Autor Thema: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?  (Gelesen 34058 mal)

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Offline Abaton23

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Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« am: 11.06.2015 | 17:42 »
Moin miteinander,

vorneweg, diese Gedanken beziehen sich auf PROBENABHÄNGIGE RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil.

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Der einfache, gemeinsame Nenner:

Seit den ca. 25 Jahren, da ich RPGs spiele, hab ich wohl mindestens 25 RPG-Systeme live am Tisch erlebt. Ich finde es immer wieder belustigend, wie vehement in meinem Bekanntenkreis über das "Beste Rollenspielsystem" diskutiert wird. Beruflich muss ich täglich Handwerker verschiedenster Gewerke beauftragen, was mich fordert, komplexe Bauvorhaben in einfachste Schritte aufzulösen, um sie als Arbeitsanweisungen herausgeben zu können. Nun, ich kann privat nicht aus meiner Haut und zerlege auch gerne Regelwerke anhand ihrer Sinnhaftigkeit.

So schaue ich mir die Systeme an, welche ich so kenne, und lese für mich einen immer wiederkehrenden Mechanismus für diese probenabhängiges Rollenspiele heraus, egal ob wir DSA, Vampire, Savage oder FATE vergleichen. Ich nenne diesen Mechanismus mal Urformel.
(Ich bin schon gespannt darauf, wie ich im Angesicht solcher Häresie von Fanboys eines beliebigen Systems zerfetzt werde...)

SPETZ. HANDLUNG & SPIELWERT >> PROBE

SPETZ. HANDLUNG: Dabei besteht das System im Wesentlichen aus einer Liste von Handlungsmöglichkeiten, basierend auf dem Setting. Ein Fantasysetting mag Magie und Nahkampf benötigen, ein Sience-Fiction-Setting wohl eher Ingenieurswissen. (Ich halte auch die Methodenregel aus FATE-Turbo im Wesentlichen für eine verbale Umschreibung von Handlungen)
-> Der Handlungsfreiraum entsteht aus einer Aufzählung definierter Handlungen.

SPIELWERT: Da sich die Charaktere im Spiel individuell anfühlen sollen, werden die Spielwerte wohl variieren. Wo der Held seine Stärken oder Eigenarten haben soll, erzählt ev. schon eine gewählte Umschreibung der gewünschten Charakterklasse. Allerdings ist die Umschreibung meist verbales Lametta fürs Wohlbefinden des Spielers.
-> Lediglich der Spielwert als Zahl oder (+) selbst schafft die prüfbaren Fakten.

PROBE: Da sind wir auf dem Schlachtfeld der Meinungen und Rituale. Während die einen ihre Probe durch einen W-irgendwas-Würfel ablegen, andere ganze Pools schmeißen, weitere Skatkarten bedienen, wollen wieder andere Systeme jeden Schiss durch mehrere getrennte Würfe abnudeln, die nachfolgende Verrechnungsformeln bedienen. Im Kern geht es aber immer nur um eines:
-> Die Probe ist eine Wahrscheinlichkeitsprüfung anhand des individuellen Spielwertes.

Ich wiederhole meine Häresie, wenn ich in meiner Betrachtung die verschiedenen Systeme vergleiche, so finde ich bei fast jedem die obige, fett geschriebene Urformel. Da frage ich mich:

->  Braucht es eigendlich mehr zum Spiel?
->  Warum gibt es dann so viele verschiedene Systeme?

Mich persönlich beschleicht beim Betrachten der Formel der Verdacht, dass ihr ein ganz großer Fehler anhaftet. Sie ist schlicht zu einfach, als dass man sie in ihrer Reinform als gewinnbringend vermarkten könnte. Wie will ich für sowas einfaches in Buchform Geld verlangen? Wie soll der Verlag auf seine Kosten kommen, wenn das Regel-heftchen nur noch fünf Seiten hätte? Es muss also was Komplexeres her, damit man fettere Bücher schreiben kann.

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Subsysteme, jetzt wirds kompliziert:

Um Regelbücher dicker machen zu dürfen, müssen sie wohl diese Grundmechanik aufblähen. Hierfür waren einige Regelautoren bisher sehr kreativ. Es scheint die Regel zu gelten: Je undurchsichtiger, desto besser! Immerhin wächst mit der Komplexität auch die Abhängigkeit der Spieler, die zugehörenden Regelwerke zu erwerben. Dabei finde ich immer wieder folgende zwei Subsysteme, die mich zum Stirnrunzeln veranlassen:

Attribute
Hierbei werden Begriffe über eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese übergeordneten Begriffe den spez. Handlungen einen Bonus dazugeben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn der Realismus? Immerhin bestünde ein Held ja schließlich aus angeborenen Stärken! Attribute würden somit den Realismus fördern.

