Autor Thema: Frust im Rollenspiel - meiden wie die Pest oder wohldosiert eine Bereicherung?  (Gelesen 383 mal)

Zed und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline Quaint

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.286
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Quaint
Vielleicht ist das trivial, aber ich mache manchmal Sachen als SL, von denen ich ziemlich sicher bin, dass sie meine Spieler nerven oder frustrieren. Das klingt jetzt vielleicht härter als es ist, also vielleicht ein Beispiel.

Neue Kampagne, Postapokypse als Thema, die Charaktere haben sich bei Kriegsbeginn einfrieren lassen und kriechen jetzt nach ca. 100 Jahren aus den Cryokapseln Im Bunker funktioniert nichtmehr alles so toll, auch die eingelagerte Ausrüstung ist reduziert. Sie fangen an sich da ihr Zeug zusammenzusuchen und pointiert frage ich dann den Spieler unseres Arztes und Wissenschaftlers, wieviel er denn so an Stärke hat und was er schon so alles eingesteckt hat. Gerade als er quasi ein mobiles Labor einpacken wollte (das ist schon ein umfangreiches Set gewesen). Genaues Inventar nach Pfund usw. wollte ich garnicht. Aber ich glaube schon, dass viele Spieler etwas genervt sind, wenn sie sich Gedanken machen müssen, was sie alles mitschleppen lassen und wieviel ihr Charakter bei gegebener Stärke und Ausdauer wohlt packt. Er hat dann das Labor wieder hingelegt.
Später gehen sie aus dem Bunker, wegen Strahlengefahr in ABC-Schutzanzügen, aber es ist nebenbei auch mittlerweile ne Wüste draussen, also lasse ich wegen der Hitzebelastung würfeln, und es entstehen teils empfindliche Debuffs. Sowas kenne ich auch als etwas, was Spieler nicht so gern sehen. (3 bis 4 Wochen bis zu ner tödlichen Dosis allerdings, sprich sie hätten auch mal nen Tag ohne Anzug durch die Hot Zone können, nur dann wäre halt ne akkumulierende Strahlendosis nen Problem)

Ich denke sowas kann man - in einem gewissen Rahmen - schon machen, zumal das ja auch Rollenspielinhalte bieten kann und es dann umso süßer ist, wenn sie irgendwie doch zurecht kommen. Mal als Beispiel haben sie dann ne Sitzung später aus Autoschrott eine Art Karren gebaut und einer der Charaktere (so ne Art T1000) hat sich in ein Lasttier verwandelt um ihn zu ziehen. So können sie mehrere hundert kg bewegen und Inventarsorgen sind gleich viel geringer.
Und man stelle sich mal vor, was das später mal toll sein mag, wenn sie nen eigenen fahrbaren Untersatz haben und dann mit nem Affenzahn nebst Gepäck durchs Ödland brausen.

Ist ja etwa bei nem Soulslike ähnlich - wenn man 20mal an nem Boss stirbt, und beim 21sten Mal siegt man, dann ist der Sieg umso bedeutsamer, da er hart erkämpft wurde.

Wie seht ihr das? Sollte man frustige oder nervige Sachen komplett meiden als SL (so gut man halt kann) oder ist das im begrenzten Rahmen tolerabel oder denkt ihr sogar, wenn man für etwas "arbeiten" muss ist es gleich viel toller als "instant gratification"? Oder ganz anders? Lasst es mich wissen!
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
,___,
[o.o]
/)__)
-"--"-

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.537
  • Username: nobody@home
Kurze Denkblase: Ich denke, für mich kommt's auf die Art des Frustes an. Daß für meinen Charakter in einem ausgesprochenen Abenteuer nicht einfach immer und überall alles glattgehen kann, ist einigermaßen selbstverständlich -- daß mich persönlich die Regeln zur Abbildung und -handlung der betreffenden Situationen schon allein für sich nerven müssen, dagegen nicht. Im ersteren Fall wäre also schlimmstenfalls das Ausmaß zu diskutieren, nicht aber Frust an sich schon aus Prinzip abzulehnen (im Gegenteil!), aber über den zweiten könnten wir durchaus schon auch "prinzipienbasiert" streiten. ;D

