Autor Thema: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen  (Gelesen 15304 mal)

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Offline Der Nârr

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@ Marzaan, Bobibob, Narr: Ihr solltet Euch dann vielleicht mal fragen, weshalb 40% der SL hier im Forum dennoch an den Würfeln drehen. Eure Antwort lautet implizit oder explizit: Idioten, die die Wahrheit nicht erkennen. Ich halte diesen Gedankengang für einen echten Bumerang und habe deshalb ein paar Gedanken entwickelt, die die Welt schlicht besser erklären.
Naja, ich habe ja über mich geschrieben und auch geschrieben, dass ich viele Fragen dazu habe, die mir beantwortet werden müssten. Wer in meiner Runde würfeldrehen will oder möchte, dass ich als SL würfeldrehe, muss mir halt diese Fragen beantworten können - das kann aber leider meist niemand. Runden, die Würfeldrehen und damit zufrieden sind, kann es ruhig geben und ich glaube auch, dass die Spaß damit haben können - als Idioten würde ich sie niemals bezeichnen. Durchaus würde ich aber von unterschiedlicher Kompetenz im Spielen sprechen. So wie es Leute gibt, die besser (oder anders) Fußball spielen können oder Schach oder Call of Duty gibt es auch Leute, die besser (oder anders) Rollenspiel spielen können. Das ist aber etwas völlig anderes als die Frage, ob es Spaß macht und wer jemanden als Idiot oder Arschloch bezeichnet, weil jemand weniger gut spielt (oder besser: anders spielt), der hat den Schuss nicht gehört. Rollenspiel ist auch keine Religion und man muss Andersspielende nicht zu Häretikern erklären.

Spieler haben ja auch sehr unterschiedliche Spaßquellen. Ich würde jemanden nicht als Idioten bezeichnen, nur weil er eine andere Spaßquelle hat. Daher sehe ich mich da nicht von einem Bumerang getroffen. Dass die Andersspielenden Arschlöcher und Idioten sind, hast ja du geschrieben und ich sehe das ehrlich nicht in meinem Post :).

Ferner ändern sich meine Überzeugungen ständig. Auch wenn ich keine Würfel drehe, spiele ich sicher alles andere als reines Abenteuerrollenspiel oder so. Ich verwende z.B. auch elementare Ideen von methodischem Spielleiten und kombiniere gerade eine Sandbox mit vielen Simulations-Elementen mit ganz starken Anklängen von Illusionismus (oder Many Ways to Rome oder so). Da würden sich Hardcore-ARS'ler auch schwer mit tun, für mich ist es effizientes Spielleiten (z.B. zeitsparendere Vorbereitung). In einem Jahr spiele ich vielleicht wieder ganz anders. Bald leite ich auch eine zweite Kampagne parallel, die ich wiederum auch anders leiten werde und die eher geführt-storylastig wird - ergebnisoffen in den einzelnen Abenteuern, aber von Abenteuer zu Abenteuer mit starkem roten Faden. Aber den Schuh, in einer einzelnen Situation über den richtigen Ausgang entscheiden zu müssen um über das Wohl der Story zu bestimmen, den ziehe ich mir echt nicht gerne an und ich glaube das ist etwas, was bei mir über die kommenden Jahre noch stabil sein wird :).

Was ich also z.B. tatsächlich für obsolet halte sind bestimmte Spielstile als Kategorien aufzubauen. Das können immer nur Idealtypen sein, dass heißt es gibt eigentlich ein breites Kontinuum und aus der Beobachter-Perspektive kann man eher nur davon sprechen, dass jemand mehr ARS ist oder weniger Storyteller.

Jedenfalls hatte ich gehofft, du oder jemand anderes könnte noch mal in anderen Worten erklären, wo vom SoD und Tolkien der Sprung zu Würfeldrehen steckt. Ich sehe da wirklich den entscheidenen Punkt und den notwendigen Gang der Argumente. Wenn ich z.B. mit SoD Probleme bei einem Gonzo-Spiel habe, würde ich dann im Gonzo-Spiel öfter oder weniger oft Würfeldrehen oder was?
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Offline KhornedBeef