Stimmt das? Ein System würde wohl meist die beiden Handlungen "Körbe flechten" und "Akrobatik" dem Attribut "Geschick" zuordnen, wenn dieses im Angebot stünde. Das sollte implizieren, dass ein Held mit hohm Geschick in beiden Handlungen schon etwas besser wäre. Ich ginge also zum besten Weidenflechter von Westeros. Er flechtet mir einen edlen Schwan aus Weiden oder ein wasserundurchlässiges Trinkgefäß aus Grashalmen. Jetzt soll er aber mit dem gefüllten Trinkgefäß über den Schwan springen, ohne was zu verschütten. Vergleichbar !?!

Es gibt das Geschick einer fingerfertigen Tätigkeit wie dem Flechten. Andere Geschicklichkeiten beziehen sich auf komplexe Körperbewegungen, wie Tanzen oder Akrobatik. Das millimetergenaue Erfühlen eines Diamantschleifers unter der Lupe ist auch Geschick. Trotzdem hat keine Tätigkeit Anspruch, auf eine andere übertragen werden zu können.

Mein Fazit: Handlungen über Attribute zu modifizieren ist meist recht willkürlich. Der Spielwert wird auch nicht sonderlich bereichert. Allerdings ist es hübsch komplex und braucht erläuternde Schriftsätze. Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.


Talente / Stunts
Hierbei werden Begriffe unter eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese Talente den Handlungen situationsabhängige Bonis geben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert wiederum für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn die Coolness? Immerhin macht das den Held ja besonders individuell!

Stimmt das?  Wenn der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend wäre, ist dann das Talent nicht eigendlich nur ein buntes Etikett für etwas bereits Vorhandenes? Naja, es fühlt sich halt spezieller an, als ein höherer Grundwert einer Handlung. Außerdem klingt "Klettern +16" einfach nicht so cool wie "Klettern +12" addiert mit dem Talent "Adept der heiligen Steinböcke aus der Todesklamm +4!"

Mein Fazit: Spez. Handlungen über Talente / Stunts zu modifizieren, bedient vor allem die subjektive Psyche des Spielers, sich mit seinem Helden einzigartiger fühlen zu dürfen. Der Spielwert wird wiederum nicht sonderlich bereichert, dafür situationsbedingt verkompliziert. Die entsprechende Begründung, warum der Held so toll klettern kann, würde auch eine Beschreibung auf der Rückseite seines Charbogens erfüllen. Allerdings braucht ein solches Subsystem wiederum erläuternde Schriftsätze. Damit wären wir wieder beim Fazit der Attribute, sprich: Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.

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So, jetzt habt Ihr etwas Einblick in meine persönliche Gedankenwelt bezüglich der zwei "beliebtesten" Subsysteme. (Ich meine, beliebt bei Autoren) Ich empfinde solche Subsysteme eher als verzichtbares Beiwerk. Deshalb spiele ich auch so gerne mit vereinfachenden Hausregeln.

Meine Meinung wird bestimmt nicht jeder teilen. Drum schreibt jetzt, wo Ihr findet, ich tu Euren Lieblingssystemen Unrecht, meine Ausführungen sind eh grottenfalsch und ich hab im Gegenzug zu Anderen in meinen persönlichen 25 Jahren Spielzeit das Wesentliche an RPGs nicht kapiert... Egal wie andersartig Eure Meinung ist, ich freu mich drauf, sie zu lesen.


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Edit, Weil es des Öfteren Fragen in der Diskussion aufgeworfen hat, habe ich folgende Änderungen im Einganstext vorgenommen:
Das Wort "Fertigkeit" wurde durch "spez. Handlung" ersetzt. Das ist wohl nötig, da manche Systeme die Begriffe "Talent", "Fertigkeit" und "Attribut" unterschiedlich definieren bzw. in einem anderen Kontext verwenden.

