Autor Thema: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games  (Gelesen 7053 mal)

0 Mitglieder und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Wie sich Powered by the Apocalypse-Spiele von klassischen Rollenspielsystemen unterscheidet war hier ja bereits Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Ich glaube, dass es der Debatte gut tun würde, mal konkrete Spielbeispiele von PbtA-Spielen heranzuziehen und das Geschehen damit zu vergleichen wie es stattdessen in D&D oder DSA oder Cyberpunk oder Shadowrun abgelaufen wäre. Und wo findet man maßgeblichere Spielbeispiele als in dem (frei erhältlichen) Apocalypse 1E-Regelwerk bzw. dem Dungeon World Guide? Lasst es uns also direkt aus berufenem Munde vernehmen! Falls euch in diesen beiden Beispielen noch weitere Differenzen auffallen, irgendetwas was ich übersehen haben mag, können wir dies gerne noch zur folgenden Liste hinzufügen.

Die Punkte wären im Einzelnen:

  • Übergehen: Dies ist nur zum Teil eine Regelfrage, zum anderen ein Unterschied in der Spielphilosophie (zumindest im Vergleich zu simulationischen Systemen). So werden Szenen uU nicht zu Ende gespielt (laut AW-Beispiel: "Do you stick around?" - "Fuck no." - "Where do you go?" - "I go home, I guess."), die Situation selbst wird nicht simuliert. So erhält in dem obigen Beispiel Plover keine Chance zu entdecken, dass Isle angegriffen wurde. Und in dem DW Guide-Beispiel handwedelt der GM den gezielten Angriff auf den Arm. Beide Situation könnten sich zwar genau so auch in manchen Trad Games ereignen, aber wahrscheinlich eher nicht in Systemen mit stark simulationistischem Einschlag, sondern wenn, dann eher in abstrakteren Regelwerken.
  • Umstände: Dies ist nur ein Spezialfall des Übergehens, dafür aber ein kritischer Spezialfall auf Regelebene: es gibt prakitsch keine situativen Modifikatoren auf Würfe. Ein riesiger Unterschied zu Trad Games. Zitat Dungeon World Guide: "Remember, Dungeon World isn't about diffculty, it's about consequences." Dementsprechend ist ein gezielter Angriff auf einen Arm auch nicht schwieriger als ein normaler Angriff.
  • GM-Großzügigkeit: Dies ist primär eine Frage des Spielethos. In dem AW-Beispiel akzeptiert der GM blindlings, dass Marie jederzeit ihren Violation Glove trägt. In Trad Games ist man häufig selbst dafür verantwortlich den Handschuh als getragen zu markieren - sonst erhält man bestenfalls eine Prozentchance vom GM, dass der Charakter von selbst daran gedacht hat.
  • Gruppendynamik: Die PCs hängen in dem AW-Beispiel gar nicht zusammen ab - was vermutlich durch die die "Übergehen"-Philosophie begünstigt wird: Man kann ja Raum und Zeit schnell mal durch etwas Handwedeln überbrücken und Charaktere jederzeit zusammenbringen, wenn nötig. Darüberhinaus unterstützen sich PCs nicht notwendigerweise so stark wie es in klassischen Runden der Fall ist (siehe Keeler's Einwilligung, dass Plover gegen Marie vorgeht).
  • Komplikationen: In dem DW-Guide-Beispiel droht einer der besiegten Golems auf einen der PCs zu fallen. In Trad Games würde entweder der GM willkürlich entscheiden, dass einer der PCs mal einen Ausweichen-Wurf machen muss oder -unter einem simulationistischen Ansatz- vielleicht mit einem W12 auswürfeln in welche Richtung der Golem fällt (im letzteren Falle wäre so eine Situation viel rarer als in dem drama-getriebenen DW-Regelwerk - 1 in 12 versus 7-9 mit d2d6). Komplikationen kommen in PbtA vermutlich tendenziell häufiger vor als in Trad Games, insbesondere da man ja in PbtA einen "Schneeballeffekt" anvisiert. Wenn man diesen "Schneeballeffekt" mag, dann ist das ganze aufregend und sorgt für anhaltende Spannung. Wenn man das hingegen nicht mag, dann wirkt's schnell mal atemlos.
  • Wahl der Konsequenzen: Verknüpft mit den Komplikationen ist der Umstand, dass in den Spielbeispielen die Spieler regelmäßig eine (beschränkte) Auswahl haben, was das Ergebnis ihres (teilerfolgreichen?) Moves ist ("I’ll choose to inlict terrible harm, and to impress, dismay, or frighten my enemy”). Dies ist viel, viel seltener in traditionelllen RPGs - in denen üblicherweise der GM einseitig festlegt, wie genau sich das Resultat eines erfolgten Wurfs gestaltet.

Vor einem Schlussfazit warte ich erst einmal die Diskussion ab. Irgendwelche Einwände bis hierhin?  :D
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline Suro

  • Mad Lord Heinzula V.
  • Legend
  • *******
  • Blub blub
  • Beiträge: 7.375
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Surodhet
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #1 am: 24.07.2019 | 14:50 »
Ich bin gerade nur am Handy und kann daher noch nicht in Gänze antworten, nur schonmal ein kleiner Hinweis zum Thema Umstände:

Dem hier stimme ich vollends zu, und bin auch nicht sonderlich glücklich damit:
Zitat
es gibt prakitsch keine situativen Modifikatoren auf Würfe.
Allerdings heißt einen Fehlen von Wahrscheinlichkeitsmodifikatoren nicht, dass unterschiedliche Umstände keinen Einfluss haben. Es gibt sowohl "Ist so einfach, löst keinen Spielzug aus und gelingt automatisch" (Vgl. Dungeonworld S. 264: "Manchmal tun sie etwas, das keinen Spielzug auslöst, zum Beispiel einen wehrlosen oder überraschten Feind angreifen. Dann ist es nicht Hauen & Stechen, sondern automatischer Schaden.") als auch "Aufgrund der Umstände ist der Spielzug nicht einsetzbar" (Vgl. Dungeonworld S. 162: "Einen mit zolldicken, magischen Metallschuppen bedeckten Drachen mit einem gewöhnlichen Schwert zu attackieren, ist wie mit einem Fleischerbeil auf einen Kampfpanzer einzuschlagen: Es wird einfach keinen Schaden anrichten können, daher kommt Hauen & Stechen nicht zur Anwendung. Allerdings können sich die Umstände ändern: Wenn du in einer Position bist, von der du in den weichen Bauch des Drachen stechen kannst, könntest du ihn verletzen, also ist es ein Angriff.") Es gibt noch eine Reihe von weiteren Optionen, Umstände abzubilden, z.B. "Nenne Voraussetzungen oder Konsequenzen und Frage", also wenn man z.B. gezielt auf den Arm schießen will, kann man als GM angeben, dass das ganze längeres Zielen erfordert, und u.U. im Kampf einen "Einer Gefahr trotzen"-Spielzug auslöst.

Wie gesagt, Zustimmung zum Grundproblem, aber leichte Unterschiede in den Details :)
« Letzte Änderung: 24.07.2019 | 14:51 von Suro »
Suro janai, Katsuro da!

Offline Alexandro

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.239
  • Username: Alexandro
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #2 am: 24.07.2019 | 15:15 »
  • Übergehen: Dies ist nur zum Teil eine Regelfrage, zum anderen ein Unterschied in der Spielphilosophie (zumindest im Vergleich zu simulationischen Systemen). So werden Szenen uU nicht zu Ende gespielt (laut AW-Beispiel: "Do you stick around?" - "Fuck no." - "Where do you go?" - "I go home, I guess."), die Situation selbst wird nicht simuliert. So erhält in dem obigen Beispiel Plover keine Chance zu entdecken, dass Isle angegriffen wurde. Und in dem DW Guide-Beispiel handwedelt der GM den gezielten Angriff auf den Arm. Beide Situation könnten sich zwar genau so auch in manchen Trad Games ereignen, aber wahrscheinlich eher nicht in Systemen mit stark simulationistischem Einschlag, sondern wenn, dann eher in abstrakteren Regelwerken.

Inwiefern ist das etwas pbta-spezifisches? Auch in TradGames werden Sachen einfach so beschrieben und Szenen gekürzt oder übersprungen. Und wenn es keine Möglichkeit gibt etwas festzustellen, dann gibt es die halt nicht (gerade im Simulationismus) - die Szene mit Isle und Marie hätte z.B. in GURPS genauso aussehen können.

Ich denke das ist eher eine Frage des SL-Stils, als des Systems (z.B. hätte ein anderer SL im Spielbeispiel auch entscheiden können, dass der Spieler von Plover sofort einen Read the situation Move bekommt, um zu bemerken, dass es Isle schlecht geht und dann Fragen stellen, wie er darauf reagiert - und das wäre auch innerhalb der Principles von AW gewesen).
« Letzte Änderung: 24.07.2019 | 15:22 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Suro

  • Mad Lord Heinzula V.
  • Legend
  • *******
  • Blub blub
  • Beiträge: 7.375
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Surodhet
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #3 am: 24.07.2019 | 15:29 »
Weiterer Unterschied:

Die Reaktionen der Spielleiterin auf die Handlungen der Spieler sind kodifiziert.

In eigentlich allen PbtA Titeln die mir bekannt sind werden für die SL Agenda, Principles und Moves beschrieben. Manche Leute mögen diese Besonderheit, da sie der SL klarer vermitteln, wie sie sich im Spiel verhalten soll und welche Optionen ihr zur Verfügung stehen, insbesondere im Hinblick auf das Spielgefühl, das im vorliegenden Genre erzeugt werden soll. Außerdem wird recht häufig geäußert, dass die SL-Kapitel die Spielweise, die manche Leute ohnehin schon praktizieren, klar und deutlich ausdrücken. Kritiker stört häufig (manchmal merkwürdigerweise gleichzeitig  ;)), dass diese Hinweise 1) zu sehr einschränken 2) zu weich sind um als Regeln gelten zu können 3) nichts neues bieten, das man als SL nicht sowieso immer schon wusste.

Edit: Ich entschuldige mich, dass ich hier noch nicht konkret auf die von dir verlinkten Spielbeispiele verweise, glaube aber das eben gesagte ist nicht kontrovers. Kann ich bei Bedarf nachliefern.
« Letzte Änderung: 24.07.2019 | 15:32 von Suro »
Suro janai, Katsuro da!