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@Der Narr: In Anlehung an eine schöne Forensignatur hier: Jemandem zu erklären warum er schlechter fantasiespielt als du, ist, als würdest du deinem besten Freund erklären, warum genau seine Freundin hässlich ist: Du hast vielleicht deine Gründe, vielleicht hast du sogar recht, aber am Ende bist du halt trotzdem ein Arsch :). Will sagen, damit verbrennst du völlig klar jede Diskussion.
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Offline Lord Verminaard

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Suspension of Disbelief ist übrigens, soweit ich das mitbekommen habe, etwas, womit sich schon intensiv beschäftigt wird, nur halt nicht bei den Forgern. Für die Skandinavier oder auch Azundris war der Begriff wohl sehr zentral, aber da bin ich der falsche, um da sinnvoll was zu verlinken. Der Begriff scheint nützlicher als "Immersion", aber letztendlich ebenso wenig messbar wie etwa dieses Authentizitätsgefühl, das die Hardcore-OSR-Sandboxer für sich reklamieren, wenn sie gnadenlos simulativ spielen und dafür mit Antiklimax oder TPK "belohnt" werden.

Ich persönlich habe diese behauptete Gegensätzlichkeit von Meta-Ebene und SoD nie nachvollziehen können. Wenn die SoD leidet, dann nach meinem Empfinden nicht deshalb, weil es eine Meta-Ebene gibt, sondern weil ein Mitspieler auf dieser Meta-Ebene etwas tut, das die SoD stört, also in einer Weise in die Fiktion eingreift, die sich nicht "richtig" anfühlt. Denn, Überraschung, beim Spiel ohne explizite Regeln für die Meta-Ebene gibt es ja auch eine Meta-Ebene, nur wird diese typischer Weise allein beim SL angesiedelt. Und der SL-Burnout aufgrund dieser "Allzuständigkeit" war es ja auch, der die Leute ursprünglich mal losgehen und diese "Storygames" im weitesten Sinne schreiben ließ.

Wenn jetzt also die Meta-Ebene beim SL hängt, dann gibt es für den Spieler zwei Möglichkeiten: Entweder, er spielt einfach drauflos und schert sich nicht um die Meta-Ebene und macht den Method Actor. Der SL soll dann also aus dem, was die SoD-immersierenden Egomanen am Spieltisch hinspielen, auf magische Weise eine dramatische Handlung spinnen und auch noch aufpassen, dass keiner der Spieler aus der Geschichte heraus geschrieben wird. Und um das überhaupt schaffen zu können, ist Würfeldrehen noch der kleinste Trick, dessen er sich bedienen muss. Es ist halt ein echter Scheißjob für den SL, weil die Spieler gegen ihn arbeiten. Das ist, nach Forge, das Impossible Thing Before Breakfast (oder jedenfalls nah genug dran).

Oder der Spieler spielt nicht einfach drauflos, sondern versucht eben, dem SL zu helfen. Das ist, nach Forge, Parcipationism. Jetzt arbeiten aber doch wieder alle auf der Meta-Ebene, nur dass sie sich das Leben schwer machen, weil sie es ja nicht sagen dürfen. Weil das angeblich schlecht für die SoD ist. Wo ich dann komme und sage, es wäre doch viel einfacher, mal kurz OT anzusagen, worauf man eigentlich hinaus will, dann kann man sich das Ratespielchen sparen und sich wieder der Fiktion widmen, das macht doch SoD viel einfacher. Geht jedenfalls mir so. Ob man dafür jetzt groß Forge-mäßige Meta-Regeln braucht, ich jetzt eher nicht, aber das steht ja auf einem anderen Blatt.

Würfel drehen muss man ja nur dann, wenn man tricksen will, ohne dass die anderen es merken, ob nun zum Wohle der SoD oder was auch immer. Das war vielleicht irgendwann mal effektiv, aber so erfahren, wie wir alle inzwischen nun sind, ist das doch eher etwas albern, zu denken, dass man damit wirklich noch jemanden an der Nase rumführen kann. Dann kann doch genauso gut sagen, das würfel ich jetzt gar nicht erst, weil ich ein bestimmtes Ergebnis haben möchte.  Oder?
« Letzte Änderung: 22.08.2016 | 10:59 von Lord Verminaard »
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Offline Maarzan

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@Marzaan:
Du gehst davon aus, dass Spieler nur aus Unvermögen oder Faulheit eine Auseinandersetzung mit dem System meiden. Das ist eine Fehlannahme. Manche Spieler möchten eben, dass für ein mögichst immersives Spielerlebnis die "Spiel-Engine" möglichst verdeckt läuft. Und dann wird der Spielleiter eben nicht nur als Moderator zwischen Weltensimulation und Spielern oder als Moderator zwischen den verschiedenen Spielern benötigt, sondern greift selbst als "Geschichtenerzähler" mit umfassenden Rechten ein. Ich kenne genug Spieler, die das wollen und auch so oder so ähnlich formuliert haben.