Ergänzung des Eingangstextes um das folgende Zitat, um dem Vorwurf zu begegnen, ich bezweifelte die Sinnhaftigkeit, JEDES Subsystem generell:
…..Da sich der Thread in allgemeiner Form an zahllose RPGs richtet, wäre eine allumfassende Beleuchtung aller Subsysteme schlicht uferlos. Ich schaffe es bestimmt nicht, alles darüber zu schreiben und Ihr schafft es bestimmt nicht, alles danach zu lesen.

Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.

...sowie ergänzende Formulierungen und eine Bereinigung von Schreib- und Grammatikfehler, soweit meine Rechtschreibkenntnisse diese gefunden haben.  ~;D
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 22:03 von Abaton23 »
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Offline Oberkampf

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #1 am: 11.06.2015 | 17:51 »
Witzig, im Moment sehe ich es gerade umgekehrt und Fertigkeiten als etwas an, was auf die Attribute aufgesetzt wurde, aber eigentlich nicht wirklich benötigt wird. DSA1 konnte man mit dem Basis-Set ohne die Talente spielen, und die Talente brachten keinen wirklichen Mehrwert.

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Sin

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #2 am: 11.06.2015 | 17:54 »
Was soll das bringen Rollenspielsysteme abstrakt auf eine Gemeinsamkeit zu reduzieren? Man kann auch Menschen, Gurken und Bakterien auf die gleichen Bestandteile reduzieren (sogar wesentlich besser als Rollenspielsysteme), aber ich spiele trotzdem lieber mit Menschen als mit Bakterien und Gurken.

Offline YY

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #3 am: 11.06.2015 | 18:02 »
Man hat also Regeln, die über FERTIGKEIT + SPIELWERT = PROBE hinausgehen, um Geld damit machen zu können?
Na ja, ich weiß nicht :)


Jedenfalls:
Ja, je nach Zielsetzung braucht man mehr zum Spielen, weil man mit dem Grundmechanismus viele einflussreiche Faktoren nicht abbilden kann.

Wer nur irgendeine Orientierungshilfe zum Erzählen braucht, für den reichen einfachste Mechanismen.
Sobald der Anspruch besteht, dass sich die Einzelmechanismen/Subsysteme zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und, einmal mit Ausgangslage gefüttert und angestoßen, komplexere Ergebnisse zumindest zu einem Teil "selbständig" liefern können, muss man über die einfachen Grundlagen hinaus gehen.


Und zuletzt erscheinen manche Aufteilungen nach Fertigkeit, Attribut, Talent usw. usf. sowie die Behandlung mittels verschiedener Subsysteme dem einen oder anderen Spieler schlicht intuitiver, "richtiger", kurz passender als das Zusammenschmeißen von allen möglichen Dingen in einen einzigen einheitlichen Probenmechanismus.
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Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #4 am: 11.06.2015 | 18:10 »
Witzig, im Moment sehe ich es gerade umgekehrt und Fertigkeiten als etwas an, was auf die Attribute aufgesetzt wurde, aber eigentlich nicht wirklich benötigt wird. DSA1 konnte man mit dem Basis-Set ohne die Talente spielen, und die Talente brachten keinen wirklichen Mehrwert.

Nun, welcher Begriff gerade oben oder unten steht, ist wohl eher eine willkürliche Wahl. Auch die Feinheit der Unterteilung. Wenn Du die "Fertigkeiten" sehr grobkörnig wählst und durch den Begriff "Attribut"  ersetzt, kommt dann nicht tatsächlich Deine Erklärung raus?
« Letzte Änderung: 11.06.2015 | 18:15 von Abaton23 »
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Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #5 am: 11.06.2015 | 18:12 »
Was soll das bringen Rollenspielsysteme abstrakt auf eine Gemeinsamkeit zu reduzieren? Man kann auch Menschen, Gurken und Bakterien auf die gleichen Bestandteile reduzieren (sogar wesentlich besser als Rollenspielsysteme), aber ich spiele trotzdem lieber mit Menschen als mit Bakterien und Gurken.

Nunja, diese Argumentation macht wohl 95% aller Systemdiskussionen des Forums überflüssig. Das Archiv zeigt jedoch, dass darüber wohl trefflich und gerne diskutiert wird.
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Offline 1of3

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #6 am: 11.06.2015 | 18:20 »
Naja, Huntress und Abaton, ihr habt letztlich beide Recht. Wenn man zwei Werte addiert und sie nie einzeln benutzt, könnte man ja auch anstandslos direkt den nächsten Wert nehmen.