Offline Alexandro

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.239
  • Username: Alexandro
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #4 am: 24.07.2019 | 15:42 »
Naja, wenn man auf eine Handlung X einen beliebigen Move aus der Liste nehmen kann, dann ist das nicht wirklich kodifiziert. Mir wäre es lieber gewesen, wenn bei den Moves selber ein paar Sachen dabeistehen würden, was der SL machen kann, wenn der Move misslingt. Und vielleicht ein paar allgemeine Moves, die man benutzen kann wenn die Spieler gerade keinen Move einsetzen, man aber trotzdem irgendwie reagieren muss.

Das würde das Ganze etwas übersichtlicher machen und dafür sorgen, dass die Regeln stärker in den Hintergrund treten und man sich auf das gemeinsame Erzählen konzentrieren kann.
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.001
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #5 am: 24.07.2019 | 17:05 »
Das gesamte Konzept des Moves ist wichtig. Ein Move hat einen klar definierten Trigger, ein definiertes Attribut (außer bei den Spielen oder Moves, wo das nicht so ist), hat klar definierte Auswirkungen mindestens bei Erfolg und - wie gesagt - keine variable Schwierigkeit. Man muss so weniger über die entsprechenden Regeln an sich diskutieren und verhandeln.

Dann haben die Spiele natürlich Playbooks. Playbooks sind Klassen, also vorgegebene Charaktertypen des jeweiligen Spiels. Sie sind dabei nicht auf die Fähigkeiten des Charakters beschränkt, sondern geben ganz aktiv Ansätze zu möglichen Geschichten, Auswahlen zum Hintergrund und ähnliches. Man könnte sagen: Klassen in gut.

Die Werkstatt-Regeln sind eine sehr schöne Erfindung: Wenn der Bastler oder Magier irgendwas Wildes will, gibt die SL ein Rezept aus, dass zu erfüllen ist. Wie üblich mit fertigen Auswahlen. Wenn das Rezept erfüllt ist, funktionierts einfach.

Offline Thaddeus

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 171
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Thaddeus
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #6 am: 24.07.2019 | 18:02 »
  • GM-Großzügigkeit: Dies ist primär eine Frage des Spielethos. In dem AW-Beispiel akzeptiert der GM blindlings, dass Marie jederzeit ihren Violation Glove trägt. In Trad Games ist man häufig selbst dafür verantwortlich den Handschuh als getragen zu markieren - sonst erhält man bestenfalls eine Prozentchance vom GM, dass der Charakter von selbst daran gedacht hat.
...würde mit ein SL mir vorschlagen einen W% zu werfen, um zu sehen ob ich dran gedacht habe, mir den Handschuh anzuhiehen, würde ich vom Tisch aufstehen und gehen.

Traditionelles Rollenspiel hat (leider) teilweise noch sehr oft den Ansatz, Dinge in der Erzählung zu beleuchten, die für die Entwicklung der Story vollkommen belanglos und sinnfrei sind.
Zitat
"Würfelt mal alle auf Wahrnehmung, alle die über 23 haben, sehen folgendes..."
Solche und ähnliche kapitalen Spielleitungsfehler findet man leider immer noch sehr häufig. Für die Erzählung und die Entwicklung der Geschichte sind m.E. 90% aller Würfelwürfe sinnfrei.

Ein Würfelwurf ist nur dann interessant, wenn jedes Ergebnis die Geschichte voranbringt. Ein simples "Oh, du hast den DC nicht geschafft. Ok, schaffst es halt nicht...", ist für die Erzählung vollkommen uninteressant. Der Erzählfluss kommt zum erliegen.

Das Zug-System (Moves) bei PbtA wird mE auch häufig sehr mißverstanden. Es geht nicht darum, den Spielern jedes Mal Echsenmenschen an die Backe zu tackern, wenn sie eine 6- würfeln. Es begrenzt den Spieleiter in seinen Handlungsmöglichkeiten und gibt einen Handlungsspielraum vor.

Bei AW gibt es eine schöne Formulierung "On a 2 - 6 make a move as hard as you like." Nicht: "as hard as can."

Power Gamer: 38%; Butt-Kicker: 17%; Tactician: 46%; Specialist: 17%; Method Actor: 96%; Storyteller: 100%; Casual Gamer: 42%

Offline takti der blonde?

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.221
  • Username: hassran
    • ALRIK
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #7 am: 24.07.2019 | 18:12 »
Für die Erzählung und die Entwicklung der Geschichte sind m.E. 90% aller Würfelwürfe sinnfrei.

Ein Würfelwurf ist nur dann interessant, wenn jedes Ergebnis die Geschichte voranbringt. Ein simples "Oh, du hast den DC nicht geschafft. Ok, schaffst es halt nicht...", ist für die Erzählung vollkommen uninteressant. Der Erzählfluss kommt zum erliegen.

Als OSR-esker Spielleiter entgegne ich, dass ich es interessanter finde, wenn die Geschichte Würfel-emergent ist. Ich habe nämlich gar kein Bild von der Richtung der Geschichte. Die wird bestimmt durch die Handlungen der Personnagen. Und wenn sie wegen ihres schlechten Wahrnehmungswurfes, die Botenreiter des korrupten Magistrats nicht hören, können diese ungestört den Magistrat rechtzeitig warnen, sodass jener Vorkehrungen treffen kann etc.

Grüße

Hasran

Offline JollyOrc

  • Buffetninja
  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Beiträge: 3.165
  • Username: JollyOrc
    • Die Orkpiraten
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #8 am: 24.07.2019 | 18:49 »
Das ist ja die Gemeinsamkeit und der Unterschied zwischen PbtA und OSR:

Beide halten Würfelergebnisse für wichtig. Sie sollen nicht ignoriert werden, und sie sollen eine Bedeutung haben. Der Zufall ist bei beiden Spielvarianten ein geschätztes Element.

Der Unterschied ist, dass OSR im Regeltext relativ wenig Hinweise und Regeln gibt, wann gewürfelt werden soll, und vor allem wie das Würfelergebnis über die konkrete Situation "geschafft oder nicht?" hinaus verwendet wird.

Bei OSR wird die SL sich weitgehend selbst überlassen, PbtA gibt hingegen konkrete Hinweise und Vorschläge. Das passt nicht zu jedem Spielstil.

Warum macht PbtA das? Um ein bestimmtes "Gefühl" zu gewährleisten. Die Moves drücken die Handlung immer in eine Richtung, die dem gewählten Genre oder Setting entspricht.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Alexandro

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.239
  • Username: Alexandro
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #9 am: 24.07.2019 | 20:38 »
Und wenn sie wegen ihres schlechten Wahrnehmungswurfes, die Botenreiter des korrupten Magistrats nicht hören, können diese ungestört den Magistrat rechtzeitig warnen, sodass jener Vorkehrungen treffen kann etc.

Ich denke, dass ist ein wichtiger Punkt: in dem Beispiel ist es nämlich so, dass es vollkommen egal ist, ob die Spieler am Tisch anwesend sind. Wenn die Spieler einfach ihren Charakterbogen dalassen und der SL (oder ein anwesender Mitspieler) für sie würfelt, ist das für das Spiel das gleiche. Ob die SC-Handlungen einen Einfluss auf die Geschichte haben - ja, ob sie überhaupt die Möglichkeit haben zu handeln - wird von einem Würfelwurf abhängig gemacht.

Bei PbtA ist es dagegen so, dass egal ob der Wurf gelingt oder fehlschlägt, der Spieler auf jeden Fall Entscheidungen für seine Figur treffen muss. Wenn ein Spieler da nicht anwesend ist, fehlt immer (und nicht nur in einem Prozentsatz möglicher Ergebnisse) ein wesentlicher Input (den SC eines abwesenden Spielers "einfach mitlaufen lassen", wie es in der OSR teilweise gemacht wird, geht bei pbta gar nicht).
« Letzte Änderung: 24.07.2019 | 20:48 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline JollyOrc

  • Buffetninja
  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Beiträge: 3.165
  • Username: JollyOrc
    • Die Orkpiraten
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #10 am: 24.07.2019 | 23:35 »
Ich denke, dass ist ein wichtiger Punkt: in dem Beispiel ist es nämlich so, dass es vollkommen egal ist, ob die Spieler am Tisch anwesend sind. Wenn die Spieler einfach ihren Charakterbogen dalassen und der SL (oder ein anwesender Mitspieler) für sie würfelt, ist das für das Spiel das gleiche. Ob die SC-Handlungen einen Einfluss auf die Geschichte haben - ja, ob sie überhaupt die Möglichkeit haben zu handeln - wird von einem Würfelwurf abhängig gemacht.

Das stimmt nur so halb - gerade die OSR-Tradition geht eigentlich davon aus, dass die Personnagen weit mehr sind, als ihre Werte. Die Idee ist dabei ja, dass die Aktionen so einfallsreich beschrieben werden sollen, dass im Idealfall gar nicht mehr gewürfelt werden müsste. Das geht natürlich nicht immer, und zusätzlich gibt es dann ja auch noch bewusste Zufallsereignisse. Aber im Ergebnis sind bei der OSR sowohl das Würfelergebnis als auch die Spielerentscheidungen und -Inputs wichtig.

Also:

OSR: "Was tut Ihr, während Ihr in der Taverne sitzt?" -  "Aufmerksam nach draußen lauschen, könnte ja was wichtiges passieren." -> kein Würfelwurf, der Bote wird bemerkt. Ansonsten eben schauen, was die Würfel sagen. Auf jeden Fall wird die was-passiert-dann-Maschine angeworfen.

PbtA: Ihr feiert Euren letzten Erfolg in der Taverne. Würfelt mal auf "Die Sau rauslassen" - "eine 9. Ich kann also entweder etwas wichtiges am Rande mitbekommen, oder beim Pokern gewinnen. hmm.. ich brauch das Geld!" Gruppe stöhnt, während die SL beschreibt, wie draußen der Bote des Magistrats ungesehen vorbeireitet. Alle freuen sich auf das Drama nächste Woche!