Offline Quaint

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.286
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Quaint
Ja, verstehe ich, aber ich weiß nicht ob man das immer sauber trennen kann. Mit nem Charakter rumzulaufen der wenig auf die Kette kriegt weil die Sonne ihn im Gummianzug umhaut ist halt meist frustig, egal wie das System genau solche Debuffs regelt. Genauso wie es nervt Spielsachen weglegen zu müssen, weil man nicht soviel tragen kann - selbst wenn die verwendete Inventarverwaltung an sich kein totaler Krampf ist.
Aber der Frust durch nervige Regeln zu minimieren sehe ich durchaus als sinnvoll, nur um manche Sachen kommste auch schlecht komplett drumherum, wenn du bestimmte Elemente im Spiel haben willst.
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
,___,
[o.o]
/)__)
-"--"-

Offline unicum

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.931
  • Username: unicum
Kommt - mal wieder - voll auf die Spieler an. Wie hoch ist die eigene Frusttolleranz?

Ich vermute dass das was ich noch als okay bezeichne für andere schon jenseitz des guten ist,...

Aber ganz ohne würde ich mir auch vorkommen als würde ich nichts anspruchsvolles machen sonder der SL mir alles auf dem Silbertablett darbietet. Insofern: Ja, Frust gehört dazu.

Ist ja etwa bei nem Soulslike ähnlich - wenn man 20mal an nem Boss stirbt, und beim 21sten Mal siegt man, dann ist der Sieg umso bedeutsamer, da er hart erkämpft wurde.

This, ich werde nie vergessen wie wir in WOW das erste mal den Lichking auf Hero gelegt haben,... einfach Geil, da hätte man die Nadel im teamspeak fallen hören können. Da lässt man die Animation durchlaufen mit ner Gänsehaut obwohl man sie schon oft gesehen hat.

Online Eleazar

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 555
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Eleazar
Die Frage ist doch, worin das Abenteuer besteht. Ich beziehe es jetzt mal auf Fantasy: Wenn ich mit der Gruppe eine Reise durch eine zivilisierte Gegend machen, in der ich jede zweite Stunde an einem Hof und jedem Abend an einem Gasthaus vorbei komme, dann ist die Proviantfrage lästig, blöde und unnütz. Da brauche ich keine exakte Buchhaltung.

Wenn es um ein Wettrennen durch die Eiswüste geht, bei der zu wenig Proviant Hunger und Schwäche, zu viel aber langsame Hundeschlitten bedeutet, dann ist die Grundentscheidung, was man auflädt, und das Abstreichen, was man verbraucht hat, wichtig. Und wenn dann ein Schneesturm die ganze Planung kippt, dann ist die gleiche Sache interessant.

Offline Boba Fett

  • Kopfgeldjäger
  • Titan
  • *********
  • tot nützt er mir nichts
  • Beiträge: 39.019
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Mestoph
    • Internet-Trolle sind verkappte Sadisten
Wie seht ihr das?

Ich seh das so:
Wenn ein bestimmter Rollenspiel-Genre-Typ (z.B. "Post-Apokalypse") Begleiterscheinungen hat (z.B. "Ressourcenmanagement"), dann sollte man das mit Leuten spielen, die Lust darauf haben, sowas zu machen. Und man sollte sie vorher ins Bild setzen und fragen, ob Sie sich damit beschäftigen wollen.
Und wenn Deine Runde keine Lust auf bestimmte Begleiterscheinungen hat, dann solltest Du ein Rollenspiel anbieten, in dem das nicht vorkommt. Oder Deine Idee anpassen.
Und ja, Kompromissfindung ist natürlich wünschenswert. Miteinander darüber reden um einen Konsens zu finden sollte Rollenspielern eigentlich nicht schwer fallen.
Und besser wäre es, wenn Kommunikation stattfindet, bevor die Leute demotiviert werden.

