Ich möchte ja, dass mein SC den Vorteil hat, also drehe ich die Fiktion so lange, bis ich ihn bekomme bzw. bis ich der Meinung bin, den Bonus zu verdienen. Das Urteil zum Bonus ist also von meinem Interesse beieinflusst, ihn zu bekommen.
Das ist genau das, was derartige Spiele gern vom "Normalo-Rollenspieler" und "konventionellen" Systemen kolportieren.
Nicht so sehr in Fate oder einem Haufen anderer Systeme, denn da muss ich ja bezahlen. Da muss die Fiktion stimmen UND ein Fatepunkt bezahlt werden. Irgendwann ist der FP-Vorrat alle oder so knapp, dass ich gar kein Interesse habe, da lange rumzuschwurbeln. Der Bonus wird durch die FP ausbalanciert.
Und weil ich ja meinen Mitspielern
nix gutes Zutraue, erkaufe ich mir dafür, dass sowohl die Freiheit der Spiel(leit)er, losgelöst von Mechanismen zu entscheiden,
wann und
was passend/spannend/dramatisch ist. Erstens ergibt zwei mal genau die gleiche Situation einmal mit und einmal ohne Stilpunkte da zwei unterschiedliche Ergebnisse. Regeltechnisch schonmal garantiert, in der Fiktion dann häufig auch. Weil ich dann nämlich nicht mehr entscheide, was gerade für mich und meine Mitspieler cool ist, sondern was meine begrenzten Ressourcen hergeben. Das hat mehr mit Gamismus und Ressourcenmanagement, als mit dem Erzählen psannender Geschichten zu tun.
Zweitens bremst es die Kreativität der Beteiligten, denn wo ich in einem Spiel ohne Mechanismen zum Erkaufen von Erzählrechten mit allen Beteiligten frei absprechen kann, was wir mögen, was für uns Sinn macht und was wir letztlich einbauen, habe ich bei Spielen mit
in-App-Käufen Erzählrechtsmechanismen das Dilemma, logische, passende, spannende Elemente nicht einbauen zu können wenn es der "Fate-Punkte Ökonomie" widerspricht.
Drittens laufe ich mit den falschen Spielern Gefahr, dass unangebrachte, unsinnige Szenen entstehen, nur um die Punkte wieder aufzufrischen, Spotlight zu erheischen etc...
...jetzt hab ich "falsche Spieler" gesagt. Ich nehme das Gegenargument gleich vorweg, dass mit den falschen Mitspielern auch konventionelle Systeme doof sind. Das stimmt natürlich. Es belegt aber letztlich nur, dass mit der Regel 0, der richtigen Einstellung und durchschnittlicher Konfliktlösekompetenz Spiele wie Fate und Konsorten (abgesehen von subjektiven Präferenzen) letztlich von der Sache her überflüssig sind. Insbesondere, wo die Reflexion darüber, was am Spieltisch geschieht, wunderbar und weniger aufdringlich in diversen Foren und SL-Ratgebern diskutiert wird. Diese Erkenntnisse muss ich aber doch nicht permanent auf den Spieltisch zerren. In der Schule diskutiere ich ja auch pädagogische und didaktische Konzepte nicht permanent bei jeder Handlungsanweisung mit den Schülern.
Letztlich bleibt es dabei, dass mit den falschen Spielern auch bei forgistischen Systemen der Regelapparat aufgebläht werden müsste, um Missbrauch auszuschließen. Und mit den richtigen Spielern wiederum ist das, was mir diese Systeme bieten, überflüssig.
Ich spiele mit vielen ganz unterschiedlichen Spielern im Alter von 6 - 50 fast ausschließlich konventionelle RPGs, in denen ich ihnen aber mehr Entschiedungsbefugnis gebe. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, das alle froh waren, mehr mitentscheiden zu dürfen als in konventionellen RPGs. Und nie ist irgendjemand in der Runde derart aus der Rolle gefallen, dass wir Meta-Nismen gebraucht hätten. Die überzogen negative Grundannahme über Rollenspieler, die die forgistischen Systeme also implizit oder explizit vermitteln, sind meiner Erfahrung nach völlig unangebracht.
Das ist der OSR wesensfremd. Da sitzt der Dungeon Master und macht seine Rulings. Und ausgehend vom Ideal des perfekten neutralen DM ist das sicher eine weitere Lösung gegen "biased judgement". Alles super ... bis man anderer Meinung ist als sein DM. Dann ist es: "Der Meister hat immer recht." (Grob vereinfacht )
Aber meinst du nicht, dass wir auch in konventionellen oder OSR Spielen inzwischen über so ein Hobbs'sches Rollenspiel-Gemeinwesen hinaus sind? In so kleinen Personenkreisen funktionieren direkte Demokratie oder sogar Anarchie wunderbar. Auch ohne die Zehn Gebote guten erzählerischen Rollenspiels.
Was ich an PbtA noch störend finde ist, dass es alter Wein in neuen Schläuchen ist und nebenbei noch ein Klassensystem.
Alter Wein in neuen Schläuchen, weil es letztlich völlig Schnuppe ist, ob ich Aktionen vertikal nach thematischer Nähe kategorisiere (also in Fertigkeiten) oder horizontal danach was sie spieltechnisch bezwecken ("Moves"). Zum Klassensystem muss ich nichts mehr sagen, oder? Ob ich es nun Prestige-Klasse oder "Playbook" nenne ist letztlich nur ein rein marketingtechnischer Unterschied. Aber hauptsache es klingt
anders und ist gerade hip...