Trad1): "Ihr sitzt in der Taverne. Würfelt mal alle Aufmerksamkeit." Klickerklacker "Nur Theo hat es geschafft." SL geht mit Theo raus und erzählt ihm, was er sieht. Theo findet das sein Charakter das nicht interessant findet, tut geheimnisvoll, teilt sein Wissen aber nicht. Eine Woche später rätseln alle, warum der korrupte Magistrat ihnen schon wieder zuvorkommen konnte.


1) Ok, das Beispiel für Trad ist fast schon bösartig. Aber ja, so haben zumindest wir früher mal gespielt, wir wussten es halt nicht besser!
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Alexandro

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.239
  • Username: Alexandro
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #11 am: 25.07.2019 | 00:18 »
Ich würde sagen: Entweder das Würfelergebnis oder die Spielerentscheidungen und Inputs. Also entweder man beschreibt haarklein, welche Fließe man gerade mit seine 10-Fuß-Stange abklopft oder man muss halt damit leben, dass ein Würfelwurf darüber entscheidet, ob der Charakter lebt oder stirbt (ohne dass dann noch eine relevante Entscheidung getroffen wird, alá "Du hast die Falle zwar ausgelöst, aber...") - Würfelwürfe bilden recht grobe Prozesse ab, während die Entscheidungen vor den Würfelwürfen feingranular sind (was gelegentlich zu Unmut führt - leicht überspitzt: "Ich muss jede angetatschte Fließe beschreiben, aber wenn ich das mal nicht mache, beschreibst du, wie sich der Boden auftut, ich auf einer Rutsche zehn Ebenen tiefer rutsche und in einem Säurebecken im Hort des Grünen Drachens lande") Aber prinzipiell hast du schon schon recht.

Mir ging es auch nicht so sehr um OSR-Systeme, sondern eher um neuere Vertreter der TradGames, die wie Rube-Goldberg-Maschinen verregelt sind, so dass der Spieler einen kompletten Würfelzyklus durchläuft, prozedual verschiedene Iterationen der Fiktion generiert, ohne dabei auch nur eine Entscheidung zu treffen.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 00:30 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Bildpunkt

  • Bildpunktlanze
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.601
  • Username: Pixellance
    • RPG Pixelart
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #12 am: 25.07.2019 | 06:15 »
Das stimmt nur so halb - gerade die OSR-Tradition geht eigentlich davon aus, dass die Personnagen weit mehr sind, als ihre Werte. Die Idee ist dabei ja, dass die Aktionen so einfallsreich beschrieben werden sollen, dass im Idealfall gar nicht mehr gewürfelt werden müsste. Das geht natürlich nicht immer, und zusätzlich gibt es dann ja auch noch bewusste Zufallsereignisse. Aber im Ergebnis sind bei der OSR sowohl das Würfelergebnis als auch die Spielerentscheidungen und -Inputs wichtig.

Also:

OSR: "Was tut Ihr, während Ihr in der Taverne sitzt?" -  "Aufmerksam nach draußen lauschen, könnte ja was wichtiges passieren." -> kein Würfelwurf, der Bote wird bemerkt. Ansonsten eben schauen, was die Würfel sagen. Auf jeden Fall wird die was-passiert-dann-Maschine angeworfen.

PbtA: Ihr feiert Euren letzten Erfolg in der Taverne. Würfelt mal auf "Die Sau rauslassen" - "eine 9. Ich kann also entweder etwas wichtiges am Rande mitbekommen, oder beim Pokern gewinnen. hmm.. ich brauch das Geld!" Gruppe stöhnt, während die SL beschreibt, wie draußen der Bote des Magistrats ungesehen vorbeireitet. Alle freuen sich auf das Drama nächste Woche!

Trad1): "Ihr sitzt in der Taverne. Würfelt mal alle Aufmerksamkeit." Klickerklacker "Nur Theo hat es geschafft." SL geht mit Theo raus und erzählt ihm, was er sieht. Theo findet das sein Charakter das nicht interessant findet, tut geheimnisvoll, teilt sein Wissen aber nicht. Eine Woche später rätseln alle, warum der korrupte Magistrat ihnen schon wieder zuvorkommen konnte.


1) Ok, das Beispiel für Trad ist fast schon bösartig. Aber ja, so haben zumindest wir früher mal gespielt, wir wussten es halt nicht besser!

Also entweder ist das Beispiel schief oder warum sollte man beim ptbA Beispiel überhaupt würfeln?

Also mit dem Spieler rausgehen müssen um ihn/ihr was zu verklickern ist wirklich 90ziger und nicht traditionell sondern altbacken. Verweisst aber auf einen Unterschied, das aufgrund der Emulation von Genres oder sogar - ich sags mal auf Deutsch - Spielen (DW - DnD) durch die ptbA Spielzüge eine gewisse Metaebene in das ptbA Spiel kommt, der dafür sorgt besser zw SC u Spieler*innen (Wissen)am Tisch zu unterscheiden, führt für mich zu einem entspannteren und reiferen Spiel.

Auch die oft geringere Regeldichte und Defokkusierung sorgt dafür das im Durchschnitt eine andere Klientel am Tisch hockt.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 06:18 von Bildpunktlanze »
DUNGEON WORLD FANZINE/SANDBOX DIE GLORREICHE STADT 
Gib Deinem Spiel eine überraschende Wendung  Blaupausen - Zufallstabellen
Pixellance und seine RPG Pixelbilder auf  TWITTER

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.001
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #13 am: 25.07.2019 | 06:35 »


Also entweder ist das Beispiel schief oder warum sollte man beim ptbA Beispiel überhaupt würfeln?

Laut dem Beispiel triggert es offenbar, "wenn du in der Taverne die Sau raus lässt". Das gehört jetzt nicht 1:1 zu einem bekannten Spiel, aber der Move war schon eindeutig beschrieben.

Die nächsten beiden Charakterisierungen scheinen mir da gewagter.

Offline Bildpunkt

  • Bildpunktlanze
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.601
  • Username: Pixellance
    • RPG Pixelart
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #14 am: 25.07.2019 | 06:47 »
Ah ok dann ist aus meiner Sicht der adhoc ausgedachte Spielzug krum : die Sau rauslassen verbinde ich jetzt nicht unbedingt primör mit Informationsgewinnung, die als Ereignis auf 10+ o 7-9 plaziert wird. Die Sau rauslassen 10+ wäre eher Party machen ohne die körperlichen Konsequenzen tragen zu müssen u auch noch beim Pokern gewinnen/Traumpartner kennenlernen etc...
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 06:50 von Bildpunktlanze »
DUNGEON WORLD FANZINE/SANDBOX DIE GLORREICHE STADT 
Gib Deinem Spiel eine überraschende Wendung  Blaupausen - Zufallstabellen
Pixellance und seine RPG Pixelbilder auf  TWITTER

Offline Der Tod

  • wählt aus!
  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.057
  • Username: Der Tod
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #15 am: 25.07.2019 | 08:16 »
Da greift bei pbtA eben die Genre-Frage. Ist es für das Genre wichtig, dass die Helden in der Taverne die Sau rauslassen? Dann gibt es dafür vermutlich einen Spielzug. Bei Dungeon World etwa:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Etwas, das ich recht wichtig finde was die Spielzug-Struktur von pbtA angeht, was mMn aber zu selten erwähnt wird, ist Kontrolle. Ganz wie in traditionellen Spielen (wobei ich diesen Ausdruck seltsam finde) kann man ja auch hier Dinge versuchen, für die es keinen Spielzug gibt, und die SL sagt mir dann einfach, ob es klappt (oder was ich würfeln soll). Aber die Spielzüge stellen durch ihre kodierte Struktur einen Moment der (begrenzten) Sicherheit dar. Als Abenteurer weiß ich vorher, was passieren kann, wenn ich im Nahkampf einen Feind angreife oder eine gefährliche Reise unternehme und kann meine Chancen vorausberechnen.
Die Spielzüge bilden also auch in sofern Genre ab, als dass sie den Charakteren einen Grundstock an Kompetenzen (oder Inkompetenzen!) geben, auf die sie sich auch ohne SL-Entscheid verlassen können. Das heißt nicht, dass es kein Risiko mehr gäbe, sondern dass Spieler wie Charaktere das Risiko hier einschätzen können.

Ist das jetzt näher an OSR oder weiter weg?

EDIT: Die im Eingangspost beschriebene, PvP-lastige Gruppendynamik würde ich übrigens als genrespezifisch für AW ansehen, nicht repräsentativ für pbtA im Allgemeinen.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 08:30 von Der Tod »

Luxferre

  • Gast
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #16 am: 25.07.2019 | 08:24 »
...
Ist das jetzt näher an OSR oder weiter weg?

Haben wir nicht irgendwie schon immer so gespielt?  :d

edit:
Mich erinnert das gerade irgendwie an die D&D4e Diskussionen, als die Skillchallenges als der neue ShitTM abgefeiert wurden.
Ja, das war eines der ersten Regelsysteme, welches diese Mechanik ausformuliert in die breite Masse getragen hatte, aber an sich haben viele Gruppen bereits so -oder so ähnlich- gespielt. Dass es für diese Leute eben nicht der HotShit war, wurde recht "munter" diskutiert.

