Autor Thema: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung  (Gelesen 907 mal)

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Offline Maarzan

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Nachdem sich in verschiedenen Fäden mit den bestehenden Ideen zu GNS, GDS etc befasst würde, welche Vorschläge / Konzepte hättet ihr zur Verbesserung / Ergänzung dieser Ansätze um besser verstehen zu können, welche unterschiedlichen Vorstellungen von Spielstil/Spielspaß im direkten Zusammenhang mit dem Erlebnis Rollenspiel es geben kann (und wie man damit Kollisionen verstehen/ absehen und ggf. abfangen kann)?
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Offline Zed

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #1 am: 3.05.2025 | 13:34 »
Seit Tagen kreisen meine Gedanken um genau diese Frage 😮 👍🏼

Mein Aufschlag dazu in einigen Tagen wird sehr komplex werden, und als Sammlung auch ein eigener Thread.

Ich bin gespannt, was für Ideen hier kommen, und ob sie mir vorab helfen, die Komplexität meines Aufschlages in den Griff zu kriegen.

Offline Aedin Madasohn

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #2 am: 3.05.2025 | 13:44 »
welche Vorschläge / Konzepte hättet ihr

wir trefefn uns für´s Hobby und das ist hier und jetzt ein Abend.
lasst uns drauf los spielen...
...und ihr habt ebenso Erzählrechte wie ich, nur weil ich das GANZE zusammenhalten muss, habe ich mehr an Erzahlrechten. Soweit klar?

wenn ihr also keinen Bock auf einen generischen Encounter zwischen a und b habt, auch wenn ihr wisst, dass der sauber dort hin passt, dann übt euer Erzählrecht aus und wir lösen das erzählerisch.

wenn ihr hingegen Bock auf den Kampf habt, dann würfen und taktieren wir das für den halben Abend aus

habt ihr hingegen RICHTIG BOCK auf Moschen, dann roll ich das Hexfeld aus und werfe ein paar Felsbrocken, Höhenlevel und Bäume drüber und wir schupsen Figuren wie in guten alten Battletech Tagen für den Rest des Abends...


damit kann ich mehr Spielende abholen als wenn ich von narrative Gameisten simulieren sprechen würde.
Die würden nämlich glatt denken, dass jetzt Scheibenwelt gespielt werden soll  ;D

Offline Maarzan

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #3 am: 3.05.2025 | 14:53 »
Ich würde wie schon einmal erwähnt auf der GDS-Aufteilung aufsetzen, aber dann noch zwischen Prioritäten auf den Weg und das Ziel differenzieren:

GAM-Weg : das klassische Herausforderungsspiel.
GAM-Ziel: Der Buttkickerzweig.

SIM-Weg : Modellieren und erkunden (kann sich auch auf Teilbereiche beziehen, das NAR des GNS würde ich hier als einen Unterbereich mit Fokus auf Situationen mit emotionalen Krisenentscheidungen sehen).
SIM-Ziel : Authentisches Erleben, den Eindruck einer entsprechenden Vorlage durch Emulation der Quellen reproduzieren.

DRA-Weg: gemeinsames Storyspiel, wo unter mehreren gleichsam mit Autorenrechten ausgestatteten Spielern eine auch den Spielern noch nicht bekannte Geschichte gesponnen wird.
DRA-Ziel: wo eine ideale Geschichte erzeugt bzw. auf Spielerseite erlebt werden soll und dazu üblicherweise weitgehende Kontrollrechte an den SL delegiert werden, um das gewünschte Erlebnis/Ergebnis möglichst sicher stellen zu können.

Wobei Konflikte meinem Eindruck nach eher zwischen Weg und Ziel liegen und je nach Ausprägung eher Kompromisse zwischen Agendas innerhalb Weg oder Ziel möglich erscheinen, aber unmoderiert/angesprochen trotzdem regelmäßig zu Stress führen. 
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Offline 1of3

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #4 am: 3.05.2025 | 16:54 »
"Spiel" lässt sich gar nicht klassifizieren. Verschiedene Bereiche beim Spiel, das klappt schon eher. Da wird auch viel drüber geschrieben. Combat As War, Combat As Sport, Combat As..., Plotzentriert / Charakterzentriert..., da kann man einiges machen. Wir können auch auf Genre gucken. Oder auf Core Story. Bestimmt noch mehr.

