Ich hab ja schon mit dem Hexer gespielt, weiß also um dessen tyrannische Ader, wenn es um die Spielleitung geht...
Meine 10 Pfennige:
Ich finde es Quatsch!
Was? Na, alles was ins extreme geht!
Als Rollenspieler der ersten (DSA, 1984) Stunde hab ich ja den ganzen Unsinn mitgemacht, der in den 80ern und 90ern zahllose Leute dazu trieb, lieber auf dem PC Neverwinter Nights zu spielen oder sich einfach eine Freundin zuzulegen, anstatt Pen & Paper Rollenspiel zu machen. (und ja, Gendering! Freundin und nicht Freund, weil die Anzahl der Mädels im Rollenspiel damals extrem niedrig war - was auch daran lag, dass die Jungs damals so extrem pubertär waren)
Auf die Frage "Wie sehr muss man eigentlich in den 80ern 90ern unter kiesowschem Spielleitungsabsolutismus gelitten haben, um so massiv und völlig über das Ziel hinaus ins Gegenteil zu verfallen?" kann ich nur sagen: Das war damals wirklich schlecht und schlimm! Aber damals waren auch noch ganz andere Sachen im Rollenspiel schlecht und schlimm, weil zu viele superpubertär, unerfahren und sozial inkompetent ans Rollenspiel gegangen sind. Und ja, das hat traumatische Reflexhandlungen verankert, die noch heute getriggert werden können.
Das hat aber nicht dazu geführt, dass mir Fate gefallen könnte...
Ein britischer Youtuber hat in einem seiner Vlogs, den ich zufällig dieses Wochenende gesehen habe, gesagt, absolutes Playerempowerment sei, wie einer Millionen Affen eine Schreibmaschine zu geben und zu erwarten, dass ein Bestseller Roman dabei rauskommen würde... Das ist natürlich zynisch, hat aber was, das zum Nachdenken anregen kann, wenn man nicht gleich in Beißreflex verfällt.
Umgekehrt würde ich mir eine "Tom-Finn-Show" Abenteuersitzung auch gern mal angucken, aber wahrscheinlich eher als Zuschauer - und das hat nichts mit Antipathien der Person zu tun.
Letztendlich gilt doch immer die Frage: Was verstehe ich unter Rollenspiel?
Die DSA TF-Show ist nicht das Rollenspiel, das ich machen möchte, denn dazu verstehe ich Rollenspiel zu sehr als Spiel - als Game.
Und bei einem Game möchte ich einen ungewissen Ausgang, ich möchte verlieren können (alleine um mich anstrengen zu müssen, damit das nicht passiert). Eine DSA Kaufabenteuer (at-it's-worst) Show wäre für mich wie Mensch-ärger-Dich-nicht spielen, mit dem Wissen, dass vorherbestimmt ist, welche Pöppelfarbe gewinnt und wann ungefähr wer rausgekickt wird, damit es möglichst spannend wird.
Das ist dann nicht mehr das, was ich unter Spiel spielen verstehe. Für andere ist das aber der großartigste Zeitvertreib.
Fate und ein megastarkes Player-Empowerment ist für mich aber auch kein Gaming mehr, sondern Hippster-Labering...
Denn ich möchte meinen Charakter nicht in Schwierigkeiten bringen, um Fate-Punkte zu generieren, die ich dann im finalen Showdown auf dem Sparbuch und für die große Finale-Show aufgespart habe.
Auch das ist für mich dann so "ich kick mich mal selber raus, Für den Bonus krieg ich dann am Ende was, wobei wir dann ja alle gemeinschaftlich bestimmen, wie das Ende aussieht".
Noch besserer vergleich wäre beim Schach: "Pass auf, ich seh da einen Zug, mit dem Du mich in sieben Zügen matt gesetzt hast. Wenn ich Dir den verrate, bekomme ich meine Dame wieder. Keine Sorge, matt bin ich dann trotzdem, aber so wirds viel dramatischer!"
Ich bin für klare Aufgabenverteilungen und für klare Aufteilung von Kompetenzen (in Gestaltung und Entscheidung).
Für mich gehört es zum Rollenspiel, dass der Spielleiter den Charakteren eine Aufgabe gibt und bei der Bewältigung Schwierigkeiten bereitet.
Und die Aufgabe des Spielers sollte es sein, diese Schwierigkeiten zu beseitigen und die Aufgabe zu erledigen.
Und beide sollen engagiert sein, ihre Jobs möglichst gut zu machen.
Und dazu darf es auch gern Meta-Werkzeuge geben. Früher gab es mal Gummipunkte. Die fand ich so lala. Manchmal nützlich, um nicht an der falschen Stelle voll zu verkacken.
Bei einigen Systemen (Star Wars von FFG, Coriolis) gibt jetzt Gummipunkte, die, wenn ausgegeben, dem Spielleiter mehr Option geben, Schwierigkeiten zu initiieren.
Ich will einen Reroll, aber dafür hat der Spielleiter die Option mir später mehr Opposition zu bieten - oder Situationen noch mal kräftig zu verkomplizieren.
Da sind wir auf der gleichen Wellenlänge! Das ist die Kompetenzenverteilung, die ich wünsche.
Und ja, in der Rollenverteilung für Spieler sehe ich auch gern bestimmte Mitgestaltungsoptionen, die dem Spieler erlauben kreativ zu sein (und den Spielleiter zu entlasten).
Die Betonung dabei liegt aber auf "mit". Derjenige, der die Hauptaufgabe der Gestaltung von Kulissen, Statisten und Opposition hat, sitzt auf dem Spielleiterplatz.
Wie gesagt: Das ist meine Vorstellung von zünftigen Rollenspiel - andere haben andere!
Aber ich bin auch alt und verschroben, trage keine Hipsterbrille, trage keinen Bart und nicht mal irgendwelche komischen Kleidungs-Kompositionen deren Einzelelmente mein Opa damals nur getragen hat, weil es nichts anderes gab.
Deswegen verstehe ich auch die Aufregung nicht, die mich aus dem Mittagsschlaf geweckt hat.
Und jetzt sagt dem Pfleger, er soll mich raus in die Sonne schieben...