DW hat diese Mechanik ausformuliert und mit etwas Futter versehen. Neu? Für mich und einige aus meinem Umfeld nicht.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 08:35 von Luxferre »

Offline nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.286
  • Username: nobody@home
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #17 am: 25.07.2019 | 08:47 »
Haben wir nicht irgendwie schon immer so gespielt?  :d

Tja...wer ist in diesem Zusammenhang nun "wir", und wie lange ist "immer"? Das bleibt bei rhetorischen Fragen dieses Formats immer so unbefriedigend wolkig-vage, fast schon, als ob der Frager es bewußt verschleiern wollte... :think:

Luxferre

  • Gast
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #18 am: 25.07.2019 | 09:06 »
Tja...wer ist in diesem Zusammenhang nun "wir", und wie lange ist "immer"? Das bleibt bei rhetorischen Fragen dieses Formats immer so unbefriedigend wolkig-vage, fast schon, als ob der Frager es bewußt verschleiern wollte... :think:

Nichts Anderes war mein Ansinnen, als die Verschleierung einer Verschwörung um die elitären Bibabesserspieler im Dunstkreise Luxferres' des Großen  >;D

Nee, ernsthaft: wir spielen "irgendwie" -also nicht ganz genau so- schon immer. Also wir = meine Jungs und ich (und mindestens noch eine Person aus dem T, mit der ich demletzt darüber sprach). Immer = 20 Jahre+  ;)

Offline Thaddeus

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 171
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Thaddeus
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #19 am: 25.07.2019 | 09:16 »
EDIT: Die im Eingangspost beschriebene, PvP-lastige Gruppendynamik würde ich übrigens als genrespezifisch für AW ansehen, nicht repräsentativ für pbtA im Allgemeinen.
Überhaupt nicht. PVP ist die Achillesferse von PbtA und kommt z.B. bei DW regelseitig einem Dividieren durch null gleich.
Power Gamer: 38%; Butt-Kicker: 17%; Tactician: 46%; Specialist: 17%; Method Actor: 96%; Storyteller: 100%; Casual Gamer: 42%

Offline Bildpunkt

  • Bildpunktlanze
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.601
  • Username: Pixellance
    • RPG Pixelart
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #20 am: 25.07.2019 | 09:26 »
Haben schon mal Hauen u Stechen zw SC gehabt. Wo ist da das Problem?
DUNGEON WORLD FANZINE/SANDBOX DIE GLORREICHE STADT 
Gib Deinem Spiel eine überraschende Wendung  Blaupausen - Zufallstabellen
Pixellance und seine RPG Pixelbilder auf  TWITTER

Offline Thaddeus

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 171
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Thaddeus
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #21 am: 25.07.2019 | 09:52 »
Es darf nicht vergessen werden, dass "traditionelle" Games in Wahrheit Hybriden aus Tabletop/CoSim und Erzählspiel sind. Der modernere Ansatz von pbta versucht diese Überbleibsel loszuwerden und sich ganz auf das Erzählen zu konzentrieren. Das hat Vor- und Nachteile. Wie oben beschrieben, ist PVP bei pbta so wie wir es in klassischen Rollenspielen kennen, tatsächlich unmöglich (ja, ich kenne AW und ja, da gibt es pvp).

Andererseits nehmen wir - wie bereits angedeutet - in "traditionellen" Rollenspielen Absurditäten hin, welche wir nur deshalb als normal empfinden, weil sie tradiert sind (Siehe mein Beispiel mit dem Wahrnehmungswurf). Der Urfehler besteht in dem Fehlvorstellung, dass eine Welt irgendwie "simuliert" werden könnte und unter dem Mantra der Simulation werden dann wie wild Würfel durch die Gegend geworfen, um eine "Würfel-emergente" Geschichte zu erhalten. Kann man schon so machen und auch Spaß bei haben. Aus dramaturgischer Sicht kommt dabei aber sehr oft ziemlicher Quark heraus. Traditionelles Rollenspiel ist damit eine recht spezielle Form der Unterhaltung. Muss man eben mögen... mein Ding isses nich...

Was nicht heißt, dass Ihr (Hassran, Luxferres, et. al.) mit oder bei traditionellen Rollenspielen keine spannenden Geschichten am Spieltisch erzählt! Ich möchte aber behaupten: Trotz und gerade nicht wegen der Regeln.

"Traditionelle" Rollenspiele haben die Angewohnheit, einem in dramaturgischer Hinsicht häufig das ein oder andere Bein zu stellen. PbtA und andere moderne Ansätze (in Grenzen Fate) versuchen demgegenüber das Erzählen und den Erzählfluss mit ihren Regeln zu unterstützen. Das ist eigentlich der Hauptunterschied.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 10:02 von Thaddeus »
Power Gamer: 38%; Butt-Kicker: 17%; Tactician: 46%; Specialist: 17%; Method Actor: 96%; Storyteller: 100%; Casual Gamer: 42%

Online schneeland

  • Moderator
  • Mythos
  • *****
  • Cogito ergo possum
  • Beiträge: 11.797
  • Username: schneeland
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #22 am: 25.07.2019 | 09:56 »
Haben schon mal Hauen u Stechen zw SC gehabt. Wo ist da das Problem?

Du hast hier schon etwas das Problem, dass entweder der angreifende Spieler oder der verteidigende Spieler würfelt. Das kann man schon hinbekommen, ist aber m.E. im Vergleich zum klassischen "Würfelduell" schwieriger.
Brothers of the mine rejoice!
Swing, swing, swing with me
Raise your pick and raise your voice!
Sing, sing, sing with me

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #23 am: 25.07.2019 | 10:01 »
Inwiefern ist das etwas pbta-spezifisches?

Der Originalpost hatte eigentlich bereits alles dazu gesagt.

Die Reaktionen der Spielleiterin auf die Handlungen der Spieler sind kodifiziert.

Das gibt es in klassischen Rollenspielen auch, allerdings in anderer Form - wenn zB in den Fertigkeitsbeschreibungen drine steht, wie weit man springen kann, etc pp. Lass ich aber trotzdem gelten, weil das noch einmal eine ganz andere Hausnummer in PbtA ist.

Man muss so weniger über die entsprechenden Regeln an sich diskutieren und verhandeln.

Dafür steckt man uU dann allerdings nicht so in der Situation drin, weil die gegenwärtige Spielsituation ja gar nicht ernsthaft simuliert wird. Stattdessen befindet man sich irgendwo im Plot und muss einfach schauen wie es weitergeht (was in PbtA üblicherweise heißt: Wie komm ich aus der Bredouille?).

...würde mit ein SL mir vorschlagen einen W% zu werfen, um zu sehen ob ich dran gedacht habe, mir den Handschuh anzuhiehen, würde ich vom Tisch aufstehen und gehen.

OK.

Traditionelles Rollenspiel hat (leider) teilweise noch sehr oft den Ansatz, Dinge in der Erzählung zu beleuchten, die für die Entwicklung der Story vollkommen belanglos und sinnfrei sind.Solche und ähnliche kapitalen Spielleitungsfehler findet man leider immer noch sehr häufig. Für die Erzählung und die Entwicklung der Geschichte sind m.E. 90% aller Würfelwürfe sinnfrei.

Das liegt daran, dass Story nicht das Maß aller Dinge im Rollenspiele ist und auch nicht sein sollte. Es ist stattdessen eine, wichtige Facette des Spiels.

Ein Würfelwurf ist nur dann interessant, wenn jedes Ergebnis die Geschichte voranbringt.

Nein.

Das ist ja die Gemeinsamkeit und der Unterschied zwischen PbtA und OSR:
Beide halten Würfelergebnisse für wichtig. Sie sollen nicht ignoriert werden, und sie sollen eine Bedeutung haben. Der Zufall ist bei beiden Spielvarianten ein geschätztes Element.

Das trifft ganz genauso auch für andere Rollenspiele zu.


Ich denke, dass ist ein wichtiger Punkt: in dem Beispiel ist es nämlich so, dass es vollkommen egal ist, ob die Spieler am Tisch anwesend sind. Wenn die Spieler einfach ihren Charakterbogen dalassen und der SL (oder ein anwesender Mitspieler) für sie würfelt, ist das für das Spiel das gleiche. Ob die SC-Handlungen einen Einfluss auf die Geschichte haben - ja, ob sie überhaupt die Möglichkeit haben zu handeln - wird von einem Würfelwurf abhängig gemacht.

Ein Rollenspiel ist eben auch ein Spiel.


Mir ging es auch nicht so sehr um OSR-Systeme, sondern eher um neuere Vertreter der TradGames, die wie Rube-Goldberg-Maschinen verregelt sind, so dass der Spieler einen kompletten Würfelzyklus durchläuft, prozedual verschiedene Iterationen der Fiktion generiert, ohne dabei auch nur eine Entscheidung zu treffen.

Keine Entscheidung ist schlecht (kenne ich so auch nicht, man hat immer eine Wahl), aber man kann Sachen (zB im Kampf) bis zu einem gewissen Grad auch einfach mal auswürfeln.

Das heißt nicht, dass es kein Risiko mehr gäbe, sondern dass Spieler wie Charaktere das Risiko hier einschätzen können.

Nur, dass das Risiko im Crunch nicht eng an das Risiko im Fluff gehalten ist. Es wird ja gar nicht erst versucht die Schwierigkeit einer Aufgabe abzubilden (s. Dungeon World Guide).

EDIT: Die im Eingangspost beschriebene, PvP-lastige Gruppendynamik würde ich übrigens als genrespezifisch für AW ansehen, nicht repräsentativ für pbtA im Allgemeinen.

Der besagte Post beschreibt allerdings keine PvP-lastige Gruppendynamik.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 10:22 von Alexander Kalinowski »
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Luxferre

  • Gast
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #24 am: 25.07.2019 | 10:06 »
Was nicht heißt, dass Ihr (Luxferres, et. al.) mit oder bei traditionellen Rollenspielen keine spannenden Geschichten am Spieltisch erzählt! Ich möchte aber behaupten: Trotz und gerade nicht wegen der Regeln.

"Traditionelle" Rollenspiele haben die Angewohnheit, einem in dramaturgischer Hinsicht häufig das ein oder andere Bein zu stellen. PbtA und andere moderne Ansätze (in Grenzen Fate) versuchen demgegenüber das Erzählen und den Erzählfluss mit ihren Regeln zu unterstützen. Das ist eigentlich der Hauptunterschied.

Hast Du mal HârnMaster gespielt? Dort leiten die Regeln die Narration ab. Seit 1986 ;) Mehr später - wenn Interesse.

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #25 am: 25.07.2019 | 10:14 »
Es darf nicht vergessen werden, dass "traditionelle" Games in Wahrheit Hybriden aus Tabletop/CoSim und Erzählspiel sind.

Nein, es gibt bereits einen etablierten Begriff dafür - er nennt sich Rollenspiel.

Der modernere Ansatz von pbta versucht diese Überbleibsel loszuwerden und sich ganz auf das Erzählen zu konzentrieren. Das hat vor und Nachteile. Wie oben beschrieben, ist PVP bei pbta so wie wir es in klassischen Rollenspielen kennen, tatsächlich unmöglich (ja, ich kenne AW und ja, da gibt es pvp).