Deine Freizeit ist rar und kostbar und das gilt für deine Mitspieler genauso. Du investierst Zeit und die Mitspieler auch. Warum sollte man etwas spielen, das keinen Unterhaltungswert bietet und etwas integrieren, das diesen Wert massiv mindert? Dann bleiben die Leute irgendwann weg oder sind unmotiviert.
« Letzte Änderung: Heute um 11:49 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Feuersänger

  • Orcjäger
  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Deadly and Absurdly Handsome
  • Beiträge: 35.276
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Feuersänger
Hmm, also sich ein wenig Gedanken um die Traglast oder Ressourcen zu machen empfinde ich jetzt nicht als Frustquelle.
Unausweichliche Debuffs durch die Umgebung hingegen durchaus. Da bekomme ich uU das Gefühl, dass das ganze ein gezielter Nerf ist, damit die Charaktere nichts mehr auf die Kette kriegen.

Ansonsten ist meine größte Frustquelle, wenn ich den Eindruck habe, nur gegen Wände zu laufen oder für jeden nach vorn gemachten Schritt zwei Schritte zurückgeworfen zu werden. _Da_ kommen wir in Fahrwasser, wo es durchaus passieren kann dass ich die Runde sprenge oder verlasse.

(Ist auch durchaus schonmal vorgekommen. Da hatte uns der SL 3 Wochen lang nur gegen die Wand laufen lassen, bis ich ihn endlich zur Rede stellte was das solle -- und da hat er dann gemeint, die fragliche Verschwörung an der wir dran waren sei für uns ein paar Nummern zu groß, da könnten wir einfach keinen Erfolg haben. Jo super, danke für die Info, dafür verballere ich doch gerne 300km Sprit und 15 Stunden Lebenszeit. Das war dann die letzte Sitzung dieser Runde.)

Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.673
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Traglast ist fein. Also wenn sie nachvollziehbar und anschaulich geregelt ist und als spielerischen Mehrwert Entscheidungsmöglichkeiten bietet.

Also z.B. Over The Edge. Du kannst einen sperrigen Gegenstand tragen. Beim zweiten sperrigen Gegenstand gibts Abzüge.

Etwas komplzierter Glog: Du hast zehn Slots. Jeder Slot fasst ein Ding oder eine Gruppe gleichartiger Dinge (z.B. x Pfeile). Große Dinge brauchen zwei Slots. Eine mögliche Sonderfähigkeit ist einen Extra-Slot zu haben.

Also entweder klare Regeln oder eben keine. Mal Nachfragen, wie viel Leute denn nun gerade eigentlich tragen, ist die schlechteste Variante. Das ist nicht vorhersehbar und eröffnet keine Entscheidungen.

Bei Umgebungseffekten gilt das gleiche: Sind sie klar kommuniziert? Bieten Sie einen neuen Entscheidungsraum? Also kann man z.B. spezielle Ausrüstung bekommen, um mit bestimmten Gegebenheiten umzugehen?

So Spiele wie D&D, DSA etc. machen das eher so halbherzig drangeklatscht.

Offline unicum

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.931
  • Username: unicum
Bezüglich Traglast mal auf einem Con,...

S1: "Ich hab nur dabei was auf dem Characterbogen steht"
SL: "Du hast ein Lagerhaus dabei? 23 Kettenhemden? 30 Langschwerter?"

Wohlgemerkt kein D&D und kein "Portable Hole" oder "Bag of Holding gedöns!"

Kommt mir auch so vor als wäre das, was in Mietverträgen manchmal drinsteht, auch auf Drachenhorten zutreffen: müssen besenrein übergeben werden,.... darf nichtmal eine Kupfermünze noch rumliegen.

Also ja da bin ich dann als SL etwas "gefrustet"

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.537
  • Username: nobody@home
Bei Alt-D&D-Fassungen ergab einigermaßen detaillierte Traglast ja auch noch Sinn, weil man sich entscheiden mußte, wohinein man die lieber investiert: mehr Ausrüstung, um besser aufs Abenteuer vorbereitet zu sein, oder doch lieber mehr Reservekapazität für die Schätze, die man einsammeln wollte, weil's für die XP gab? Das war zwar in gewisser Hinsicht ein konstruiertes Problem, aber wenigstens nachvollziehbar.

