser behandelt, um so teurer und seltener sie waren.

Offline Edwin

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #93 am: 13.11.2009 | 13:37 »
Mir kam gerade ein anderer Gedanke.
Nicht der der Modernisierung folgende Wohlstand, sondern die der Modernisierung folgende Geisteshaltung könnte ein Grund sein.
Mit modernen Einstellungen verbunden ist ja auch klar die Akzeptanz von "Minderheitenbeschäftigungen", die vom gros der Masse abweichen. Über gestiegene Mobilität und Kommunikation können sich solche Minderheiten überhaupt erst treffen und sich kennenlernen.

"Hobby" ist ja eine relativ neuartige Idee, obwohl der Mensch wohl schon immer mehr oder weniger Zeit für Müßiggang, also "Nicht-Arbeit" hatte. Diese wurde aber wohl eher kollektiv verbracht, während Hobby für mich eindeutig einen Beiklang von hoher Differenziertheit hat.
Mit anderen Worten: Hobbys sind ein Zeichen des modernen Individuums, das es so erst in der Moderne gibt.

Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #94 am: 13.11.2009 | 13:44 »
Hm, ich denke, das neue was du ansprichst ist eher die mit dem Hobby verbundene Subkultur. Hobbys im Sinne einer Art kultivierten Freizeitbeschäftigung gab es, denke ich, schon in der Antike. In der herrschenden Klasse halt. Wenn z.B. irgendwelche phönizischen Feldherren Bücher über die Freuden des Kleingartens schreiben, dann ist das vermutlich ein Hinweis darauf.

Aber das ist ein interessantes Thema, zu dem sich eine Recherche lohnen könnte. :)

Offline Hector

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #95 am: 13.11.2009 | 13:48 »
@ Edwin: Deine Aussage ist aber, wenn überhaupt, nur für die unteren Schichten zutreffend. Mittel- und Oberschicht frönten schon seit jeher Freizeitvergnügungen (Jagd, Sammelleidenschaft, Reiten, Ballonfahren, Dinge erfinden, Kunst in allihren Ausprägungen, Schmetterlinge sammeln, Zinngießen, etc.). Also Hobbies. Nur der Begriff "Hobby" dafür ist neu. Im 19ten Jahrundert hätte man einen Zinnfiguren- oder Briefmarkensammler nicht als Hobbyisten bezeichnet, sondern als leidenschaftlichen Sammler.
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Offline Edwin

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #96 am: 13.11.2009 | 14:02 »
Ich meine:
Vorlieben bei Arbeit und Freizeit gibt es schon immer. Klar.

Vorlieben meine ich aber nicht.
Ich meine Hobby als Beschäftigung, die zur Ausführung den Kontakt zu anderen Hobbiisten benötigt.

In dem Sinne braucht man halt nicht nur Freizeit und Geld, sondern auch Kommunikation und/oder Mobilität.
Ebenso eine bestimmte Geisteshaltung, welche von einem "Was anderen nicht schadet ist erlaubt"-Ethos geprägt ist.
Erst mit solcher Einstellung kann die enorme Bandbreite der mehr oder weniger akzeptierten Hobbys erklärt werden.
Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

Offline Teylen

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Re: Ist Rollenspiel ein Wohlstandshobby?
« Antwort #97 am: 13.11.2009 | 15:25 »
Ich meine Hobby als Beschäftigung, die zur Ausführung den Kontakt zu anderen Hobbiisten benötigt.
Dann waeren Briefmarken Sammeln, Computer Spielen, lesen, musizieren und dergleichen kein Hobby wenn man nicht raus geht?

Abgesehen davon denke ich das die Leute schon immer Hobbies hatten und wenn sie nur in die Kneipe gingen. Irgendetwas werden die ja in der freien Zeit getan haben.
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Offline Merlin Emrys

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« Antwort #98 am: 13.11.2009 | 18:35 »
Abgesehen davon, dass deine Berechnung falsch ist,...
Schade, daß Du nicht alles gelesen hast, sondern nur Teilsätze. Sonst wäre Dir wohl unter den Worten, die Du so großzügig überlesen hast, das kleine "im Sommer" aufgefallen. Deine Behauptungen zum "Thema verfehlt" stimmen übrigens genausowenig. Aber damit ich nicht wieder mehr schreibe, als Du lesen kannst...