Das ist nicht jedermanns Sache, meine auch nicht (mehr). Allerdings ist die Vehemenz, mit der du da drauf prügelst auch kaum zu rechtfertigen.

Meine Punkte bezogen sich auf die Spielleitermotivation. Dein Einwurf bezgl. dem Spieler wäre unter dem SOD-Teil zu finden.

Bezgl. Metaebene und SOD.

Für eine entsprechende SOD bei aktiven Verhalten gehört auch ein enstprechendes Verständnis des SIS und Konsistenz desselben. Das funbktioniertnicht bei reinem SL-Fokus.

Dazu sehe ich es als grundlegenden Fehler anzunehmen, das jemand mit einem Immersionsfokus gesteigerten Wert auf Drama oder Spannung legt. Da gehen meines Erachtens die enstprechenden Spielleitermambitionen durch, die auf die Spieler projeziert werden.

Zumindest für meine Immersion ist auch nicht das komplette Ignorieren der Metaebene notwendig, sondern die strikte Trennung während des eigentlichen Spiels - und das heißt primär während der Entscheidungsfindung für den Charakter. Dies führt dann zu einem entsprechend hohen Aufwand vor dem Spiel und ggf zwischen Episoden, aber während der Handlung tut Meta entsprechend weh.
Komplexe Regeln wiederum stehen dem solange das irgendwo settingsnah bleibt nicht entgegen. Mit der enstprechenden Übung wird das quasi nebenbei mit übersetzt und erlaubt so erst ein gesteigertes Gefühl von "Verstehen" der Welt. Enstprechend wieder der Bruch, wenn plötzlich etwas nach den Regeln so Erwartetes nicht funktioniert und massive Enttäuschung, wenn klar wird, dass es dafür dann keine befriedigende innere Erklärung gibt.
« Letzte Änderung: 22.08.2016 | 11:08 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Greifenklause

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Das Problem ist doch ganz einfach.

Die Leute denken das ihr persönliche Einstellung auf überzeugenden Argumenten beruht.
Vielmehr hatten sie die Einstellung schon vor den Argumenten.
Und letztendlich entscheided die Einstellung darüber welche Argumente sie überzeugend finden.

Jeder von uns hat innerhalb und außerhalb des Hobbies Erfahrungen gemacht die seine emotionale Reaktion zu diesem Thema formen. Jeder hat eine Meinung dazu wie bindend Regeln sein sollten, weil uns Regeln im täglichen Leben begegnen. Der eine übertritt sie regelmäßig, der andere regt sich über diejenigen auf die sie täglich übertreten (weil er vielleicht mal Opfer einer solchen Übertretung war). Jeder hat eine Meinung zur Ehrlichkeit. Und je nachdem ob man gelogen hat oder belogen wurde, ob man von sich spontan ändernden Regeln profitiert hat oder sie einem geschadet haben, hat man an dieser Stelle halt eine andere Einstellung. Im Grunde reicht ein schlechter Spielleiter der die goldene Regel missbraucht um einen noch Jahre später zu beeinflussen. Genau so wie eine Serie von positiven Erfahrungen zu dem Thema die Einstellung beeinflusst.

Und genau deshalb kann man das nicht ausdiskutieren.

Wobei ich hier betonen möchte, dass die Einstellung zu Regeln in der Realität und die Einstellung zu Regeln im Rollenspiel gänzlich andere sein können, insbesondere hinsichtlich ihrer Wichtung.

Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war.
Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen). Wieder andere aus anderen Gründen.

