Autor Thema: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition  (Gelesen 1682 mal)

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Online Jiba

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Weltengeist hat so Recht!


Sorry, aber das muss ich mal loswerden.

Ich liebe Fate, tue ich wirklich, inzwischen spiele ich so gut wie alles damit. Wenn mir die Regeln von etwas nicht gefallen ist mein erster Gedanke: Wie geht das wohl mit Fate.

Aber, verdammt, ich hasse Aspekt-Spamming...

Es gibt gefühlt keine Fate-Runde, die ich bislang gespielt oder geleitet habe, wo wir noch nicht an dem Punkt waren: Die Spieler wollen irgendwie unbedingt über das Ergebnis ihrer Gegner oder die Schwierigkeit. Also beginnen wir zu fabulieren. Aspekte irgendwie reinzuerzählen. Vorteile irgendwie reinzuerzählen. Konsequenzen irgendwie reinzuerzählen. Soweit, so Fate, dafür ist es ja da.

Womit ich ein wahnsinniges Problem habe ist, wenn diese Aspekte nur noch als +2-Geber gesehen werden ohne den Bedeutungsgehalt, der eigentlich in ihnen steckt. Da kommt dann sowas wie "Ja, der Gegner hat "blutige Strieme" am Bein also nochmal plus 2. Und dann halte ich als SL gegen usw... am Ende ist es dann ein Einziges "Wer hat den längsten (Satz gesprochen und dabei möglichst viele Aspekte genannt"). Viele Fate-Runden gehen dazu über Boosts gar nicht mehr auszuformulieren, sondern nur noch Chips irgendwo draufzulegen, die dann für alles eingesetzt werden können. Finde ich eigentlich furchtbar, denn auch wenn ein Boost flüchtig ist, hat der noch narrativen Gehalt. Wenn ich beim Gegner mit einem Nahkampfangriff eine "Lücke in der Deckung" finde, dann hilft das meinem Kumpel wohl kaum dabei, selbigen Gegner in der nächsten Aktion durch Bezirzen ablenken zu wollen.

Ich als SL halte bei solchem Aspektspamming häufig mit eigenen Fate-Punkten gegen, um es den Spielern nicht zu leicht zu machen. Wahrscheinlich ist das ein Fehler. Ich merke auch als SL, dass die Erzählung darunter leidet, wenn ich oder ein Spieler sich nur über Aspekte einfach mal eine +10 holt (da hat die Leiter schon lange aufgehört). Wenn ein Spieler mehr als 3 Aspekte inklusive Konsequenzen aufruft, dann führte das eigentlich nie zu einer besseren Geschichte bei mir (Gegenbeispiele sind erwünscht). Der Grund ist ein ganz einfacher:
Zuviel narrativer Input. Selbst wenn ich alles, was ich da aufrufe begründen könnte, bringt es die Narration nicht weiter. Ich zähle nur auf, was alles dazu führt, dass ich Erfolg habe. Besonders Vorteilsaspekte sind da +2er-Halden. Für die brauchen die Spieler in der Regel nämlich nicht mal Fate-Punkte.

In Filmen, Romanen oder Comics liegt der Fokus auf viel weniger Details; da ist es eine Sache, vielleicht zwei, vielleicht drei, die den Ausschlag geben. Vielleicht könnte es helfen alle Aspekte in Sequenz anzusagen und das konsequent: Erst einer einen, dann der andere, dann wieder der eine... aber: Jeder zusätzliche Aspekt muss dynamisch in die Geschichte eingebunden werden, sei es über Flashback oder Beschreibung der Situation, etc. Und diese dürfen sich nicht wiederholen, sondern immer einen neuen Twist haben. Das ist kreativ anstrengend, aber es geht dann nicht mehr um +2 gegen +2.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder auch Ideen, wie man Aspekt-Spamming vermeiden kann?
« Letzte Änderung: 30.08.2016 | 19:15 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline merlett

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #1 am: 30.08.2016 | 19:27 »
Also mit zu vielen Aspekten hatte ich eigentlich selten Probleme. Es ist ja alleine schon dadurch eingeschränkt, das Aspekte nicht grenzenlos tagbar sind. Normale Aspekte kosten 1 FP und erschaffene Aspekte kann man im besten Fall 2 mal taggen (aber nicht gleichzeitig). Normalerweise führt das eher zu kreativen Aktionen wo jeder versucht seine Stärken auszuspielen und dem "Kämpfer" dann die Gelegenheit gibt einen Megamäßigen Hieb auszuteilen oder ähnliches. Das klappt dann meist einmal und ganz oft wird dann auch noch schlecht gewürfelt, so das einige Aspekte gerade mal dazu taugen den Fehlschlag zu verhindern.