Trotzdem scheint diese Mehrstufigkeit wohl irgendwie attraktiv. Da gibts dann verschiedene Varianten:

- Statt zwei festen Listen, einen Wert als freien Charakterzug einbauen. Siehe z.B. Fate mit freien Aspekten und Fertigkeiten aus der Liste.
- Man kann auch die Wirkung so verändern. Habe ich z.B. bei B&B gemacht, wo die "Attribute" niemals mit der Fähigkeitsstufe interagieren.
- Man kann auch gänzlich unterschiedliche Konzepte addieren. Bei MHR addiert man z.B. zu der Fähigkeit des Charakters die Präferenz in der Teamzusammensetzung (lieber allein, lieber als Duo, lieber mit mehreren).

Man kann aber natürlich genauso davon weggehen, Charakteren überhaupt irgendwelche Werte zu geben. Auch das funktioniert.

Offline D. Athair

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #7 am: 11.06.2015 | 18:22 »
Nun, welcher Begriff gerade oben oder unten steht, ist wohl eher eine willkürliche Wahl. Auch die Feinheit der Unterteilung. Wenn Du die "Fertigkeiten" sehr grobkörnig wählst und durch den Begriff "Attribut"  ersetzt, kommt dann nicht tatsächlich Deine Erklärung raus?
Auch wenn ich DSA1 zu wenig kenne, würde ich sagen: Nein. cD&D jedenfalls hat keine Fertigkeiten und die Attribute ersetzen sie auch nicht.
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Sin

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #8 am: 11.06.2015 | 19:22 »
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. Deswegen wirken komplexere Rollenspielsysteme realistischer, besser oder passender. Und bei Rollenspielsystemen geht alles darum, ob es gefällt, sich richtig anfühlt.

Beispiel: Menschen fragen sich, warum es das Universum bzw. Menschen gibt und finden keine wirklich plausible Antwort. Dann sagt man halt Gott hat Universum und Menschen erschaffen. Man hat das Problem schlicht und einfach um eine Ebene komplexer gemacht und plötzlich fragt niemand mehr: Warum gibt es Gott, wer hat den erschaffen? Rein logisch betrachtet, ist es das dümmste was man überhaupt machen kann, anstatt eine Frage zu beantworten, macht man das Problem nur unnötig komplizierter und entfernt sich von der Antwort. Aber es funktioniert.

Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #9 am: 11.06.2015 | 19:34 »
Villeicht ist es nur die willkürliche Begrifflichkeit, die gerade verwirrt. Wenn ich die "Fertigkeiten" eines Systems mit Attributszuordnung immer grobkörniger betrachte, bin ich tatsächlich irgendwann beim Attribut selbst angekommen. Und immerhin gibt es grobkörnige Systeme, die allein mit Attributswerten arbeiten, wenn eine passende Fertigkeit ausgeübt wird. Z.B.Dungeonslayers. Andere Systeme sind feinkörniger und haben das Wesen der Attribute auf das Niveau der Fertigkeiten runtergeschmolzen und gleichgestellt, wie meines Wissens das Lied von Eis und Feuer. Beide Systeme verrichten ihre Arbeit ohne eine zweite Modifikatorenebene.

Wäre die Begrifflichkeit weniger irritierend, wenn ich statt den Begriff "Fertigkeit" die Bezeichnung "spezifizierte Handlung" verwende? Sprich, sowohl Dungeonslayers wie das Lied von Eis und Feuer verwenden: 

spezifizierte Handlung + Spielwert = Probe
« Letzte Änderung: 11.06.2015 | 19:58 von Abaton23 »
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Offline Maarzan

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #10 am: 11.06.2015 | 19:44 »
Wozu braucht man mehr an Auto als den ersten Benz, der hatte auch schon Motor und Räder und man ist von A nach B gekommen ...

Alleine schon das Beispiel mit dem springenden Korbflechter zeigt den Weg, deswegen haben einige Systeme, wo man diese Situation für wichtig hält eben Gewandtheit und Fingerfertigkeit getrennt.
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Offline YY

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #11 am: 11.06.2015 | 20:12 »
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. Deswegen wirken komplexere Rollenspielsysteme realistischer, besser oder passender. Und bei Rollenspielsystemen geht alles darum, ob es gefällt, sich richtig anfühlt.

Wus?