"Modern" (statt "jüngerer") ist ein irreführender Werbebegriff, der eine Wertung enthält, da er Fortschritt implizieren soll. Auch der Begriff "Überbleibsel" zeichnet ein falsches Bild. Stattdessen betont PbtA lediglich gewisse Aspekte des Rollenspiels - und lässt andere dafür unter den Tisch fallen. Spiele, die den Storyaspekt des Rollenspiels besonders betonen, zu Lasten anderer Aspekte, nennen wir Erzählspiele.

Aus dramaturgischer Sicht kommt dabei aber sehr oft ziemlicher Quark heraus. Traditionelles Rollenspiel ist damit eine recht spezielle Form der Unterhaltung. Muss man eben mögen... mein Ding isses nich...

Umgekehrt kommt bei PbtA aus simulationistischer Sicht ziemlicher Quark bei raus. Muss man halt mögen. ;)
Warum ist Simulation für mache Spieler wichtig? Damit man in der Situation richtig drinsteckt und nicht gegen irgendwelche Wahrscheinlichkeiten anwürfelt, die diese Situation nicht einmal annähernd abbilden.

"Traditionelle" Rollenspiele haben die Angewohnheit, einem in dramaturgischer Hinsicht häufig das ein oder andere Bein zu stellen. PbtA und andere moderne Ansätze (in Grenzen Fate) versuchen demgegenüber das Erzählen und den Erzählfluss mit ihren Regeln zu unterstützen. Das ist eigentlich der Hauptunterschied.

Das und die Dinge, die man im Vergleich zu Trad Games eben verliert.
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline JollyOrc

  • Buffetninja
  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Beiträge: 3.165
  • Username: JollyOrc
    • Die Orkpiraten
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #26 am: 25.07.2019 | 10:49 »
Umgekehrt kommt bei PbtA aus simulationistischer Sicht ziemlicher Quark bei raus. Muss man halt mögen. ;)
Warum ist Simulation für mache Spieler wichtig? Damit man in der Situation richtig drinsteckt und nicht gegen irgendwelche Wahrscheinlichkeiten anwürfelt, die diese Situation nicht einmal annähernd abbilden.

PbtA ist halt, als wenn die Stadtwache von Ankh-Morpork spielt. Da sind die Wahrscheinlichkeiten halt... anders. :)

"Million-to-one chances...crop up nine times out of ten."

Will sagen: Physikalisch-simulationistisch ergeben diese Wahrscheinlichkeiten meist tatsächlich wenig bis gar keinen Sinn. Als Genre-Emulation hingegen perfekt, und das ist es, was PbtA in der Regel möchte.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #27 am: 25.07.2019 | 11:06 »
Genre-Emulation

Das ist exakt das, worauf ich (u.a.) von Anfang an hinaus wollte. Ist für mich höchst relevant, da ich ja mein eigenes RPG als GenreSim klassifiziere. (Wobei ich etwas locker bei der Differenz zwischen Emulation und Simulation bin; wo fängt das eine an und wo hört das andere auf?)

Will sagen: Physikalisch-simulationistisch ergeben diese Wahrscheinlichkeiten meist tatsächlich wenig bis gar keinen Sinn. Als Genre-Emulation hingegen perfekt, und das ist es, was PbtA in der Regel möchte.

Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline Crimson King

  • Hat salzige Nüsse!
  • Titan
  • *********
  • Crimson King
  • Beiträge: 19.136
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Stormbringer
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #28 am: 25.07.2019 | 11:09 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?

Genrekonforme Handlungsverläufe.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Camouflage

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 875
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Camouflage
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #29 am: 25.07.2019 | 11:17 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
Was ist ein Genre?

Ist in diesem Fall eine wichtige Frage. Zum einen werden die über Elemente des Hintergrunds definiert (Cyberpunk vs. Steampunk z.B.), zum anderen aber auch über die . Art der Stories und der Interaktion der Charaktere untereinander und mit der Umwelt (z.B. wenn irgendwo ein "Noir" in der Bezeichnung vorkommt).

Ich denke die "klassischen" Rollenspiele konzentrieren sich eher auf die materialistischen (?) Aspekte von ersteren, während Systeme wie PbtA den Fokus eher auf die abstrakten Aspekte von Letzterem legen.
Zitat
12. To beat your enemy, you must know him. 13. Your enemy is the highest authority on the topic of himself. 14. So listen when your enemy speaks, but do not credit his words. 15. Listening is a real bargain. 16. Credit is way overpriced.
- Book of Del, Chapter 6, The Book of Retcon

Offline JollyOrc

  • Buffetninja
  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Beiträge: 3.165
  • Username: JollyOrc
    • Die Orkpiraten
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #30 am: 25.07.2019 | 11:38 »
Was ist ein Genre?

Hier mein Verständnis, Gegenvorschläge, Änderungen oder Ergänzungen sind natürlich willkommen:

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

 :btt:
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Suro

  • Mad Lord Heinzula V.
  • Legend
  • *******
  • Blub blub
  • Beiträge: 7.375
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Surodhet
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #31 am: 25.07.2019 | 11:47 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
Wie CK schon sagt: Typische Handlungen (Basic Moves) und Handlungsverläufe (Konsequenzen der Moves, SL-Moves, entsprechender Schneeball)

Typische Charaktere (Playbooks, insbesondere auch "Class"-Moves)

Festlegung von Atmosphäre und Spielinhalten (Agenda, Principles)

Je nach System einiges mehr, z.B. für DW: Angebot an genretypischer Ausrüstung, Antagonisten (Monster nach Biomen, Fronten), Siedlungen, Hinweise zur Dungeon-Erkundung.
Edit: Im Fall von z.B. the Sprawl sind diese weiteren Materialien andere; dort geht es dann z.B. um einen Fokus auf Cyberware, die Struktur von Missionen und um Corporations als Antagonisten.

Offensichtlich ist vieles davon kein Alleinstellungsmerkmal, gehört aber zur Abbildung eines Genres alles dazu (imho).

Edit 2: Während die Gelingenswahrscheinlichkeit bestimmter Aktionen bei manchen Genres eine Rolle spielen mag (wie wahrscheinlich ist es in einem heroischen Action-Film, dass der Protagonist von einer Kugel getroffen wird?) scheint mir das höchstens ein Randaspekt zu sein, und einiges kann auch andere abgebildet werden (Plotarmor kann man z.B. in das Schadenssystem und die Anwendungsfälle/Konsequenzen bon Moves stecken).
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 11:53 von Suro »
Suro janai, Katsuro da!

Offline Thaddeus

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 171
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Thaddeus
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #32 am: 25.07.2019 | 11:50 »
Das liegt daran, dass Story nicht das Maß aller Dinge im Rollenspiele ist und auch nicht sein sollte. Es ist stattdessen eine, wichtige Facette des Spiels.
Dein Post zeigt, wie unterschiedlich die Auffassungen darüber sind, was "Rollenspiel" überhaupt ist.

Individuelle Handlungen lassen sich nicht im Erzählspiel durch Würfel simulieren, auch nicht mit einer Gauss'schen Normalverteilung, die ich über einen W% ziehe. Das ist eine ganz grundsätzliche Fehlvorstellung davon, wie (Rollen-)Spiele funktionieren. Es gibt nämlich realweltlich keine Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.

Beispielszenario:

Der Dieb betritt den Raum und findet eine einfache kleine Holzkiste (mit einfachem Bundbartschloss meinetwegen) und eine monströse Stahlkiste (mit ebenso monströsem Schloss) vor. Der Dieb entscheidet sich nur eine der beiden Kisten zu öffnen.

Szenario A)
Im traditionellen Rollenspielsystem wäre diese Szene sehr leicht aufzulösen: Die kleine Holzkiste hat sagen wir einen DC von 12, die stählerne Kiste einen DC von 35 (<- oder was auch immer!). Die Erfolgswahrscheinlichkeiten liegen weit auseinander.

Szenrario B)
Bei DW könnte der Zug "Handwerkszeug" ausgelöst werden.
Zitat
Handwerkszeug
Wenn du Schlösserknacks,  [...] Würfel+GE
*bei einer 10+ gelingt es dir ohne Probleme.
* [...]
Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt, das Schloss zu öffnen (und zwar ohne Probleme), ist für beide Kisten jeweils gleich!

Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man sich folgendes vor Augen führte:

In beiden Szenarien ist folgende Aussage wahr: der Dieb kann beide Kisten öffnen!

Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er kann sie öffnen oder er kann sie nicht öffnen. Es gibt kein Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre. Die Spielleitung hat aber beim Erstellen des Szenarios bereits verbindlich festgelegt, dass der Dieb die Kisten öffnen kann. Was der Würfelwurf also tatsächlich entscheidet, ist die Verteilung des Erzählrechts darüber, welche Auswirkungen die Handlungen des Spielers in der Erzählung haben sollen (Outcome authority nach Ron Edwards). Diese Verteilung kann selbst verständlich zufällig gestaltet werden. Mit einer Simulation hat dies aber nichts zu tun. Dennoch neigen wir dazu, Szenario A) sofort für plausibel zu halten. Erreicht der Dieb den DC von 35 freut er sich über die gelungene Probe. Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können: Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.

PbtA und DW haben einen völlig anderen Ansatz. Sie betrachten die Erzählwelt aus den Augen der Protagonisten/Spieler. Entscheidend ist weniger das Ob, sondern das Was passiert, wenn. Und hierfür ist mehr als eine bloße Beschreibung der Gegebenheiten notwendig. Konsequenzen und Folgen des Handelns leiten sich unmittelbar aus der Geschichte und den Geschehnissen und der Entscheidungen der Spieler ab. Was ist denn, wenn ich die Stahlkiste öffne? Oder was ist, wenn es mir nicht gelingt? Hieraus entsteht der beschriebene Schneeball-Effekt. Die Geschichte wird dynamisch, lebendig und damit - jedenfalls für mich - interessant.



Power Gamer: 38%; Butt-Kicker: 17%; Tactician: 46%; Specialist: 17%; Method Actor: 96%; Storyteller: 100%; Casual Gamer: 42%

Offline takti der blonde?

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.221
  • Username: hassran
    • ALRIK
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #33 am: 25.07.2019 | 11:51 »
Aus dramaturgischer Sicht kommt dabei aber sehr oft ziemlicher Quark heraus. Traditionelles Rollenspiel ist damit eine recht spezielle Form der Unterhaltung. Muss man eben mögen... mein Ding isses nich...

