Die Musik erzählt die Geschichte
Noch eine Woche bis wir endlich wieder spielen. Dadurch, dass soweit schon alles steht bin ich momentan noch ein wenig bei der musikalischen Justierung. Und da ich heute schon im Musikthread geschrieben habe, aber auch in
Weltengeists Thread etwas zum Thema Musik in der Kampagne geschrieben habe, ist mir gerade bewusst geworden, wie sehr eigentlich auch die Musik ein wenig die Geschichte unserer Kampagne erzählt. Wobei ein wenig dann doch deutlich untertrieben ist wenn ich ehrlich bin. Ich habe festgestellt, dass ich dadurch auch extrem geprimt bin. Ein Beispiel dazu. In der Kampagne sollte an einer Stelle Gugot vorkommen. Der offenkundig König der Garxx ist, in Wirklichkeit aber ein vor Morgoth geflüchteter Drache ist. In dem Zusammenhang hatte ich mir den Song "Embers Fire" von Paradise Lost als sein Theme ausgesucht. Zum einen verbinde ich mit Ember den Drachen aus Drachenlanze, zum anderen passt der textliche Inhalt des Songs zu einem alten Drachen der voller Korruption ist, aber auch hin und her gerissen - gar frustriert ist. Kurz gesagt, der Song ist Gugot und Teil der Kampagne. Jetzt war es noch zwei Wochen hin bis zu unserem nächsten Abend. In Vorbereitung auf unsere Runden höre ich beim laufen oft eine Spotify Playlist zu unserer Kampagne und wenn gewisse Songs kommen, lösen die Gedanken aus. Sehr konzentriert natürlich bei Embers Fire. Auf den NSC habe ich mich sehr gefreut und gedanklich auch oft durchgespielt beim laufen wie er sich wohl geben und verhalten wird. So haben wir uns also bei einem Freund zum Gloomhaven spielen getroffen. Einer aus dieser Runde spielt auch in der Kampagne mit. Plötzlich lief Embers Fire und es durchlief mich und ich war ganz aufgeregt. Mein Kopf ist scheinbar überhaupt nicht damit klar gekommen, dass ich jetzt nicht in einer Rollenspielszene bin. Der Kumpel sah mich nur fragend an als ich ihn scheinbar unterbewusst angelächelt habe. "Ach nichts, ich freue mich nur Embers Fire zu hören" war meine Antwort darauf

Langer Vorspann dazu, dass ich vielleicht so als making of die musikalische Gestaltung der Kampagne hier etwas zu "Papier" bringe. Mir war von Anfang an klar, dass wir wie früher auch Musik laufen lassen würden. Über die habe ich mir aber auch ganz klar von Anfang an die Hoheit "verlangt". War für die Spieler kein Problem. Wieso auch, ist die doch nur für den Hintergrund mal da. Ich wollte zum einen nicht, dass da plötzlich unpassende Musik im Hintergrund läuft, die sogar die Atmosphäre beschädigen könnte und umgekehrt wollte ich viel mehr mit Musik auch eben jene Atmosphäre stärken. Und ich wollte versuchen die Spieler ein wenig zu primen, so wie es mir jetzt ja selbst geschehen ist. Mit primen meine ich in diesem Zusammenhang, dass die Musik über die ganze Zeit einfach Gefühle oder Emotionen zur Kampagnen wecken soll bzw. diese begleiten. Wenn die Spieler Songs aus der Kampagne hören, sollen sie an sie denken. Aber mehr noch, ich wollte versuchen, dass ihnen unterbewusst beim spielen Gedanken durch die Musik kommen. Gedanken die sie vielleicht an vorherige NSC Begegnungen oder Handlungen erinnern. Und wenn auch nur unterbewusst.