Sie nehmen komplexere als plausibler oder sinnvoller wahr, weil sie die Mechanismen, die mit dieser gesteigerten Komplexität einhergehen, für angemessen halten, ihren jeweiligen Zweck zu erfüllen.

Es wirken ja bei Weitem nicht alle gleich komplexen Rollenspiele gleich realistisch oder passend.


Wo ich aber eindeutig zustimme, ist der letzte Satz für sich allein genommen:
Jedes komplexere Regelwerk baut ein eigenes Spielgefühl auf - und das ist wichtig.
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Offline Skyclad

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #12 am: 11.06.2015 | 20:18 »
Und Lady Blackbird und Amber fallen schon raus.

alexandro

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #13 am: 11.06.2015 | 20:22 »
Sie nehmen komplexere als plausibler oder sinnvoller wahr, weil sie die Mechanismen, die mit dieser gesteigerten Komplexität einhergehen, für angemessen halten, ihren jeweiligen Zweck zu erfüllen.

Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Oft geht es gar nicht um das Ergebnis, sondern um einen (wie auch immer zusammenfabulierten) Weg dorthin.

Offline Maarzan

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #14 am: 11.06.2015 | 20:30 »
Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Oft geht es gar nicht um das Ergebnis, sondern um einen (wie auch immer zusammenfabulierten) Weg dorthin.
Das hängt dann aber genau von diesem Zweck ab. Und der wird nicht an allen Spieltischen gleich bewertet werden.
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Offline Bad Horse

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #15 am: 11.06.2015 | 20:30 »
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst. Ist das ein Bonus / Malus, der aus Charaktereigenschaften, Umwelteinflüssen oder Gummipunkten resultiert?

Wäre es da nicht sinnvoller, "Fertigkeit + Special = Grundwert für die Probe" zu schreiben?

Mag sein, dass man das auf diese Gleichung reduzieren kann - aber es gibt extrem viele Meinungen darüber, wie Fertigkeiten aussehen sollen (mit Attributseinfluß, ohne Attribut, nur Attribut) oder wie Specials funktionieren sollen (Feste Boni- und Abzuglisten, Aspekte, auslösbare Boni, Gummipunkte etc.). Oder wie so eine Probe ermittelt wird.
Und da nun mal verschiedene Geschmäcker bedient werden sollen, gibt es halt Systeme, die die einen oder anderen Vorlieben in dieser Richtung bedienen. Ist ja auch sinnvoll.

@einfach vs. komplex: Eine einfache Mechanik wird viel weniger hinterfragt, weil schnell klar ist, wie sie funktioniert. Dann kann man sich nur noch darüber streiten, ob sie a) das macht, was sie soll und b) ob sie einem gefällt. Bei einer komplexen Mechanik wird viel öfter darüber diskutiert, wie sie denn jetzt eigentlich funktioniert; und a) und b) von oben bleiben einem auch noch.
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Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #16 am: 11.06.2015 | 20:36 »
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. ...

Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich vergleiche es mal mit einem Computer oder Backofen. Die einen brauchen zentnerschwere Handbücher und andere haben selbsterklärende Menüs. Wo wird wohl schneller ein Bedienungsfehler gemacht? Wer liest denn 400 Seiten Benutzerhandbuch und erinnert sich dann in der Anwendung an jede Regel? Ich nicht!
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #17 am: 11.06.2015 | 20:38 »
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst.
Ein dickes +1

@Abaton23:
Kannst Du mal ein paar Beispiele für Deine Formel formulieren?
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

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Offline Maarzan

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #18 am: 11.06.2015 | 20:42 »
Beim Rollenspiel muss es nicht nur für einen optimal passen, sondern für alle am Spieltisch hinhauen.

Da geht es nicht nur darum die beste Lösung an sich zu bekommen, sondern primär auch die Kommunikationslücken zwischen den Beteiligten zu schließen.
OK, schlechte Regeln reißen da auch neue Löcher, aber ansonsten sollten gute Regeln eben mit steigendem Umfang den Diskussionsbedarf und die Vorstellungsdivergenzen während des Spiels (bzw. der Vorbereitung) senken, bis die Chance dass es eine Gruppe gibt, die genau dort agiert kleiner wird als der Aufwand das zu schreiben oder im Falle einer spezifischen Gruppe die Regel zu lernen.
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Offline Xemides

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #19 am: 11.06.2015 | 20:43 »
Ich kenne nun diverse Systeme, wo die Eigenschaften entweder nur als Basis dienen,beim Wurf aber keine Rolle mehr spielen, oder man auf sie entweder einzeln würfelt oder nur auf die Fertigkeit und nicht summiert:

Runequest 6: Wurf nur auf Fertigkeit
Savage World: Wurf entweder auf Fertigkeit oder aufs Attribut
Shadowrun: Summe ergibt Pool
Midgard: Eigenschaft gibt Bonus auf Fertigkeitswert, oder es wird mit W100 auf ihn gewürfelt.

etc.