Einen Aspekt zu erschaffen kostet dich eine Aktion. Einen Aspekt des Gegners oder der Umgebung zu nutzen kostet Fatepunkte. Wie kommen denn deine Leute dazu so viele Aspekte herbei zu erzählen ohne Aufwand?


alexandro

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #2 am: 30.08.2016 | 19:29 »
Erstmal: Weltengeists Rant klingt für mich wie ein "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!", ein "Ich will Regeln die eine Geschichte fördern, aber bitte ohne Metaebene" und das funktioniert eben nicht (inkompatible Ansprüche).

Das Aspekt-Spamming (worauf Weltengeist gar nicht eingeht, da er sich ja auch darüber aufregt, dass man nur gerade soviele Aspekte einsetzt, um über die Schwierigkeit zu kommen) kann unter gewissen Umständen tatsächlich ein Problem werden. Evtll. könnte man da etwas mit "diminishing returns" machen (der erste Aspekt gibt +2, der zweite +1, der dritte kann nur noch die Würfel neu werfen), aber generell reicht es schon, wenn man darauf achtet das der Einsatz auch in der Fiktion Sinn macht (das kann in der Hitze des Gefechtes manchmal aus den Augen verlieren, aber eine Runde in der das *komplett* egal war, habe ich bisher noch nie erlebt).

Offline nobody@home

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #3 am: 30.08.2016 | 19:30 »
Hm. Ich blicke zurück auf "Aspekte Einsetzen", Seite 76 in Fate Core (dt.), und da finde ich solche Sachen wie

Zitat
Um deinen Aspekt einzusetzen, musst du erklären, warum der Aspekt relevant ist und einen Fate-Punkt ausgeben.
...
Die Gruppe muss dir die Relevanz des entsprechenden Aspekts abkaufen, wenn du ihn einsetzt. SL, du fällst hier die letzte Entscheidung. Die Verwendung eines Aspekts sollte sinnvoll sein, oder du solltest sie so kreativ zu beschreiben können, dass sie dadurch sinnvoll wird.
(Betonung von mir, Kursivschrift im Original)

Ich denke, wenn das Spamming tatsächlich mal überhand nimmt, sollte man sich vielleicht überlegen, die Antworten auf die Frage "und wie hilft dir dieser Aspekt nun genau?" etwas strikter einzufordern und zu bewerten. Ähnlich würde ich auch mit dem Erschaffen von Vorteilen umgehen -- wenn bei etwas, das der Charakter gerne tun möchte, gar nicht so klar ist, worin der (falls schon einige Aspekte im Spiel sind eventuell zusätzliche) Vorteil eigentlich bestehen soll, dann zählt das vielleicht gar nicht als "Vorteil erschaffen: die Aktion".

Offline Kampfwurst

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #4 am: 30.08.2016 | 19:42 »
Naja, das ist nunmal eben genau die Art und Weise, wie Fate funktioniert. Irgendwann läuft es immer auf die eine Aktion hinaus, die beide Seiten gewinnen wollen, und dann sieht es genau so aus, wie du es beschreibst.

Allerdings kommt mir gerade eine Idee, wie man das einigermaßen entfernen kann. Nämlich mit den Regeln für Skalierung aus dem Toolkit.

Will heißen, wenn man einen entsprechend guten Aspekt erschaffen hat, dann gilt man solange der Aspekt existiert als eine Stufe "größer" als der Gegner. Man muss also diesen Aspekt nicht mehr groß einspielen, er hat von da an eine Dauerwirkung, entsprechend dieser Regeln.

Zugegeben, das könnte schnell dafür sorgen, dass der erste Erfolg der einzige ist den man braucht, aber vielleicht wäre das trotzdem ein Ansatz.