Will ich dagegen "nur" Fantasyabenteuer ähnlich wie in einer gegebenen Vorlage spielen, dann wird das fast automatisch weniger wichtig; Roman-, Film-, und Fernsehfiguren laden sich praktisch automatisch so gut wie nie zuviel auf den Buckel, also kann ich da im Prinzip mit einer einzigen "Wenn ein Charakter offensichtlich zu bepackt ist (einen Kameraden trägt oder so), dann..."-Regel arbeiten und gut ist.

Offline Quaint

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.286
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Quaint
Hmm, also sich ein wenig Gedanken um die Traglast oder Ressourcen zu machen empfinde ich jetzt nicht als Frustquelle.
Unausweichliche Debuffs durch die Umgebung hingegen durchaus. Da bekomme ich uU das Gefühl, dass das ganze ein gezielter Nerf ist, damit die Charaktere nichts mehr auf die Kette kriegen.
Na war ja nicht unausweichlich, hätten auch nachts gehen können (Taschenlampen vorhanden) oder ohne Anzüge (dann halt evtl. bissle Strahlenschäden)

Und klar darf der Frust nicht irgendwann überhand nehmen, wobei da auch die Toleranzen unterschiedlich sind. Ich find aber immernoch, ein wenig Frust kann auch Bereierchung sein. Wenn mich etwa ein NPC so richtig genervt hat, so ein Hass NSC, und dann kann ich mich schön revanchieren und ihm so richtig einschenken, da freu ich mich.
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
,___,
[o.o]
/)__)
-"--"-

Online Edgar Allan Poe

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.309
  • Username: Lovecraft
Eigentlich ist die Antwort klar:

Ist es wichtig fürs Setting/Abenteuer, dann ist Ressourcen-Management (und darunter fasse ich jetzt auch mal Traglast und co.) richtig und gut.

Ist es das nicht ... dann nicht. Da greift bei uns immer "der gesunde Menschenverstand". Wir haben mal in einer Höhle in der absoluten Einöde einen gewaltigen Schatz gefunden. Genug, damit die komplette Gruppe sofort in Rente hätte gehen können. Aber wir hatten keinen Wagen. Im großen Umkreis von mehreren Tagen/Wochen nichts als Wildnis und Gefahren.

Tjo ... da haben wir uns halt "Logisch" die Taschen vollgestopft (und haben von dem ganzen Zeug dann im Laufe der Rückreise auch noch was verloren/zurücklassen müssen). Alles andere blieb in der Höhle zurück.

Das ist wichtig. Das ist Teil der Situation.

Zurück zu deinem Abenteuer: In der Postapokalypse muss ich natürlich zusehen, dass ich mein Zeug zusammenhalte. Sprich: Du hast das schon richtig gemacht. Ich hätte gegebenenfalls die Gruppe mal auf Intelligenz würfeln lassen, wenn sie in Strahlenschutzanzügen in die Hitze wollen und ihnen dann näher gelegt, dass das Nachts doch klüger wäre. Manchmal haben Spieler einfach ein Brett vorm Kopf.
« Letzte Änderung: Heute um 15:45 von Edgar Allan Poe »
Den Akkusativ zu nutzen ist sexy.

Offline Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.704
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Was du hier "Frust" nennst, scheint für mich eher gewollter Teil des Spiels zu sein. Also z.B. Teil der Herausforderung oder auch Teil des Flairs. Da gibt es sicherlich irgendwo eine Grenze, aber ich denke, das ist so ähnlich wie bei Videospielen: ob du Spaziergang oder Hardcore Modus wählst.
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline Maarzan

  • Mythos
  • ********
  • Beiträge: 9.315
  • Username: Maarzan
Frust, wo man sich als Figur sagt: Ey, das hätte jetzt wirklich nicht so laufen brauchen, ist OK und macht dann Erfolge um so süßer.
Frust, weil du als Spieler nicht nachvollziehen kannst, warum das jetzt so mies gelaufen ist, oder auch die Erklärungen dazu nicht sinnig findest, eher nicht.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...