Aber deine anderen Kernaussagen fand ich sehr schön!
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Offline Blechpirat

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Was macht das Spiel mit Wechsel auf die Meta-Ebene attraktiv? Für mich:
- Es spart Zeit beim Spielen. Wenn man sich auf der Meta-Ebene verständigt, ist es viel leichter, festzustellen, ob eine Szene jetzt noch für irgendjemanden interessant sind, wann der Zeitpunkt zum Würfeln gekommen ist und zu welchen Stakes. Man kriegt mehr Story pro Spielsitzung dabei raus.

Das ist etwas, was ich zwar beobachtet, aber nicht erkannt habe. Vielen Dank!

Offline KhornedBeef

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Wobei ich hier betonen möchte, dass die Einstellung zu Regeln in der Realität und die Einstellung zu Regeln im Rollenspiel gänzlich andere sein können, insbesondere hinsichtlich ihrer Wichtung.

Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war.
Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen). Wieder andere aus anderen Gründen.

Aber deine anderen Kernaussagen fand ich sehr schön!
Manche Leute lügen gerne aus Harmoniegrunden, wie man hört :) es geht ja am Ende um die Gewichtung bestimmter Werte, Ethik und so. Muss man nicht 1-zu-1 übersetzen, aber das man seine gemachten Erfahrung durch eine Vorstellung der Welt erklärt haben möchte und dass auf andere überträgt ist ja tatsächlich normal.
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Offline Der Nârr

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Würfel drehen muss man ja nur dann, wenn man tricksen will, ohne dass die anderen es merken, ob nun zum Wohle der SoD oder was auch immer. Das war vielleicht irgendwann mal effektiv, aber so erfahren, wie wir alle inzwischen nun sind, ist das doch eher etwas albern, zu denken, dass man damit wirklich noch jemanden an der Nase rumführen kann. Dann kann doch genauso gut sagen, das würfel ich jetzt gar nicht erst, weil ich ein bestimmtes Ergebnis haben möchte.  Oder?
Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja um die goldene Regel im Allgemeinen und die bezieht sich nicht nur auf das Würfel drehen.

Ich würde sogar sagen dass es Spieler gibt, die felsenfest verneinen würden, dass die goldene Regel das Drehen von Würfeln erlaubt :).
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Chiungalla

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Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war. Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen).

Und was glaubst Du ist der häufigste Grund aus dem Menschen lügen? Hinweis siehe oben.
Wir finden dann nur Synonyme und Erklärungen die es uns und anderen leichter machen die Tatsache zu ignorieren, dass wir Lügner sind.

Nein, er hat nicht gelogen. Er hat nur die Würfel gedreht. Er hat gesagt das er eine 6 gewürfelt hat während in Wahrheit eine 20 hinterm Spielleiterschirm lag... ähm... aber er hat nicht gelogen.  8)
« Letzte Änderung: 22.08.2016 | 11:37 von Chiungalla »

Offline KhornedBeef

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Ich lüge im privaten Umfeld, würde aber keine Würfel drehen!
Und wie soll ich den Rest jetzt glauben hier???  ;)
Zitat
Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja um die goldene Regel im Allgemeinen und die bezieht sich nicht nur auf das Würfel drehen.

Ich würde sogar sagen dass es Spieler gibt, die felsenfest verneinen würden, dass die goldene Regel das Drehen von Würfeln erlaubt :).
Siehe meine Überlegung mit Rumpel im anderen Thread: Für manche Spieler sind die Würfel eher teil der fiktiven Spielrealität als der unseren, daher nicht davon betroffen!
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Ich vergeige, also bin ich.

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Offline Greifenklause

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@KhornedBeef
Eher nein. Wenn ich drehe, tue ich das bewusst, um einen von drei Fällen zu erreichen
1) SC retten (selten nötig)
2) Plot retten (selten nötig)
3) Spannung/Dramaturgie/Suspension of Belief in exakt diesem Moment zu unterstützen (der häufigste Fall)

Ersteres tu ich aus Harmoniegründen, zweites tat ich aus fetischistischen Gründen und mache es heute nur noch selten, weil es der "Harmonie" eher widerspricht. Drittes tu ich aus meinem Kernansprach heraus, den Spielern eine (in deren Augen) gute Story zu liefern.
Gerade bei 3 ist mein Anspruch so diametral von einem Lügen in Realitas entfernt, jedenfalls was den moralischen Vektor betrifft, dass ich die nur mit Kopfschmerz unter einen Hut bekäme.
Die Frage ergibt sich bei mir bei 3 auch nicht. Ist es doch MEINE* Aufgabe, eine gute Story zu liefern. Und dem ordne ich fast alles andere unter.
Vielleicht ist mein Eingang aber auch zu manchen anderen Konzepten so grundverschieden, und es fällt mir deshalb so schwer so anders zu definieren...