Mir gefällt an Rollenspielen unter anderem die Freiheit von "dramaturgischen Regeln", eben weil das als ästhetische Kategorie wenig greifbar ist. Die meisten Leute, die ich kenne, sind keine guten Dramaturgen oder ähnliches. Und irgendwelche erzählerischen Klischees abzufeiern möchte ich ebenfalls nicht.

Ich wundere mich auf jeden Fall darüber, andere Medien im Rollenspiel abbilden zu wollen. YMMV. :)

Grüße

Hasran

Offline Jiba

  • ערלעך מענטש
  • Mythos
  • ********
  • Bringing the J to RPG
  • Beiträge: 11.267
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Jiba
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #34 am: 25.07.2019 | 12:06 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.

Und mehr noch Ich behaupte: Wenn du am Ende einem Außenstehenden in deiner Crowd begeistert von dem Spielabend erzählst, dann dramatisierst du den ganz gewiss!
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline takti der blonde?

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.221
  • Username: hassran
    • ALRIK
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #35 am: 25.07.2019 | 12:18 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Menschen können Dramturgie zumindest wertschätzen, aber sowohl die Anzahl an schlechen Medien als auch schlecht-erzählten Witzen etc. im Alltag deutet für mich darauf hin, dass es weniger weit verbreitet ist als du annimmst. :P

Zitat
Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.

Das klingt so als würde ich mich GEGEN Dramturgie entscheiden. Ich würde eher sagen, ich entscheide nicht entlang der Dramaturgie. Soll heißen, wenn es Entscheidungen als Spieler (egal mit welchen Sonderaufgaben versehen) für die Welt oder Charaktere zu treffen gilt, dann sind es nie welche, die ich auf dramaturgischer Ebene versuche zu treffen. Dass diese Entscheidungen bisweilen dramaturgisch sinnvoll sind, ist dann Zufall und auch völlig in Ordnung.

Zitat
Und mehr noch Ich behaupte: Wenn du am Ende einem Außenstehenden in deiner Crowd begeistert von dem Spielabend erzählst, dann dramatisierst du den ganz gewiss!

Klar, das ist dann ja auch eine Geschichte. Im Rollenspiel spiele ich aber lieber als dass ich erzähle. ;)

Grüße

Hasran


Online Vash the stampede

  • KEN-SL
  • Titan
  • *********
  • Love & Peace! König der Kackn00bier!
  • Beiträge: 13.615
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Vash the stampede
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #36 am: 25.07.2019 | 12:22 »
Konterkontermeinung. Menschen haben Lust an Geschichten. Vielleicht sogar ein (zwingendes) Bedürfnis danach (siehe Religion, Volk, nationale Gründungsmythen, Boulevard oder Verschwörungen). Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

#Waschlappen
Machen
-> Projekte: PDQ# - FreeFate - PtA Zapped - Fiasko - FateCore - Durance - SRAP (mit Diary)
-> Diaries 212 (nWoD) - Cypher Suns (Fadings Suns/Cypher) - Anderland (Liminal) - Feierabendhonks (DnD 5e)

Ich sitze im Bus der Behinderten und Begabten und ich sitze gern darin.

Online schneeland

  • Moderator
  • Mythos
  • *****
  • Cogito ergo possum
  • Beiträge: 11.797
  • Username: schneeland
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #37 am: 25.07.2019 | 12:28 »
Individuelle Handlungen lassen sich nicht im Erzählspiel durch Würfel simulieren, auch nicht mit einer Gauss'schen Normalverteilung, die ich über einen W% ziehe. Das ist eine ganz grundsätzliche Fehlvorstellung davon, wie (Rollen-)Spiele funktionieren. Es gibt nämlich realweltlich keine Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.

Jein. Es gibt vielleicht keine konkrete Wahrscheinlichkeit, aber zahlreiche kleine Einflussfaktoren, die in den Würfelwurf abstrahiert werden können. Zudem könnte man die Perspektive der Gesamtpopulation einnehmen und sich quasi fragen: gehöre ich zu den 80% der kompetenten Diebe, die Eisenkisten öffnen können. Letztlich würde ich aber behaupten, dass es schlichtweg Spaß macht (oder zumindest Spaß machen kann), die Wahrscheinlichkeiten zu den eigenen Gunsten zu verbiegen und am Ende zu sehen, ob einem das Würfelorakel wohlgesonnen ist.

Es handelt sich bei dieser Frage übrigens um einen der zentralen Punkte, die mich bei PbtA "stören" (unangenehm auffallen wäre vermutlich treffender). Wobei ich durchaus die Perspektive nachvollziehen kann, dass einem dieser Aspekt vollkommen egal ist und man mit den situationsunabhängigen Wahrscheinlichkeiten gut leben kann.
Brothers of the mine rejoice!
Swing, swing, swing with me
Raise your pick and raise your voice!
Sing, sing, sing with me

Offline JollyOrc

  • Buffetninja
  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Beiträge: 3.165
  • Username: JollyOrc
    • Die Orkpiraten
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #38 am: 25.07.2019 | 12:30 »
These: PbtA Spiele bauen die Regeln so, dass man im Hassran'schen Sinne spielt, also primär auf Würfel und Regeln schauen kann, sich dabei aber eine dem durch das Spiel gesetzten Genre/Setting-Mix passende Dramaturgie entwickelt.

Mir kann die Dramaturgie völlig Wumpe sein, aber wenn mein Monsterhearts-Vampir seine mechanischen Vorteile haben will, sollte ich ihn als narzisstisches Monster spielen und dabei für Beziehungsdrama sorgen.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Thaddeus

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 171
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Thaddeus
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #39 am: 25.07.2019 | 12:32 »
Noch zwei Sachen kurz, bevor ich Katzennahrung kaufen gehe:

1.
Szenario zum Ärgern ;-) :

SL: Ihr betretet eine riesige Höhle und am hinteren Ende steht der Zyklop, hünenhaft, in eure Richtung gewandt. Er hat euch noch nicht bemerkt. Was macht ihr?

Waldläufer/Ranger: Ich schieße ihm einen Pfeil mitten ins Auge

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

DW:
Zitat
gezielter Schuss
wenn du einen [...] überraschten Feind im Fernkampf angreifst [...] würfle+GE
Kopf 10+: [Du machst deinen Schaden], Dein Ziel ist betäubt und tut einige Augenblicke nichts

;-)


@Alexander Kalinowski: Ich unterstelle dir einfach mal ganz dreist, dass Du in deinem eigenen System (KotbL) ebenfalls versucht dieses klassische Rollenspiel Problem aufzubrechen. Ich bin jetzt kein Experte deiner Regeln, auch wenn ich sie tatsächlich vor einiger Zeit mal komplett gelesen habe (zumindest was da veröffentlicht ist), aber bei Kämpfen gibt es meiner Erinnerung auch sowas wie Momentum und Gegenschläge. Ich möchte weiter behaupten, dass du damit näher an PbtA bist, als Dir bewusst/lieb sein mag ;-)

@Luxferre: Harnmaster kenne ich flüchtig und habe grade tatsächlich noch mal die 3rd hervorgeholt, verstehe aber nicht, was Du meinst.
Power Gamer: 38%; Butt-Kicker: 17%; Tactician: 46%; Specialist: 17%; Method Actor: 96%; Storyteller: 100%; Casual Gamer: 42%

Offline takti der blonde?

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.221
  • Username: hassran
    • ALRIK
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #40 am: 25.07.2019 | 12:38 »
These: PbtA Spiele bauen die Regeln so, dass man im Hassran'schen Sinne spielt, also primär auf Würfel und Regeln schauen kann, sich dabei aber eine dem durch das Spiel gesetzten Genre/Setting-Mix passende Dramaturgie entwickelt.

Das beschreibt es soweit ganz gut und hilft mir weiter zu formulieren: Ich mag es, wenn die Geschehnisse meiner Spielrunden Genres überschreiten und mischen, Klischees auf den Kopf stellen usw. Das hat bislang mit nicht-PtbA besser geklappt.

Grüße

Hasran

Offline Wisdom-of-Wombats

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 6.200
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Murder-of-Crows
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #41 am: 25.07.2019 | 12:41 »
Noch zwei Sachen kurz, bevor ich Katzennahrung kaufen gehe:

1.
Szenario zum Ärgern ;-) :

SL: Ihr betretet eine riesige Höhle und am hinteren Ende steht der Zyklop, hünenhaft, in eure Richtung gewandt. Er hat euch noch nicht bemerkt. Was macht ihr?

Waldläufer/Ranger: Ich schieße ihm einen Pfeil mitten ins Auge

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

Hm... Ist D&D 5e noch traditionell? Denn da würde gelten Vorteil, weil der Gegner Dich nicht entdeckt hat, Entfernung und kleines Ziel etc sind Gründe für Nachteil. Also ein normaler Angriff gegen AC des Zyklopen. Erfolgschance: hoch. Ergebnis - Schaden plus Blinded Condition.
Spiele regelmäßig: Dungeons & Dragons 5e (Call of the Netherdeep und eine Homebrew-Kampagne)
Leite regelmäßig: Dungeons & Dragons 5e
Leite manchmal: Dragonbane, Liminal, Old Gods of Appalachia
Bereite vor: Cypher System

Offline D. Athair

  • Mythos
  • ********
  • Spielt RollenSPIELE, ROLLENspiele und ROLLENSPIELE
  • Beiträge: 8.748
  • Username: Dealgathair
    • ... in der Mitte der ZauberFerne
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #42 am: 25.07.2019 | 12:45 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.
Das ist ne Meinung, die ich teilen kann.
Wenn Rollenspiele (wie die Genesys-Spiele) da mit hart codifizierten Dramaturgieregeln kommen, dann sind das Werkzeuge, die nicht für alle passen.

Ich kann jedenfalls sagen, dass gerade deswegen - und weil ich dramaturgischen Variantenreichtum schätze - mit Spielen, die dramaturgische Konzepte in den Crunch verbauen NICHT klarkomme. Die Anti-Klimax ist ja letztlich auch ne Form von Dramaturgie ... nur mögen sie viele Leute nicht. Das TPK-Beispiel in LotFP: Deluxe ist da ein sehr schönes Anschauungsbeispiel, warum Erfolg und die allzuüblichen dramaturgischen Konzepte nicht alles sind.