Die Frage ist also, was soll das Ziel sein. Was genau Klassifizieren wir? Individuelle Spielvorlieben? Spielweisen einer Runde oder Organisation? Rollenspielprodukte? Das geht alles jeweils anders.

Und dann für wen machen wir das? Für Leute, die ein Rollenspielprodukt machen wollen? Leute, die ihre Rollenspielrunde aufm Con aushängen wollen (und die Konsumenten des Aushangs)? Eine Datenbank für Rollenspielprodukte? Für ein Webformular, mit dem man sich für eine Rollenspielrunde empfehlen kann?

Was die meisten aus Gulasch, Nudeln und Salat raugezogen haben, ist ja laut zahlreicher Meldungen ja wohl, dass Leute eben unterschiedlich spielen. Alles klar, wenn dies das Ziel ist: Habe aufm letzten :T:reffen eine Runde gespielt, da haben die SCs aufn halben Abend angefangen sich gegenseitig umzubringen "wie sich das gehört" (Zitat SL). Das gehört sich wahrscheinlich aber für die meisten Runden nicht. Mir scheint als könnte man also dieses Verständnis schon mit einer Anekdote erreichen.

Also, wozu der Spaß?

Offline Skyrock

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #5 am: 3.05.2025 | 17:10 »
Wer mag, kann mal bei John H. Kim unter dem Header "Models of Role-Playing" Spielstiltypisierungen bis zurück zu Glenn Blacow's Four-Way-Split von 1980 nachlesen, Spielstilkategorisierungen sind nicht neu und über die Jahrzehnte immer wieder neu erfunden worden: https://www.darkshire.net/jhkim/rpg/theory/

Die sind alle willkürlich gezogene Grenzlinien zwischen willkürlich definierten Modellen. Wenn man nicht einen speziellen Zweck im Hinterkopf hat (wie bei The Forge ein Herausarbeiten und Schärfen des Profils von NAR, um die Art von Spielen die die Forge voranbringen wollte besser zu unterstützen), sondern einfach nur ins Blaue hinein rumkategorisieren will, sind keine davon wesentlich schlechter oder besser.
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Offline SigmundFloyd

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #6 am: 3.05.2025 | 23:46 »
Ich habe ein unausgegorenes und nicht theoriegeleitetes Modell, das einzig und allein den Zweck verfolgt, mir als SL zu helfen, in meinen Runden Entscheidungen zugunsten des Spielspaßes zu treffen, bzw. einzuschätzen, ob Spielende in meinen Runden Spaß haben werden.

Ich unterscheide dabei fünf Bedürfnisse von Spielenden:
A) Spannung (dramatische Geschichten, gefährliche aber schaffbare Herausforderungen)
B) Konsistenz der Welt (Realismus, Entscheidungsmöglichkeiten, Konsequenzen)
C) Konsistenz der Regeln (Fairness, Belohnung von Rules Mastery)
D) Mitgestaltung durch die Spielenden (Rule of Cool, Player Empowerment)
E) Power Fantasy (Erfolgserlebnisse, Autonomie bei der Charakterentwicklung)

Der SL-Stil ergibt sich daraus, welchem Bedürfnis man den Vorrang gibt, wenn zwei Bedürfnisse im Konflikt stehen. Damit lassen sich viele klassische Streitfragen des Hobbys abbilden, z.B.:
A vs. B: Railroad oder Sandbox?
A vs. C: Schummeln™ im Namen der Spannung?
A vs. D: Player Empowerment auf Kosten des Balancing?
A vs. E: Scheitern/Charaktertod als Quelle von Drama?
B vs. C: Fiction first oder Rules first?
C vs. D: Rule of Cool oder RAW/I?
C vs. E: Schummeln™, um SC-Scheitern /-Tod zu verhindern?

Wenn ich die Bedürfnisse meiner Spielenden halbwegs kenne, kann mir das bei diesen Konflikten eine Orientierung geben; oder ich kann potentielle Spielende "herausfiltern", die wahrscheinlich in meinen Runden nicht glücklich werden.

Offline Haukrinn

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #7 am: Gestern um 10:54 »
Ich finde das, mit Verlaub nicht zielführend. So ein Modell soll ja einem Zweck dienen. Und den zu umreißen, wäre meiner Meinung nach das erste, was man überhaupt tun sollte.

