Daraus folgt auch, dass man immer nach Regeln spielt.
In dieser allgemeinen Form ist es allerdings nur eine Anwendung von Ursache-Wirkungs-Prinzipien: Menschen haben es so an sich, daß sie auf Ursachen (Spielsituationen) regulär handeln; irreguläres Verhalten gilt als entweder "kindisch" oder "genial" oder "verrückt".
Beispiel: Eine Runde befolgt die Regel: "Widersprich dem Spielleiter nicht." Ein neuer Spieler kommt dazu. Er ist dabei, während die anderen Spieler zuweilen frustriert dreinschauen, wenn der Spielleiter Entscheidungen trifft, die ihnen offenbar nicht passen, aber sie diese hinnehmen. Er nimmt dies Verhalten also wahr, muß sich der Beobachtung aber nicht bewußt werden; sie kann auch beiläufig erfolgen. Aber auch dann kann sie bewirken, daß er Entscheidungen des Spielleiters hinnimmt, ohne zu widersprechen. Er muß also nicht
wissen, daß es sich um eine
Regel handelt, sofern er sich leicht anpasst an Gegebenheiten, die seine Umgebung ihn wahrnehmen läßt.
Wenn ein Spieler (z.B. der SL) bestimmte Regeln konsequent anwendet, die übrigen Spieler dies aber nicht überblicken und bei ihren Entscheidungen nicht berücksichtigen, spielt dann die Gruppe noch „nach den Regeln“?
Das hängt davon ab, ob es zu Entscheidungen führt, die
eo ipso regelwidrig sind. Solange sie das nicht sind... ist es eine Frage, ob man "spielt nach Regeln" als ontologischen oder als phänomenologischen Begriff verwendet. Ontologisch spielt uU nur der Spielleiter "nach den Regeln", phänomenologisch die ganze Gruppe.
Wenn Entscheidungen so getroffen werden, daß die sich ergebende Situation regeltechnisch "unzulässig" wäre, hängt es davon ab, wie der Spielleiter reagiert. Modifiziert er die Entscheidung so, daß die Regeln ohne Bruch anwendbar sind, und führt das Spiel entsprechend weiter, wurden die "technischen" Regeln gehalten; ist die Runde der Ansicht, daß es so am besten geht, bricht er auch keine soziale Regel. Ist also in den Regeln nur festgelegt, wie auf eine Spielerentscheidung zu reagieren ist, wurden die Regeln auch in diesem Fall gehalten; lediglich, wenn es Regeln gibt, die besagen, daß ein Spieler kein "regeltechnisch verbotenes" Ansinnen formulieren darf, hat der Spieler diese Regel gebrochen, d.h. nicht "nach den Regeln gespielt".
Aber wie sieht ein Regelwerk aus, das mit der Prämisse entwickelt wird, dass gar nicht alle die Regeln kennen? ... Wenn Spieler ohne deren Kenntnis spielen, naja, welchen Einfluss hat ein „Design“ dann noch?
Grafisches Design? Eventuell gar keinen, oder jedenfalls nur einen indirekten. Regeldesign dagegen spiegelt sich immer auch in dem Einfluß wieder, den es nimmt.
Beispiel: Nehmen wir ein Spiel, dessen Charaktergenerierungssystem schwierig ist (obehalb von DSA, Rolemaster oder so). Die Spielschreiber haben darum eine Charaktererschaffungsprogramm erstellt, das die Charaktere nach Vorgaben und unter Zuhilfenahme von Zufallskomponenten erstellt. Die Charaktererschaffungs-Regeln sind den Spielern und sogar dem Spielleiter also unbekannt; die Generierung erfolgt in einer "Black Box". Man kann gewiß Regelhaftigkeiten erkennen, wenn das Spiel halbwegs plausibel funktionieren sollte, etwa daß die Vorgabe "Kämpfer" zu Charakteren führt, die "gute Kampfwerte" haben. Nun kann es sein, daß es regulär keine anderen Werte für Kämpfer gibt. Das wäre ein gutes Design für ein Spiel, das
entweder rein kampfbezogen ist und "Kämpfer" als Synonym zu "kämpft mit körperlichen Waffen" versteht und daneben etwa den "Magier" stellt, der mit Zaubern kämpft,
oder dem Kämpfer die Nische "Kampf" zugeteilt hat und daneben den "Magier" als Universalgelehrten hat, der zwar nicht kämpen kann, aber dafür was weiß. Für ein Spiel, in dem der Kämpfer auch nach Regeln sozial interagieren und sich dabei auf Wissensfertigkeiten beziehen soll, wäre es dagegen ein schlechtes Design, weil die Regeln sich auf keinen spezifischen Charakterwert beziehen können. Das inhaltsbezogene Design macht also auch dann noch einen Unterschied.