Menschen können Dramturgie zumindest wertschätzen, aber sowohl die Anzahl an schlechen Medien als auch schlecht-erzählten Witzen etc. im Alltag deutet für mich darauf hin, dass es weniger weit verbreitet ist als du annimmst. :P
Das würde ich auch unterschreiben. Das ist aber eine Frage von Übung und Intuition. Je verkopfter die Herangehensweise und unsicherer jemand ist und je mitteilungsbedürftiger jemand ist, desto schlechter klappt das. Anders gesagt: Das liegt weniger am Nicht-Können, sondern vielmehr am "Durcheinander-Sein", dass Menschen schlechte Geschichten erzählen. Bei Witzen ist es ja oft so, dass jemand eigentlich gar nicht den Witz erzählen will, sondern die Pointe teilen will. Das muss natürlich schief gehen, weil der Prozess des Witz-Erzählens gedanklich übersprungen wird.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 12:47 von D. Athair »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Offline nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.286
  • Username: nobody@home
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #43 am: 25.07.2019 | 12:48 »
Konterkontermeinung. Menschen haben Lust an Geschichten. Vielleicht sogar ein (zwingendes) Bedürfnis danach (siehe Religion, Volk, nationale Gründungsmythen, Boulevard oder Verschwörungen). Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

#Waschlappen

Umgekehrt wird daraus natürlich wieder: Wieviele Menschen verstehen auch nur eine bereits künstlich vereinfachte fiktive Welt (von der Realität außerhalb des eigenen Kopfes mal ganz zu schweigen) gut genug, um sie spontan angemessen "simulieren" zu können, und wieviele von denen wiederum sind hinreichend begabte Regelschreiber, daß sie dann auch fähig sind, dieses Simulationserlebnis über ein entsprechendes Machwerk anderen zugänglich zu machen?

...ganz abgesehen von so kleinen Details wie der Tatsache, daß Simulationen zwar für diverse andere Zwecke durchaus nützliche Werkzeuge sind, sich ihr Unterhaltungswert aber normalerweise in engen Grenzen hält (weil sie darauf für gewöhnlich halt gar nicht erst abzielen), während umgekehrt das Format "Rollenspielsitzung" beispielsweise schlecht dafür geeignet ist, dasselbe Grundszenario unter leicht veränderten Ausgangsbedingungen mehrfach durchzuexerzieren und damit die Hintergrundwelt mal so richtig mit allen Schikanen simulativ zu erfassen.

Offline Jiba

  • ערלעך מענטש
  • Mythos
  • ********
  • Bringing the J to RPG
  • Beiträge: 11.267
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Jiba
Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #44 am: 25.07.2019 | 13:06 »
Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

Es geht mir nicht mal darum das sie es wollen. Sie tun es, einfach als kommunikativer Standard. Damit aus etwas eine Geschichte wird kann in vielen Fällen schon ein „Und dann“ oder besser noch ein „Aber“ reichen.

Es geht mir auch gar nicht darum, dass alle Geschichten am Rollenspieltisch Drehbuchoskars gewinnen. Das nicht.
Diese Geschichten können auch furchtbar schlecht sein (wobei das rein subjektiv ist).

Aber letztlich erzählen alle Rollenspiele Geschichten. Nach welchen Referenzen sie das jetzt tun, ist eine ganz andere Frage. Aber das Aufspannen einer Fiktion ist die große Gemeinsamkeit.

Also @hassran: Du erzählst im Rollenspiel immer. Kannste nicht vermeiden.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 13:18 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #45 am: 25.07.2019 | 13:25 »
Genrekonforme Handlungsverläufe.
Was ist ein Genre?

Ist in diesem Fall eine wichtige Frage. Zum einen werden die über Elemente des Hintergrunds definiert (Cyberpunk vs. Steampunk z.B.), zum anderen aber auch über die . Art der Stories und der Interaktion der Charaktere untereinander und mit der Umwelt (z.B. wenn irgendwo ein "Noir" in der Bezeichnung vorkommt).

Ich denke die "klassischen" Rollenspiele konzentrieren sich eher auf die materialistischen (?) Aspekte von ersteren, während Systeme wie PbtA den Fokus eher auf die abstrakten Aspekte von Letzterem legen.
Genre
Genre ist sehr verwandt mit dem Setting, erweitert den Begriff aber eben explizit um Erwartungen an Klischees, Ton und Handlungsverläufen. So ist ein Noir Genre eben voller Kriminelle, romantisch, enthält schöne Frauen und starke Männer - das kann aber eben sowohl in einer Fantasy-Stadt, als auch im Cyberpunk stattfinden.
Wie CK schon sagt: Typische Handlungen (Basic Moves) und Handlungsverläufe (Konsequenzen der Moves, SL-Moves, entsprechender Schneeball)

Kann ich alles unterschreiben. Ich würde bei der Definition aber noch daraufhinweisen, dass Genre die Schnittmenge mehrerer Settings enthält PLUS typische Plotelemente mehrerer Handlungsstränge, die in diesen Welten spielen. Die Kombination von Weltelementen und Handlungselementen weist auch schon den Weg worauf ich hinaus will.

Jedenfalls der Anlass für diesen Thread war (u.a., nicht ausschließlich) eine Systemvorstellung von Apocalypse World auf Teilzeithelden in der AW as Genreemulation bezeichnet wird. Was mich etwas verwirrt hat, da ich mein eigenes System als Fantasy-GenreSim - es sich aber doch gar so anders spielt als AW bzw. DW. Ist es vielleicht eine Fehlbezeichnung?

(Achtung, Schleichwerbung! Aber für den folgenden Gedankengang ist evtl ein Kurzübersicht meines Rollenspiels nötig:)
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Ich denke nicht. PbtA emuliert Genre, wie oben bereits gesagt, über typische Plotelemente. Die Moves sind Handlungsbausteine, die sich via Komplikationen ("Snowballing") aneinanderreihen. Gegebenheiten in der Spielwelt sind diesen Handlungselementen untergeordnet - sie ergeben sich daraus. So kann eine 7-9 beim Pfeileschießen in DW eben dazu führen, dass man mehrere Pfeile verschießt in der Fiktion und seinen Munitionswert verringern muss.

KotBL hingegen emuliert Gegebenheiten in der Spielwelt (ein bisschen so wie die Actionkinowelt in "Last Action Hero" - in der Autos gerne mal explodieren wenn sie beschossen werden) und die Dramaturgie ergibt sich aus der Simulation dieser Genrewelt. Mit den Fortune Points als begrenzte Steuerungsressource, damit man eine filmähnliche Dramaturgie hinbekommt. Wenn der Hauptschurke zB ein oder zwei FPs hat, dann kann man den auch mal vorzeitig sich mit den PCs treffen lassen (wichtig für die spätere Dramaturgie!) - etwas das in Trad Games ja häufig nicht möglich ist, wenn der Schurke zur Absicherung nicht eine ganze Armee mitbringt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Weil Genre aus Setting- und Plotelementen besteht, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten der Emulation - Genrestory-Emulation (a la PbtA) und Genrewelten-Emulation (a la KotBL; zur Erinnerung - eher ein Trad Game).

Also für mich ist das schon mal ein schöner Erkenntnisgewinn - insbesondere weil man anhand der Definition von Genre schon diese zwei Typen der Simulation (oder Emulation, da nehme ich es nicht so genau) sehr gut ablesen kann.
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline takti der blonde?

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.221
  • Username: hassran
    • ALRIK
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #46 am: 25.07.2019 | 13:34 »
Also @hassran: Du erzählst im Rollenspiel immer. Kannste nicht vermeiden.

Ja, aber nur insofern als ich Wörter und Sätze benutze. In erster Linie spiele ich. Das liegt mehr Fokus auf (zugegebenermaßer erzählte/gesprochene) Handlungen. Z.B. ist in kaum einem meiner Spiele eine klassiche Drei-Akt-Struktur entstanden.
Es sind insofern KEINE Erzählungen als dass viele strukturelle Elemente (bewusst) fehlen.

Da müsste ich bestimmt länger drüber nachdenken, aber ist ungefähr klar, was ich meine? Auf jeden Fall spannende Anmerkungen, danke Jiba.

Grüße

Hasran

Offline Alexander Kalinowski

  • Adventurer
  • ****
  • The dark gods await.
  • Beiträge: 692
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Alexander Kalinowski
    • Knights of the Black Lily RPG
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #47 am: 25.07.2019 | 14:32 »
Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er kann sie öffnen oder er kann sie nicht öffnen. Es gibt kein Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre.

Das ist so nicht richtig. Auch Genre fußt auf etwas. Das Fantasygenre zB fußt auf der Sagenwelt des mittelalterlichen Europas. Wenn wir voraussetzen, dass es im Mittelalter (oder zumindest der Renaissance) verschiedene Schlosstypen gab -mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden- dann kann man selbstverständlich daraus ableiten, dass ein komplizierteres Schloss schwerer zu knacken ist als ein einfaches. Dafür hat der Besitzer ja gerade bezahlt! Es ist also eine fiktions-induzierte Variation des Schwierigkeitsgrades.
Im Roman oder im Film öffnet der Held nun ein Schloss oder auch nicht - festgelegt durch den Autor. Im Rollenspiel haben wir diese Vorfestlegung häufig nicht - die Ungewissheit, ob der Held es schafft, ist ein Spielelement. Die fiktions-induzierte Variation bei der Wahrscheinlichkeit das Schloss zu knacken mag aus Storyperspektive unwichtig sein - man kann ja der Geschichte nicht ablesen wie hoch die Prozentchance des Helden in dem einen oder anderen Fall ist. Aus Simulationssicht aber ist es unabdingbar um die Spielsituation nachzustellen. (Dass man als Spieledesigner oder Spielleiter dabei spekulativ lediglich einen Näherungswert produziert ist klar.) Und auch aus spielerischer Sicht (im Sinne des Gamismus) erlaubt so eine fiktions-induzierte Variation eben eine Variation des Herausforderungsgrades der Aufgabe.