(* Andere Spielleiter sehen für sich andere Aufgaben, auch ok!)

@ Chiungalla
Danke, so verstehe ich dich schon besser.
Kann aber auch immer noch nicht ganz folgen.
S.o.
Ich lüge nicht, ich erzähle eine Geschichte.
Diese Geschichte erzähle ich mal mit Würfeln, mal ohne = beides Standard in fast jedem Rollenspiel.
Mal erzähle ich sie aber auch mit Würfeln und dann plötzlich doch ohne oder entscheide mich kurzfristig um = Würfeldrehen und andere Varianten.

So klarer, wie ich empfinde?

(Und jetzt bitte nicht streiten, wieviel Anteil Spieler am Geschichten erzählen haben oder haben sollten, das verfälscht meine Aussage ja nicht)
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@ all: Bitte denkt daran, dass es in diesem Thread NICHT um Definitionsfragen gehen soll und auch NICHT um die Berechtigung oder qualitative Beurteilung der Anwendung der goldenen Regel. Ich möchte in diesem Thread gerne erfahren, ob Ihr Euch ebenfalls vorstellen könnt, dass die große Bandbreite von Meinungen zur goldenen Regel eng mit der Suspension of Disbelief zusammenhängt. Ich hatte explizit drei Ansichten unterschieden.

Pyromancer

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Eher nein. Wenn ich drehe, tue ich das bewusst, um einen von drei Fällen zu erreichen
[...]
3) Spannung/Dramaturgie/Suspension of Belief in exakt diesem Moment zu unterstützen (der häufigste Fall)

Meiner Erfahrung nach ist Würfel drehen der Spannung gerade abträglich. Das war schon "damals" so, als ich gerade mit dem Rollenspiel angefangen hatte, und die SL natürlich hinter seinem Schirm gewürfelt und gedreht hat: Die richtig spannenden Momente waren da die (sehr seltenen) SC-gegen-SC-Aktionen, weil die Spieler natürlich offen gewürfelt haben, und am Ergebnis eben nicht gedreht werden konnte.

Im normalen Abenteuerverlauf war die Spannung eher auf Kinderfilm-Niveau: Es wurde schon ein bisschen spannend, aber jedem war klar, dass die SCs überleben und nichts allzu schlimmes passieren wird, weil die SL das hinter dem Schirm schon hindreht.

Nervenzerfetzende Spannungs-Momente, in denen jeder auf der Stuhlkante sitzt und atemlos mitfiebert habe ich in Würfeldreher-Runden nicht ein einziges Mal erlebt.

Ähnlich ist es mit der SoD: Wenn die SL offen würfelt, und es fällt ein Extrem-Ergebnis, dann kann ich das problemlos akzeptieren. Wenn die Würfeldreher-SL hinter dem Schirm würfelt und dann erzählt: "Ja, da hat er halt die 100 gewürfelt, und deshalb passiert jetzt...", dann ist das für mich immer seltsam (mir fällt gerade kein besseres Wort ein).
« Letzte Änderung: 22.08.2016 | 12:50 von Pyromancer »

Offline Greifenklause

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@ Pyromancer
Meine "Ur-Erfahrungen" sind gar nicht mal so verschieden von deinen.

Sehr wohl sind aber meine Erfahrungen der letzten Jahre diametral andere. Wir haben das Instrument nur verfeinert, statt abgeschafft.
Es waren tierisch spannende Abenteuer dabei.
Wenn aber ein SL ein Abenteuer verkorkst hatte, lag es nie an der "Nachkorrektur". In manchen Fällen hätte die aber auch nichts mehr retten können.

Und Spannung generiere ich weder als SL noch als Spieler aus Heldentod. Im Gegenteil. Was ich aber spannender finde, wesentlich spannender, sind Verletzungen, Schmerz, Sichaufräppeln.

"Der Tod nützt mir nichts". Dennoch haben wir eine Restangst. Das mögt ihr als paradox ansehen, aber es ist so.
Vielleicht liegt es gerade daran, dass  nicht jeder -wechselnde SL- exakt die gleichen Maßstäbe anlegt.
Komisch, macht trotzdem Spaß...