Offline La Cipolla

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #5 am: 9.09.2016 | 00:06 »
Ich denke auch, man sollte die rechnerisch-taktische Facette von Fate (die klassischen 50% sozusagen) nicht übergehen. Es gehört imho durchaus zum grundlegenden Spielgefühl, zu gucken, welchen Aspekt man noch irgendwie einsetzen kann, um einen Bonus zu erhalten, und ich habe in diesem Sinne auch kein Problem mit vagen Erklärungen für Schübe etc. Das Spiel soll ja keine narrative Fließbandarbeit sein, und tatsächlich ist die Balance der Konflikte meiner Erfahrung nach noch einmal schwieriger einzuschätzen, wenn so vieles von Formulierungen und Erklärungen abhängt. Wenn ein Spieler eine Ressource ausgibt (etwa einen Fate-Punkt oder eine Aktion), ist das von der Systemseite her oftmals entscheidender als die Aspekte drumherum. Bestes Beispiel: Stunts werden immer gegen die Erholungsrate ausbalanciert, Charakteraspekte nur sehr selten.

Interessanterweise hört man Beschwerden in die Richtung aber ziemlich oft. Ich glaube, viele Leute sehen in Fate mehr Indie-Mentalität und weniger klassisch als wirklich drinsteckt. Das "Herbeifabulieren", das so oft kritisiert wird, macht das Spiel rechnerisch keinesfalls kaputt (bzw. wurde sogar eingerechnet, würde ich behaupten), und ob es einen negativen Einfluss auf die narrative Ebene hat, dürfte hauptsächlich am Umgang mit dem ganzen Komplex hängen. Ich kenne das Problem in der Spielpraxis aber auch nur insofern, dass mal ein Spieler einen komischen Vorschlag macht und wir alle herzlich drüber lachen. Dann geht's weiter.

Wenn man sich die klare Rechtfertigung von Möglichkeiten durch die Narrative für wirklich abgefahrene Situationen aufhebt und sie sonst im selbstverständlichen Bereich lässt, macht sie das imho auch erheblich interessanter. (Stichwort Fließbandarbeit wieder.) Besonders deutlich finde ich das bei Charakteraspekten: Ich habe gar kein Problem damit, wenn ein Charakter, der aufs Kämpfen ausgelegt ist, zwei oder drei Aspekte hat, die er bei so ziemlich jeder Kampfaktion einsetzen kann. Die Ressourcen braucht er ja immer noch.
« Letzte Änderung: 9.09.2016 | 00:08 von La Cipolla »

Offline Weltengeist

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #6 am: 9.09.2016 | 09:02 »
@Jiba: danke für die Beobachtjng (hab ich bei Fate auch so gemacht) und fürs Auslagern! Magst du es vielleicht noch im Ursprungsthread verlinken?

Zitat
Weltengeists Rant klingt für mich wie ein "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!", ein "Ich will Regeln die eine Geschichte fördern, aber bitte ohne Metaebene"

Das ist schlicht falsch und steht so auch nirgends. Von Regeln, die eine Geschichte fördern, hab ich mW nichts geschrieben. Ich sage vielmehr ausdrücklich, dass für mich Regeln der Konfliktresolution dienen sollen und sonst gar nichts. Also bitte nichts reinlesen, was da nicht steht. Gehört aber ansonsten nicht in diesen Thread, bitte mit dem Thema weitermachen.
"Wenn ich in Unterleuten eins gelernt habe, dann dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat." (Juli Zeh, Unterleuten)

Spielt derzeit: The Wild Beyond the Witchlight (Savage Worlds - Prismeer), Troubleshooter (Savage Worlds - Starfinder)
In Vorbereitung: -

Daheon

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Re: "Und damit reicht es dann!" - Fate Core Edition
« Antwort #7 am: 9.09.2016 | 11:25 »
In meiner Masters of Umdaar Minikampagne hatten die Charaktere es mit einem Endgegner zu tun, der im kampf Mann gegen Mann nicht zu besiegen gewesen wäre. Als da die Spieler mühsam Vorteile erspielt hatten und so einer von Ihnen am Ende den finalen Hieb mit +12 ausführen konnte, hatte ich schon den Eindruck, dass das erzählerisch befriedigend war.

Darüber hinaus haben die Spieler im Laufe der Kampagne recht schnell den rechnerischen Aspekt der angelegenheit raus, d.h. sie verwendeten in der Regel nicht mehr Boni als für das Erreichen eines vollen Erfolges bzw. das Ausschalten eines Gegners notwendig waren.

Ich selbst habe wahrscheinlich gerade am Anfang als SL den Fehler gemacht, viel zu viele Aspekte auf den Tisch zu legen. Das hat sich aber quasi von selbst erledigt, da die Spieler interessanterweise gar nicht alle benutzt haben. Wahrscheinlich fallen langweilige oder für die Spieler nicht relevante Aspekte von allein unter den Tisch.