Im wesentlichen muss ich bei der Fragestellung zwei Situationen unterscheiden: die erste ist die mit den regulären heimischen Runden, die andere ist die Con-Situation.
In meinen festen Runden ist es so, dass ich als ich Spielleiter oft zugegen bin, wenn Charaktere erstellt werden. Das liegt zuweilen daran, dass nicht alle Spieler alle Regelwerke haben. Zum anderen habe ich hin und wieder Spieler, die tatsächlich Hilfe beim Erstellen von Charakteren benötigen. Unabhängig davon schaue ich alle Charakterbögen nochmals durch, im wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen habe ich bei den Kampagnen, die ich leite, oft ein bestimmtes Konzept im Kopf. Das teile ich den Spielern zwar i.d.R. mit, aber da man ja nicht alle Details kund tun möchte überprüfe ich, ob nicht doch irgendein Spieler einen Charakter erschaffen hat, der sich nur bedingt mit dem Konzept vereinbaren lässt (so wäre z.B. ein Nachteil wie "Meeresangst" in einer Kampagne, die Größtenteils auf See spielen wird, eher unpassend) oder zu unnötigem Konfliktpotential führt (so wäre z.B. ein in Blutrausch resultierender Hass auf Zwerge zum beispiel ebenfalls ein ungeeigneter Nachteil, wenn einer der anderen Spieler einen Zwerg spielen möchte). Zum anderen habe ich hin und wieder Spieler, die nicht ganz so regelfest sind und darum Eigenarten aufkommen könnten, die nicht ganz Regelkonform sind. Es geht also da dann weniger darum, genau zu erfahen was der Charakter kann oder nicht kann, sondern eher darum, dass er (in Bezug auf die Kampagne, die Gruppe und die regeln) stimmig ist. Außerdem sagen mir die sogenannten "One-Trick-Ponys" nicht wirklich zu: wenn also ein Spieler einen Charakter erstellt hat, der ein wenig zu sehr spezialisiert ist, so rate ich ihm dann doch zu einer Überarbeitung des Charakters.
Wenn dann im Lauf der Kampagne die Charaktere gesteigert werden, möchte ich als Spielleiter i.d.R. über Steigerungen (oder, je nach System, zumindest ab einem bestimmten Attributs- oder Fertigkeitswert) informiert werden. Dabei getht es mir hauptsächlich darum, dafür zu sorgen dass die Charakterentwicklung halbwegs plausibel ist. Gerade bei Systemen mit einem recht engen Bereich (so ist ja z.B. im Storyteller-System, wo die Werte ja nur von 1-5 reichen, eine Steigerung eines Wertes um einen Punkt schon ein massiver Fortschritt - im Gegensatz zu Beispielsweise DSA 4, wo Fertigkeitswerte durchaus bis 20 oder höher gehen können) haben Spieler und Spielleiter vielleicht unterschiedliche Vorstellungen bezüglich des Fortschrittstempos. Allerdings führe ich darüber nicht Buch - ich habe also bestenfalls eine grobe Vorstellung darüber, was die Charaktere der Spieler können.
In der Con-Situation kommen andere Überlegungen hinzu, die meine Argumente für das durchsehen der Charakterbögen sind. An erster Stelle stehen da das Vorhandensein eventueller unterschiedlicher Spielstile und/oder Hausregeln in den heimischen Gruppen. Auf Cons kommen ja nunmal Spieler aus unterschiedlichsten Runden zusammen, und wenn nun in einer dieser Runden nach Hausregeln gespielt wurde, die eine Auswirkung auf die Fähigkeiten bzw. die Werte des Charakters haben könnten, die von den Standardregeln abweichen, so möchte ich das schon wissen. Wenn z.B. eine Gruppe als Hausregel bei DSA eingeführt hat, das Fertigkeitslimit zu entfernen, so möchte ich das schon im Vorfeld wissen, und nicht mitten im Spiel davon überrascht werden, dass Charakter X einen Talemtwert von 30 im Talent XY hat, weil das nach deren Hausregeln ja gehen würde (den offiziellen Regeln aber Widerspricht). Auch in Bezug auf Ausrüstung und deren Verfügbarkeit haben manche Runden unterschiedliche Vorstellungen. Wenn dann z.B. ein Stufe 3 D&D Krieger mit zwei +5 Langschwertern, einer +4 Rüstung und drei Dutzend weiterer magischer Gegenstände auftaucht (die bei einem Charakter dieser Stufe im Normalfall nicht zu erwarten wären), dann kann sich das auf einmal auch sehr störend auf das Spiel auswirken.
Und zu guter Letzt möchte ich bei einer Con-Runde auch überprüfen, ob der Charakter für das von mir geplante Abenteuer auch tatsächlich geeignet ist. Denn auch da können unterschiedliche Spielstile ja unterschiedliche Ansichten erzeugen. So kann z.B. ein Charakter, der in der einen Runde ein Durchschnittskämpfer ist, von anderen Runden schon als PG-Killermaschine betrachtet werden, oder auch umgekehrt. Durch das Überprüfne der Werte kann ich mir zumindest ansatzweise ein Bild davon machen, ob der betreffende Spieler und ich die gleichen Vorstellungen davon haben, was ein "guter Kämpfer", ein "völlig harmloser Charakter" oder ein "toller Sozialcharakter" ist.