Eine Idee war mir recht schnell klar. Wir haben damals zur Hochphase der alten Kampagne viel Virgin Steele gehört. Die Charaktere haben gegen mächtige Widersacher, Wesen und Dämonen gekämpft. Viel mehr Epik ging nicht und dazu passte auch die martialische Schlachtenmusik von Virgin Steele. So zu sagen sind wir alle hier schon aus der Vergangenheit geprimt. Da die Kampagne ja die Rückkehr der alten Helden behandeln sollte, dürfte diese Musik nur den alten Helden gehören. Glücklicherweise existiert aber ein Akkustikalbum in dem sie diverse Songs nur mit Stimme und Gitarre einsingen. Diese Songs nutze ich immer dann wenn es Berührungen zu den alten Helden gibt. Das wirkt dann wie ein Echo aus längst vergangener Zeit. Da die Spieler nicht wissen, wann es Berührungen zu den alten Helden gibt, können sie das natürlich nicht so wirklich verstehen. Ich denke sie spüren, dass etwas mystisches passiert wenn die Musik gespielt wird. Als sie z.B. das Artefakt der Kirche Tharons berührten, waren sie ja dem alten Magier der Gruppe so nah wie selten. Und da lief dann z.B. die Musik. Wenn sie den alten Helden begegnen sollten bzw. bei einem ähnlichen Anlass möchte ich die volle Wucht der alten heavy Songs entfachen. Genau das soll beim nächsten Abend passieren, wo sie eine kleine Zeitreise erleben und den alten Helden im Rahmen einer Schlacht begegnen werden. Bevor sie diese sehen oder wahrnehmen wird aber schon die "alte" Musik als foreshadowing in dem Moment laufen. Mal sehen ob das bei ihnen ähnlich wie bei mir starkes Kribbeln im Bauch auslöst.
Aber damit fing es natürlich nur an. Eine Ausnahme zu Virgin Steele Songs habe ich noch gemacht. Es gibt einen Song namens The Burning of Rome. Im Chorus geht es etwas frei interpretiert darum, dass ein König am sterben ist, das Reich am Rande des Untergangs steht aber das Kind des Königs überleben wird und dadurch die Nation, das Königreich überdauern wird. Da durch die Charaktervorgeschichten die klassische Idee des verborgenen Königssohns entstanden ist, nutze ich diesen Song als Theme unseres Waldläufers in der Gruppe. Auch das zunächst in der Akkustikversion. Die Metalversion gibt es dann, wenn er von seinem Hintergrund erfährt und sich entscheiden muss welchen Schicksalspfad er beschreiten möchte.
Will heißen, oft inspirieren mich dann auch Songtexte zur Wahl der Songs. Da sie eigentlich recht offensichtlich - wenn man wie ich die Verknüpfung hat - verraten was Thema ist oder passieren kann/wird.
Und so ist überhaupt die Songprogression ein spannendes Thema. Ich hatte es hier schonmal erwähnt - der Song der am stärksten die Kampagne prägt ist "Rains of Castamere" aus Game of Thrones. Das Theme von Haus Lannister. Das wurde nun zum Theme meines Antagonisten Yron Varantir. Immer wenn dieser Song läuft müssen die Spieler an ihn denken oder erwarten dass er um die Ecke kommt. Dass er in dem Moment läuft um nur zu zeigen, dass er in der jeweiligen Situation seine Finger im Spiel hat, haben sie noch nicht gesehen. Aber ähnlich wie mit den Akkustiksong von Virgin Steele streue ich so immer wieder Songs ein als Hinweis, dass hier gerade eine Kampagnenteil Einfluss auf die aktuelle Szene hat. Da bin ich echt freakig unterwegs, weil das natürlich Dinge sind die nur ich checke. Zurück zu Rains. Das schöne daran ist, dass es diesen Song in diversesten Variationen gibt. Schnell, langsam, düster, aufbauend etc. So ist die Urversion die Version von Yron. Der Neffe Yrons - unser Paladin - wird am nächsten Abend eine besondere kirchliche Weihe erleben die ihn in einen ganz anderen Rang erheben wird und so etwas wie eine soziale Charakterbelohnung sein soll. Und da er eben auch ein Varantir ist, werde ich für ihn eine extrem epische, triumphale, Version dieses Songs laufen lassen. Um zu zeigen "hey, da ist nicht nur Yron Varantir der Intrigen spinnen kann etc. Nein, da ist auch noch ein aufrechter Varantir der ihm entgegen tritt." Eine Szene die ich mir sehr groß vorstelle. Tja, da am Ende Yron selbst aber von der Liebe seines Leben - der Frau seines Bruders- manipuliert wird, wird auch sie noch musikalisch in Erscheinung treten. Wenn es mal zu dem Reveal kommen sollte, dass sie in Wirklichkeit eine Araknidin ist, die die echte Frau und Mutter des Paladins getötet hat um ihren Platz einzunehmen, möchte ich eine Version des Songs spielen, der von einer Sängerin gesungen wird. Als letzter Schlusspunkt, dass hinter Varantirs Übeltaten und Zerfall die Arakniden standen. Sowas mag ich sehr.