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Offline YY

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #20 am: 11.06.2015 | 20:45 »
Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Wenn der Zweck entsprechend begrenzt ist, ja.

Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Das ist dann aber "nur" eine Frage nach gutem oder schlechtem Design.

Es gibt komplexe Regelwerke, die tatsächlich gut und recht vollständig sind.
Andere kann man mit vertretbarem Aufwand so weit bringen.

Dass es schlecht designte komplexe Regelwerke gibt, die mit ihrer Komplexität nichts anzufangen wissen, tut dem keinen Abbruch.
Umgekehrt gibt es auch einfache Systeme, die nicht so arbeiten, wie sie sollen.
Und ich würde noch nicht mal behaupten wollen, dass die Zahlenverhältnisse hinsichtlich gutem und schlechtem Design im Vergleich komplexer und einfacher Regelwerke so unterschiedlich sind.


aber ansonsten sollten gute Regeln eben mit steigendem Umfang den Diskussionsbedarf und die Vorstellungsdivergenzen während des Spiels (bzw. der Vorbereitung) senken, bis die Chance dass es eine Gruppe gibt, die genau dort agiert kleiner wird als der Aufwand das zu schreiben oder im Falle einer spezifischen Gruppe die Regel zu lernen.

Schöne Formulierung :d
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alexandro

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #21 am: 11.06.2015 | 20:48 »
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst.

So wie ich es verstanden habe: der numerische Wert, auf den sich die Probe bezieht. Kompetenzgrad halt.

In die Formel eingesetzt sähe das z.B. so aus:
[Schwertkampf] + [7] = [W20+7 gg. Parade des Gegners]

Oder so.

Offline Abaton23

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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #22 am: 11.06.2015 | 20:51 »
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst. Ist das ein Bonus / Malus, der aus Charaktereigenschaften, Umwelteinflüssen oder Gummipunkten resultiert?

Ich wähle mal als Beispiel Midgard. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Glückspiel +12, ohne Modifikator, da sein Attribut ev. nicht greift.
- Fähigkeit=Glückspiel,
- Spielwert= +12
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit mit einem W20 summiert mit dem Spielwert mind. die 20 als Ergebnis zeigen.

Anderes Beispiel, SavageWorlds. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Heimlichkeit einen W8-Würfel ohne Modis.
- Fähigkeit=Heimlichkeit,
- Spielwert= W8,
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit mind. eine 4 als Ergebnis zeigen.

Anderes Beispiel, DSA. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Schwimmen (Ge/Ko/Kk) eine 5.
- Fähigkeit=Schwimmen,
- Spielwert= 5,
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit bei den drei Attributsproben in Summe nicht die 5 als Fehlwert übersteigen.

_________________________________________________ _________________________________

Beantwortet das, was ich mit der Urformel meine:
Fertigkeit + Spielwert = Probe ?
« Letzte Änderung: 14.06.2015 | 22:15 von Abaton23 »
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #23 am: 11.06.2015 | 20:58 »
Ach so. Na, dann fehlen aber definitiv die Specials.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
« Antwort #24 am: 11.06.2015 | 21:04 »
Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich glaube, das ist nicht der Fall. Wer dicke Rollenspiele wälzt, tut das nicht, weil sie besser sind, sondern für den Spaß am Wälzen. Am sich einlesen in den Hintergrund (obwohl der gar nicht so im Spiel vorkommt), am Bauen von Charakteren (die man so nie spielen wird), am Tüfteln von Hausregeln (für Runden die es vielleicht gar nicht gibt).

Wenn man tatsächlich nur am Tisch sitzen und spielen will, braucht man wirklich nicht viel. Aber es gibt offensichtlich auch andere Präferenzen. Sonst wäre dieses Forum auch nicht so wirklich besucht.