Wofür will ich das Modell benutzen? Welche Entscheidungen soll es erleichtern? Wann soll es angewandt werden? Und worauf?

Wenn man das alles weiß, dann kann man über die Modellierung an sich sprechen. Alles andere wirft nur wieder Modelle auf den Tisch, die von unterschiedlichen Personen unterschiedlich interpretiert werden und denen es an Aussagekraft mangelt.

Was also soll die große Spielstiltypisierung (GSST) bringen? Was erhofft ihr euch davon?

1. Besser den eigenen Spielstil beschreiben zu können, so dass andere ihn leichter nachvollziehen können?
2. Präferenzen einer Spielgruppe beschreiben zu können um passende Spiele für sie auszuwählen?
3. Eine Hilfe an der Hand zu haben, um für einen spezifischen Spielstil passende Spieltechniken als Designer auszuwählen?
4. Laufende Spiele oder Spielerfahrungen einfacher beschreiben und in Beziehung zueinander setzen zu können?
5. Leichter kompatible Mitspieler:innen finden zu können?
6. Oder was völlig anderes?
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Offline Maarzan

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #8 am: Gestern um 11:10 »
Ich finde das, mit Verlaub nicht zielführend. So ein Modell soll ja einem Zweck dienen. Und den zu umreißen, wäre meiner Meinung nach das erste, was man überhaupt tun sollte.

Wofür will ich das Modell benutzen? Welche Entscheidungen soll es erleichtern? Wann soll es angewandt werden? Und worauf?

Wenn man das alles weiß, dann kann man über die Modellierung an sich sprechen. Alles andere wirft nur wieder Modelle auf den Tisch, die von unterschiedlichen Personen unterschiedlich interpretiert werden und denen es an Aussagekraft mangelt.

Was also soll die große Spielstiltypisierung (GSST) bringen? Was erhofft ihr euch davon?

1. Besser den eigenen Spielstil beschreiben zu können, so dass andere ihn leichter nachvollziehen können?
2. Präferenzen einer Spielgruppe beschreiben zu können um passende Spiele für sie auszuwählen?
3. Eine Hilfe an der Hand zu haben, um für einen spezifischen Spielstil passende Spieltechniken als Designer auszuwählen?
4. Laufende Spiele oder Spielerfahrungen einfacher beschreiben und in Beziehung zueinander setzen zu können?
5. Leichter kompatible Mitspieler:innen finden zu können?
6. Oder was völlig anderes?

Nachdem sich in verschiedenen Fäden mit den bestehenden Ideen zu GNS, GDS etc befasst würde, welche Vorschläge / Konzepte hättet ihr zur Verbesserung / Ergänzung dieser Ansätze um besser verstehen zu können, welche unterschiedlichen Vorstellungen von Spielstil/Spielspaß im direkten Zusammenhang mit dem Erlebnis Rollenspiel es geben kann (und wie man damit Kollisionen verstehen/ absehen und ggf. abfangen kann)?

Ich denke dieses Verständnis wäre die Basis für 1,2,3 und 5.
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Offline 1of3

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #9 am: Gestern um 11:48 »
OK. Probieren wir mal.

Hintergründe von SCs passen am besten auf:
1 eine Indexkarte
2 eine A4-Seite
3 meeehr

Meine Charakterwerte passen am besten
1 eine Indexkarte
2 eine A4-Seite
3 meeehr

Die Hintergrundwelt/Setting passt am besten auf
1 ein paar Seiten
2 ein längeres Buchkapitel
3 meeehr

Romantik
1 Danke, nein
2 Andeutungsweise
3 Gern viel

Belohnungen (XP, Schätze, Gummipunkte...) möchte ich für (wähle deine Top 3)
- Für das Bekämpfen von Monstern
- Für das Finden von Schätzen
- Für das Erfüllen von Missionen
- Für das Lösen von Rätseln
- Für das Erfüllen von persönlichen Charakterzielen
- Für waghalsige und coole Aktionen
- Einfach so
- Etwas Anderes

Das sind nach meiner Erfahrung so die häuptsächlichen Punkte, wo sich am Spieltisch die Geister scheiden.

Offline unicum

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #10 am: Gestern um 14:00 »
Ich finde das, mit Verlaub nicht zielführend. So ein Modell soll ja einem Zweck dienen. Und den zu umreißen, wäre meiner Meinung nach das erste, was man überhaupt tun sollte.