Andere haben da lieber mehr Ähnlichkeit. Ich bezweifel nur, dass das durch schlichtes "Nicht Würfel drehen" oder andere Mittel möglich sei.
Gebe aber offen zu, dass wenn ich Angst vor starker Unähnlichkeit im Leiten auch erst alle Hausregeln wegkürzen würde. Die weniger berechenbaren zuerst.

Und auch die Quote von "Wellentänzers Typen" spielen da eine starke Rolle, die einem ehr zum einen oder anderen tendieren lassen, sei es aus Zwang, Vorsicht oder Spaß oderoderoder

Was ich extrem faszinierend finde, ist aber sich über Spielertypen und "warum verstehen sich Veteran A und B nicht?" überhaupt mal Gedanken zu machen.

TOP!
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Chiungalla

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Ich lüge nicht, ich erzähle eine Geschichte.

Das widerspricht sich nicht. Geschichte erzählen klingt nur viel positiver als lügen. Siehe Synonyme in meinem letzten Beitrag.

Im Idealfall bekommst Du von Deiner Gruppe ein Mandat um zu lügen: "Dreh die Würfel, brech die Regeln, aber erzähl uns nichts davon, damit wir eine spannende Geschichte erleben können und die Suspension of disbelieve hält."

Das löst dann das ethische Problem das normalerweise mit Lügen einher geht. Dann ist Lügen am Spieltisch nicht problematischer als Lügen am Poker-Tisch. Aber es ist immer noch eine Lüge. Und Lügen am Pokertisch haben auch schon die eine oder andere Beziehung nachhaltig belastet.

Offline Erg

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Zunächst:

...
Ähnlich ist es mit der SoD: Wenn die SL offen würfelt, und es fällt ein Extrem-Ergebnis, dann kann ich das problemlos akzeptieren. Wenn die Würfeldreher-SL hinter dem Schirm würfelt und dann erzählt: "Ja, da hat er halt die 100 gewürfelt, und deshalb passiert jetzt...", dann ist das für mich immer seltsam (mir fällt gerade kein besseres Wort ein).

Das kann man beheben, indem man Extremergebnisse (besonders solche zuungunsten der Spieler) nachträglich "veröffentlicht" (es drehen vermutlich nur Wenige tatsächlich die Würfel auf eine bestimmte Zahl, wenn sie "Würfel drehen"). In meiner "Hausgruppe" ist das üblich.

Zum Eigentlichen: SoD spielt bei der Frage nach der "goldenen Regel" meiner Meinung nach eine große Rolle: Zum einen ist mir das Ausdiskutieren von Spielweltereignissen viel zu "Meta", das beißt sich ganz extrem mit meinem präferierten Spilstil. Zum anderen sollen die Spielweltereignisse (zumindest in der Rückschau) plausibel erscheinen, was der reine Zufall/die reine Regelanwendung u.U. nicht liefert. Deshalb brauche ich einen SL, der die Kannten glättet (indem er Plausibilität nachträglich herstellt oder das Unplausible gleich wegläßt/ersetzt). Das widerspricht auch nicht einer eher simulationistischen Herangehensweise (eher im Gegenteil), denn ich kenne kein System, dessen Regeln immer zu plausiblen Ergebnissen führen.

Offline Sethomancer

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Ich denke mal die Einstellung zur goldenen Regel ist auch stark abhänig davon in welcher Rolle man den Spielleiter sieht.

Manche Gruppen fühlen sich halt wohler mit einem authoritärem SL der es ihnen erlaubt, die Welt ganz aus den Augen ihrer CHaraktere zu sehen, und ihen netterweise die ganze Metaproblematik abnimmt. Diese Spieler haben wahrscheinlich kein Problem mit der goldenen Regel (wahrscheinlich intressiert es sie nichtmal).

Dann gibt es die Gruppen die lieber einen kooperativen SL habe, der allen erlaubt sich fröhlich auf der Metaebene mitzutummeln und eher den Moderator und Mediator mimmt. Diese Spieler wollen und brauchen keine goldene Regel (für den SL), weil dort sämtliche Probleme im Plenum gelöst werden.

