Da ich gerade eine AD&D 2E-Runde leite, lese ich begleitend durch meine anderen Oldschool/D&D-(Like)-Regelwerke, um Regellücken aufzufüllen. Dabei habe ich nach längerer Zeit auch wieder mein Dungeon Crawl Classics Regelbuch in die Hand genommen. Dabei ist mir eine Sache aufgefallen, die mich schon bei meiner letzten DCC-Runde aufgeregt hat und über die ich jetzt an dieser Stelle kurz abranten möchte. Es geht mir dabei um den Bestandteil von DCC, den viele als zentrales Element erachten, nämlich den "Funnel" (das deutsche Wort "Trichter" finde ich superkomisch und werde ich daher an dieser Stelle genauso konsequent ignorieren wie die historisch komplett falsche Übersetzung des Wortes "Gongfarmer" als "Buttenfrau/-mann").
DCC will ja im Gegensatz zu (fast?) allen anderen OSR oder New-School-RPGs kein Retroklon sein, sondern ein "What-If"-RPG, das ein D&D that-never-was simuliert - nämlich ein RPG, das noch viel konsequenter als D&D von den literarischen Vorlagen des Appendix N inspiriert ist und diese regeltechnisch abzubilden versucht. Das ist für mich die USP von DCC.
Wenn man sich nun die Diskussionen im Internet anschaut (und auch mit Leuten im RL über DCC redet), dann geht es mit wenigen Ausnahmen aber nahezu ausschließlich um die Erfahrung, dass Level-0-Charaktere beim Funnel lustige Tode sterben oder dass durch die vielen Tabellen lustige Dinge passieren. Und hier kommen wir zum Punkt meines Rants. Bei DCC starten alle Charaktere auf Level 0 (Core Rulebook, S. 21). Das kann ich noch teilweise nachvollziehen, weil im Appendix N ja tatsächlich einige literarische Figuren eine Origin-Story haben, bei der sie noch keine krassen Helden sind. Dann wird aber im Regelwerk ausdrücklich empfohlen, mit mehreren zufällig generierten Figuren einen Funnel zu spielen und man spielt dann mit den Überlebendenen weiter. Dies soll Teil der Charaktererschaffung sein und ersetzt sozuagen die Entwicklung des Charakterhintergrunds. Wo sind aber hier die literarischen Vorlagen? Im Appendix N jedenfalls sterben die Protagonisten nicht wie die Fliegen. Aber gut, man könnte hier noch beschwichtigend einwenden, dass das Spielen mehrerer Figuren gleichzeitig das Kennzeichen von Rollenspielen der 70er Jahre in Wargaming-Tradition war (auch wenn ich hier mal ein großes Fragezeichen machen würde, denn ich bezweifle ganz stark, dass das im Mainstream abseits von irgendwelchen obskuren Braunstein-Games wirklich so gespielt wurde).
Was mich nun ABER WIRKLICH AUF DIE PALME bringt, ist die Occupation-Mechanik. Die Charaktere, die hier ausgewürfelt werden, sind teilweise schlimmer als der Zuckerbäcker bei DSA und mindestens genauso stimmungskillend wie die WdV-Regeln von DSA. Ich selbst habe ja fast jeden Funnel von DCC geleitet (sogar einige Third-Party-Module) und hatte dabei zugegebenermaßen großen Spaß. Aber wenn wir mal ehrlich sind: was soll dieser Quatsch? Warum kann ich mir einen Cheesemaker auswürfeln, der einen Stinkekäse dabei hat? Was soll der Barbier mit der Schere im Dungeon? Was tut der Goldgräber bzw. Pappenheimer / Latinengräber (das ist übrigens die korrekte Übersetzung für Gongfarmer, herrgottnochmal!) im Temple des Elementaren Todes? So ziemlich jedes Ergebnis des Occupation-Tables hat bringt entweder einen total lächerlichen Beruf (elfischer Rechtsanwalt, wtf!!) oder wird durch lächerliches Equipment (Rollenspielbuch beim Hafenarbeiter) ins lächerliche gezogen. Das, was eigentlich die Spieler in der Spielwelt verankern soll, nämlich einen Beruf festzulegen, dem der Charakter nachgegangen ist (was ja beim normalen Rollenspiel oft unter den Tisch fällt), führt letztendlich dazu, dass man die Charaktere als totale Clowns spielt, die gerne lustige Tode sterben dürfen, ja sogar sollen. Es geht also nicht mehr um das Erleben von Abenteuern und das bestehen von gefährlichen Herausforderungen. Schon ab Level 0 konzentriert sich alles vielmehr auf die ach so lustige Weirdness (ein Begriff, der mich total abfuckt, in Wahrheit geht es meist um Slapstick). Allein die Gruppenzusammenstellung klingt oft wie ein Witz: gehen ein Bauer, ein Waisenkind, ein Steuereintreiber und ein elfischer Glasbläser in den Dungeon...
Viel schlimmer aber noch ist, dass die Occupations zudem total nutzlos sind. DCC hat ja nur ein rudimentäres Skill-System und die Occupation legt fest, welche Aufgaben ich trained machen kann (d.h., ich würfle mit W20 statt W10). Aber welche Skills bringt denn bitteschön ein Imker mit???? Ist der Totengräber besonders gut darin, Selbstgespräche zu führen? Meiner Meinung nach hat man sich hier keine Gedanken gemacht und einfach nur eine lustige Liste geschrieben. Spielerisch ergibt das aber Null-komma-Null Sinn. Und wer jetzt sagt: ist ja nicht so schlimm - doch, ist es! Denn erstens widerspricht sich DCC im Regelbuch selbst mehrmal, z.B. wenn es fordert, dass man eine mittelalterliche Welt abbilden soll. Da wäre es insofern besser gewesen, man hätte sich entweder an pseudo-mittelalterlichen Berufen orientiert oder von mir aus auch an Vorlagen aus der Literatur. Zweitens verhindern die Occupations einen fießenden Übergang von Level 0 zu Level 1, da die Klassenwahl nicht mit der Occupation zusammenhängt, sondern einzig und allein mit den Attributen. So wird der Gelehrte auch mal zum Krieger oder der Söldner zum Zauberer, und zwar über Nacht. Und drittens wäre die Konsequenz ja sonst zu sagen: "Gut, ignoriere ich den Beruf halt nach Level 0." Aber warum bitteschön gibt es diese Occupations dann überhaupt, wenn sie ihre regeltechnische Funktion nicht erfüllen?
Alles in Allem ist der Funnel für mich derart abturnend geworden, dass ich zukünftig DCC nur noch auf Level 1 beginnen würde. Bezeichnenderweise hat man das z.B. bei DCC Lankhmar gemacht. Da ist ihnen wohl aufgefallen, dass diese lächerlichen Elemente null zu Lankhmar passen (genauso wie Teile des Magiesystems). Entsprechend hat man dort auch ein ganz anderes Feeling auf Level 1 und merkt dabei, dass man Level 0 für ein gelungenes DCC-Erlebnis überhaupt nicht braucht.