Wofür will ich das Modell benutzen? Welche Entscheidungen soll es erleichtern? Wann soll es angewandt werden? Und worauf?

Wenn man das alles weiß, dann kann man über die Modellierung an sich sprechen. Alles andere wirft nur wieder Modelle auf den Tisch, die von unterschiedlichen Personen unterschiedlich interpretiert werden und denen es an Aussagekraft mangelt.

Dazu nur mal erst ein  :d

Ich kann ja auch weiter aufdröseln ob ich ein Spielsystem typisiere wie etwa D&D,.... oder nehmen wir mal was extremeres wie Engel - ich meine mich zu erinnern da beim durchblättern auch mal D&D Characterbögen gesehen zu haben oder irre ich mich völlig? (ist schon lange her).

Ich denke für mich wäre so ein System etwas das aussagt ob XYZ eher etwas für mich ist oder eben nicht.
Tja und dann kommt die Frage was XYZ ist,... ein Regelwerk? eine Spielgruppe? ein Spielleiter?

Ich meine ich kann ja durchaus auch Engel mit irgendwelchen D&D Regeln spielen und gewürfelt wird während des ganzen Spielabends nur sehr marginal bis garnicht, weil SL und Spieler das alles Narrativ bewältigen. Zugestanden anderstrum wird es schwer, wenn ich ein Narratives Regelwerk verwenden will um eine Weltensimulation zu fahren,... mein Punkt ist halt: Das was am Spielabend rauskommt ist eine Mischung aus den Spielenden (inkulsive dem SL) dem Setting und den Regeln. Ich denke deswegen ist das alles auch schwer zu greifen in der Realität und solche Typisierungen scheitern können.

Trozdem sehe ich es so das man zumindest im Ansatz sagen kann das - zumindest ein  Regelwerk (RAW/RAI) - typisiert werden kann.
(Aber man trozdem noch die Sache hat das man in der Spielgruppe was ganz anderes draus machen kann,...)

Offline Zed

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #11 am: Gestern um 15:10 »
Ich möchte einen Schritt zurückgehen.  :)

Ich bin viele Spiel(leitungs)stile, und Du wahrscheinlich auch.

Eine enorm wichtige Facette ist in den vielen Diskussionen der letzten zwei Monaten nicht explizit genannt worden (oder ich habe sie übersehen), und diese scheint mir so wichtig zu sein, dass ich sie einmal aussprechen möchte:

Du als Spielleitung stehst ja in den seltensten Fälle wie ein Monolith da, und Deine Spielgruppen können Dich nehmen, wie Du mit Deinen Prinzipien bist.

Stattdessen handelst Du mit jeder Spielgruppe implizit oder explizit individuell aus, wie ihr spielen wollt. Das heißt: Du bist je nach Umständen und Gruppen mehrere, abweichende Spielleitungen.

Drei Beispiele:

1) Habe ich die Spielleitung eines One-Shot-Wettbewerb-Abenteuers, dann werde ich sehr, sehr regeltreu sein. Die Rule-of-Cool wird es sehr schwer haben, denn eine gleichartige Anwendung der Regeln ist sehr wichtig für den fairen Wettbewerb. Auch die Sandbox des Wettbewerb-Abenteuers  ist viel enger als die von "normalen" Abenteuern.

2) Mit meiner ersten Rollenspielgruppe habe ich jedes zweite Wochenende gespielt, über zwei Jahre lang, AD&D 1e. Wir haben die Tragkraftregeln selbstverständlich ausgespielt. Die Rule of Cool haben wir, unserem damaligen jungen Alter geschuldet, sehr ausgereizt. Es war neu, es war Fantasy(!)-Rollenspiel, und wären wir wie bei Critical Role auf die Idee gekommen, von hinten in den Verdauungstrakt des Drachen einzudringen, um ihn dann von innen heraus zu töten - wir hätten es gemacht.