Dann gibt es die Gruppen, die den SL als Verwalter eines simulatorischen Systems sehen. Da dort der SL eher ein Schiedsrichter ist dem die (letzte) Interpretation der Regeln obliegt wird dort die goldene Regel vollkommen abgelehnt.

Natürlich sind die meisten Gruppen irgendwas dazwischen, vor allem wenn man (wie häufig erlebt) Spieler mit verschiedenen Ansätzen in der selben Gruppe hat.
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Offline Greifenklause

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...
Im Idealfall bekommst Du von Deiner Gruppe ein Mandat um zu lügen: "Dreh die Würfel, brech die Regeln, aber erzähl uns nichts davon, damit wir eine spannende Geschichte erleben können und die Suspension of disbelieve hält."

...

Mit dieser Definition kann ich leben. Finde "lügen" nur zu negativ konnotiert.
"Illusion" passt vielleicht besser.
Auf der anderen Seite schaffen alle SL eine "Illusion".
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Pyromancer

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@ Pyromancer
Meine "Ur-Erfahrungen" sind gar nicht mal so verschieden von deinen.

Sehr wohl sind aber meine Erfahrungen der letzten Jahre diametral andere. Wir haben das Instrument nur verfeinert, statt abgeschafft.
Es waren tierisch spannende Abenteuer dabei.
Wenn aber ein SL ein Abenteuer verkorkst hatte, lag es nie an der "Nachkorrektur". In manchen Fällen hätte die aber auch nichts mehr retten können.

Und Spannung generiere ich weder als SL noch als Spieler aus Heldentod. Im Gegenteil. Was ich aber spannender finde, wesentlich spannender, sind Verletzungen, Schmerz, Sichaufräppeln.

Ich fände es unheimlich hilfreich, wenn du (an anderer Stelle, nicht hier! Am besten in einem extra Thread im Spielleiter-Bereich) mal im Detail beschreibst und erklärst, wie du das Werkzeug "Würfeldrehen" effektiv einsetzt - am besten mit konkreten Beispielen vom Spieltisch.

Offline KhornedBeef

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Ich bei Chiungallas Post innerlich: "Vorsicht, Chiungalle, das Eis da sieht dün-"
*krackksplooosh*

Jep, ich sehe eine "Lügen-Diskussion" kommen...

Edit:
Bei Grabthars hammer, bei den Sonnen von Worvan, du sollst gerächt in die SC geschoben werden!
« Letzte Änderung: 22.08.2016 | 13:34 von KhornedBeef »
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Forlorn

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Mit dieser Definition kann ich leben. Finde "lügen" nur zu negativ konnotiert.
"Illusion" passt vielleicht besser.
Auf der anderen Seite schaffen alle SL eine "Illusion".
Wir verwenden nur unterschiedliche Werkzeuge.

Ja, nach der "Lügendefinition", lügt uns auch jeder Autor, jeder Regisseur und jeder Spieleentwickler die Hucke voll, weil er eine Geschichte erzählt, die so nicht passiert ist.

Offline Greifenklause

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ne, lasst mal: Ich hab ja Chiungallas "Lügen"-Definition schon irgendwie geschluckt.
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Offline Greifenklause

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Ich fände es unheimlich hilfreich, wenn du (an anderer Stelle, nicht hier! Am besten in einem extra Thread im Spielleiter-Bereich) mal im Detail beschreibst und erklärst, wie du das Werkzeug "Würfeldrehen" effektiv einsetzt - am besten mit konkreten Beispielen vom Spieltisch.
Gerne!

Was rein subjektives wie "Würfeldrehen nach Trollstime"? oder lieber "Wann dreht ihr Würfel?"
(Einen "Rant" werde ich aus naheliegenden Gründen nicht starten und einen "Habmichlieb"-Thread ebenfalls nicht.)
Dann können wir hier und drüben etwas entschlacken.
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Würdet Ihr Euch wohl an den OP halten, meine erste diesbezügliche Bitte nicht ignorieren und Euch fortan inhaltlich wieder mit dem eigentlichen Thema des Threads befassen? Danke!
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Pyromancer

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Gerne!

Was rein subjektives wie "Würfeldrehen nach Trollstime"? oder lieber "Wann dreht ihr Würfel?"

Mir wäre eine rein subjektive, aus deiner Praxis gespeiste Herangehensweise am liebsten!