Dennoch neigen wir dazu, Szenario A) sofort für plausibel zu halten. Erreicht der Dieb den DC von 35 freut er sich über die gelungene Probe. Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können: Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.

Nein, denn der Held muss den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe nicht notwendigerweise kennen. Außerdem ist die Fiktion weiterhin wichtig. Insbesondere in simulationistischen Ansätzen wo es eine besonders enge Kopplung zwischen Fiktion und Crunch gibt.

Mir gefällt an Rollenspielen unter anderem die Freiheit von "dramaturgischen Regeln"

Man vergleiche das mal mit Sport: Da weiß man auch nie im, ob's heute mal wieder Rumpelfußball gibt (im Gegenteil: früher wusste man bei der Nationalelf das und hat trotzdem eingeschaltet). Durststrecken gehören zum Hobby dazu. Das geskriptete Wrestling hingegen ist nicht sehr populär.

Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

Das ist für mich das entscheidende Wort: Erlebnis. Danke. Der Fußball-Spielbericht am nächsten Morgen in der Zeitung ist ja auch eine Story - die Geschichte des Spiels. Aber es ist eben kein Erlebnis - und die Zuschauer zahlen uU beträchtliche Summen um an dem Erlebnis "Finale" teilhaben zu können.
Story ist nicht alles im Rollenspiel. Es ist nur ein Aspekt. Ein wichtiger Aspekt, ja, aber mehr auch nicht.

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

DW:
;-)

Ja, das liegt daran, dass Trad Games bisher nicht sehr präzise in der Emulation waren. Insbesondere D&D. In einer guten Genrewelten-Emulation hat der Bogenschütze eben die Grundtrefferchance die der Trefferquote so eines Charakters im Film am Ehesten entspricht. Wenn das ein Bogenschütze a la Legolas ist, dann ist die ziemlich hoch. Und dann müssen eben die situativen Modifikatoren auch optimal kalibriert sein.

Trotzdem kann so etwas auch mal nicht passen. Ich habe darüber bereits nachgedacht und in KotBL wird es wohl auch so einen Trait geben:

Zitat von:  Mögliches KotBL-Trait
Reliable Mastery - If the character performs a Ranged Attack with a Base CL of 8+ [Man muss schon wirklich talentiert sein um diesen Trait nutzen zu können] and the Effective CL is 3+ [bei völlig übertrieben schwierigen Trickschüssen klappt's nicht], then he can spend 2 Power Points to automatically score a Success SL.

Das kann man dann ein, vielleicht zwei Mal, pro Abenteuer machen. Da man aber alle möglichen Spezialfähigkeiten über Power Points bezahlt, kann man dann andere Fähigkeiten vielleicht nicht mehr einsetzen.
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline Sir Mythos

  • Quantenflossler
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Be happy, keep cool!
  • Beiträge: 21.143
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Mythos
    • Tanelorn-Redaktion
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #48 am: 25.07.2019 | 14:43 »
Story ist nicht alles im Rollenspiel.

Story allein ist nicht Rollenspiel Aber die Story ist doch das zentrale Element des Rollenspiels. Alle anderen Elemente (Würfel, Pläne, Figuren) sind doch dazu da, die Story zu unterstützen. Der Wesentliche Punkt liegt m.E. darin, dass zwar alle beim Rollenspiel eine (schöne, interessante, spannende - je nach Vorlieben) Story erleben wollen, sie bei der Unterstützung bzw. dem Verlauf aber unterschiedliche Vorlieben haben (und natürlich bei der Art der Story).

ptbA unterstützt mit den Regeln - zumindest in allen Varianten die ich bisher damit gespielt habe - das voranschreiten einer Genre-typischen Story (Sprich: Highschool-Drama mit Monstern bei Monsterhearts oder Fantasy-Abenteuer bei Dungeon Worlds) während andere Spiele die Story nicht zwangsweise Genre-Typisch vorantreiben, sondern der Augenmerk darauf bei Spieler liegt.
Who is Who - btw. der Nick spricht sich: Mei-tos
Ruhrgebiets-Stammtisch
PGP-Keys Sammelthread

Offline Crimson King

  • Hat salzige Nüsse!
  • Titan
  • *********
  • Crimson King
  • Beiträge: 19.136
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Stormbringer
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #49 am: 25.07.2019 | 14:49 »
Story allein ist nicht Rollenspiel Aber die Story ist doch das zentrale Element des Rollenspiels.

Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, die auch ihre Berechtigungen haben.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Horadan

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 342
  • Username: Horadan
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #50 am: 25.07.2019 | 14:55 »
Vorab als Anmerkung, dass ich mich bislang noch kein PtbA-Sytem gelesen oder gar gespielt habe. Grundsätzlich aber bin ich daran interessiert und schleiche auch schon eine Weile um DW (weil deutschsprachig und Fantasy) herum.
Die Ausführungen von Thaddeus dazu fand ich interessant und hilfreich und versuche mal meine Gedanke dazu darzulegen. (Das „Auseinanderreißen“ deines Posts soll dabei nur dem Verweisen dienen und dich nicht „zerlegen“.)

Es gibt nämlich realweltlich keine Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.
Naja, die gibt es schon. Und auch wenn es üblicherweise nahezu unmöglich sein dürfte, die konkrete Wahrscheinlichkeit zu benennen, ist es doch so, dass für einen unerfahrenen Kämpfer oder Schlossknacker eine geringere Wahrscheinlichkeit besteht als für einen erfahrenen - bei ansonsten gleichen Umständen. Und eben dass die Umstände eine Rolle spielen (bspw. kompliziertes vs. einfaches Schloss).
Insofern halte ich
Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er kann sie öffnen oder er kann sie nicht öffnen. Es gibt kein Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre.
auch für falsch.

Trotzdem finde ich dein Kistenbeispiel und die nachfolgenden Ausführungen dazu sehr spannend, und glaube langsam zu verstehen wohin das zielt.

Dazu will ich versuchen, das Beispielszenario nochmal traditionell vs. PtbA zu betrachten (soweit ich das verstehe):
Beispielszenario:
Der Dieb betritt den Raum und findet eine einfache kleine Holzkiste (mit einfachem Bundbartschloss meinetwegen) und eine monströse Stahlkiste (mit ebenso monströsem Schloss) vor. Der Dieb entscheidet sich nur eine der beiden Kisten zu öffnen.
Hier bleiben mMn zwei Fragen offen: Warum entscheidet er sich nur eine der Kisten zu öffnen? Und wie bzw. warum entscheidet er sich für welche der beiden Kisten?
Lassen wir die erste Frage erst einmal weg - obwohl es vielleicht die eigentliche ist, aber hier verstehe ich das ganze vielleicht noch nicht genug – und nehmen an, es kann halt nur eine sein.
Und nehmen wir zusätzlich an, dass der Inhalt der kleinen Holzkiste weniger wert ist als derjenige der monströsen Stahlkiste.

Im traditionellen Rollenspielsystem (Szenario A) hätte man allein durch die unterschiedlichen Erfolgswahrscheinlichkeiten Anreize zum einen oder anderen Verhalten: Als Spieler bekomme ich ziemlich sicher eine kleine Belohnung oder aber mit nur geringer Wahrscheinlichkeit eine große Belohnung oder eben gar nichts.
Bei DW (Szenario B) ergibt sich das eher indirekt. Die große oder die kleine Belohnung bekomme ich mit der gleichen Wahrscheinlichkeit, aber je nachdem ob ich auf das eine oder andere aus war, kann es im Falle eines Teilerfolges oder gar Scheiterns „teurer“ für mich werden.
Das kann ich aber auch in Szenario A haben, indem festgelegt wird, dass beide Kisten mit der gleichen Wahrscheinlichkeit aufbekommen werden – bspw. indem dies bspw. beim Erreichen von „DC 12“ eintritt, wenn aber im Falle der Stahlkiste nicht mindestens „DC 35“ erreicht wird, wird zusätzlich eine Falle ausgelöst o.ä.


Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung [in Szenario A] aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können: Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.
Kann man so sehen. Normalerweise würde in einem traditionellen Spiel, so wie ich es spiele, aber der konkrete Wert gar nicht genannt (bzw. erst nach der Entscheidung) und es wäre anhand der Beschreibung und ggf. einer „verregelten Schwierigkeitsspanne“ abzuschätzen, wie groß die Erfolgswahrscheinlichkeiten jeweils sind.

Offline Suro

  • Mad Lord Heinzula V.
  • Legend
  • *******
  • Blub blub
  • Beiträge: 7.375
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Surodhet
Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #51 am: 25.07.2019 | 14:59 »
@Alexander Kowalski:

Zwei Abweichungen in meinem Verständnis:

1. Thema: Genre ist definiert über Plotelemente + Setting(s)
Weiß ich nicht so genau. Meiner Meinung nach ist die Aussage "Spiel X erweitert das Genre Y um ein neues Setting Z" nicht widersprüchlich, also z.B. ist "Ashen Stars ist ein Rollenspiel aus dem Genre der Detektivabenteuer in einem Science-Fiction Setting" völlig plausibel. Man kann spezielle Settings in ein Genre packen (Space Horror würde ich durchaus auch als Genre annehmen) muss man aber nicht. Aber o.k, wegen mir kann man auch "Volle Genre-Emulation" und "Genre-Plot-Emulation" unterscheiden.

Edit: Ah sorry, hatte die Unterscheidung zwischen Genre-Welten und Genre-Story überlesen, dann gibg es da wohl wenig Unterschiede im Verständnis.

2. PbtA (Beispiel Dungeon World) legt kein Setting fest

Bei PbtA ist dir genaue Ausgestaltung des Settings oft Teil des Spiels; es ist aber auch keineswegs der Fall, das Dungeon World (oder irgendein PbtA-Spiel das mir bekannt wäre) Setting-Neutral wäre. Ich hatte oben genug Beispiele: Welche Monster gibt es, in welches Biom gehören sie? Welche Arten von Gefahren sind zu erwarten? (Vgl. Liste der Gefahrentypen, DW S. 274ff) Welche Cyberware gibt es, was passiert so in der Matrix (the Sprawl)? Das mag nicht so detailliert sein wie du es gerne hast, aber PbtA stellt typische Settingelemente ebenfalls bereit.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 15:08 von Suro »
Suro janai, Katsuro da!