3) Mit meiner aktuellen Spielgruppe spielen wir seit fast 30 Jahren, und seit wahrscheinlich 25 Jahren nur vier mal im Jahr, dieselbe Kampagne, dieselben Figuren, jetzt 19. Stufe, DnD 3.5. Damit wir Spielspaß haben, gelten andere Vereinbarungen: Tragkraftregeln lassen wir links liegen, Gold hat meine Truppe "genug". Sie missbraucht ihren Fuzzy-Reichtum nicht, und ich muss mir keine Abschöpfungsmechanismen ausdenken. Die Rule of Cool hat es nun, da wir älter sind, etwas schwerer sich gegen die Rule of "Reality" durchzusetzen. Meine aktuelle Gruppe kann sich darauf verlassen, dass sie sich regelmäßig prügeln, in diplomatische Gefechte/Herausforderungen stürzen, und sie rätselt sich zurecht, was die gegnerischen Parteien wohl gerade vorhaben. Dabei lösen sie Schritt für Schritt die Geheimnisse von Eon.

Ich denke, ich kann die Rolle aller drei sich teils stark unterscheidenen Spielleitenden einnehmen. Und Du tust es wahrscheinlich ebenso.

Obwohl ich meine aktuelle Rolle 3) heiß und innig liebe und - so hoffe ich - auch gut ausfülle und mir viele Freiheiten als Spielleitung nehme, würde ich natürlich ganz andere Maßstäbe ansetzen, wenn ich Spielleiter eines Wettbewerbs-Abenteuers wäre. Ich wäre viel strenger. Vielleicht würde ich sogar ghouls Positionen zum Thema "schummeln" (natürlich nicht in der von ihm formulierten Absolutheit) aus der Perspektive 1) unterschreiben.

Als ich in meiner Gegenstreitschrift von der "Vielfalt von Stilen" geschrieben habe, war mir nicht bewusst, dass ich selbst schon zwei unterschiedliche Stile geleitet habe und drei Stile leiten könnte. Die Vielfalt  i n  m i r  war mir nicht bewusst.

Manche werden vielleicht einige ihrer Leitungsprinzipien als "unumstößlich" bezeichnen (einige solch unumstößlicher Prinzipien habe ich sicherlich auch), aber andere ihrer Prinzipien werden sich von Spielrunde zu Spielrunde, in der sie leiten, unterscheiden.

Liege ich falsch, und gibt es doch mehr monolithische Spielleitungen, denen die Gruppen sich anpassen müssen - oder sie kommen halt nicht zusammen?

Wenn ich Recht habe, müssen wir bei allen Gesprächen über das "richtige Spiel(leiten)"™ immer deutlich machen, aus der Sicht welcher Spielleitung für welche Gruppe wir gerade sprechen (wie zuletzt auch im Schummelthread schon ab und zu angedeutet wurde).

Offline Maarzan

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #12 am: Gestern um 16:31 »
Für Diskussionen zu Spieltechniken, Handlungsauflösungen, (Haus)Regeloptimierung etc müsste sicher erst einmal geklärt werden aus welcher Stilperspektive das passieren soll.

Aber hier ist die Frage halt wie die Interessensgruppen am besten beschrieben werdenm welche am Spieltisch dann häufig zu Konflikten führen und aus denen es dann an einem Tisch mit inkompatiblen Interessen dann typischerweise zu den Crashmomenten am Tisch kommt.

Das muss nicht bei jeder Entscheidung passieren - tut es üblicherweise eine ganze Weile nicht - aber dann kommt aus meiner Erfahrung irgendwann eine Situation, wo die Wünsche zur Lösung dann fundamental diametral sind.
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Online gunware

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Re: Verbesserungsvorschläge zur Spielstiltypisierung
« Antwort #13 am: Gestern um 19:35 »
Stattdessen handelst Du mit jeder Spielgruppe implizit oder explizit individuell aus, wie ihr spielen wollt. Das heißt: Du bist je nach Umständen und Gruppen mehrere, abweichende Spielleitungen.
Nicht nur bei unterschiedlichen Gruppen, es kann auch die gleiche Gruppe mit einem anderen System sein. Ich bilde mir ein, dass ich D&D5 anders leite als zB. Numenéra.
Klar, zwangsweise wird der Unterschied nicht so riesig sein, vielleicht sogar (hoffentlich nicht) kleiner als wenn eine andere SL D&D5 spielen würde.
Aber diese drei Säulen sind meiner Meinung nach wichtig bei dieser Betrachtung: Schwerpunkt (erzählerisch, wettbewerbsartig, regelaffin, usw.), die Gruppe (wer ist dabei) und das System (welche Regel, welche Welt).
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"