Ähnlich auch für den Magier der aktuellen Gruppe. In ihm ist die Seele seines alten Charakters verborgen - aber auch die Seele eines mächtigen Dämonen. Und mit den Dämonen verbinde ich Musik von Dimmu Borgir. Auch hier werden die Spieler etwas an der Nase herum geführt. Der Magiercharakter hat Zugang zu den bösen Magielisten. Warum? Aus Sicht des Spielers bzw. mir ihm so vorgeschlagen - dank seines Meisters. Der ihn gelehrt hat, dass nicht das reine Gute und nicht das reine Böses existiert. Es kommt nur auf die eigenen Handlungen an bzw. wie man die Macht nutzt. Klingt für den Spieler so wie er sich das vorstellt. Obwohl er eigentlich wissen muss - böses Listen sind böse Macht und entstehen nicht aus etwas neutralem. Es ist allerdings nicht die Lehre des Meisters der ihm dies beigebracht hat. Nein, diese Macht wohnt ihm selbst inne, ohne dass er es weiß. Ich gebe ihm zwar immer Mal Beschreibungen, die aber eher die anderen Spieler aufhorchen lassen (Wenn er einen Fliegenzauber spricht, sah es einmal z.B. so aus als könnte man von seinem Schatten auf dem Boden Flügel sehen.) Hintergrund ist, dass eben nicht nur die Seele seines alten Helden in ihm ist, nein auch die Seele des Dämonen Finsternis mit dem er in der alten Kampagen tief verbunden war und der ihn übernommen hat. Nun haben sie festgestellt, dass der NSC Valkrist aussieht als sei er sein Zwillingsbruder. Und dieser scheint auch mit Dämonen im Bunde zu stehen. In dieser Begegnung und immer wenn er auftritt, läuft ein Song von Dimmu Borgir. Auch im letzten Abenteuer als Hastur erschien lief dann Progenies of the great apocalypse. Der hat Verbindung zu Piotessa, der Überantagonistin der Kampagne. Und auch für sie ist Dimmu Borgir reserviert. Das alles soll natürlich darauf hin deuten: Wenn der Zwillingsbruder Verbindung zu Dämonen hat und diese wiederum zu Piotessa, deren größter Diener der Dämon war, der seinen alten Charakter einst übernommen hat - was ist dann mit ihm? Wer ist dann er? Für mich klar, in ihm ist die Seele oder ein Bruchstück dieser, des Dämonen. Das sind die kleinen Spielleiterfreuden. Wenn es dieses Reveal irgendwann geben sollte, lagen alle Hinweise eigentlich auf dem Tablett.
Und so habe ich einen ganzen Reigen an Musik - natürlich auch OSTs für die normale Stimmung - die ich verwende und mit denen ich entweder Stimmung verstärken möchte, Hinweise gebe oder eine Geschichte über die Songs erzähle. Das Album Passage von Samael ist quasi eine Aneinanderreihung von Songs die ich für das zurückgekehrte Spinnenvolk der Arakniden ("the ones who came before" etc.) verwenden kann. Ich könnte hier noch einige Beispiele und Überlegungen ausführen, aber ich denke es ist klar geworden wie ich die Musik in unserer Runde verwende.
Aber am Ende hat das ganze für mich persönlich einen tollen Effekt:
Die Playlist mit den Songs erweitert sich nach und nach chronologisch zu unseren Abenteuern. Wenn ich diese Liste beim Laufen oder sonst wo höre, entstehen direkt Bilder zu der Kampagne. Emotionen. Freude und Erinnerung. Das ist schon echt cool und löst etwas in mir aus. Für mich ist die Musik ein starker Bestandteil der Kampagne. Und mittlerweile denke ich, dass wenn ich vielleicht in 20 Jahren den ein oder anderen Song nochmal höre, werde ich kurz oder lang gedanklich zurück kehren nach Calanor und den Charakteren. Das geht so natürlich auch nur, weil wir eine lange Kampagne spielen und ich nicht vor haben noch 10 weitere Kampagnen bis zu meinem Lebensende zu spielen. Das hier ist der letzte Opus, dessen bin ich mir recht sicher. Soviel Herzblut werde ich wohl nie mehr in etwas ähnliches stecken. Umso schöner die Erinnerungen daran durch Musik im Kopf zu verwurzeln.